5. Neuanfang in Sacramento

San Diego, CA, Dezember 2019:

Die letzten Tage, die ich noch Drill Instructor bei den US-Marines war, hatten begonnen. Es wurde mir dabei immer mehr bewusst, dass es der letzte Ausbildungslehrgang war, den ich leiten würde. Pam packte zu Hause schon die ersten Sachen in Umzugskartons und sortierte auch schon Sachen aus, die wir nicht mitnehmen wollten. Die Babysachen von Tim bekam eine Cousine von Pam, die gerade Schwanger war.
Pam kam dann auch noch eine andere Aufgabe zuteil. Sie musste ihren Eltern noch erzählen, dass wir nach Sacramento ziehen würden. Das schob sie immer weiter vor sich her, weil sie nicht wusste, wie sie es ihnen beibringen sollte.

Ein paar Tage vor Weihnachten war es dann soweit. Die heutige Posada sollte im Haus meiner Schwiegereltern stattfinden. So nutzte ich den Abend, um dort ebenfalls mitzufeiern. Zusätzlich zu der Piñata, die für die Kinder der Nachbarn aufgehängt wurde, bekam Tim von seinen Großeltern wieder seine eigene. Diese hängten wir dann eben so niedrig, dass Tim sie erreichen konnte. Mangels eines Baseballschlägers, den ein Kind in Tims Alter hätte bewegen können, bekam er einen Stock, den ihm sein Großvater besorgt hatte. Schließlich traf er die Piñata und wir halfen ihm etwas, damit sie zu Bruch ging. Der Kleine freute sich danach wie ein Schneekönig.
Etwas später nahm ich Pam zur Seite. „Du musst es ihnen endlich sagen.“ Flüsterte ich ihr zu. „Ich habe Angst davor.“ Wie lange willst du denn noch warten? Bis wir mit dem Möbelwagen nach Sacramento starten?“ „Du hast Recht.“ Sagte sie.
Dann ging sie zu ihren Eltern. „Mom, Dad. Ich muss euch etwas sagen.“ Sie blickte verzweifelt zu mir rüber. Ich ging zu ihr und nahm ihre Hand. „Also… …wir drei… …ziehen im Januar… …nach Sacramento.“ Endlich war es raus. „Schön, dass du endlich den Mut gefunden hast, es uns zu sagen.“ Sagte ihre Mutter. „Wie? Ihr wisst das schon?“ Brenda Cortez nickte. Pam schaute mich an. „Hast du etwa…“ „Steve hat nichts gesagt. Er wollte es ja dir überlassen.“ „Woher…?“ „Steves Mutter hat mir das gesagt. Im Vertrauen.“ Pam versuchte ein gequältes Lächeln. „Mach dir keine Gedanken. Wir verstehen eure Entscheidung und werfen euch nichts vor.“ Pam begann zu weinen und umarmte ihre Mutter. „Warum kommt ihr nicht mit?“ fragte ich dann spontan meine Schwiegereltern. „Das hat uns deine Mutter auch schon gefragt.“ Sagte jetzt Pams Dad. „Wir bleiben aber hier.“ „Warum? Wenn ihr auch nach Sacramento zieht, seid ihr doch in der Nähe von Pam und Tim.“ „Das ist richtig. Aber solange meine Eltern noch drüben in Mexico leben, bleiben wir hier. Sie sind ja schon alt. Bis hierher, kurz über die Grenze schaffen sie es noch aber bis nach Sacramento? Das ist zu weit.“ „Verstehe.“ „Vielleicht später mal, wenn meine Eltern gestorben sind.“ „Okay.“
Die Feier an dem Abend ging weiter. Pam wirkte dann auch sichtlich erleichtert. Es hatte sie belastet, dass sie ihren Eltern noch nichts gesagt hatte. Als wir schließlich nach Hause fuhren, ging es ihr richtig gut.

