4. Entscheidungen

Mittwoch, 21. August 2019, abends, Sacramento, CA

Nachdem ich aufgelegt hatte, musste ich nun endlich Pams Neugier stillen. „Erzähl schon, was ist passiert?“ „Wir haben uns gründlich ausgesprochen und beide Fehler eingeräumt.“ „Wenn das zwei so Betonschädel, wie ihr macht, ist das wirklich ein großer Schritt auf den Anderen zu.“ „Das stimmt. Es hat mich auch Überwindung gekostet, zuzugeben, dass es damals ein Fehler war, die Schule zu schmeißen und keinen Abschluss zu machen.“ „Das glaub ich dir.“ „Es ist aber wirklich so, dass Marcs Entscheidung, sich seinerzeit selbstständig zu machen, zu einem Umdenken bei Mom und Dad geführt hat. Bei Mom wussten wir das ja schon. Dad weiß aber eigentlich selbst nicht, warum er in den letzten Jahren so einen Hass auf uns hatte. Er sagte was von beruflichem Stress und Selbsthass.“ „Kann ja sein.“ Überlegte Pam. „Ist denn jetzt wieder alles gut zwischen euch?“ „Ja. Wir haben uns wieder versöhnt.“ „Das ist gut. Was war das denn eben am Telefon mit deiner Mom?“ „Der Scheidungsantrag war von ihr als Schuss vor den Bug gedacht. Sie wollte sich eigentlich nicht wirklich von Dad trennen.“ „Hätte sie es denn wohl getan, wenn er nicht eingelenkt hätte?“ „Sich scheiden lassen?“ Sie nickte. „Ich denke schon. Dann hätte sie wohl die Konsequenzen gezogen.“ „Ganz schön couragiert.“ „Sie überrascht mich auch immer wieder.“ „Dann ist die Scheidung vom Tisch?“ „Sozusagen. Sie will Dad aber noch ein wenig zappeln lassen. Die Strafe hat er verdient, meint sie.“ „So, wie er sich aufgeführt hat.“ „Irgendwann, nächste Woche will sie ihn dann erlösen.“ „Das ist gut. Dann belastet mich das wenigstens nicht mehr. Dann haben wir nur noch die anderen Probleme.“

Am Donnerstag machten wir dann noch einen Ausflug zum Yosemite Nationalpark und am Freitag besuchten wir noch ein paar alte Freunde von mir. Keela und Marc hatten uns inzwischen auch ein paar Fotos von Hawaii per WhatsApp geschickt. Wir wurden richtig neidisch.
Am Samstag ging es dann wieder zurück nach San Diego. Ab Montag hatte uns der Alltag wieder.

Die nächsten Wochen verliefen dann eigentlich, wie vor der Hochzeit. Mal abgesehen davon, dass Mom uns jetzt auch „offiziell“ besuchte. Die Heimlichtuerei hatte ein Ende. Pam hatte nach wie vor bessere und schlechtere Tage. Sie besuchte aber wenigstens ihre Therapien. Da sorgten meine und Pams Mom schon für.
Zu Keelas Geburtstag, am 20. September, skypten wir dann abends miteinander. Da sie an einem Freitag Geburtstag hatte, schaffte man es sogar, dass Marc gerade zum Reset in Sacramento war.

Der September verging und der Oktober kam. Auch dieser Monat war dann vom Alltag geprägt. Zu dieser Zeit hatte ich einen besonders schlechten Rekruten in meiner Ausbildungsgruppe, auf den ich mich richtig einschoss. Wenn Pam am Vortag dann gerade einen schlechten Tag hatte, ließ ich dann regelrecht meinen ganzen Frust an Private Baker aus. Anfang November gab dieser dann schließlich auf. Aus ihm wäre aber auch niemals ein guter Marine geworden.

Sonntag, 10. November 2019, 6:00 a.m. Pacific Standard Time, San Diego, CA:

Es war Moms Geburtstag. Der Tag, mit dem Desaster an Moms Geburtstag war also genau zwei Jahre her. Dieses Jahr sollte es dann anders laufen. Mom hatte uns eingeladen und uns sogar Flugtickets gekauft. Wir sollten am Morgen um 9:15 Uhr mit Southwest nach Sacramento fliegen. Am Abend um 7:50 Uhr sollte es dann wieder zurück nach San Diego gehen. So brauchten wir nicht selbst fahren. Außerdem hätte ich dann wieder mehrere Tage frei gebraucht.
Nachdem ich Pam geweckt hatte, ging ich erstmal noch eine Runde laufen. In der Zeit konnte sie sich schon mal fertig machen und Tim wecken. Als ich zurück war, sprang ich schnell unter die Dusche. Danach frühstückten wir noch eine Kleinigkeit.
Anschließend ging es mit dem Taxi zum Flughafen. Das war bei unserer Nähe zum Flughafen billiger, als den Hummer den ganzen Tag dort zu parken. Die Maschine startete pünktlich und um halb Elf landeten wir in Sacramento. Dort holte uns dann Jessy vom Flughafen ab.
Ich hatte meine kleine Schwester zuletzt an der Hochzeit gesehen. Entsprechend überschwänglich war die Begrüßung. Jessy fuhr uns zu unserem Elternhaus. Dort verabschiedete sie sich. „Ich muss mich noch fertigmachen. Dave und Ich sind dann pünktlich zum Mittagessen hier.“ Sie fuhr wieder los und wir standen mal wieder vor meinem Elternhaus. Dunkle Erinnerungen kamen hoch. Ich ignorierte diese aber und wir gingen zur Haustür.
Nachdem wir geklingelt hatten, kam Mom zur Tür und umarmte Pam und mich zur Begrüßung. Dann nahm sie Tim auf den Arm und gab ihm einen dicken Kuss. Anschließend betrat ich das erste Mal seit über zehn Jahren das Haus. Drinnen hatte sich nicht viel verändert. Die Einrichtung wag geprägt von dunklen, schweren Möbeln. Diese waren zwar sicherlich mal teuer, vermittelten mir aber nicht den Eindruck von Behaglichkeit. So hatte ich das früher schon empfunden. Dann standen wir Dad gegenüber. Seit der Aussprache hatten wir uns nicht mehr gesehen.
„Hallo Steven. Begrüßte er mich. Schön, dass du da bist.“ Dann wandte er sich an Pam: „So richtig haben wir uns ja noch gar nicht kennengelernt. Ich bin Frank.“ Er reichte Pam die Hand. „Pamela. Oder Pam, wie Sie möchten.“ „Bitte, sag du zu mir. Schließlich bin ich dein Schwiegervater.“ „Okay, Frank. Und das ist Tim, dein Enkel.“ „Mary hat mir schon viel von ihm erzählt.“ Pam nahm Mom unseren Sohn ab. „Guck mal Tim. Das ist dein Grandpa.“ Tim guckte schüchtern rüber und versteckte dann sein Gesicht bei Pam. „Das wird noch. Er muss dich erstmal kennenlernen.“ „Setzt euch doch.“ Sagte Dad dann. Wir nahmen Platz. „Was möchtet ihr trinken?“ fragte Mom. Ich nahm einen Kaffee und Pam fragte nach einem Cappuccino. Für Tim nahmen wir einen Kakao. Dann hielten wir etwas Smalltalk, bis die Anderen kamen.

