San Diego, CA, Frühling 2019:
Seit unserem gemeinsamen Besuch bei Commander Brown, dem Navy-Psychologen, waren einige Wochen vergangen. Langsam merkte man bei Pam eine leichte Besserung, die auf das Anschlagen der Medikamente zurückzuführen war. Bei den Therapiesitzungen war Pam unterschiedlicher Meinung. Die Einzelsitzungen bei Cmdr. Brown fand sie gut und sie meinte, dass ihr diese helfen würden. Die Gruppensitzungen hasste sie stattdessen. „Was ist denn so schlimm daran?“ „Du sitzt da mit wildfremden Leuten im Stuhlkreis und sollst dann vor denen deine innersten Gefühle ausbreiten. Das kann ich nicht.“ Da ich mich in jeder freien Minute, die ich nicht mit Pam oder Tim verbringen konnte, über ihre Krankheitsbilder schlau gemacht hatte, verstand ich inzwischen, was damit bezweckt wurde. „Schatz, die Gruppen sind nicht ganz unwichtig. Erstens siehst du, dass du damit nicht alleine bist, sondern dass es viele Leute gibt, die das gleiche, oder ähnliche Probleme haben. Und zweitens kannst du Erfahrungen austauschen. Vielleicht sind andere Leute schon viel weiter und können dir aus eigener Erfahrung sagen, wie du aus dem Loch wieder rauskommst.“ „Ja, ja.“ Sagte Pam. „Das hast du gut gelernt. Das haben die mir auch schon erzählt.“ „Wo ist dann das Problem?“ „Erstens kenne ich die Leute nicht. Wie soll ich denen dann vertrauen. Weiß ich, wem die das alle erzählen?“ „Ich denke, das heißt, was in der Gruppe erzählt wird, bleibt in der Gruppe.“ „Schon. Aber weißt du das so genau?“ „Die anderen erzählen dir doch genauso von ihren Problemen.“ „Damit komme ich zum zweiten Punkt. In der Depressionsgruppe geht das ja noch, da haben die Anderen wirklich ähnliche Probleme. In der Angstgruppe hab ich noch keinen gesehen, der auch ein Problem hat, wie ich.“ „Vielleicht kommt das noch.“ „Glaube ich nicht. In der Depressionsgruppe sind wenigstens noch zwei andere Soldatenfrauen. Die sind aber eher überfordert, weil die Männer auf See sind und sie hier keine Angehörigen haben. In der Angstgruppe sind nur Soldaten, die Probleme haben. Das ähnlichste ist da vielleicht noch die Angst, jemanden zu töten.“ „Du solltest dir das trotzdem mit anhören. Es geht ja nicht darum, welche Angst der entsprechende hat, sondern eher darum, wie man die Ängste überwinden kann.“ „Du klingst schon fast, wie Cmdr. Brown.“ „Dann kann es ja nicht ganz falsch sein, was ich sage.“ „Ja, Sir. Professor, Sir.“ Sagte sie spöttisch, wofür ich sie erstmal durchkitzelte.
Pam kümmerte sich aber wieder mehr um Tim, den sie sehr liebevoll behandelte. Wenn sie zu den Therapien musste, kümmerten sich die Omas um Tim. Je nachdem, ob Mom gerade hier war, oder in Sacramento, war es dann meine oder Pams Mom. Bei mir hatte sich nicht viel geändert. Zumindest schlief ich wieder besser. Meine Leistungen und die Quote der von mir ausgebildeten erfolgreichen Absolventen stieg auch wieder auf den gewohnten Stand an. Manche Rekruten musste man eben sprichwörtlich durch die Ausbildung prügeln oder gleich aussondern. So hatte sich auch SgtMaj Baldwin wieder beruhigt und es war keine Rede mehr von Versetzung. Der Frühling verging und der Sommer kam.
Eines Abends kam ich nach Hause und Pam war richtig kribbelig, als sie mich begrüßte. „Hallo Sweetheart. Was gibt’s?“ „Wir haben eine Einladung bekommen.“ Sie reichte mir eine Karte:
Wir heiraten – Keela Ryan & Marc Murdock.
Die Trauung findet am 20.08.2019 um 10:00 a.m. in der Cathedral of the Blessed Sacrament, 1017 11th Street, Sacramento, CA statt.
Die anschließende Feier findet im Hyatt Regency Sacramento, 1209 L Street, Sacramento, CA statt, wo für unsere auswärtigen Gäste ab dem 19.08. auch Zimmer reserviert sind.
Auf der Rückseite der Karte stand handschriftlich: „Hallo ihr drei, wir würden uns sehr freuen, wenn ihr zu unserer Hochzeit kommt. Ihr seid herzlich eingeladen. Keela & Marc.“ Ich staunte nicht schlecht. „Mein kleiner Bruder heiratet. Und das auch noch mit Steel.“ „Wahrscheinlich, weil Keelas Eltern Geld haben.“ „Kann sein. Aber das werden wir wohl nicht sehen.“ „Warum denn nicht?“ „Weil da ein gewisser Frank Murdock auch anwesend sein wird.“ „Willst du deswegen kneifen?“ fragte mich Pam. „Ich denke, du bist ein Marine und du kennst keine Angst.“ „Ich hab auch keine Angst vor Frank Murdock. Ich möchte nur meinem Bruder die Hochzeit nicht versauen.“ „Okay. Aber Keela und Marc haben uns ausdrücklich eingeladen. Ich habe ihn als vernünftigen, jungen Mann kennengelernt. Meinst du nicht, dass er das berücksichtigt hat?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ „Dann ruf Marc an und sprich mit ihm. Er wird dir schon sagen, wie er sich das vorstellt.“ „In Ordnung.“
Ich nahm unser Telefon und wählte Marcs Nummer. „Hey Steve.“ Meldete er sich erfreut. „Ich vermute, ihr habt unsere Einladung bekommen.“ „Stimmt. Wo bist du denn gerade?“ „Zu Hause. Ich mache gerade meinen Reset.“ „Gut, dann hast du ja Zeit.“ „Habe ich. Wie sieht’s aus? Kommt ihr zur Hochzeit?“ „Bist du denn sicher, dass ihr uns dahaben wollt?“ „Hätten wir euch sonst eingeladen?“ „Auch wahr. Ich weiß nur nicht, was Dad davon hält.“ „Das ist unsere Feier. Entweder, er akzeptiert, dass Ihr da seid, oder er kann gehen. Wir dulden keinen Streit unter unseren Gästen. Wer den anfängt, kann gehen.“ „Du würdest unseren eigenen Vater rauswerfen?“ „Bevor er die Hochzeit versaut. Und ich vermute mal, du bist als Marine diszipliniert genug, dass du keinen Streit anfängst.“ „Worauf du einen lassen kannst.“ „Dann kann ich das als Zusage betrachten?“ „Ich denke schon.“ „Wenn euch das lieber ist, platzieren wir euch in der Kirche und auf der Feier bei den Ryans. Dann merkt Dad vielleicht nicht mal, dass ihr da seid.“ „Klingt gut.“ „Okay. Keelas Familie ist total nett. Ihre großen Brüder und ihr Dad sind etwas hemdsärmelig, wenn du verstehst, was ich meine. Aber damit solltest du als Drill Instuctor keine Probleme haben.“ „Ganz im Gegenteil.“ „Okay. Dann freuen wir uns, dass ihr kommt. Grüß deine Familie von mir.“ „Mache ich. Viele Grüße an Keela.“ Werde ich ausrichten.“
Als ich aufgelegt hatte, fragte Pam: „Was ist jetzt?“ „Wir fahren im August nach Sacramento zur Hochzeit.“ „Das ist ja toll. Dann muss ich morgen einkaufen gehen. Wir brauchen ja für Tim und mich was zum Anziehen.“ „Für mich auch.“ „Gehst du nicht in Galauniform?“ „Nein. Marc und ich haben beschlossen, dass wir uns unter die Ryans mischen. Dann fällt Dad vielleicht gar nicht auf, dass wir da sind.“ „Das heißt?“ „Ich brauche einen schwarzen Anzug.“ „Den kriegen wir auch noch.“
In den nächsten Tagen gingen wir dann einkaufen. Pam fand ein richtig schickes Kleid, in dem sie elegant und gleichzeitig sexy aussah. Für Tim fanden wir auch festliche Kleidung, die aber auch richtig süß war. Die kauften wir aber noch eine Nummer größer, weil er bis zu der Hochzeit noch etwas wachsen würde. Für mich fanden wir dann einen zeitlosen, schwarzen Anzug, den man für alle Gelegenheiten brauchen konnte. Egal ob für eine Hochzeit, Beerdigung oder sonstige Anlässe.