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Weihnachten verbrachten wir wieder bei Pams Eltern. Auch ihre Großeltern waren wieder aus Mexico angereist. Ich konnte Alejandros Entscheidung irgendwie verstehen, wegen seiner Eltern erstmal in San Ysidro wohnen zu bleiben. Pams Großeltern wohnten in einem Arbeiterviertel im Süden von Tijuana. In einer der Fabriken dort, hatte Pams Großvater auch Zeit seines Arbeitslebens geschuftet. Nun war er im Ruhestand, seine Gesundheit war aber auch nicht mehr die Beste. Pams Großmutter pflegte ihn liebevoll.
Da Alejandro, Pams Vater, Angst hatte, dass man ihn dabehalten könnte, wenn er über die Grenze nach Mexico fuhr. Wurden sie allenfalls mal von Pams Mom besucht. Einmal im Jahr, zu Weihnachten taten sie sich aber der Stress des Grenzübertritts an, damit die ganze Familie zusammen feiern konnte.
Pams Vater hatte es zumindest geschafft, über die Grenze nach Kalifornien zu kommen. Viel hatte er aber seiner Familie nie bieten können. Er arbeitete immer noch als Lagerarbeiter in einem der zahlreichen Logistikbetrieben in Otay Mesa, die davon lebten, Im- und Exporte von und nach Mexico zu betreiben. Pams Mom hatte, soweit das möglich war, auch immer mitgearbeitet.

Es war dann Essenszeit am heiligen Abend. Pams Mom hatte wieder den obligatorischen Truthahn serviert. Während dem Essen kam mir der Gedanke in den Kopf, ob das dann wohl das letzte Weihnachten war, was wir mit Pams Familie verbrachten.
Als wir später in der Kirche waren, fand ich, dass es eine gute Idee wäre, zum heiligen Vater zu beten. Ich war ja zum katholischen Glauben konvertiert, damit ich damals für Pams Familie würdig war, sie zu heiraten. Genauso, wie es Marc für Keelas Eltern getan hatte. Viel hatte ich bisher nicht gebetet. Heute fand ich aber, dass es an der zeit sei. So bat ich in meinem Gebet darum, dass alles klappen sollte und dass Pam wieder gesund werden würde. Danach begann dann auch die Mitternachtsmesse zur heiligen Nacht.

Nach Weihnachten hatte ich dann meine letzten Tage als Ausbilder. Es war dann auch irgendwie komisch meine Sachen zusammenzupacken. Schließlich wurde ich mit allen Ehren aus dem US-Marine Corps entlassen. „Wer einmal zum US-Marine Corps gehört hat und dieses mit allen Ehren verlässt, bleibt Zeit seines Lebens ein US-Marine. Verhalten Sie sich entsprechend.“ Sagte SgtMaj Baldwin bei der Abschiedszeremonie.
Schließlich war der offizielle Teil des Abschieds erledigt. Der Rest war Bürokratie. Seit meinem Entschluss, das Corps zu verlassen war ich sowieso nur noch am Formulare ausfüllen. Das Wichtigste dabei war das DD214 Formular. In diesem bescheinigt das Verteidigungsministerium, dass man Angehöriger des Militärs war und hilft einem die entsprechenden Vorteile zu erlangen. Ich entscheid mich dann auch, der IRR (Individual Ready Reserve) anzugehören, der Individuellen Bereitschaftsreserve der Marines. So behielt ich meine persönliche Ausrüstung und meinen Militärausweis.
Das komplette EAS (Austrittsverfahren) absolvierte ich ja beschleunigt. Dass dies notwendig war, bescheinigte Commander Brown, mit der Begründung, dass es für die Gesundheit meiner Ehefrau notwendig war. Dadurch, dass meine berufliche Zukunft feststand, konnte ich mir einige Programme, wie das TAP ersparen oder zumindest abkürzen.
Der finale Gesundheitscheck hatte kurz nach Weihnachten stattgefunden. Für unseren Umzug hatte ich mich für den PPM, den selbst durchgeführten Umzug entschieden. Man hatte uns dann, aufgrund des beschleunigten Austrittsverfahrens zwei Wochen gegeben, die wir nach dem Abschied am 31.12. hatten, um unser Haus zu räumen. Da es ja im Lincoln Military Housing – Gateway Village befand, war es ja außerhalb des Stützpunkts und somit nicht unmittelbar auf militärischem Gelände. So hatten wir noch ein paar Tage Zeit, alles vorzubereiten.

An den ersten Januartagen war es dann für mich erstmal ungewohnt, dass ich nicht zum Dienst brauchte. Ich stand dann morgens trotzdem früh auf und ging dann immer als Erstes laufen. Ich wollte mir meine körperliche Fitness behalten und jetzt nicht, weil ich nicht mehr im aktiven Dienst war, alles weglassen.
Nach und nach war dann fast alles aus den Schränken verschwunden und in Kartons gelandet. Schließlich konnten wir dann noch unsere Möbel zerlegen und so alles für den Umzug vorbereiten.