Zuerst erschienen Keela und Marc. Nachdem wir uns begrüßt hatten, setzten sie sich zu uns. „Hast du dich schon an den neuen Namen gewöhnt?“ fragte ich Keela. „Inzwischen schon.“ Sagte Keela. „Anfangs war das aber eher Keela Ry… äh Murdock.“ „War bei mir ähnlich.“ Erinnerte sich Pam. „Das hat bestimmt ein Vierteljahr gedauert, bis ich nicht mehr Cortez gesagt hab.“ „Ich hab am Anfang sogar mal gedacht, wir hätten einen neuen Dispatcher, als Keelas Signatur mit KMU im ORBCOMM stand.“ Lachte Marc. „Mein Dad hätte, glaub ich, am liebsten gehabt, wenn ich den Namen Ryan behalten hätte.“ „Meiner auch.“ Sagte Pam. „Ich bin aber auch Einzelkind. So meinte mein Dad, dass diese Linie der Cortez nun ausgestorben sei.“ „Bei uns ging es eher um die Firma und um die Foundation.“ Erklärte Keela. „Ich gehöre ja zum Rat der Foundation und habe Anteile an Ryan Constructions. Bei beidem gab es bisher nur Ryans. Daher ist das natürlich neu für Dad.“ „Da kann ich nicht mitreden.“ Meinte Pam etwas verlegen.
Es klingelte dann wieder an der Tür und Jessy und Dave kamen. Da es dann auch Zeit zum Essen war, gingen wir nach der Begrüßung an den Esstisch.

Der Nachmittag verlief dann ganz entspannt. Tim verlor auch langsam seine Schüchternheit und stand dann schnell im Mittelpunkt des Geschehens. Die Frauen waren sowieso hin und weg von dem Kleinen und auch Dad fühlte sich dann sehr wohl in der Rolle des Großvaters. Zur Überraschung aller, hielt er sich heute auch zurück und verzichtete auf seinen Whiskey.
So verging der Tag wie im Flug. Am Abend brachte uns Marc mit seinem Pickup zum Flughafen. „Ist der nicht ein wenig auffällig?“ fragte ich. „Und das vom Besitzer eines Hummers.“ Grinste Marc. „Ist nun mal ein Firmenwagen. Da darf dann ruhig auch Beschriftung drauf sein.“ „Der Hummer hält eh nicht mehr lange.“ Sagte ich seufzend. „Dann stehen schon wieder hohe Ausgaben an.“ „An was dachtest du denn dann?“ wollte Marc wissen. „Nicht wieder so was Großes. Ein Ford Edge, oder Escape.“ „Da wirst du schon was finden.“ War er zuversichtlich. „Die Frage ist eher, wie ich das bezahle.“ „Da gibt’s auch sicher eine Lösung.“ „Ein Eco Sport reicht doch auch.“ Meldete sich Pam. „Vom Hummer auf einen Eco Sport?“ fragte Marc grinsend. „Den hatten wir mal als Leihwagen. War doch ziemlich eng. Der ginge eher als Zweitwagen.“ „Ich muss mir erstmal ein Auto leisten können.“ Sagte ich dazu. „Gebrauchte Edge oder Escape sollte es aber genug geben.“ Stellte Marc fest. „Wahrscheinlich.“
Schließlich kamen wir am Flughafen an. Marc ließ uns raus und fuhr wieder zurück zu Moms Feier. Keela war schließlich auch noch dort. Wir flogen dann wieder nach San Diego. Gegen zehn Uhr waren wir dann endlich zu Hause. Der Tag war lang, aber auch sehr schön.

Die nächsten Tage holte uns der Alltag wieder ein. Es kam die Woche mit Marcs Geburtstag am 20. November, den wir aber nur telefonisch erreichten und eine Woche später dann Thanksgiving, was wir bei Pams Eltern Feierten.


Mittwoch, den 4. Dezember 2019, abends, San Diego, CA:

Als ich abends vom Dienst kam, saß Pam in der Küche und wartete auf mich. Tim war schon im Bett. „Guten Abend, Sweetheart.“ Begrüßte ich Pam und küsste sie. „Hi, Darling.“ Begann sie zaghaft. „Ist was nicht in Ordnung?“ „Commander Brown möchte kurzfristig ein sogenanntes Angehörigengespräch machen. Also eine Sitzung, an der wir beide teilnehmen?“ Ich schaute sie nachdenklich an. Pam sah nicht sehr glücklich aus. Dabei ging es ihr die letzten Wochen, seit Moms Geburtstag eigentlich recht gut. „Irgendwas Schlimmes?“ fragte ich daher. Sie nickte. „Irgendwie schon.“ „Geht es dir wieder schlechter?“ „Das eigentlich nicht. Ich will aber auch nicht vorgreifen.“ „Wann soll das stattfinden?“ „Wie schnell bekommst du das hin?“ „Länger als eine Stunde wird das ja sicher nicht dauern.“ „Ich glaub nicht.“ „Das bekomme ich kurzfristig hin. Ich habe Baldwin ja länger nicht mehr genervt. Wenn es da nur um ein, zwei Stunden geht, sollte das kein Problem sein.“

Am nächsten Tag fragte ich SgtMaj Baldwin. Wie gewohnt bollerte er erstmal rum, gab mir dann aber die Erlaubnis, den Termin wahrzunehmen. Nachdem Pam dann mit Cmdr. Brown gesprochen hatte, legten wir den Termin auf Montag, den 9. Dezember.
In den Tagen davor merkte ich, dass Pam immer nervöser wurde. Mir ging es aber ähnlich. Worum sollte es bei diesem Gespräch gehen? Wollte sich Pam gar von mir trennen? Ich hatte keine Ahnung.

Montag, den 9. Dezember 2019, vormittags, San Diego, CA:

Der Tag des Gesprächs war gekommen. Den morgen verbrachte ich noch wie immer. Ich schmiss meine Rekruten aus dem Bett und anschließend ging es zum Exerzieren. Gegen halb Zehn löste mich dann Sergeant Dunlop ab und ich konnte mich auf den Weg zum NMW machen. Vor dem Eingang traf ich mich dann mit Pam, die vorher noch Tim zu ihren Eltern gebracht hatte.