Während der nächsten Zeit machte Pam bei Ihren Therapien weitere Fortschritte. Inzwischen akzeptierte sie auch, dass die Gruppentherapien ihren Sinn hatten.
Bei mir änderte sich eigentlich nichts. SgtMaj Baldwin bollerte mal wieder rum, als er meinen Urlaubsantrag für die Hochzeit von Keela und Marc auf dem Tisch hatte, akzeptierte ihn aber trotzdem. „Ich verstehe nur nicht, warum Sie gleich eine Woche freihaben wollen.“ „Wenn ich schon nach Sacramento fahre, soll sich das auch lohnen.“
Etwa vier Wochen vor der Hochzeit war Mom mal wieder zu Besuch. Wir saßen zusammen am Esstisch und Mom fütterte Tim. Dieser strahlte Mom an und immer, wenn er den Mund frei hatte sagte er „Granny.“ Mom war mindestens genauso stolz, wie ich, als Tim das erste Mal Daddy gesagt hatte. „Übrigens. Dein Vater wird wohl nicht zur Hochzeit kommen.“ Sagte Mom auf einmal. Mir fiel erstmal der Löffel aus der Hand. „Wie jetzt?“ „Am 19. Und 20. August sind wohl irgendwelche wichtigen Besprechungen in Bentonville. Er fliegt Sonntag schon nach Arkansas und kommt wohl erst Mittwoch oder Donnerstag wieder.“ „Er verpasst die Hochzeit seines Sohnes für eine Geschäftskonferenz?“ wunderte sich Pam. „Genauso ist er.“ sagte ich verächtlich. „Völlig falsche Prioritäten.“ „Da muss ich Steven zustimmen.“ Sagte Mom. „Ich habe ihn, als er mir das gesagt hat, angeschrien, wie noch nie und ihm sogar eine Ohrfeige gegeben.“ „Mom.“ Sagte ich. Musste mir aber das Lachen verkneifen. „Mary, du wirst ja noch richtig tough.“ Meinte auch Pam. „Tja. So perfekt, wie er glaubt, ist Mr. Frank Murdock leider nicht.“ „Und trotzdem liebst du ihn.“ „Er war ja nicht immer so. Als ihr drei noch klein wart, hattet ihr noch einen guten Vater.“ Das musste ich zugeben, ob ich wollte, oder nicht. „Die ersten zwanzig Jahre unserer Ehe waren noch richtig schön. Danach hat sich Frank immer mehr verändert.“ „Je mehr Karriere, je weniger Menschlichkeit.“ Sagte ich. „Und genau darum geht es wohl auch bei der Konferenz.“ „In wie fern?“ „Ach, ich habe ihm gar nicht richtig zugehört. Er hat mir irgendwas von seinem Boss erzählt, dann noch irgendwas von Washington. Keine Ahnung.“ „Ist ja auch egal.“ „Wenn Frank nicht da ist, können wir bei der Hochzeit auch bei deiner Familie sitzen.“ Meinte jetzt Pam. „Das müsste gehen.“ „Das wäre doch schön. Dann sitzen wir bei dir, Mary und bei Jessy und Dave.“ „Ich glaube die Sitzordnung plant Eireen.“ „Wer ist das?“ „Keelas Mutter. Wir teilen uns die Organisation der Feier. Traditionell zahlen ja die Brauteltern die Hochzeitsfeier. Daher läuft das auch alles eine Nummer größer. Da Eireen aber nicht in Sacramento ist, sondern in Saint Paul, macht sie einen großen Teil der Planungen und ich setze das dann vor Ort um.“ „Ich hatte mal gehört, dass die Ryans eigentlich eher bescheiden leben und nicht so mit ihrem Geld auf den Putz hauen.“ „Das stimmt auch. Sie haben aber auch nur eine Tochter unter ihren vier Kindern. Daher wird da für Keela ein wenig mehr aufgefahren.“ „Ach so.“
Mom nahm ihr Handy und suchte eine Nummer in Ihrem Telefonspeicher. Dann ließ sie die Verbindung aufbauen. „Hallo Eireen. Mary Murdock hier. Ich hoffe, ich störe nicht… …gut. Es geht nochmal um die Sitzordnung… …, dass Frank wohl nicht dabei ist, weißt du ja schon… …genau. Dann müssen Steven, Pamela und Timothy ja auch nicht bei euch sitzen… …irgendwo bei Jessica und David… …das klingt gut… …dann noch einen schönen Abend. Grüß deine Familie. Bye.“
Sie beendete das Telefonat. „Eireen ändert das.“ Sagte sie. „Klingt gut.“ Sagte ich. „Wer braucht auch schon Dad bei der Hochzeit.“ „Ich hätte deinen Vater schon gerne dabei.“ Sagte Mom traurig. „Natürlich. So meinte ich das auch nicht.“ „Ich weiß schon, wie du das meintest.“
Die nächsten Wochen waren wieder Alltag. Über Tag war ich die ganze Zeit am Stützpunkt und bildete meine Rekruten aus. Pam hatte mal bessere, mal schlechtere Tage. Das war aber wohl normal. Das Wichtigste war, dass sie regelmäßig an ihren Therapien teilnahm und das tat sie.
Tim war inzwischen ein richtiger Wirbelwind. Seine Neugier und sein Entdeckungsdrang kannten bald keine Grenzen. Bevor man sich versah, war er schon wieder ausgebüxt und versuchte was Neues zu entdecken. Dabei sprach er auch immer besser. Ich war richtig stolz auf meinen Sohn.
Schließlich war es dann soweit. Die Woche mit dem großen Tag brach an.
Montag, den 19. August 2019, San Diego, CA:
Das frühe Aufstehen war ich ja gewohnt. Pam hatte da schon eher Probleme mit. Wir standen auf und machten uns fertig. Dann saßen wir in der Küche und frühstückten. Tim wurde dabei von Pam gefüttert. „Freust du dich auf Sacramento?“ fragte sie mich. „Es sind mal wieder gemischte Gefühle. Einerseits ist es schön, mal wieder in die Heimat zu kommen, andererseits kommen da auch wieder schlechte Erinnerungen hoch.“ „Verstehe ich.“ Sagte Pam. „Selbst mir geht das so. Es ist zwar fast zwei Jahre her, dass wir da waren, aber die Situation bei deinem Elternhaus ist doch sehr präsent.“ „Und ich habe da noch ein paar böse Erinnerungen mehr.“ „Logisch.“ „Zum Glück ist die Hochzeit ja an einem neutralen Ort.“ „Kennst du die Kirche und das Hotel?“ „Beides nur von außen. Damals war ich ja noch nicht katholisch, daher kenne ich die Kirche nicht näher. Von dem Hotel weiß ich nur, dass es vier Sterne hat und dass es nur fünf Minuten Fußweg zur Kirche sind.“ „Wo ist das denn in Sacramento?“ „Erinnerst du dich noch an den State Capitol Park?“ „Natürlich.“ „Direkt daneben. An der Nordseite des Parks.“ „Das ist ja toll. Dann können wir uns da nachher noch etwas Bewegen nach der langen Fahrt.“ „So ist es geplant.“
Nach dem Frühstück packten wir noch die letzten Sachen in die Koffer. Die Kleidung für die Hochzeit kam aber in so Kunststoffhüllen. Im Koffer würden sie zu sehr knittern. Ich räumte dann alles in den alten H2, dann konnten wir los.
Es ging dann wieder auf die Interstate 5 in Richtung Norden. Erst lief es noch ganz gut, bei Los Angeles hatten wir dann aber schlechtes Timing bewiesen. Wir landeten genau im morgendlichen Berufsverkehr.
„Geht ja gut los. Montagmorgens in der Rush Hour durch LA.“ „Was ist das für eine miserable Planung, Gunny.“ Äffte Pam meine Vorgesetzten nach. „Sie sind eine Schande für das US-Marine Corps.“ „Ma’am, ja Ma’am“ machte ich den Spaß mit.
Der Verkehr lief stockend. So brauchten wir zwei Stunden, bis wir den Bereich Los Angeles hinter uns gelassen hatten und den Tejon Pass hinauffuhren.