Am Freitag, den 10. Januar ging der Umzug dann in die heiße Phase. Am Nachmittag brachte mich Pam zur U-Haul Vermietung am Midway Drive. Dort hatte ich einen 26 Fuß Truck gemietet der uns als One-Way Miete nach Sacramento bringen sollte. Für einen zukünftigen Truck Driver geradezu ein lächerliches Fahrzeug. Trotzdem war es das größte Fahrzeug, was ich seit Jahren bewegt hatte. Der Ford Truck stand bereit und wir erledigten die Fahrzeugübergabe. Dann fuhr ich mit dem Truck wieder zu unserem Haus. Dabei merkte ich schon, dass die Abmessungen kein Problem für mich waren. Wir wären vermutlich auch mit dem kleineren 20 Fuß Truck ausgekommen, ich hatte aber absichtlich den Größeren genommen, um schon mal etwas Eingewöhnung zu bekommen.
Zu Hause angekommen, begannen wir damit, den Truck mit unseren Habseligkeiten zu füllen. Pams Eltern und unsere Freunde, die wir in San Diego hatten, halfen uns dabei. So war gegen Abend alles verladen, was wir nicht für unsere letzte Nacht im alten Haus noch brauchten. Das waren nur noch Tims Kinderbett, was Pam und ich auch alleine in den Truck bekamen, und unsere Sachen für den nächsten Tag. Pam und ich wollten die Nacht in Schlafsäcken und auf Iso-Matten verbringen.

Als kleine Abschiedsfeier von unseren Freunden und Helfern bestellten wir dann bei Domino’s eine Runde Pizzen, die wir dann in einem Kreis auf dem Rasen sitzend, verspeisten. Außerdem machten wir noch Musik an, so dass es noch eine richtig schöne Party wurde. Schließlich kam dann der mehr oder weniger tränenreiche Abschied von unseren Freunden. Pams Eltern wollten sich lieber am kommenden Morgen verabschieden, wenn wir losfuhren.
Als alle gegangen waren, zogen wir uns dann in unser Haus zurück. Die letzte Nacht im alten Haus stand und bevor.

Samstag, den 11. Januar 2020, 6:30 a.m., PST, San Diego, CA:

Auch an diesem Morgen stand ich früh auf und erledigte zuerst noch eine Laufrunde durch unser kleines Wohngebiet. Es war ein komisches Gefühl, dass es das letzte Mal sein würde, dass ich hier meine Laufrunde absolvierte. Das würde dann in Zukunft in Lemon Hills, in Sacramento stattfinden.
Als ich wieder da war, weckte ich Pam und ging dann unter die Dusche. Anschließend duschte Pam und ich weckte Tim und machte ihn fertig. Danach räumte ich unser Schlafzeug zusammen und Pam und ich packten die restlichen Sachen schnell in den Truck. Nun holten wir die letzten Sachen aus dem Kühlschrank und machten uns ein kleines Frühstück. Alles andere packten wir in eine Kühlbox. Schließlich kamen Pams Eltern um sich zu verabschieden. Außerdem kam noch jemand von der Verwaltung für die Wohnungen im Rang eines Corporals vorbei. Wir lasen noch schnell die Zähler ab und unterschrieben das Übergabeprotokoll. Dann bekam der Corporal die Schlüssel und wir hatten kein Haus mehr in San Diego.
Der Abschied von Pams Eltern war dann doch recht tränenreich. Dann wurde es Zeit, loszufahren. Pam setzte Tim in den Kindersitz des Hummers und sich anschließend selbst ans Steuer. Ich stieg in den Truck und startete ihn. Dann fuhr ich los. Pam folgte mir mit dem Hummer und ihre Eltern winkten zum Abschied.

Wir machten uns auf den Weg zur I-5 in Richtung Norden. Ich achtete immer darauf, dass Pam mit dem Hummer auch hinter mir blieb. Schließlich hatten wir die Interstate erreicht. Wir fuhren auf den Freeway, auf dem ich bald merkte, dass es besser war, den Ford bei 55 mph zu halten. Er konnte sicherlich schneller, ich wollte den Verbrauch aber möglichst gering halten. So lief er mit moderater Drehzahl im 6. Gang. Außerdem brauchte Pam den Hummer auch nicht so quälen. Der Tank des Trucks fasste 60 Gallonen und ich fragte mich jetzt schon, wie oft wir diesen füllen mussten, um nach Sacramento zu kommen. Außerdem ging mir die Frage durch den Kopf, warum solche Fahrzeuge in Europa generell Diesel waren, während hier große V8 Benzinmotoren verbaut wurden.