Um zehn Uhr wurden wir dann von Cmdr. Brown empfangen. Nachdem ich salutiert hatte, bat Brown uns, sich zu setzen. Wir nahmen Platz, dann begann Brown: „Gunnery Sergeant Murdock. Ich arbeite ja inzwischen gut neun Monate mit Ihrer Frau zusammen.“ Ich schaute ihn erstaunt an. „Ich pflege die Therapiesitzungen eher als Zusammenarbeit zu sehen. Eine Behandlung geht einseitig vom Arzt auf den Patienten über. Bei einer medikamentösen Behandlung ist das so. Eine Psychotherapie kann aber nur funktionieren, wenn der Patient mitarbeitet. Tut er das nicht, kann die Therapie ihr Ziel nicht erreichen.“ Erklärte Brown. „Nach anfänglicher Skepsis Ihrer Frau, die aber durchaus normal ist, hat sie Vertrauen gefasst und sich mit voll und ganz geöffnet.“ Ich nickte. „Seitdem haben wir gute Fortschritte gemacht.“ „Manchmal habe ich aber nicht den Eindruck.“ Warf ich ein. „Es geht ihr tageweise immer noch äußerst schlecht.“ „Eine Therapie ist kein gerader Weg.“ Erklärte Brown. „Man kann es eher mit einer Straße in den Bergen vergleichen, um es anschaulicher zu machen. Auch dort geht es auf und ab und es gibt viele Kurven und Wendungen. Trotzdem erreicht man irgendwann den Gipfel.“ „So habe ich das noch nie betrachtet.“ „Glauben Sie mir. Es ist so.“ Ich nickte. „Ich empfinde das auch so.“ sagte Pam. „Es geht mir zwar mal besser, mal schlechter, aber insgesamt bin ich nicht mehr da, wo ich vor einem Jahr noch war.“ „Ihre Frau musste erst einmal akzeptieren, dass sie krank ist. Nachdem sie das akzeptiert hatte, mussten wir uns langsam zu den Ursachen der Krankheit vorarbeiten.“ „Sehr langsam.“ Warf ich ein. „Ihre Frau ist ein Mensch und keine Maschine.“ Sagte Brown streng. „Sie können nicht einfach den Reset Knopf drücken und die Festplatte neu booten. Man muss da langsam und behutsam vorgehen. Dann bewerten, was eher ein Symptom und was Ursache ist. Vieles davon liegt auch im Unterbewusstsein.“ „Verstehe.“ „Als Sie vor einem dreiviertel Jahr Ihre Frau begleitet haben und wir uns zum ersten Mal gesehen haben, habe ich ja die Diagnose geäußert, dass Ihre Frau unter einer Generalisierten Angststörung, begleitet von einer mittelgradigen Depression leidet. Diese Diagnose hatte sich dann bestätigt.“ Ich nickte. „Die Depression haben wir inzwischen ganz gut im Griff. Die Medikamente zeigen ihre Wirkung und wir sind dort einen großen Schritt weitergekommen. Sie ist zwar noch nicht beseitigt, Ihre Frau ist aber recht stabil.“ Pam nickte zustimmend. Ich war schon mal etwas erleichtert. „Weshalb wir dich heute dabeihaben wollten, ist die Angststörung.“ Sagte Pam. Ich verstand nicht ganz. Was konnte ich denn da machen? „Wir haben die Ursache der Angststörung eingrenzen können.“ Fuhr Brown fort. „Es ist ja, wie vermutet, überwiegend die Angst, dass Sie eines Tages nicht mehr nach Hause kommen, weil Sie verstorben sind.“ „Aha.“ „Wir sind dann weiter in die Tiefe gegangen und haben die wahrscheinliche Ursache dafür in der Kindheit Ihrer Frau gefunden.“ Ich war wieder erstaunt. „Ihre Frau hat ihre Großeltern, mütterlicherseits, sehr früh verloren. Diese sind, als Ihre Frau vier Jahre alt war, in einen, aus dem Ruder gelaufenen Banküberfall geraten, und dabei leider erschossen worden.“ „Ich wusste das selbst gar nicht mehr.“ Sagte Pam. „Mom hat das aber bestätigt. Ich war damals wohl dabei, weil die beiden auf mich aufgepasst haben. Mom und Dad waren arbeiten. Zum Glück hatte Grandma einen Zettel in der Tasche, wo Moms Handynummer draufstand. Den haben die Cops dann wohl gefunden.“ „Dieses Erlebnis hat ein Trauma ausgelöst.“ Fuhr Brown fort. „Ihre Frau muss ihre Großeltern abgöttisch geliebt haben. Es hat dann alsbald ein Verdrängungsmechanismus stattgefunden, in dem Ihre Frau die Ereignisse quasi vergessen hat. Ihr Unterbewusstsein löst aber eine Angst davor aus, einen geliebten Menschen zu verlieren. Insbesondere durch eine Schussverletzung.“ „Was kann man dagegen machen?“ „Das ist nicht ganz so einfach.“ Sagte Brown. „Bei vielen Angststörungen erreicht man was, durch eine Konfrontation mit den Ängsten. Dabei stellt sich der Patient den Ängsten, um dann festzustellen, dass der „Worst Case“ nicht eintritt. Auch das ist ein langwieriger und äußerst schwieriger Prozess.“ „Wie soll das gehen? Ich kann mich ja schlecht erschießen lassen.“ „Das ist richtig. Daher müssen wir in diesem Fall anders vorgehen.“ „Und wie?“ „Indem wir die Ursache, respektive den Grund zur Angst eliminieren.“ „Wie soll das gehen? Soll ich jetzt permanent mit einer Schutzweste rumlaufen?“ „Nein. Wir müssen da etwas anders vorgehen. Normal ist es eher ein Symptom, was die erkrankten Patienten machen, indem sie Situationen, die Ängste verursachen, vermeiden. In diesem speziellen Fall könnte es aber die Lösung sein, damit es Ihrer Frau besser geht.“ „Ich verstehe nicht.“ „Indem du deinen Abschied nimmst.“ Sagte Pam. „Was soll das ändern?“ „Sie sind Soldat. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Schussverletzung zu sterben, ist erheblich höher, als bei Zivilisten.“ „Ich bin Ausbilder. Da ist die Wahrscheinlichkeit auch nicht wesentlich höher, als bei Zivilisten. Ich stehe ja nicht im Schussfeld, wenn meine Rekruten Schießübungen machen.“ „Rational gesehen ist das richtig. Bei psychischen Erkrankungen sieht es aber häufig so aus, dass der Verstand und das Gefühl einem nicht das Gleiche signalisieren.“ „Sie meinen also, dass es meiner Frau helfen würde, wenn ich meinen Abschied nehme?“ „Ich bin mir sicher, dass es helfen würde.“ Sagte Pam. „Eine Garantie gibt es nicht.“ Sagte Brown. „Der Traum, den Ihre Frau aber am häufigsten hat, ist aber der, dass ein Angehöriger der Marines vor der Tür steht, um ihr die Todesnachricht zu bringen. Daraus assoziiere ich, dass Ihre Zugehörigkeit zu den Marines mit der Angst im Zusammenhang steht.“ „Das klingt aber sehr schwammig.“ Sagte ich. „Wenn jetzt ein Beamter der Highway Patrol vor der Tür stehen würde, hieße es dann, es wäre die Angst vor einem Verkehrsunfall?“ „Ganz so einfach ist es nicht.“ „Das klingt aber so.“ „Da Sie kein Mediziner sind, versuche ich Ihnen das vereinfacht zu erklären.“ „Diese Entscheidung würde aber drastische Konsequenzen nach sich ziehen.“ Überlegte ich. „Ich habe keine Ausbildung und keinen Abschluss. Wie soll ich meine Familie ernähren, wenn ich nicht mehr im Corps bin. Ich kann doch nichts anderes.“ „Sicherlich sind das schwerwiegende Entscheidungen. Ich kann Ihnen diese auch nicht abnehmen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich aktuell keinen Weg sehe, wie Ihre Frau und ich weiterkommen sollen, wenn sich an der Ausgangssituation nichts ändert.“ „Würde sich die Angst nicht nur ändern, wenn die Ausgangssituation eine andere Wäre? Nehmen wir mal an, ich würde auf den Bau gehen. Käme dann nicht die Angst, dass ich vom Gerüst fallen könnte?“ „Das ist sehr unwahrscheinlich, da die Angst auf einer Schussverletzung basiert. Sie sollten dann aber nicht gerade als Wachmann oder Fahrer eines Geldtransporters anfangen.“ „Schade. Das sind eigentlich gute Jobs für ex Soldaten.“ „Darling, ich werde dich nicht zwingen.“ Sagte Pam. „Ich bitte dich nur, darüber nachzudenken.“ Ich nickte. „Ich fange dann auch wieder an zu arbeiten.“ „Ja, ich denke darüber nach.“ „Mehr verlange ich ja gar nicht.“ „Vom Nachdenken ändert sich natürlich nichts, da die Ausgangssituation immer noch die gleiche ist.“ „Kann man sonst noch was machen?“ „Sicher gibt es auch Medikamente, die Symptome einschränken. Das sollte aber auf lange Sicht nicht die Lösung sein.“ „Die Depression hängt damit zusammen?“ „Als Symptom. Die Belastung durch die Ängste wirkt sich so aus. Leider scheint Ihre Frau eine Anfälligkeit dafür zu haben. Um Ihnen das bildlich zu beschreiben, stellen Sie sich ein Fass vor. Der obere Rand des Fasses ist quasi die Schwelle, bei der ein Mensch nicht mehr kann und depressiv wird. Das bedeutet, wenn der Tropfen kommt, der das Fass zum Überlaufen bringt, wird er krank und zeigt eben solche Symptome, wie Ihre Frau. Jetzt sind wir Menschen alle unterschiedlich anfällig. Bei dem Einen reicht ein Schnapsglas, um das Fass zum Überlaufen zu bringen, bei dem nächsten gehen noch 100 Gallonen in das Fass.“ „Also ist das Fass bei Pam randvoll.“ „Sozusagen.“ „Wie bekommt man da wieder was raus, ohne dass das Fass überläuft?“ „Daran arbeiten wir ja mit Therapien und Medikamenten.“ „Sie bohren quasi ein kleines Loch in das Fass, damit es leerer wird?“ „Ich würde es anders formulieren. Wir holen das Fass quasi in die Sonne, damit der Inhalt verdunstet.“ „Verstehe.“ „Deshalb braucht das Ganze auch Zeit.“ Ich nickte. „Wenn sich also nichts ändert, kommt immer wieder Regen, der das Fass wieder füllt?“ „So kann man das beschreiben. Bei gesunden Menschen ist das Fass dann vielleicht viertelvoll und ein wenig Regen ändert nichts, weil dann wieder die Sonne kommt, bevor es volllaufen kann.“ „Verstanden. Da muss ich mir mal Gedanken zu machen.“