Es ging erstmal weiter. Am TA Truckstop in Buttonwillow hielten wir dann an, um eine Mittagspause zu machen. Diese verbrachten wir im Taco Bell. „Wenn schon Fastfood, dann wenigstens mexikanisch.“ Lachte Pam. Tim fütterte sie aber dann doch lieber mit Essen, welches sie zu Hause vorbereitet hatte.
Eine dreiviertel Stunde später machten wir uns dann aber wieder auf den Weg. Wir hatten noch über 250 Meilen Fahrt vor uns.
Die Fahrt lief jetzt aber gut. Wir kamen aber auch nicht durch dicht besiedelte Gebiete. Das kam dann erst wieder am Spätnachmittag, als wir Stockton erreichten. Natürlich erwischten wir nun wieder die Rush Hour. Diesmal die, zum Feierabend Berufsverkehr. Etwa eineinhalb Stunden später hatten wir es dann aber endlich geschafft.

Wir fuhren erstmal direkt vor den Haupteingang, wobei mir mein alter H2 etwas peinlich war. Wir stiegen aus und Pam holte Tim aus dem Kindersitz. „Willkommen im Hyatt Regency Sacramento. Darf ich Ihr Gepäck nehmen?“ begrüßte uns ein Page. „Danke.“ Ich holte unser Gepäck aus dem Hummer und setzte diesen dann erstmal zur Seite. Anschließend gingen wir zur Rezeption. Die Rezeptionistin war eine Dame, ende Vierzig, die einen sehr kompetenten Eindruck machte. „Herzlich Willkommen im Hyatt Regency Sacramento. Haben Sie reserviert?“ „Guten Abend, Ma’am. Sie sollten eine Reservierung auf Familie Steven Murdock haben.“ „Gehören Sie zu der Hochzeitsgesellschaft?“ „Korrekt.“ „Hier habe ich es. Zwei Erwachsene, ein Kind. Würden Sie mir bitte die Anmeldung ausfüllen?“ Ich füllte die Anmeldungen aus. „Ich möchte Sie gerne noch auf unseren Fitness- und Wellness Bereich aufmerksam machen. Für Gäste natürlich kostenlos. Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Falls Sie noch Informationen zu Sehenswürdigkeiten in Sacramento und Umgebung benötigen, stehen wir Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.“ „Vielen Dank. Das ist nicht nötig. Ich bin hier aufgewachsen.“ Sie wandte sich an den Pagen mit unserem Gepäck: „Zimmer 735.“
Wir folgten dem Pagen zum Lift und fuhren in den siebten Stock. Dann brachte er uns zu unserem Zimmer. Es war ein durchaus hochwertig eingerichtetes Doppelzimmer. Natürlich stand auch wieder ein Kinderbett für Tim im Zimmer. Die Aussicht aus dem Zimmer war auch toll. Wir schauten direkt auf das State Capitol.
Nachdem wir ausgepackt hatten, setzten wir Tim in den Kinderwagen. Wir wollten eine Runde im State Capitol Park drehen. Tim protestierte: „Selber laufen.“ Sagte er immer wieder. Pam beruhigte ihn aber. „Du kannst gleich auch selber laufen. Aber erst im Park.“ Er weinte ein wenig, ließ es dann aber zu, dass Pam ihn im Wagen festmachte.
Wir fuhren mit dem Lift in die Lobby und verließen das Hotel. Dann einmal über die Straße und schon waren wir im State Capitol Park. Hier ließ Pam dann Tim auch wieder aus dem Kinderwagen. „Aber du bleibst an Mamas Hand.“ Sagte sie streng. Mir wurde dann die Aufgabe zuteil, den leeren Kinderwagen zu schieben, während Tim an Pams Hand daher tippelte. Irgendwann war er dann aber müde und wollte doch wieder in den Wagen.
Zurück im Hotel, gingen wir wieder aufs Zimmer. Da wir an diesem Abend nicht mehr mit Tim in irgendein Restaurant wollten, nutzten wir den Zimmerservice für ein kleines Abendessen. Anschließend brachte Pam dann Tim ins Bett und ich ging nochmal in den Fitnessraum des Hotels, um mich noch etwas auszupowern. Anschließend kuschelten Pam und ich noch etwas, bis wir dann einschliefen.
In der Nacht schreckte Pam dann wieder hoch. Sie hatte wieder mal einen, ihrer Alpträume. Ich nahm sie dann in den Arm, wo sie sich weinend ankuschelte. Irgendwann schliefen wir dann wieder ein.
Dienstag, den 20. August 2019, 6:00 a.m. PDT, Sacramento, CA:
Ich war, wie üblich früh aufgestanden. Hatte mir dann nur schnell die Zähne geputzt und mich dann in die Sportsachen geworfen. Dann verließ ich das Hotel und machte eine ordentliche Laufrunde in und um den State Capitol Park.
Es war dann 6 Uhr, als ich wieder ins Hotel kam. Ich fuhr aufs Zimmer und ging unter die Dusche. Anschließend weckte ich dann sanft meine Süße. Aufgrund der vergangenen Nacht fühlte sich Pam mal wieder wie gerädert. Sie schlurfte dann aber ins Bad. In diesem Moment hörte ich ein „Daddy“ aus dem Kinderbettchen. Tim war auch wachgeworden. Ich holte den kleinen aus dem Bettchen und nahm in mit in unser Bett, wo ich mit ihm ein wenig herumtobte.
Als Pam dann aus dem Bad kam, zogen wir uns was an und gingen erstmal frühstücken.
Im Frühstücksraum des Hotels nahmen wir uns einen Tisch in der Ecke. Für Tim gab es einen Kinderhochstuhl. Dann gingen Pam und ich abwechselnd an das reichhaltige Frühstücksbuffet. Während wir dann aßen fiel mein Blick auf eine größere Gruppe von Leuten, die zusammen an einem großen Tisch saßen. Bei den Männern waren drei dabei, die groß und kräftig gebaut waren. Einer war etwa in Dads alter, die beiden Anderen waren eher so Ende zwanzig, Anfang dreißig. Diese könnte ich mir auch gut in der Uniform der Marines vorstellen. Die Wortfetzen, die herüberdrangen, waren geprägt von einem deutlichen Midwest Akzent. „Das könnte Keelas Familie sein.“ Sagte ich zu Pam.
Auf einmal stand eine Frau in Moms Alter auf und kam in unsere Richtung. Als sie näherkam, fiel mir auch die Ähnlichkeit zu Marcs Verlobten auf. Nur, diese Frau war blond und hatte nicht so viele Sommersprossen.
„Entschuldigen Sie die Störung. Sind Sie zufällig Marcs Bruder.“ „Das stimmt. Steve Murdock, meine Frau, Pam und mein Sohn Tim.“ „Ich bin die Mutter der Braut. Eireen Ryan. Es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Sie gab uns die Hand. „Sie sitzen hier so alleine.“ Fuhr Eireen fort. „Möchten Sie nicht zu uns herüberkommen?“ Ich schaute fragend zu Pam. Sie zuckte aber nur mit den Schultern. Also entschied ich das. „Gern.“ Sagte ich. Wir nahmen dann unsere Sachen und gingen zu den Ryans rüber. Eine Frau vom Personal brachte uns dann auch den Hochstuhl hinterher.
Eireen stellte uns dann den engeren Teil der Ryan Familie vor. Also Angus, Pat, Ken, Liam und Alice. Es waren aber auch noch zahlreiche Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins und weitere Angehörige von Keela mit dabei. Außerdem wohl auch noch ein paar Freunde von Keela aus Minnesota. Eireen musste wohl einen Bus gechartert haben, um den ganzen Anhang vom Flughafen zum Hotel zu bringen.
„Wie viele Leute kommen eigentlich zu der Hochzeit?“ fragte Pam überrascht. „Irgendwas zwischen 200 und 300 Personen.“ Brummte Angus. „Das geht bestimmt ganz schön ins Geld.“ Meinte Pam. „Das ist mir meine Tochter wert.“ Sagte Angus.
Als wir unser Frühstück fortsetzten, klingelte auf einmal Eireens Handy. „Ryan.“ Meldete sie sich. „Hallo Mary… …wie bitte?… …dann müssen wir die ganze Sitzordnung wieder ändern?… …ich werde es versuchen. Wir sind ja im Hotel… …mach dich nicht verrückt, wir kriegen das hin… …alles Gut. Bis nachher, Mary.“ Sie beendete das Telefonat.