Eineinhalb Stunden später merkten wir den Vorteil, dass wir dieses Mal am Samstag gefahren waren. Es herrschte im Raum Los Angeles zwar Berufsverkehr, dieser war aber nicht so dicht, wie bei unserer letzten Fahrt zu Marcs Hochzeit, wo wir ja montags gefahren waren. So konnte ich die 55 größtenteils halten und Pam hatte auch keine Probleme, dranzubleiben, zumal der U-Haul Truck, mit seiner bunten California Beklebung auf der Seite, sowieso auffällig genug war.
Schließlich erreichten wir den Tejon Pass und der F-650 bekam zum ersten Mal wirklich was zu tun. Mit fallender Geschwindigkeit und einer wild hin- und her schaltenden Automatik ging natürlich auch der Verbrauch in die Höhe. Die mpg Anzeige hatte bisher noch zweistellige Meilen angezeigt, die ich, dank meiner moderaten Fahrweise geschafft hatte. Nun war der Durchschnitt aber schnellstens unter 10 mpg gefallen. Power hat der V8 eigentlich genug. Dachte ich. Nur dann säuft die Karre auch wie ein Loch. Dass solche Verbrauchswerte in Zukunft noch Traumwerte sein würden, wusste ich ja im Moment noch nicht.
Schließlich hatten wir die Passhöhe erreicht und der Truck lief wieder schneller und ruhiger. Bei dem Gefälle merkte ich dann aber auch, dass ich mehr auf der Bremse stand. Motorbremse hatte der Leihwagen natürlich nicht und die Wandler-Automatik war auch nicht gerade dazu geeignet, eine bremsende Wirkung des Motors zu erzeugen. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als auf die Scheibenbremsen zu vertrauen, die der Truck immerhin hatte. So viel waren die 26.000 Pfund Gesamtgewicht des Trucks ja nun auch nicht.
Dabei kam mir dann auch die Frage in den Sinn, was ich in Zukunft wohl für einen Antriebsstrang bekommen würde. Walmart war zwar für seine gute Bezahlung bei den Fahrern bekannt, sie hatten aber nicht den Ruf für eine besondere Ausstattung der Trucks. Es war zwar wohl alles drin, was man brauchte, aber eben auch nicht mehr. Ansonsten waren die Trucks auf einen optimalen Verbrauch ausgelegt. Seit dem neuen Cascadia und den guten Automatikgetrieben, die Paccar und Volvo inzwischen auch boten, war man wohl auf Automatik umgestiegen. Die älteren Trucks, die man teilweise auch in Börsen für gebrauchte Trucks fand, waren zwar Scheckheftgepflegt und einmalig gut gewartet, hatten aber in der Regel nur 400 PS und 10 Gang Fuller Getriebe mit Engine Brake. In Staaten mit vielen Bergen, wie zum Beispiel Colorado gab es dann auch schon mal Trucks mit größerer Maschine. Ich war also schon gespannt, was mir blühen würde. Die Bezahlung und die guten Arbeitszeiten waren mir aber auch wichtiger, als ein toller Truck.

Inzwischen waren wir wieder im Tal angekommen und hatten den Abzweig zum Golden State Highway passiert. Wir blieben aber auf der I-5. So brauchten wir wenigstens nicht noch Bakersfield und Fresno als größere Städte passieren.
Am TA Truckstop in Buttonwillow machten wir dann mal wieder unsere Mittagspause. Dabei fütterten wir zuerst den H2 und den F-650 mit Benzin. Anschließend gingen wir drei in den Taco Bell, wo wir uns mit mexikanisch anmutendem Fastfood stärkten.
Nach unserer Mittagspause ging es dann weiter in Richtung Norden. Ich fuhr weiter mit moderatem Tempo. So hatte Pam auch keine Probleme, mir mit dem Hummer zu folgen.

Nach einer ruhigen Fahrt erreichten wir so am Spätnachmittag Stockton und eineinhalb Stunden später Sacramento. Von Stockton aus hatte ich kurz bei Mom angerufen. So erwarteten uns Mom und Dad vor unserem neuen Haus.
Wir hielten vor dem Haus und stiegen aus. Dann wurden wir von Mom und Dad mit Umarmungen begrüßt. Anschließend bekamen wir unsere Schlüssel. Während Dad schon wieder mit seinem Handy telefonierte, zeigte uns Mom erstmal das Haus. Wir kannten es ja schon von den Fotos, aber in Natura war es dann doch was Anderes.