Als die Sitzung beendet war, gingen wir vor die Tür. „Vielleicht sollten wir dich mal auf den Kopf stellen, damit dein Fass wieder leerer wird.“ Witzelte ich. „Mach dich bitte nicht darüber lustig.“ Sagte Pam. „Ich finde das Bild mit dem Fass sehr anschaulich.“ „Hattest du das mit dem Überfall wirklich vergessen?“ „Das hatte ich total verdrängt.“ „Wie seid ihr dann darauf gekommen?“ „Als quasi schon feststand, dass es eine Ursache in der Kindheit geben muss, hatten wir auch so einen gemeinsamen Termin mit meiner Mom.“ „Und?“ „Als Commander Brown da ins Detail ging, rückte Mom dann mit der Sprache raus. Offensichtlich hatte sie gedacht, dass ich das endgültig vergessen hatte und war da insgeheim froh drum.“ „Das muss ja auch schrecklich gewesen sein.“ Ich kann mich immer noch nicht daran erinnern. Das geht wohl auch nur unter Hypnose. Dann kann man die Barriere im Kopf überwinden. Ich weiß nur, was Mom jetzt erzählt hat. Sie hat an dem Tag den Anruf von den Cops bekommen, die ihr erzählt haben, was passiert war. Dann haben mich die Beamten zu ihr gebracht. Ich hab dann wohl ein Vierteljahr kein Wort mehr gesprochen, nachts fürchterliche Alpträume gehabt und ins Bett gemacht. Mom musste dann aufhören zu arbeiten, um sich um mich kümmern zu können. Irgendwann hatte sich dann wohl diese Barriere im Kopf entwickelt. Da hab ich dann wohl irgendwann wieder geredet. Ich habe aber wohl nie über das erlebte gesprochen.“ Ich nahm Pam in den Arm. „Ich wusste ja gar nicht, was du als Kind schon durchgemacht hast.“ „Ich ja auch nicht mehr.“ Sagte sie mit einem gequälten Lächeln. „Kann denn so eine Hypnose nicht helfen, damit das weggeht?“ „Ich weiß nicht. Ich hab aber auch Angst davor.“ „Und ich hab Angst, dass ich uns nicht mehr versorgen kann, wenn ich den Abschied nehme. Was soll ich denn dann machen? Du hast ja gehört. Wachmann oder Security fallen schon mal weg.“ „Du hast doch früher, in Camp Pendleton schonmal Trucks gefahren. Warum fragst du nicht Marc, ob er dich einstellt?“ Die Frage musste ja kommen. Ich musste also beichten. „Erstens wohnen wir in San Diego und nicht in Sacramento. Daher kommt das nicht in Frage und zweitens möchte mich Marc inzwischen sicher nicht mehr einstellen.“ „Zum ersten Punkt. Wir müssten ja dann sowieso aus unserem Haus, wenn du kein Soldat mehr bist. In Sacramento zu wohnen kann ich mir durchaus vorstellen. Mit deinem Dad ist ja wieder alles im Lot. Das zweite verstehe ich nicht. Du hast doch ein gutes Verhältnis zu Marc. Warum sollte er dich nicht nehmen?“ Ich versuchte auszuweichen. „Was ist denn mit deinen Eltern? Willst du die hier alleine lassen?“ „Beantwortest du immer Fragen mit einer Gegenfrage? Ich will eine Antwort. Was ist zwischen dir und Marc, dass er dich nicht einstellen würde?“ „Er hat mir das vor eineinhalb Jahren angeboten, als er den zweiten Truck gekauft hat und ich habe abgelehnt.“ „Warum das denn?“ „Erstens wollte ich damals nicht zurück nach Sacramento und zweitens gab es keine Veranlassung den Job zu wechseln.“ „Wieso hast du mir davon nichts erzählt?“ „Weil ich nicht wollte, dass du mich doch noch dazu überredest. Du warst ja schon krank. Auch wenn wir noch nicht wussten, was du hast.“ Sie nickte. „Lass uns heute Abend weiterreden. Ich muss Dunlop wieder ablösen.“ „Okay. Dann fahre ich nach San Ysidro und hole Tim wieder ab.“

Am Abend sprachen wir dann aber doch nicht mehr so viel über das Thema. Wir waren beide relativ müde und ich musste erstmal eine Nacht darüber schlafen. So gingen wir früh ins Bett. Ich schlief dann auch erstmal recht schnell ein.
Gegen Mitternacht wurde ich wieder wach, weil Pam nach einem Alptraum wieder hochschreckte. Ich nahm sie in den Arm. Sie weinte wieder. „Ich kann so nicht mehr weitermachen.“ Schluchzte sie. „Es wird alles gut, meine Süße.“ Sagte ich und streichelte ihr über den Kopf. „Bist du sicher?“ „Bist du denn sicher, dass es wirklich was ändert, wenn ich meinen Abschied nehme?“ „Ich weiß es nicht.“ Schluchzte sie. „Ich hoffe es.“ Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du weißt. Ich liebe dich über alles. Ich würde alles für dich tun.“ „Heißt das, du machst es?“ Ich dachte kurz nach. „Du weißt schon, dass es uns, abgesehen von deiner Krankheit, relativ gut geht. Wir haben ein schönes Haus, ich habe einen sicheren Job und wir sind von Uncle Sam gut abgesichert. Das müssen wir alles aufgeben.“ „Das weiß ich.“ „Sollen wir das wirklich alles aufgeben?“ „Keine Ahnung.“ „Wenn Marc mir einen Job geben würde, müssten wir nach Sacramento ziehen. Du hast deine Freunde und deine Eltern hier. Außerdem wäre ich als Truck Driver auch nicht oft zu Hause. Marcs Firma fährt ja wohl durch ganz Nordamerika.“ Sie nickte. „Außerdem ist das Risiko, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, höher, als die Gefahr als Ausbilder auf einem Militärstützpunkt zu sterben.“ „Ja. Das stimmt alles. Du hast aber doch Commander Brown gehört. Wir kommen so nicht weiter.“ „Sonst würde ich da gar nicht drüber nachdenken.“ „Du würdest das für mich tun?“ fragte sie erneut. „Willst du hier wirklich alles zurücklassen? Deine Eltern, deine Freunde, deine gewohnte Umgebung?“ „Wenn es mir hilft, dann ja. Ich will wieder die alte Pam werden. Die, in die du dich mal verliebt hast.“ Okay. Wenn du bereit bist, hier alles dafür aufzugeben, dann bin ich das auch. Ich will, dass du glücklich bist und es dir wieder besser geht.“ „Danke, Darling.“ Sie kuschelte sich an und versuchte wieder einzuschlafen.
Mir ging es ähnlich. Ich konnte auch zuerst nicht wieder einschlafen. Sollten wir das wirklich tun? Das würde einen sehr großen Schritt bedeuten. Wir müssten alles aufgeben und in Sacramento komplett neu wieder anfangen. Ganz wohl war mich dabei nicht. Wenn ich die Marines einmal verlassen würde, gab es schließlich kein zurück mehr. Irgendwann schlief ich dann doch wieder ein.