„Was ist jetzt schon wieder?“ fragte Angus und verdrehte die Augen. „Frank kommt doch. Wahrscheinlich noch nicht in die Kirche, aber auf jeden Fall zur Feier.“ „Ich denke, der hat so wichtige Termine in Arkansas.“ Brummte Angus, dem man ansah, dass ihm dieses ganze Theater sichtlich auf die Nerven ging. „Frage mich nicht wie.“ Sagte Eireen. „Aber irgendwie hat er es wohl geschafft, die Themen, die ihn betreffen, gestern abzuarbeiten. Auf jeden Fall ist er wohl gestern Abend noch von Fayetteville nach Dallas geflogen und fliegt heute Morgen weiter nach Sacramento.“ „Wann ist er dann hier?“ „Mary meinte gegen Mittag.“ „Was musst du denn dann ändern?“ „Die Sitzordnung hier im Hotel. Mary meint, die Feier könnte aus dem Ruder laufen, wenn Frank die drei hier sieht.“ „Wenn Frank die Hochzeit meiner Tochter versaut, dann bekommt er es mit mir zu tun.“ Grollte Angus. „Es wäre am besten, wenn Keela und Marc davon gar nichts mitbekommen.“ „Ach was.“ Brummte Angus. „Marc ist ein zäher Bursche und Kee ist meine Tochter. Die können das ab.“ „Trotzdem soll diese Hochzeit der schönste Tag im Leben der beiden werden.“ „Das wird er. verlass dich drauf.“ Eireen ging dann trotzdem zur Rezeption und sprach die Änderungen für die Feier ab.
Als sie wiederkam, lächelte sie. „Okay, ihr drei.“ Sagte sie zu uns. „In der Kirche bleibt alles beim Alten. Da ist Frank sowieso noch nicht da. Selbst, wenn er am Vormittag schon hier landet, muss er ja noch nach Hause und sich umziehen. Während der Feier, hier im Hotel, sitzt ihr dann irgendwo zwischen unserer Familie. Das sind so viele, dass Frank das gar nicht auffallen sollte.“ „Okay.“
Nach dem Frühstück gingen wir wieder auf unser Zimmer. Dort zogen wir uns dann um. Wir hatten gestern auch nochmal den Service des Hotels genutzt und unsere Sachen bügeln lassen.
Während ich mich anzog, machte Pam erstmal den kleinen fertig. Als Tim und ich angezogen waren, sagte sie: „Pass auf, dass Tim sich nicht einsaut.“ Dann machte sie sich selbst fertig. Nachdem sie das Kleid anhatte und sich geschminkt hatte, sah sie mal wieder umwerfend aus. Normal trug sie kein Makeup, da sie auch ohne verdammt hübsch war. So wirkte es aber noch eine ganze Spur eleganter.
Gegen halb Zehn trafen wir uns dann mit dem ganzen Minnesota Anhang und gingen gemeinsam zur Cathedral of the Blessed Sacrament rüber. Die Kathedrale war eine der schönsten Kirchen, wenn nicht die schönste Kirche der kalifornischen Hauptstadt. Sie wurde im Jahr 1889 erbaut.

Die Ryans, die ja aus der Baubranche waren, bewunderten auch erstmal die Architektur der Kathedrale. „Es ist doch schön, dass Keela in einer solch schönen Kirche heiratet.“ Sagte Eireen. „So gehört sich das für eine Ryan.“ Sagte Angus, der in seinem Anzug irgendwie verkleidet wirkte. Ebenso wie Pat und Ken.
Gegen viertel vor Zehn kam dann eine weiße Stretch Limousine an, aus der dann Marc und Mom stiegen. Marc hatte sich in unserem Elternhaus fertig gemacht, damit er Keela, die sich in Marcs und Keelas Wohnung fertigmachte, nicht vor der Trauung schon im Brautkleid sah. Keela wurde dabei von Jessy und ihrer Freundin Stella unterstützt.
Kurz vor Zehn kamen dann Jessy, David und eine junge, blonde Frau, offensichtlich Stella, an. So Damenhaft, wie Jessy heute aussah, hatte ich mein Schwesterchen noch nie gesehen.
Nachdem wir uns begrüßt hatten, fragte ich: „Wo habt ihr die Braut gelassen?“ „Die kommt sofort.“ Sagte Jessy grinsend. Mom und Dave, der die Rolle des Best Man, dem Trauzeugen innehatte, geleiteten Marc schon mal in die Kirche und die meisten Gäste gingen auch schonmal rein.

Wir blieben noch draußen bei Jessy und den Ryans. Auf einmal ertönte ein Lufthorn und ein festlich geschmückter, weißer Kenworth W900 kam die 11th Street entlang. Als die Zugmaschine, mit ihren zahlreichen, glänzenden Chromteilen vor der Kirche hielt, erkannte ich auch die Schriftzüge auf der Tür. Unter dem Walmart Schriftzug stand: M.M. Trucking, Inc. Sacramento, CA.
Angus ging zum Truck und öffnete die Beifahrertür. Dann half er Keela aus dem Truck, die ein traumhaftes, weißes Brautkleid trug. Der Fahrer des Trucks war nun auch kurz ausgestiegen. Es war ein Mann, Mitte fünfzig, der ebenfalls einen schwarzen Anzug trug. Ich vermutete, dass es George Walker, der angestellte Fahrer von Marc war.
Nun gingen wir ebenfalls in die Kirche. Wir hatten Plätze neben Jessy und Dave bekommen. Die Ryans saßen auf der anderen Seite des Mittelgangs. Kurz darauf erklang die Orgel und spielte den Hochzeitsmarsch.
Einen Moment später wurde dann Keela von ihrem Vater an den Altar geführt. Dann begann die Hochzeitszeremonie, die im Rahmen eines katholischen Gottesdienstes eingefasst war. Dank der gut gefüllten Kirche, klang es auch sehr schön, wenn gesungen wurde. Auch wenn deutlich mehr Stimmen von Seiten der Ryans kamen.
Schließlich kam der Höhepunkt. Der Pastor stand vor dem Brautpaar und stellte nun die entscheidenden Fragen: „Möchtest du, Marc Andrew Murdock, die hier anwesende Keela Elizabeth Ryan zu deiner rechtlich angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben, achten und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?“ „Ja, ich will.“ „Möchtest du, Keela Elizabeth Ryan, den hier anwesenden Marc Andrew Murdock zu deinem rechtlich angetrauten Ehemann nehmen, Ihn lieben, achten und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?“ „Ja, ich will.“ Es folgte die Zeremonie mit dem Anstecken der Ringe, dann fuhr der Pastor fort: „Kraft der mir, von der katholischen Kirche und dem Staat Kalifornien erteilten Befugnis, erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“ Nach dem Kuss wurde die katholische Messe dann fortgesetzt.
Nach dem Gottesdienst ging es dann vor der Kathedrale weiter. Es wurde gratuliert und zahlreiche Fotos wurden geschossen. Ein überglückliches Brautpaar stand am Rande der Stufen und ließ sich geduldig fotografieren. Irgendwann kamen auch wir an die Reihe und durften dem Brautpaar gratulieren. „Wir freuen uns unglaublich, dass ihr an diesem Tag hier seid.“ Sagte Marc zu uns. „Wenn du schon nicht bei unserer Hochzeit warst, mussten wir ja wenigstens zu eurer Hochzeit kommen.“ Antwortete ich grinsend. „Du Nase hast ja auch vergessen uns einzuladen.“ Konterte Marc. „Stimmt auch wieder. 1:0 für dich.“ Jessy gesellte sich zu uns. Gratuliert hatte sie schon. Jetzt wurde es für mein Schwesterchen wieder Zeit, einen dummen Spruch loszulassen: „Ich wusste ja gar nicht, dass du noch einen zweiten Vornamen hast, Keela.“ „Tröste dich, ich auch nicht.“ Grinste Marc. „Den vergesst ihr jetzt auch ganz schnell wieder.“ Sagte Keela und verzog das Gesicht. „Da du ja Kee nicht magst, können wir dich ja in Zukunft Liz nennen.“ Sagte Marc mit schelmischem Grinsen. „Du willst doch die Hochzeitsnacht noch erleben.“ Drohte Keela lachend. „Nenn mich Elizabeth oder Liz und ich töte dich.“
Es wurde noch weiter gescherzt und fotografiert. Keela und Marc mussten sich noch gefühlt 100-mal küssen. Schließlich stand das Brautpaar vor dem W900, den George vorher, wie einen Schatz bewacht hatte. Auch hier wurden noch viele Fotos gemacht. Anschließend half Marc seiner frischgebackenen Ehefrau in den Kenworth und ging selbst zur Fahrerseite. Dann stieg er ein und startete den Motor. Er zog ein paarmal am Seil für die Lufthörner und setzte dann den Truck in Bewegung. Die beiden fuhren dann für eine Runde durch Sacramento.