Etwa zwanzig Minuten später standen auf einmal Jessy, Dave, Keela und Marc vor der Tür. „Ich habe gehört, hier werden Umzugshelfer gebraucht.“ Begrüßte uns Marc. Ich war erstmal perplex. „Müsst ihr gar nicht arbeiten?“ fragte ich verwundert. „Marc hat gerade Reset und Jessy und ich haben frei.“ Erklärte Keela. „Danny hat heute Bereitschaft.“ „Ich habe sowieso an den Wochenenden frei.“ Ergänzte Dave.
Mit acht Leuten waren wir dann genug Leute, die helfen konnten. Wobei Mom sich dann mehr um Tim kümmerte, als Kartons zu schleppen. Trotzdem war der Truck dann recht schnell entladen. „Wo lassen wir den Truck?“ fragte ich dann in die Runde. „Den kann ich ja vor Montag nicht abgeben.“ „Stell ihn doch bei uns auf den Hof.“ Meinte Keela als erste. „Gute Idee.“ Meinte auch Marc.
Gesagt – getan. So fuhren Marc und ich los und brachten den Truck auf den Hof von M.M. Trucking. Dort bewunderte ich dann auch erstmal Marcs Kenworth T680. „Guck ihn dir besser nicht so genau an.“ Grinste Marc. „So was bekommst du bei Dad sicherlich nicht.“ „Wegen der Marke?“ „Noch nicht mal unbedingt deswegen. Kenworth ist zwar selten bei Walmart, wird aber schon ab und zu gekauft. Aber sicher nicht in Top Ausstattung und mit 510 PS und 18 Gang Getriebe.“ „Verstehe. Aber hattest du nicht so einen Klassiker? Ich meine euren Hochzeitstruck.“ „Den fährt unser Fahrer George.“ „Aha.“

Wir fuhren zurück zu unserem Haus. Dort hatten Dad und Dave bereits begonnen, die ersten Möbel wieder aufzubauen. „Zum Glück ist Dave dabei.“ Witzelte Jessy. „Dad versteht da soviel von, wie eine Kuh vom Eierlegen.“
Marc und ich gingen dann auch daran, Möbel aufzubauen. Keela und Jessy taten das auch, aber mit kleineren Möbeln. Pam hatte inzwischen damit begonnen, die Schränke der Einbauküche, die hier verbaut war, auszuwaschen. Zum Glück hatten meine Eltern vorher schon die Lampen anbringen lassen, sonst hätten wir schon nichts mehr gesehen. Im Januar wurde es nun mal früh dunkel.
Als der Großteil der Möbel stand, verabschiedeten wir dann unsere Helfer. Den Rest würden wir alleine schaffen. Marc musste morgen sowieso schon wieder los.
Als alle Anderen weg waren, atmeten wir erstmal tief durch. „Willkommen im neuen Zuhause.“ Sagte ich zu Pam. „Danke. Ich bringe jetzt erstmal Tim ins Bett. Es ist eigentlich schon viel zu spät für ihn.“ Das hatte man gemerkt. Zum Schluss wurde er doch ziemlich quengelig.
Ich nahm mir dann heute Abend tatsächlich mal eine Flasche Bier und ging auf unsere kleine Terrasse. Es war frisch geworden. Während wir gestern Abend in San Diego noch so 13, 14 Grad Celsius hatten, waren es hier heute nur noch einstellige Temperaturen. An das kühlere Klima in Sacramento musste ich mich auch erstmal wieder gewöhnen. Gut, dass wir nicht noch weiter in den Norden gezogen waren.
Pam kam zu mir und brachte mir eine Jacke. Sie hatte sich selbst ebenfalls eine Jacke angezogen. „Tim schläft.“ Sagte sie. Ich nickte. „Unsere Stromkosten werden hier wohl höher werden, als in San Diego. Wir müssen hier mehr heizen.“ Stellte sie fest. „Dafür muss im Sommer aber die Klimaanlage nicht so viel arbeiten.“ „Okay. Ich muss mich da trotzdem erstmal dran gewöhnen.“ „Tja, du kommst aus einer Stadt mit einem sehr angenehmen Klima. Das ist hier etwas anders.“ „Ich werde mich schon daran gewöhnen. Übrigens, kannst du mir sagen wo das UC Davis Medical Center ist?“ „Am Stockton Boulevard, nördlich von hier. Warum?“ „Da ist wohl ein Facharzt, ein Studienfreund von Commander Brown, der meine Behandlung fortsetzen soll.“ „Verstehe.“ „Ich bin todmüde. Lass uns schlafen gehen.“ „Hoffentlich hält das Bett.“ Grinste ich. „Das haben Dad und Dave aufgebaut.“ „Die Belastbarkeit testen wir ein anderes Mal.“ Sagte Pam mit einem verführerischen Lächeln. „Heute bin ich da zu müde zu.“ Ich küsste sie. „Hauptsache, dir geht es gut.“ Sie rümpfte die Nase. „Du schmeckst nach Bier.“ Ich trank die Flasche aus und dann gingen wir ins Bett.