Als ich aufstehen musste, war ich erstmal wieder wie gerädert. Es half aber nichts. Ich machte mich fertig und ging zum Stützpunkt rüber, wo ich meine Rekruten aus dem Bett warf. Der Morgen war dann wie immer. Zimmerinspektion, Exerzieren und anschließend weitere Übungen. Es war dann auch so, wie meistens, wenn ich schlecht geschlafen hatte. Meine Rekruten mussten das ausbaden, weil ich noch strenger war, als ohnehin schon.

Als die Rekruten beim Mittagessen waren, versuchte ich Marc anzurufen. Bei der Handynummer ging aber sofort die Mailbox dran. Da wollte ich jetzt nicht draufsprechen. Vielleicht war er ja gerade zu Hause. Es war zwar Dienstag, aber man wusste ja nie.
Nachdem ein, zweimal das Freizeichen kam, wurde abgenommen. „Keela Murdock, Hallo.“ Meldete sich meine Schwägerin. „Hallo Keela. Steve hier.“ „Wer?… …Ach du, Steve. Du meldest dich ja nicht so oft. Daher hatte ich das nicht auf dem Schirm. Wie geht es euch. Vor allem Pam?“ „Mir geht es soweit gut und Pam den Umständen entsprechend. Und euch?“ „Viel Arbeit. Vorweihnachtsgeschäft halt. Aber sonst gut.“ „Ich hatte eigentlich versucht Marc zu erreichen.“ „Der liegt in Texas im Bett und macht seine Ruhepause.“ „Verstehe. Wann fährt er weiter?“ „Ähh… …irgendwann heute Abend. Genau kann ich dir das erst nach zwei Uhr sagen, wenn ich im Büro bin. Worum geht es denn?“ „Klingt jetzt etwas blöd. Ich wollte ihn fragen, ob er einen Job für mich hat.“ „Verstehe.“ Sagte Keela nachdenklich. „Wenn ich mich recht erinnere, hat dir Marc doch den Job angeboten, als wir die zweite Maschine gekauft haben und du hast abgelehnt.“ „Das stimmt. Seinerzeit gab es für mich aber noch keinen Grund bei euch anzufangen.“ „Tja… …wie soll ich das sagen… …jetzt müssen wir ablehnen.“ Mir fiel bald mein Handy aus der Hand. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit einer Absage von Keela. „Meinst du nicht, ich sollte da erstmal mit Marc drüber reden?“ „Das kannst du gerne machen. Das geht auch gar nicht gegen dich. Aber wir können niemanden einstellen.“ „Verstehe.“ „Hör mal, Steve. Ich bin Teilhaberin der Firma. Ich weiß wie es da aussieht. Wir haben eine Halle mit Haus, die abgezahlt werden muss. Auch bei beiden Trucks müssen noch die Raten bezahlt werden. Wir können und wollen uns keine dritte Maschine zulegen. Da wird dir Marc auch nichts anderes zu sagen. Er hat sich selbst schon manchmal gefragt, ob es sinnvoll war, die zweite Maschine anzuschaffen.“ „Verstehe.“ „Wir werden zwar bei zwei Maschinen bleiben, alleine schon, weil wir das George schuldig sind, der einen wirklich guten Job macht, aber noch weiter expandieren wir vorerst nicht.“ „Tja. Kann man nichts machen.“ „Außerdem. Du bist Familienvater. Marc ist zum Teil wochenlang unterwegs. Bei George sieht es auch nicht viel anders aus. George ist ungebunden und bei uns ist es nun mal Marcs Traum, den er lebt. Wir wissen aber genau, dass Marc nicht glücklich würde, wenn er nur regional fährt und ich nicht, wenn ich mit ihm unterwegs wäre. Willst du wirklich so leben? Deinen Sohn nur alle paar Wochen mal für ein paar Stunden sehen?“ „Eigentlich nicht. Ich kann aber nicht wirklich was anderes als Soldat oder eben vielleicht Truck Driver.“ „Was wäre denn mit Security? Wäre das nichts für dich?“ „Vielleicht schon. Aber nicht, damit es Pam besser geht. Dann kann ich gleich bei den Marines bleiben.“ „Okay. Also sollte das schon was in diese Richtung sein.“ „Genau. Sonst hilft das Pam nicht.“ „Moment mal… …vielleicht solltest du mit deinem Dad sprechen.“ „Wie jetzt?“ „Ganz genau weiß ich das nicht. Ich hab da aber letzte Woche was aufgeschnappt, was dein Dad zu unserem Dispositionsleiter gesagt hat.“ „Meinst du den Saunders?“ „Richtig. Woher kennst du denn Charlie?“ „Von eurer Hochzeit. Jessy hat mich da mit einigen Leuten bekanntgemacht.“ „Die haben ja unseren „Umweltpapst“, wie wir den letzten Boss der Walmart Transportation immer genannt haben, weggelobt, weil er den Konzern zu viel Geld gekostet hat. Der neue Boss geht wieder etwas andere Wege.“ „Und wie hilft mir das?“ „Dadurch, dass wir unter dem alten Boss eigene Fahrzeuge nur noch maximal 500 Meilen weit schicken sollten, wurden da Kapazitäten frei. Das haben dann Fremdfirmen gefahren. Also weniger durch den eigenen Fuhrpark dafür mehr durch Swift und Konsorten.“ „Ja und?“ „Der neue Boss rudert da wieder zurück. Wir bleiben zwar bei einem nachhaltigen Fuhrpark, der darf aber wieder weiter fahren. Aktionsradius tausend Meilen oder so. Dadurch brauchen wir wieder mehr Fahrzeuge und Fahrer.“ „Verstehe.“ „Die Walmart Transportation steht ja für Nachhaltigkeit und Effektivität. Das können wir aber besser mit eigenen Fahrzeugen oder unseren A-Unternehmern, wie Marc. Natürlich brauchen wir immer Fremdfirmen, die uns noch die Spitzen wegfahren, aber ansonsten sollen wir das selbst machen. Frank hat Charlie gestern was gesagt, dass in 2020 bis zu 500 neue Fahrer für die ganze USA gesucht werden. Das soll aber erst in einem Vierteljahr bekannt werden.“ „Du meinst also…“ „Ich meine, du solltest deinen Dad anrufen. Er kann dich da mit Sicherheit reinbringen, zumal auch ein paar Fahrer kurz vor dem Ruhestand sind. Außerdem bezahlt Walmart seine Fahrer besser, als wir das jemals könnten.“ „Echt?“ „George bekommt bei uns seinen Satz pro Meile, dann einen Betrag für Trailer Tausch oder Be- und Entladungszeit. Dann zahlen wir in die Krankenversicherung mit ein. Das wars. Schon mehr als andere, aber bei weitem nicht so, wie Walmart.“ „Weißt du was Walmart zahlt?“ „Keine Summen. Ich weiß aber was ich an Zulagen habe und was auf unserer Website steht.“ „Wie sieht das aus?“ „Ab dem ersten Tag wird jede Meile bezahlt. Der Satz richtet sich natürlich nach der Erfahrung und Fahrsicherheit. Arbeits- und Trainingszeiten werden ebenfalls voll bezahlt. Dann gibt es vierteljährliche Prämien für sicheres Fahren. Es werden bis zu vier Sicherheitstage im Jahr bezahlt, außerdem ab dem ersten Jahr bis zu 21 PTO-Tage. (bezahlte freie Tage) Sobald du im Truck übernachten musst, bekommst du außerdem 42 Dollar zusätzlich für die 10 Stunden DOT Pause.“ „Das klingt gut.“ „Dazu kommen noch die Sozialleistungen. Krankenversicherung für medizinische und zahnmedizinische Behandlung, Unfallversicherung für kurzzeitige Behinderungen. Außerdem wird als Lebensversicherung und Altersvorsorge in den 401-K Plan eingezahlt.“ „Das klingt ja sehr gut.“ „Dadurch, dass unsere Fahrer nicht so weit fahren, sind die auch in der Regel zu jedem Reset zu Hause. Das sollte für dich, als Familienvater auch sehr wichtig sein.“ „Stimmt.“ „Das können wir dir gar nicht bieten. Selbst, wenn wir dir jetzt einen Truck hinstellen könnten.“ „Das ist klar.“ „Dann ruf deinen Dad an. Je früher, je besser.“ „Okay. Danke für den Tipp, Keela.“ „Gerne. Wofür ist eine Familie sonst da.“ Wir verabschiedeten uns und ich steckte mein Handy weg.
Jetzt hatte ich erstmal keine Zeit. Meine Rekruten warteten auf mich.