Wir und der Rest der Gäste gingen dann zum Hotel, wo ein großer Veranstaltungssaal für die Feierlichkeiten gebucht war. Auch George war dabei, der dann später die Zugmaschine wieder übernehmen würde und diese dann zurück zur Firma brachte.
Etwa eine halbe Stunde, nachdem dann auch das Brautpaar bei der Feier angekommen war, erschien dann auch Dad auf der Bildfläche. Er kam in den Festsaal und schaute sich einmal um. Uns entdeckte er dabei offensichtlich nicht, da wir mit Keelas Familie an einem Tisch saßen. Er ging zum Brautpaar, gratulierte den beiden und textete die beiden eine Zeitlang zu. Anschließend setzte er sich an seinen Platz, neben Mom.
Es wurden dann auch ein paar Kleinigkeiten zum Lunch angeboten. Die Meisten ließen den Lunch aber ausfallen, um genug Appetit für den Kuchen und das Dinner zu haben.
Etwas später gingen die Feierlichkeiten in die nächste Phase. Die Väter begannen mit ihren Reden. Es begann mit einer recht langweiligen Rede von Dad, auf die dann eine lustigere Rede von Angus, dem Brautvater kam, die er mit ein paar Stilblüten über Keela schmückte, die die Braut dann doch sehr rot werden ließen.
Zum Abschluss der Rede kam dann folgendes: „Damit ihr beiden auch tatsächlich in den Honeymoon kommt, haben Eireen und ich uns noch was überlegt.“ Er holte einen großen Umschlag hervor. Er nahm einen Zettel heraus von dem er jetzt wohl die Einzelheiten ablas: „Ihr fliegt noch heute Abend in Sacramento ab. Mit einer Zwischenübernachtung in Seattle, leider geht das nicht anders…“ einige lachten. „…geht es dann weiter nach Honolulu, wo ihr morgen Mittag eintrefft. Von morgen bis Samstag wohnt ihr dann in der Hochzeitssuite des Grand Hawaiian Lion Hotels in Honolulu…“ allgemeine ah- und oh- Rufe hörte man. „…da ich aber weiß, was ihr beiden wirklich wollt…“ wieder allgemeines Gelächter. „…geht es dann am Samstag per Mietwagen weiter zum Turtle Bay Resort in Kahuku an der North Shore. Dort bleibt ihr dann nochmal eine Woche. Ich weiß ja, wie du, Keela, unsere gemeinsamen Urlaube im Turtle Bay Resort immer geliebt hast.“ Allgemeiner Applaus. Keela sprang auf und fiel ihrem Vater um den Hals. „Danke Daddy.“ Rief sie überglücklich. Marc stand auch auf und schaute nicht ganz so glücklich drein. „Das sind ja zwei Wochen, in denen ich nichts verdiene. Wer soll denn solange meinen Truck fahren?“ „Ich.“ Erklang auf einmal eine ältere, krächzende Stimme. Marc blickte sich um und seine Miene hellte sich auf. „Joe?“ fragte er überrascht. „Joe Henderson?“ „Genau der.“ Sagte der Alte und kam auch nach vorne. „Dein Dad hat mich schon vor ein paar Wochen angerufen und gefragt, ob ich dich mal zwei Wochen vertreten kann.“ Marc schüttelte ungläubig den Kopf. „Zuerst möchte ich dir aber sagen, wie stolz ich auf dich bin, Junge. Du hast mir vor zwei Jahren meine Firma als völliges Greenhorn abgekauft. Wenn ich sehe, was du aus der Bude gemacht hast, bin ich tief beeindruckt.“ Marc fiel dem alten Kauz um den Hals. „Einverstanden.“ Sagte Marc, mit Freudentränen in den Augen. „Aber wehe der Truck bekommt einen Kratzer.“ Allgemeines Gelächter. „Nachdem nun auch das geklärt ist, dürft Ihr jetzt weiterfeiern.“ Sagte Angus und drückte Keela den Umschlag in die Hand. „Die Reiseunterlagen.“ Sagte er erklärend.
Eine Stunde später wurde die Hochzeitstorte angeschnitten und die Kaffeetafel war eröffnet. Nachdem dann die meisten Gäste fertig waren, hielt Dave, als Trauzeuge seine Rede mit lustigen Stilblüten über Marc, die ihm wohl Jessy gesteckt hatte.
Es folgte der obligatorische Hochzeitstanz und später noch ein paar lustige Spiele, die Jessy und Stella, als Brautjungfern veranstalteten.
Kurz bevor uns das Brautpaar verlassen musste, wurde dann noch vor der Tür der Brautstrauß geworfen. Diesen fing dann eine verdutzt dreinblickende Jessy.
Anschließend stand dann wieder die weiße Stretch Limo bereit, die Marc am Vormittag zur Kirche gebracht hatte. Allerdings hatten Jessy und Dave zwischenzeitlich die obligatorischen Blechdosen und den „Just married“ Schriftzug angebracht. Letzteren natürlich mit abwaschbarer Farbe. Das Brautpaar stieg ein und startete dann in den Honeymoon. Die Gäste gingen zurück in den Festsaal und feierten weiter.
Kurz vor dem Dinner passierte dann etwas, was nicht hätte passieren sollen. Da wir Tim natürlich nicht den ganzen Tag in seinem Hochstuhl sitzen lassen konnten, hatten wir ihn rausgeholt und ein wenig rumlaufen lassen. Pam hatte ihn dabei den ganzen Nachmittag über gut im Blick behalten. Ab und zu kümmerte sich auch mal Keelas Mutter, Eireen um den kleinen.
Dann aber, unterhielten wir uns sehr angeregt mit Keelas Bruder, Liam und seiner Freundin Alice. Dabei achteten wir nicht auf Tim.
Auf einmal war er verschwunden. „Wo ist eigentlich Tim?“ fragte ich Pam. „Ich dachte, du achtest auf ihn.“ Antwortete sie. Wir schauten uns um und sahen ihn erstmal nicht. Auch Eireen wusste nicht, wo der Kleine gerade war.
Dann entdeckte ich ihn, aber es war schon zu spät. Tim tippelte zielsicher auf Mom und Dad zu und war schon fast bei ihnen. Wir hätten ihn niemals rechtzeitig erreicht.
Da Tim seine Großmutter ja gut kannte, schließlich war sie ja oft genug bei uns, ging er zu ihr und kuschelte sich an. Dabei sagte er mehrfach „Granny.“ Mom dachte im ersten Moment auch nicht nach und streichelte Tim über den Kopf. „Na mein Süßer.“ Sagte sie.
Dad ließ bald sein Whiskyglas fallen. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich deutlich. „Was ist das für ein Kind?“ fragte er Mom kalt. Erst in diesem Moment wurde Mom klar, was passiert war. „Was ist das für ein Kind, Mary?“ wiederholte Dad „Granny.“ Sagte Tim wieder arglos. „Mary! Warum nennt dich dieses Kind Granny?“
Mom wurde aschfahl. Pam und ich wussten nicht, was wir machen sollten. Wir saßen, wie festgenagelt auf unseren Stühlen. „Ich möchte eine Antwort, Mary.“ Sagte Dad ruhig, aber drohend. „Granny.“ kam es wieder von Tim, der die Situation ja gar nicht verstehen konnte. „Was zum Teufel ist hier los?“ fragte Dad immer noch mit diesem drohenden Unterton.
Dann platzte es aus Mom heraus. Sie konnte dem Druck einfach nicht standhalten. Sie blieb auch leise, aber man merkte, wie nervös sie war. Mit zitternder Stimme sagte sie: „Dieses Kind nennt mich Granny, weil es so ist. Ich bin nun mal seine Großmutter und dieser Junge ist unser Enkelkind.“ „Mary.“ Sagte Dad immer noch drohend. „Was macht dieses Kind hier und woher kennt es dich?“ Jetzt platzte Jessy, die ja ebenfalls dort am Tisch war, der Kragen. „Dieses Kind, Dad, ist mit seinen Eltern hier und diese wurden von Keela und Marc eingeladen. Ob es dir nun passt oder nicht.“ Da Jessy nicht so leise gesprochen hatte, wie Mom und Dad vorher, bekamen das so einige Leute mit. „Sag, dass das nicht wahr ist.“ Sagte Dad. Pam begann aufgrund der Situation zu zittern. Ich konnte mich jetzt aber nicht um sie kümmern. Ich musste zu meinem Sohn. Angus tat es mir gleich. Während sich Eireen und Alice jetzt um Pam kümmerten, gingen Angus und ich auf Dad zu. Dad stand auf und trat uns entgegen.