Die folgenden Tage waren dann geprägt vom Auspacken und Einräumen. Unsere beliebtesten Einkaufsziele in diesen Tagen waren dann in der Florin Road, wo wir zwischen dem Walmart Supercenter und dem Home Depot Baumarkt wechselten.
Ich merkte gerade auf den Parkplätzen der Märkte, dass mir der Hummer langsam zu groß wurde. Außerdem nervte mich der Verbrauch des H2 im Stadtverkehr von Sacramento. Das war mir in San Diego gar nicht so aufgefallen. Dann entdeckte ich bei einem Gebrauchtwagenhändler einen 2012er Ford Edge, der mir gefiel. Schließlich einigte ich mich mit dem Händler auf einen vernünftigen Preis und tauschte ihn gegen den Hummer.

Pam freundete sich inzwischen richtig mit Jessy und Keela an. Anfangs war ich dann erstmal erstaunt, als Keela mit ihrer Harley ankam, wusste ich doch nicht, dass es eines ihrer Hobbies war. Später hatte ich mich daran gewöhnt, wenn die schwarze Electra Glide vor der Tür stand.
Neben den beiden Frauen war auch Mom oft bei uns. Dad war eh kaum zu Hause, pendelte er doch ständig zwischen Sacramento und Kennewick, WA, wo sich seltsamerweise die bisherige Zentrale von Walmart für Washington State befand. Man hätte da eigentlich eher auf Seattle getippt.
Während sich die Mädels eher darum kümmerten das Innere unseres Hauses weiter zu verschönern und zu dekorieren, hatte ich mir unseren Garten vorgenommen, wo ich für Tim einen Sandkasten und eine Schaukel aufbaute. Die fertigen Komponenten, die dann nur noch zusammengebaut werden brauchten, fand ich im Home Depot.

Pam hatte inzwischen auch Kontakt zu Cameron Douglas, M.D. aufgenommen. Dieser war ihr neuer Arzt und Therapeut, der die Behandlung von Commander Brown hier in Sacramento fortsetzen würde. Momentan fiel ihr das noch sehr schwer. Zu Brown hatte sie ein tiefes Vertrauensverhältnis aufgebaut, was natürlich bei Douglas, den sie bisher nicht kannte, noch nicht da war. Sie wusste aber, dass Brown ihn empfohlen hatte und folgte der Empfehlung.

Wenn Marc mal in Sacramento war, trafen wir uns und er zeigte mir schonmal ein paar Sachen. Zum Beispiel den Umgang mit dem ORBCOMM und wie man am Trailer die Achsen verschieben konnte. Ich würde aber auch die ersten Tage bei Walmart einen sogenannten Driving Instructor bekommen. Dessen Tätigkeit könnte man wohl mit einem deutschen Kraftverkehrsmeister vergleichen. Neben seiner Tätigkeit als Fahrer war er für die Weiterbildung der Fahrer verantwortlich und ebenso für die Einweisung von neuen Fahrern. Marc meinte aber, dass es nicht schaden kann, wenn man vorher schon mal ein wenig wusste und einem nicht alles beigebracht werden musste.
So vergingen unsere ersten Tage in Sacramento wie im Flug. Zum 1. Februar sollte ich dann offiziell anfangen. Mein erster Arbeitstag sollte dann aber Montag, der 3. Februar werden.