Am Abend rief mich Marc an. „Hallo Bruderherz.“ „Hi. Keela hat mir erzählt, dass du angerufen hast.“ „Hat sie dir auch gesagt warum?“ „Klar. Wir haben doch keine Geheimnisse voreinander.“ „Dann weißt du ja, was ich wollte.“ „Darum rufe ich nochmal an. Ich wollte dir nur sagen, dass ich dir auch keine andere Antwort gegeben hätte. Keela hatte den Eindruck, dass du glauben könntest, sie wolle dich nicht in der Firma haben.“ „Dann hätte sie mit sicherlich nicht den Tipp mit Walmart gegeben.“ „Eben. Manchmal frage ich mich selbst, was mich geritten hat, mir die zweite Maschine zu holen. Du glaubst gar nicht, wie oft ich in meiner Ruhezeit wachliege, weil ich Angst habe, dass was schiefgehen könnte.“ „Wieso das denn. Euer George soll doch zuverlässig sein.“ „Ist er auch. Trotzdem habe ich so nicht nur die Verantwortung für mich, sondern auch für meinen Angestellten.“ „So habe ich das noch gar nicht betrachtet.“ „Tja. Das ist eben so. Tut mir leid, Steve. Ich muss dich jetzt wegdrücken. Ich mache jetzt meine PTI, dann geht es weiter.“ „Wo geht es denn hin?“ „Atlanta, Georgia. Kalifornischer Wein hin und wenn alles klappt, Coca-Cola zurück.“ „Wovon hängt das ab?“ „Ob denen das bei Coke recht ist, wenn ich auf der Rückfahrt den Reset mache. Wenn die das nicht wollen, kann ich maximal was bis nach Texas wieder mitnehmen.“ „Dann sieh mal zu.“ „Wir sehen uns, großer Bruder.“ Wir beendeten das Telefonat.

„War das Marc?“ fragte Pam. Ich hatte ihr vor dem Anruf schon von dem Telefonat mit Keela berichtet. „Ja, das war er.“ „Und?“ „Er hat mir auch nochmal bestätigt, was Keela schon gesagt hat. Er will momentan keine dritte Maschine.“ „Dann bleibt wirklich nur noch dein Dad.“ „Auch wenn wir uns versöhnt haben. Irgendwie sträubt sich was in mir.“ „Das ist ja klar. Überleg mal, wie lange ihr nicht miteinander geredet habt.“ „Meinst du denn wirklich, dass das der Richtige Schritt ist?“ „Da bin ich fest von überzeugt.“ „Okay. Für mich ist das wichtigste, dass du glücklich bist und du wieder gesund wirst. Wenn es dazu tatsächlich nötig ist, Truck Driver zu werden, dann mache ich das.“ Pam umarmte und küsste mich. „Danke Darling. Das vergesse ich dir nie.“