Dad blickte mich mit einem hasserfüllten Blick an. „Was zum Teufel hast du hier verloren?“ fragte er mich genauso ruhig und drohend, wie er vorher Mom angesprochen hatte. Bevor ich antworten konnte, machte dies schon Angus. „Dieser Mann und seine Familie sind hier, weil meine Tochter und ihr Mann sie eingeladen haben. Da die beiden schon auf dem Weg in die Flitterwochen sind, antworte ich hier stellvertretend. Sie sind hier herzlich willkommen. Wenn dir das nicht passt, kannst du gerne gehen.“ Dad blickte nun zu Angus. An dem bulligen Bauunternehmer musste er hochblicken. „Du willst mich vor die Tür setzen lassen?“ „Nur, wenn es nicht anders geht. Diese Feier wird von den Brauteltern veranstaltet. Also habe ich hier das Hausrecht.“ Jessy kam um den Tisch und stellte sich zwischen Dad und mich. „Mir reicht dieser dämliche Streit zwischen euch allmählich. Setzt euch endlich zusammen und schafft den Mist aus der Welt. Ich bin nur froh, dass Keela und Marc schon weg sind und das nicht mehr mitbekommen.“
Mir fiel gerade auf, dass es um uns herum mucksmäuschenstill war. Sämtliche Gäste waren ruhig und starrten uns an. „Das bringt ja eh nichts.“ Meinte Dad verächtlich. Jetzt kam Mom auch noch um den Tisch. Sie hatte Tim auf dem Arm und blickte jetzt eiskalt auf Dad. So einen Blick hatte ich bei meiner Mutter noch nie gesehen. „Und ob das Sinn macht.“ Sagte Mom ebenso ruhig und kalt, wie Dad eben. „Ich bin es leid, dass ich seit über einem Jahr immer heimlich nach San Diego fliegen muss, um unseren Sohn und seine Familie zu sehen. Entweder Ihr setzt euch zusammen und sprecht euch aus, oder ich ziehe die Konsequenzen.“ „Was meinst du damit?“ „Ganz einfach. Dann verlasse ich dich und ziehe zu Steven und Pamela nach San Diego.“ „Das wagst du nicht.“ „Und ob. Genau wie der Rest der Familie bin ich das Theater leid.“ „Verstehe. Man will mich hier nicht haben.“ Sagte Dad. „Da setzt man Himmel und Hölle in Bewegung um heute hier in Sacramento zu sein und das ist der Dank.“ „Gar nichts verstehst du.“ Zischte ihn Jessy an. „Schaffe endlich das Thema mit Steve aus der Welt und alles ist gut. Ich verstehe gar nicht was das soll. Mit Marc und mir hast du dich doch auch arrangiert. Steve wollte sich vor zwei Jahren schon mit dir versöhnen, nur du bist so ein alter Sturkopf.“ „Wie redest du eigentlich mit deinem Vater?“ „So, wie es nötig ist.“ Sagte Mom. Dad drehte sich um. Er nahm seine Jacke und verließ die Feier.
Ich nahm Tim und ging, mit Tim auf dem Arm wieder zurück zu Pam, die immer noch zitterte, wie Espenlaub. „Es ist alles gut, mein Schatz.“ Sagte ich sanft zu ihr und legte meinen Arm um sie. „Was ist hier eigentlich los?“ bollerte Angus durch den Raum. „Ist das hier eine Hochzeit oder eine Beerdigung. Hier wird jetzt gefeiert. Meine Tochter hat schließlich geheiratet.“ Die Musik setzte wieder ein und langsam gingen auch die Gespräche zwischen den Gästen wieder los. Wie viele sich jetzt über das eben erlebte das Maul zerrissen, wollte ich allerdings gar nicht wissen.
Allmählich beruhigte sich Pam dann auch wieder. Etwas später holte uns Jessy dann an den Tisch, wo Sie und Mom auch saßen. „Mom, ich bin megastolz auf dich.“ Sagte Jessy. „Tja, jetzt ist es raus.“ Sagte Mom mit zittriger Stimme. „Was macht er jetzt wohl?“ fragte ich Mom. „Das ist nicht schwer.“ Sagte Mom. „Der sitzt jetzt zu Hause und kippt sich ein, zwei Flaschen Bourbon rein.“ Jessy nickte zustimmend. Langsam wurde die Stimmung dann auch wieder besser.
Eine Stunde später sagte Pam dann in die Runde: „Tim muss ins Bett. Ich gehe mit ihm aufs Zimmer.“ „Kommst du wieder runter?“ fragte Jessy. „Eher nicht. Es ist besser, wenn ich bei ihm bleibe. Ist ja eine ungewohnte Umgebung für ihn.“ „Ist bei dir alles in Ordnung, Sweetheart?“ fragte ich sie. „Es geht.“ Sagte sie. „Ich nehme meine Tabletten und leg mich dann auch hin.“ „Soll ich mitkommen?“ „Nein. Bleib du noch bei deiner Familie.“ „Okay.“
Der Abend wurde noch ganz nett. Das Dinner kam von Dawson’s Steakhouse, welches mit im Hotel war. Angeblich sollte es eines der besten Restaurants in ganz Sacramento sein. Es schmeckte auch ausgezeichnet. Die Ryans hatten wirklich nirgendwo gespart.
Im weiteren Verlauf des Abends machte mich Jessy noch mit einigen Leuten bekannt. So lernte ich noch ihren Vorgesetzten, Charlie Saunders und seine Familie kennen, ihren Kollegen Danny Schneider und seine Freundin Gina Lion, auch Ginas Bruder David und seine Freundin Denise war von Keela eingeladen worden.
Die Lions meinten natürlich, dass die Feier im Hotel der Eltern in San Francisco selbstverständlich viel besser und schöner geworden wäre, waren aber dadurch versöhnt worden, dass das Brautpaar wenigstens ein Paar Tage Gäste des Grand Lion in Honolulu war.
Ich traf dann auch noch einige Freunde der Familie, denen ich vorher ferngeblieben war, damit uns keiner erkannte. Nach der Situation, die ja alle mitbekommen hatten, war das egal. Es war dann schon spät, als ich endlich aufs Zimmer kam.
Ich zog mich aus und krabbelte zu Pam ins Bett. „Da bist du ja endlich.“ Murmelte sie. „Zu spät?“ flüsterte ich. „Schon in Ordnung. Hauptsache du hattest noch Spaß.“ Sie kuschelte sich an mich und wir schliefen beide ein.
Mittwoch, der 21. August 2019, 7:00 a.m. PDT, Sacramento, CA:
Heute schlief ich etwas länger, als gestern. Um sieben Uhr stand ich dann aber auf. Wie gestern putzte ich erstmal nur die Zähne und ging dann zum Laufen in den State Capitol Park. Nach einer guten Stunde war ich zurück.
Pam lag noch im Bett und schlief, aber Tim war inzwischen wach. Ich holte ihn aus dem Kinderbett und legte ihn zu uns ins Bett. „Weck mal die Mami.“ Sagte ich zu ihm. Tim drehte sich um und robbte zu Pam. „Mama.“ Sagte er. dann kletterte er auf sie. Ich passte dabei natürlich auf, dass er nicht runter purzelte. Pam öffnete die Augen und sah in das strahlende Gesicht von Tim. „Hallo mein kleiner Sonnenschein.“ Murmelte sie schlaftrunken. „Mama wach.“ Sagte Tim. „Guten Morgen, Sweetheart“ „Hallo Darling. Gut geschlafen?“ „Wie ein Stein. Und du?“ „Auch ganz gut.“ „Ich habe auf jeden Fall nicht bemerkt, dass du einen Alptraum hattest.“ „Ich hab gestern was genommen, was das eindämmen soll. Das hat mir Cmdr. Brown für Notfälle gegeben. Darf ich nur nicht so oft nehmen.“ „Aha. Kann ich jetzt duschen gehen?“ „Warst du schon laufen?“ „Ja. Ich habe schon eine Stunde den Park unsicher gemacht.“ „Dann mach mal. Ich bin ja bei Tim.“
Also ging ich erst duschen und dann Pam. Anschließend machten wir Tim fertig und zogen uns an.
Als wir dann beim Frühstück ankamen, saßen die Ryans auch schon am Tisch. Angus sah uns zuerst und signalisierte uns, dass wir uns wieder zu ihnen setzen sollten. Nachdem wir uns gegenseitig einen guten Morgen gewünscht hatten, nahmen wir Platz. „Geht es dir wieder besser, Pamela?“ fragte Eireen dann. „Danke. Es geht mir wieder gut.“ „Das hatte dich ja gestern ganz schön mitgenommen.“ „Kein Wunder.“ Meinte Liam. „Gut, dass ihr nicht so seid.“ Er meinte seine Eltern. „Mir war Frank schon immer ein wenig suspekt.“ Meinte Angus. „Wie meinst du das?“ wunderte sich Eireen. „Ach, irgendwie seine ganze Art. Dieses Aufgesetzte mit seinem Zahnpasta Lächeln. Dann ist er nur Angestellter bei Walmart. Gut zwar leitender Angestellter, aber er tut immer so, als sei das seine Firma. So würde ich mich noch nicht mal aufspielen, wenn ich die größte Baufirma der USA hätte.“ „So ist er halt.“ Sagte Eireen nachsichtig. „Zum Glück ist Marc ganz anders. Sonst hätte ich ihm nie die Hand meiner Tochter gegeben.“ „Als ob Kee das interessiert hätte.“ Grinste Ken. „Glaub mir, das hätte sie.“ Sagte Angus bestimmt. „Früher war Dad nicht so.“ sagte ich. „Das ist erst in den letzten zehn Jahren so geworden.“ „Jetzt lasst uns das Thema wechseln.“ Sagte Eireen streng. Alle nickten zustimmend. „Wie lange bleibt ihr noch in Sacramento?“ wollte ich dann wissen. „Wir müssen heute zurück.“ Sagte Eireen. „Alleine schon wegen der Firma.“ „Dann müssen wir wohl auch das Hotel wechseln.“ Überlegte Pam. „Papperlapapp.“ Sagte Angus. „Ihr bleibt hier so lange wohnen, bis ihr wieder nach Hause fahrt. Darauf kommt es wirklich nicht an.“ „Das können wir nicht annehmen.“ Sagte ich. „Und ob ihr das könnt.“ Sagte jetzt Eireen. „Seit gestern sind wir jetzt eine Familie.“ „Dann danken wir euch recht herzlich.“ Sagte Pam. „Nicht dafür.“ Sagte Eireen. Wir frühstückten zu Ende und verabschiedeten uns dann von den Ryans.
Zurück auf dem Zimmer fragte ich dann: „Was machen wir denn heute, Süße?“ Pam überlegte kurz. Dann sagte sie: „Lass uns nochmal zum Lake Tahoe fahren. Das war sehr schön dort. Nur dass es das letzte Mal im November so kalt war. Im August ist das sicher angenehmer.“ „Einverstanden.“ Wir machten uns fertig und fuhren zum Lake Tahoe. Dort verbrachten wir einen wunderschönen Tag.
Zurück in Sacramento fuhren wir erstmal zurück ins Hotel. Als wir an der Rezeption vorbeikamen, sprach man uns an. „Entschuldigung, Mr. Murdock.“ „Ja bitte?“ „Können Sie uns bitte sagen, wie lange Sie bei und bleiben möchten?“ „Entschuldigung. Das hatten wir völlig vergessen Ihnen mitzuteilen.“ „Kein Problem. Die Rechnung geht ja sowieso an Ryan Constructions. Nichtsdestotrotz müssen wir natürlich etwas planen, wie wir die Zimmer belegen können.“ „Wir gedenken, am Samstagmorgen abzureisen.“ „In Ordnung. Weiterhin einen angenehmen Aufenthalt.“ „Danke.“ Wir nahmen den Lift und fuhren zu unserem Zimmer.
Dort angekommen, streifte Pam nur die Schuhe ab und legte sich aufs Bett. „Mann, bin ich kaputt.“ Stöhnte sie. „Mama kaputt.“ Wiederholte Tim, worauf wir beide lachen mussten. „Dir scheint es aber ansonsten gut zu gehen.“ Stellte ich fest. „Ich hatte heute auch einen guten Tag.“ Sagte sie. Ich beugte mich über sie und küsste sie dann zärtlich. „Das freut mich meine Sweetheart.“ „Sind Keela und Marc denn wohl schon auf Hawaii?“ „Inzwischen bestimmt.“ „Warum wechseln sie denn eigentlich zwischendurch die Unterkunft? Honolulu ist doch sicher auch schön.“ „Die beiden surfen doch.“ „Na und?“ „An der North Shore gibt es die besten Wellen.“ „Ach so. Verstehe.“
Etwas später war Pam gerade dabei, Tim fürs Bett fertig zu machen, als es an der Zimmertür klopfte. „Erwartest du jemanden?“ fragte mich Pam verwundert. „Eigentlich nicht.“ „Vielleicht ist es Mary.“ Vermutete Pam. „Die weiß doch eigentlich, dass Tim jetzt ins Bett muss.“ Es klopfte wieder. „Nun schau schon nach.“ Sagte Pam. Ich ging zur Tür und öffnete sie.
Dad stand vor der Tür. Er sah ein wenig blass aus. Vielleicht war eines der zahlreichen Gläser Bourbon am Vorabend schlecht gewesen. „Du?“ fragte ich verwundert. „Kann ich reinkommen?“ fragte er ruhig. „Ungern. Tim muss jetzt ins Bett.“ „Lass ihn schon rein.“ Sagte Pam von hinten. „Was willst du?“ fragte ich knapp. „Mit dir reden.“ „Worüber?“ „Da gäbe es viel. Wo wir anfangen, kannst du entscheiden.“ „Woher kommt der plötzliche Sinneswandel?“ „Deine Mutter war heute früh beim Anwalt.“ „Na und?“ „Sie hat die Scheidung eingereicht.“ „Das ist zwar schade, aber vielleicht ist es besser so.“ Dad nickte. „Ich liebe deine Mutter noch immer. Auch nach den langen Jahren, die wir verheiratet sind.“ „Vielleicht hättest du da etwas früher drüber nachdenken sollen.“ „Sie würde uns noch eine Chance geben.“ „Unter welcher Voraussetzung?“ „Wenn wir es schaffen, uns auszusprechen und uns wieder zu versöhnen.“ „Das habe ich ja schon versucht. Du warst immer der, der das kategorisch abgelehnt hat.“ „Da hast du Recht.“ „Warum soll ich dir denn jetzt entgegenkommen?“ „Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das auch nicht.“
Nun mischte sich Pam ein. „Steve, bitte. Jetzt schalte du nicht auf stur. Es haben dir schon Leute gesagt, dass du genauso stur sein kannst wie dein Vater. Beweise jetzt, dass du auch was von deiner Mutter hast.“ „Okay. Wir können reden. Unter einer Bedingung.“ „Welcher?“ „Weder meine Frau, noch mein Sohn haben dir jemals was getan. Trotzdem hast du sie beide schon schlecht behandelt. Ich möchte, dass du dich bei den beiden entschuldigst.“ Dad senkte den Kopf und sagte ganz leise: „Es tut mir leid.“ „Ich kann dich nicht hören.“ Er wiederholte es ein wenig lauter. „Ich höre dich immer noch nicht.“ „Ist ja gut. Es tut mir leid.“ „Entschuldigung angenommen.“ Sagte Pam, bevor ich ihn weiter quälte. „Dann stelle ich euch erst nochmal vor. Das ist deine Schwiegertochter Pamela und dein Enkelsohn Tim.“ „Es freut mich euch kennenzulernen.“ Sagte Dad und gab Pam die Hand. „Ganz meinerseits.“ Sagte Pam versöhnlich. „Dad, der Kleine muss jetzt wirklich schlafen. Wenn du jetzt mit mir reden willst, dann müssen wir nach draußen gehen oder von mir aus auch in die Hotelbar.“ „Lass uns rüber in den Park gehen. Ich hatte gestern mehr, als genug Whiskey.“ Pam nickte zustimmend und wir verließen das Zimmer.