Ich nahm mir wieder das Telefon. Dann rief ich bei meinen Eltern in Sacramento an. „Hier Murdock.“ Meldete sich Mom. „Hallo Mom. Ich bin’s.“ „Hallo Steven. Schön, dass du dich mal wieder meldest. Ist alles in Ordnung bei euch?“ „Im Großen und Ganzen ja. Wie siehts bei euch aus?“ „Dein Dad ist schon wieder sehr gestresst. Erstens Vorweihnachtsgeschäft und zweitens geht es bald los, dass er Washington State dabei bekommt.“ „Dann ist es also keine gute Zeit mit ihm zu sprechen?“ „Ich weiß es nicht.“ „Ist er denn zu Hause?“ „Er sitzt im Arbeitszimmer.“ „Soll ich dann besser morgen wieder anrufen?“ „Das ändert ja auch nichts. Da wird sich im nächsten halben Jahr nichts dran ändern.“ „So viel Zeit hat es dann doch nicht.“ „Dann frag ich ihn mal.“
Ich hörte, wie sie durchs Haus ging. Dann klopfte sie. „Frank, dein Sohn möchte dich gerne sprechen.“ „Hat Marc ein Problem? Kann das nicht die Dispatch klären?“ „Steven möchte dich sprechen.“ „Okay. Das ist was anderes.“ Er ließ sich das Telefon geben. „Hallo Steve. Geht es euch gut?“ „Es geht so. War schon mal besser.“ „Habt ihr Probleme?“ „Es geht wieder um Pams Krankheit.“ „Braucht sie jetzt doch eine Operation?“ „Nein. Das ist ja was Psychisches.“ „Da habe ich keine Ahnung von. Was kann ich denn da für euch tun?“ „Es würde schon sehr helfen, wenn du einen Job für mich hättest.“ „Ich denke, du hast einen guten Job.“ „Eigentlich schon. Pams Probleme hängen aber mit dem Job zusammen.“ „Das verstehe ich nicht.“ „Das würde jetzt auch den Rahmen sprengen, dir das zu erklären. Auf jeden Fall wäre es besser, wenn ich meinen Abschied nehme und das Corps verlasse.“ „Verstehe. Das hast du dir sicherlich gut überlegt.“ „Irgendwie schon.“ „Ich weiß nur nicht, was ich dir in San Diego anbieten kann. Wir haben das Palm Promenade Shopping-Center, diverse Supercenter und kleinere Märkte. Was hast du dir denn vorgestellt?“ „Ich dachte daran, Truck Driver zu werden.“ „Wir haben da unten kein Lager. Ich könnte dann allenfalls in Oxnard…“ „Dad, wir denken daran, nach Sacramento zu ziehen.“ Dad atmete hörbar aus und ein. Er dachte nach. „Das ist natürlich was anderes. Hier kann ich sicherlich versuchen…“ „Dad, ich weiß, dass ihr bald neue Fahrer braucht.“ „Woher hast du diese Info? Die sollte noch gar nicht bekannt sein.“ „Keela hat mir das im Vertrauen gesagt.“ „Okay. Ich dachte schon wir hätten ein Leck. Das ist nämlich noch vertraulich. So bleibt das natürlich in der Familie. Obwohl…“ „Jetzt reiß Keela bitte nicht den Kopf ab. Ich hatte sie gefragt, ob bei Marc eine Möglichkeit besteht.“ „Nein. Mache ich schon nicht. Marc kann sich das momentan nicht leisten. Der hat noch genug Schulden.“ „Ich weiß.“ „Okay. Damit du bei uns anfangen kannst, sind gewisse Voraussetzungen einzuhalten.“ „Welche?“ „Du brauchst eine Staatenübergreifende CDL der Klasse A mit Gefahrgut Endorsement.“ „Das sollte kein Problem sein. Meine Driving License der US-Marines wurde immer verlängert. Ebenso mein Gefahrgut Vermerk. Das muss ich nur in eine CDL umschreiben lassen.“ „Damit hast du schonmal das Wichtigste. Mindestens 30 Monate Erfahrung in einer Vollzeitstelle für einen Klasse A Sattelzug in den letzten drei Jahren?“ „Mist. Die habe ich natürlich nicht. Dann können wir das alles vergessen.“ „Lass uns erstmal weiterschauen. In den vergangenen drei Jahren nicht mehr als zwei geahndete Verkehrsverstöße?“ „Da habe ich gar keine. Ich halte mich an die Regeln ich bin ein US-Marine. Wir verstoßen nicht gegen Vorschriften.“ „Also auch keine schwerwiegenden Verstöße in den letzten drei Jahren.“ „Natürlich nicht.“ „Keine DUI, DWI oder OUI. Also kein Fahren unter Alkohol oder Drogeneinfluss in den letzten 10 Jahren?“ „Nein. Drogen habe ich noch nie genommen. Alkohol trinke ich äußerst selten. Und dann fahre ich kein Fahrzeug mehr.“ „Keine vermeidbaren Unfälle mit Nutzfahrzeugen in den letzten drei Jahren?“ „Überhaupt keine Unfälle.“ „In Ordnung. Dann haben wir nur das Problem mit der Erfahrung. Das bekomme ich aber irgendwie hin.“ „Wie denn?“ „Wie viel bist du denn in den letzten drei Jahren überhaupt mit einem großen Truck gefahren?“ „Überhaupt nicht.“ Gab ich zu. „Hmm.“ Brummte Dad. „Und davor?“ „Bevor ich Ausbilder wurde, war ich im Logistic Corps. Da habe ich alles bewegt. Vom Jeep bis zum Schwertransport. Wir mussten ja unsere Panzer oder Hilfsfahrzeuge zur Einsatzstelle bekommen. Wenn du einen ausgewachsenen Abrams Panzer auf dem Tieflader hast, bist du erheblich schwerer, als mit euren Trucks.“ „Okay. Aber vom normalen 18 Wheeler hast du so gut, wie keine Ahnung.“ „Fahren lassen sich die ja genauso.“ „Okay. Bei uns müssen aber die Achslasten passen. Du musst wissen, wie du die Achsen verschiebst und du musst mit der Satellitenkommunikation umgehen können.“ „Das ist ja kein Problem. Man kann alles lernen.“ „Gut. Unsere Märkte sind aber auch teilweise mitten in der Innenstadt. Da musst du dann auch mit einem 53 Fuß Trailer rein, ohne was zu beschädigen. Bei den kleinen Neighborhood Markets ist es mit unter sehr eng und du musst über die Parkplätze Rangieren.“ „Willst du mir den Job jetzt ausreden?“ „Das habe ich nicht gesagt. Ich will nur wissen, ob du damit klarkommst.“ „Traust du mir das etwa nicht zu?“ „Doch. Marc kann das ja auch. Warum solltest du das dann nicht können?“ „Warum fragst du dann so?“ „Weil ich eine Lösung für die fehlenden 30 Monate suche. Ich habe zwar Kontakte, die mir noch den einen oder anderen größeren Gefallen schulden. Es bringt aber nichts, wenn ich eine Bescheinigung über eine Tätigkeit beispielsweise von einem Swift-Niederlassungsleiter bekomme und du weder weißt, wie man Achsen verschiebt, noch wie man ein Kühlaggregat einstellt.“ „Du willst mir eine getürkte Bescheinigung verschaffen?“ „Der Wisch ist doch eh nur für die Akten. Das wird beim Vorstellungsgespräch als vorhanden abgehakt, dann schaut da nie wieder ein Mensch drauf. Es sei denn, du baust schuldhaft oder grob fahrlässig einen Unfall.“ „Na super.“ „Ich hab’s. Ich setze da Jessy drauf an. Die soll so einen Wisch bei ihrem Freund besorgen.“ „Bei Dave?“ „Genau. Der ist doch im Versand bei CAT. Die Trucker, die dort fahren haben doch ähnliche Vorerfahrungen wie du. Ob die nun einen Raupenbagger oder einen Panzer transportieren, ist ja wohl egal.“ Mir schwante böses. Zumal Jessy in ihrer spontanen Art sofort Feuer und Flamme für so eine Idee sein könnte. „Das passt doch alles nicht zusammen. Einerseits ist es wichtig, dass ich keine alten Verstöße habe und andererseits willst du jetzt meinen Lebenslauf türken?“ „Willst du den Job oder nicht?“ Eigentlich schon.“ „Na also. Meinst du, ich wäre Gebietsleiter von einem der größten Gebiete der USA, wenn ich nicht mal ab und zu was drehen würde? Wenn ich nicht ab und zu die Vorschriften verbogen hätte, wäre ich jetzt vielleicht Niederlassungsleiter. Wenn überhaupt. Du kannst kein Omelett machen, ohne ein paar Eier zu zerschlagen.“ „Okay.“ „Na also.“ „Ich hoffe, ich bereue das nicht irgendwann.“ „Ach was. Hat dir Keela eigentlich gesagt, wie gut unsere Bezahlung ist.“ „Das hat sie erwähnt.“ „Gut. Ab wann kannst du denn anfangen?“ „Ob ich das zum 1. Januar schaffe, weiß ich nicht. Ich muss noch meinen Abschied einreichen und den Führerschein umschreiben lassen. Dann müssen wir ein Haus in Sacramento finden und umziehen.“ „Um das Haus kümmern wir uns. Was glaubst du, wie motiviert deine Mutter ein Haus suchen wird, wenn es darum geht, dich und deinen Sohn nach Sacramento zu bekommen. Deine Frau natürlich auch.“ „Aber nicht so was Teures.“ „Lass das mal unsere Sorge sein.“ „Wenn du meinst.“ „So. Ich muss noch was tun. Vorbereitungen für Washington.“ „Viel Erfolg.“ „Halt mich auf dem Laufenden.“ „Mache ich.“ Wir legten auf.

Pam platzte bald vor Neugier. „Was hat er gesagt?“ „Er will mich wohl, obwohl ich nicht alle Einstellungsvoraussetzungen erfülle, einstellen.“ „Das ist ja großartig.“ „Trotzdem ist mir nicht ganz Wohl bei der Sache.“ „Warum denn?“ „Weil Dad da jetzt ein krummes Ding vorhat. Er will mir eine Bescheinigung besorgen, die mir eine Berufserfahrung bestätigt, die ich gar nicht habe.“ „Wenn er das macht, zeigt das doch nur, dass er an dich glaubt.“ „Wenn man das so betrachtet.“ „Betrachte das so.“ „Mir fehlen dann aber trotzdem die Erfahrungen.“ „Darling. Du bist nicht auf den Kopf gefallen. Außerdem bist du einer der diszipliniertesten Männer, die ich kenne. Wenn du das nicht schaffst, wer dann?“ „Okay.“ „Wenn ich mir manche Trucker so anschaue, haben die die Weisheit auch nicht mit Löffeln gegessen. Die steckst du locker in die Tasche.“ „Wir verfallen jetzt nicht in Klischees.“ „Trotzdem schaffst du das.“ „Okay. Ich habe bisher alles hinbekommen.“ „So will ich das hören.“ Wir gingen ins Bett und seit langer Zeit verwöhnte mich Pam mal wieder mit Zärtlichkeiten.