Mit dem Lift fuhren wir in die Lobby und gingen dann in den State Capitol Park. „Wo sollen wir anfangen?“ fragte er mich. „Keine Ahnung. Wann haben denn unsere Probleme angefangen?“ „Ich glaube, als ich dich zwingen wollte, BWL zu studieren.“ „Das könnte sein.“ „Inzwischen habe ich ja verstanden, dass es falsch war, euch vorzuschreiben, was ihr werden solltet.“ „Bist du sicher?“ „Ich habe es doch bei euch allen dreien versucht. Du hast alles hingeschmissen und warst weg. Deine Geschwister haben dann wenigstens noch eine Kaufmännische Ausbildung gemacht. Studiert hat aber im Endeffekt keiner von euch.“ „Warum wolltest du das denn unbedingt?“ „Weil ich es damals nicht konnte. Meine Eltern hatten nicht das Geld, um mich aufs Collage zu schicken. Da musste ich nach der High-School arbeiten gehen. Ich habe dann bei Walmart im Supermarkt angefangen. Erst als ungelernte Kraft, später hat man mir dann erlaubt, die Ausbildung nachzuholen. Studiert habe ich dann schließlich neben der Arbeit. Da habe ich erst den ganzen Tag im Supermarkt geschuftet und dann abends über meinen Büchern gesessen. Geschlafen habe ich dann, wenn es hochkommt, vier, fünf Stunden am Tag. Geschafft habe ich das Ganze nur durch Willensstärke und Ehrgeiz. Darum wollte ich euch das ermöglichen, was ich nicht konnte.“ „Okay. Das war dein Traum. Den hatte aber keines deiner Kinder.“ „Das musste auch erst dreimal schiefgehen, bevor ich das begriffen habe. Du warst weg, Jessy hat es nicht ausgehalten und ist ebenfalls mit 18 sofort mit ihrem Freund zusammengezogen und erst, als Marc uns auch verlassen wollte, habe ich verstanden, dass es ein Fehler war.“ „Ich habe aber damals auch einen Fehler gemacht.“ Gab ich zu. „Ich hätte wenigstens den Abschluss machen sollen. Jetzt stehe ich ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung da.“ „Vielleicht muss man doch seine Fehler selbst machen.“ „Damals habe ich das noch nicht verstanden. Heute weiß ich das.“ „Wir hatten vor, euch vor solchen Fehlern zu beschützen. Bei dir hat das nicht geklappt. Trotzdem bist du deinen Weg gegangen. Du bist beim Militär. Oder?“ „Ich bin Gunnery Sergeant bei den US-Marines und arbeite als Drill Instructor im Ausbildungscamp in San Diego.“ „Du bist Ausbilder?“ „Schon seit über drei Jahren.“ „Dann weißt du ja inzwischen selbst, wie das ist, jungen Leuten was beizubringen.“ „Ja, das weiß ich.“ „Vielleicht verstehst du mich dann ja ein wenig.“ „Was ich gelernt habe ist, dass man nichts erzwingen kann. Ich kann meine Rekruten auch nur antreiben. Aber ich kann es nicht erzwingen. Manchmal muss ich zwar richtig hart werden, aber wenn es trotzdem nicht klappt, schmeißen die das Handtuch.“ „Es ist nicht jeder dazu geeignet. Dann geht es dir und deiner Familie aber doch gut.“ „Leider nicht so ganz. Pam ist krank. Mal hat sie gute Tage, dann auch wieder schlechte.“ „Das wusste ich nicht.“ „Woher auch.“ „Kann man das was tun? Eine Operation oder sowas?“ „Leider nicht. Aber sie ist in Behandlung und wir haben gute Ärzte auf dem Stützpunkt.“ „Wenn ich was für euch tun kann…“ „Dann melden wir uns.“ „Ist denn jetzt alles wieder okay zwischen uns?“ „Ich weiß es nicht.“ „Warum?“ „Dazu stelle ich dir eine Frage. Warum hasst du mich?“ Dad schaute mich überrascht an. „Tue ich das?“ „Ich habe es in deinen Augen gesehen. Vor zwei Jahren bei Moms Geburtstag und auch gestern.“ „Ich hasse dich nicht. Wirklich nicht.“ „Was ist es dann?“ Er dachte einen Moment nach. „Da kamen mehrere Faktoren zusammen. Einerseits habe ich mich da in was reingesteigert. Ich habe eine Erwartungshaltung in euch gesteckt, die ihr, glaube ich, gar nicht erfüllen konntet. Das hat mich wütend gemacht. Irgendwann habe ich meine Erwartungen an Jessy und Marc geändert und das dann alles auf dich projiziert. Dann kam zu dem Ganzen noch beruflicher Stress hinzu. Je weiter ich aufgestiegen bin, um so mehr Stress wurde das. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Wir bekommen wieder einen neuen Boss in unserem Bereich, weil der letzte, den wir seit eineinhalb Jahren hatten, ein totaler Idiot war. Außerdem werden schon wieder Gebiete zusammengelegt. Spätestens zum 1. Januar 2020 bin ich auch noch für Washington State zuständig. Der Titel klingt toll. Gebietsleiter West Coast. Die Arbeit dafür wird aber immer mehr.“ „Sonst noch was?“ „Das schlimmste ist, ich sehe mich selbst in dir. Ich sehe diesen harten, unerbittlichen Betonschädel, der ich selbst bin. Und, ob du es glaubst oder nicht, ich hasse ihn. Ich habe mich in den letzten Jahren so verändert, dass ich mich selbst hasse. Wenn ich dir dann in die Augen sehe, dann sehe ich mich selbst. Dann kommt dieser ganze Selbsthass raus und landet versehentlich bei dir.“ „Ich bin aber nicht, wie du. Gut ich bin auch ein Betonschädel. Das weiß ich auch. Der Rest ist aber antrainiert. Ich bekomme alle 13 Wochen wieder einen Haufen junger, ungeschliffener Rekruten. Aus diesem Haufen muss ich dann Marines formen. Wenn ich auf Widerstand stoße, geht das inzwischen instinktiv bei mir. Im Privatleben bin ich aber ganz anders. Frag Mom oder gerne auch Pam.“ „Wie lange hat deine Mutter eigentlich schon Kontakt mit euch?“ „Seit dem Geburtstag vor zwei Jahren.“ „Da siehst du mal, was ich für ein Trottel bin. Ich habe die ganze Zeit gedacht, dass sie eine Affäre hat.“ „Das männliche Wesen, was sie abgöttisch liebt, heißt Tim und ist euer Enkel.“ „Deswegen kam der kleine gestern so zielstrebig zu ihr.“ Ich nickte. Tim liebt seine Granny ebenfalls abgöttisch und Mom ist häufig bei uns.“ „Echt?“ „Sobald du länger in Oregon warst, war Mom in San Diego.“ „Dann habe ich es wohl nicht besser verdient.“ „Dad. Mom liebt dich immer noch. Das hat sie mir sogar gestern Abend noch nach dem Desaster gesagt.“ „Warum will sie dann die Scheidung?“ „Manchmal bist du wirklich ein Trottel. Sie wollte dich nur unter Druck setzen, damit du endlich mal nachdenkst und damit wir uns wieder vertragen.“ „Ich glaube, jetzt ist es wirklich an der Zeit, dass ich mich bei dir entschuldige.“ „Die nehme ich doch gerne an.“ Dann umarmten wir uns. Das erste Mal seit zehn Jahren.
Wir verabschiedeten uns dann am Hoteleingang. Dad fuhr wieder nach Hause und ich ging aufs Zimmer. Dort schaute mich Pam mit großen Augen an. „Gleich. Ich muss eben mit Mom telefonieren.“ Ich rief also Mom an. „Hallo Steven.“ „Hallo Mom. Deine Drohung mit der Scheidung hat gewirkt.“ „War er bei euch?“ „War er. Wir haben lange miteinander gesprochen.“ „Und?“ „Ich denke, es ist alles in Ordnung. Wir haben uns ausgesprochen und er hat sich bei Pam und auch bei mir entschuldigt.“ „Für alles?“ „Genau.“ „Dein Vater schafft es tatsächlich noch, mich zu überraschen und das nach über 30 Jahren Ehe.“ „Ziehst du den Scheidungsantrag zurück“ „Natürlich. Aber erstmal lasse ich ihn noch ein paar Tage zappeln. Das hat er verdient.“ „Du bist unglaublich, Mom.“ „Wenn man mit Frank Murdock verheiratet ist, dann passiert das eben.“

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Nur mal ein Test was passiert
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