Mittwoch, den 11. Dezember 2019, San Diego, CA:

Wie immer musste ich früh aufstehen. In der vergangenen Nacht hatte ich auch nicht gemerkt, ob Pam einen Alptraum hatte. Vielleicht war er ja wirklich ausgeblieben. Ich machte mich fertig und ging zum Stützpunkt. Dort holte ich mal wieder meine Rekruten aus den Betten.
Der Morgen lief dann wieder, wie gewohnt. An sich mochte ich diese Routine. Ich war natürlich auch geschult, mit unerwarteten Situationen umzugehen. Trotzdem war es mir lieber, dass alles nach Plan lief. Heute würde ich jedoch auf eine Situation treffen, die ich noch nie hatte, seitdem ich den Marines beigetreten war.

Am späten Vormittag machte SgtMaj Baldwin mal wieder eine Inspektionstour, bei der er einen Blick auf die Ausbildungsgruppen warf. Begleitet wurde er, wie meistens von Sergeant Dunlop. Als er meine Gruppe inspizierte, fragte ich ihn, ob ich ihn kurz sprechen könnte. „Sergeant Dunlop, übernehmen Sie kurz für Gunnery Sergeant Murdock.“ „Sir, ja Sir.“ „Was gibt es Gunny?“ „Sir, Kann ich Sie unter vier Augen sprechen, Sir?“ „In Ordnung, Gunny.“
Wir entfernten uns ein paar Schritte von Dunlop und den Rekruten. „So, Gunny. Was gibt es? Sie wollen doch nicht schon wieder frei haben.“ „Sir, darf ich offen sprechen, Sir?“ „Bitte.“ „Sir, ich möchte meinen Abschied nehmen, Sir.“ „Sie wollen was?“ fragte Baldwin scharf. „Sir, ich möchte das US-Marine Corps verlassen, Sir.“ „Ist das Ihr Ernst, Gunny?“ „Sir, ja Sir. Mein voller Ernst, Sir.“ „Sie sind einer der Letzten, von denen ich das geglaubt hätte. Ist Ihnen klar, was Sie da tun?“ „Sir, glasklar Sir.“ „Wenn Sie das Corps verlassen, können Sie nicht so einfach wiederkommen, wenn Sie es sich anders überlegt haben.“ „Sir, das ist mir bewusst, Sir.“ „Hat das mit der Krankheit Ihrer Frau zu tun?“ „Sir, ja Sir.“ „Ich sage es ja immer wieder. Ein US-Marine sollte nur mit dem Corps verheiratet sein.“ „Sir, ja Sir.“ „Haben Sie sich das gut überlegt?“ „Sir, das habe ich, Sir. Mein Entschluss steht fest, Sir.“ „Ihnen ist auch klar, dass Ihnen dann sämtliche Vergünstigungen entfallen, die Sie hier haben. Angefangen bei Ihrem Haus. Natürlich auch die medizinische Versorgung Ihrer Frau.“ „Sir, ja Sir. Wir werden sowieso nach Sacramento ziehen, Sir.“ „Dann kann ich Sie wohl nicht überreden zu bleiben.“ „Sir, Nein Sir.“ „Ich verliere Sie nur ungern, Murdock. Sie sind ein guter Mann.“ „Danke sehr, Sir.“ „Ich brauche das natürlich noch schriftlich.“ „Sir, selbstverständlich Sir.“ „Bis Jahrsende müssen Sie aber noch bleiben. Vor Weihnachten bekomme ich ja keinen Ersatz mehr.“ „Sir, ja Sir.“ „Weitermachen, Gunny.“ „Sir, ja Sir.“ Ich löste Dunlop wieder ab und führte die Ausbildung fort.

Die nächsten Tage waren dann geprägt von organisatorischen Sachen, die neben dem Alltag stattfanden. Ich musste zur kalifornischen Transportbehörde und die Umschreibung meiner militärischen Fahrerlaubnis in die CDL beantragen. Zum Glück war das nur eine Formalität. Trotzdem dauerte es natürlich noch, bis sie mir ausgehändigt werden konnte. Außerdem hatte ich noch meine Kündigung aufgesetzt, die SgtMaj Baldwin ja schriftlich brauchte.
Ein paar Tage später begannen dann auch schon wieder die ersten Posadas und somit die Vorweihnachtszeit.

Eines Abends begrüßte mich Pam mit einer Überraschung. „Deine Eltern haben ein Haus gekauft.“ „Wie jetzt?“ Mein Elternhaus in Southwestern Sacramento gehörte meinen Eltern schon lange und war ja auch schon lange bezahlt. Es lag in einer guten Gegend mit Blick ins Grüne. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum sie umziehen sollten. „Wollen sie etwa umziehen?“ „So ein Quatsch. Sie haben ein Haus für uns gekauft.“ Jetzt war ich wieder überrascht. „Ohne uns zu fragen?“ „Das war aber diesmal deine Mom, die das gemacht hat. Eine ihrer Freundinnen ist wohl Maklerin.“ Ich erinnerte mich an sie. „Ja und?“ „Die hatte wohl was Passendes für uns.“ „Weißt du wo?“ „Moment… …in Lemon Hills.“ Ich kannte Lemon Hills. Dort standen viele kleine Einfamilienhäuser in der typischen Holzbauweise. Die meisten hatten kein Obergeschoss, sondern maximal einen Dachboden. Es war eine typische Gegend für Familien der Arbeiterklasse oder die, kleiner Angestellten. Optimal für uns. Außerdem war es nicht weit bis zum Walmart Zentrallager. Zur Not konnte man das zu Fuß erreichen. Dann kämen wir auch mit einem Auto aus.
„Klingt ja nicht schlecht. Aber warum haben Mom und Dad das gekauft?“ „Damit wir nicht sofort mit Schulden anfangen. Wir sollen dann wohl Miete an deine Eltern zahlen und das Haus damit abzahlen.“ „Okay. Weil Almosen brauchen wir nicht.“ „Mary wusste, dass du so reagieren würdest.“ „Sie kennt mich halt.“ „Deine Mom hat uns auch schon Fotos geschickt.“ „Zeig mal.“ Pam zeigte mir die Bilder auf ihrem Laptop.
Es war eines der typischen Häuser dort. Ein kleines Haus mit einer angebauten Garage. Unter dem Satteldach war vermutlich kein Platz für einen Dachboden. In der Auffahrt vor der Garage war nochmal Platz für zwei Autos. Der Vorgarten bestand aus einer einfachen Rasenfläche. Das Haus war im guten Zustand und wirkte gepflegt. Auf der Rückseite war neben der kleinen Terrasse auch ein weiteres Rasenstück, wo genug Platz war, um später ein, zwei Spielgeräte für Tim, wie zum Beispiel einen Sandkasten oder eine Schaukel aufzustellen.
Innen gab es ein Wohnzimmer mit Essbereich und der offenen Küche an einer Seite. Dann ein Schlafzimmer, zwei Kinderzimmer und ein Bad. Das reichte durchaus. Zusätzlich hatte es der erste Eigentümer mit einem angeblich Atombombensicheren Keller bauen lassen. Dieser war erstaunlich groß. Vermutlich war der Keller nicht nur unter dem Haus, sondern auch noch unter dem Garten.
„Ist doch super.“ Meinte Pam begeistert. „Ich denke, da werden wir uns wohlfühlen.“ Pam umarmte mich und küsste mich zärtlich. „Unser neues Leben kann beginnen.“

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