Montag, der 3. Februar 2020, 6:00 a.m., PST Sacramento, CA:

Mein erster Arbeitstag im neuen Job sollte beginnen. Ein wenig aufgeregt war ich dann schon. Trotzdem ließ ich es mir auch heute nicht nehmen und machte zuerst meinen Frühsport. Nachdem ich die Toilette benutzt und die Zähne geputzt hatte, zog ich mir erstmal meine Sportsachen an und ging eine Stunde laufen.
Zurück zu Hause ging ich dann duschen. Pam war inzwischen auch aufgestanden und hatte Tim fertiggemacht. Während Tim und ich frühstückten, machte sich Pam fertig.
„Wie läuft das denn heute ab?“ fragte mich Pam, als sie zu uns kam. „Viel weiß ich nicht.“ Gab ich zu. „Um acht Uhr soll ich mich bei Charles Saunders melden. Der sagt mir dann, wie es weitergeht.“ Pam nickte. Sie frühstückte dann auch nicht, sondern trank nur eine Tasse Kaffee.
Gegen zwanzig vor Acht gingen wir dann zum Auto und Pam brachte mich eben zum Walmart Zentrallager, wo auch die Gebietsleitung, also Dads Büro und die Niederlassung der Walmart Transportation waren, der ja auch die Dispatcher angehörten. Pam verabschiedete sich mit einem Kuss und fuhr mit Tim wieder zurück nach Hause.

Ich ging rein und meldete mich beim Empfang, wo eine Blondine saß, die etwas über 30 war. „Ja bitte?“ fragte sie mich mit einem arroganten Lächeln. „Guten Morgen.“ Grüßte ich freundlich. „Ich soll mich bei Charles Saunders melden.“ „Ihr Name?“ „Steven Murdock. Ich bin der neue Fahrer.“ Als die Blondine den Namen Murdock hörte, zuckte sie kurz zusammen, dann merkte ich, dass sich ihr Tonfall gleich viel freundlicher anhörte. „Die Dispatch ist gleich da hinten. Einfach geradeaus. Da finden Sie auch das Büro von Mr. Saunders.“
Ich ging so, wie es mir die Blondine gesagt hatte und kam in ein Großraumbüro. Hier wurde zwar nicht viel geredet, es herrschte aber eine arbeitsreiche Atmosphäre. Schließlich war es Montagmorgen und Monatsanfang. Die zahlreichen Dispatcher, die hier saßen hatten jeweils zwei große Monitore auf ihren Schreibtischen, auf denen verschiedene Programme zu sehen waren. An einem der Schreibtische erkannte ich Keela, die mir auch kurz zuwinkte.
In einem separaten, verglasten Büro, was in einer Ecke des großen Raumes war, erkannte ich Saunders, der mich zu sich herüber winkte.

Ich ging dort hinein und begrüßte ihn. „Guten Morgen, Mr. Saunders.“ „Charlie.“ Sagte er. „Guten Morgen, Steven.“ „Dann bitte Steve.“ „Okay. Herzlich Willkommen bei Walmart Transportation. Das meiste über uns weißt du bestimmt schon von deiner Familie.“ „Kann sein.“ Sagte ich zögerlich. „Also. Um es kurz zu machen. Wir sind dafür zuständig, dass wie Waren, die man bei Walmart kaufen kann, von unseren Lägern zu den einzelnen Märkten kommen. Normalerweise werden die Waren bei uns von den Produzenten angeliefert. Ab und zu kommt es aber auch vor, dass wir, zum Beispiel bei Engpässen die Waren bei den Herstellern abholen.“ Ich nickte. „In erster Linie sieht es so aus, dass wir Waren zu den Märkten bringen und Altverpackungen oder alte Paletten wieder dort abholen, die dann hier im Lager in die Müllpressen oder zur Verwertung gehen. Über die Großhandelssparte Sam’s Club gehen aber auch Waren zu Großverbrauchern, wie Werkskantinen oder zu anderen Händlern, die die Artikel selbst weiterverkaufen.“ Ich nickte wieder. „Im Großen und Ganzen läuft das bei uns dann per Drop and Hook. Walmart hat etwa 7000 ziehende Einheiten und 60000 gezogene Einheiten. Das heißt im Klartext, du holst einen beladenen Trailer ab und stellst ihn am Ziel wieder ab. Dort steht dann in der Regel ein anderer Trailer für dich bereit, den du dann aufnimmst und ihn dann seinerseits zum Ziel bringst. Mit Be- und Entladung hast du nichts zu tun.“ Ich nickte abermals. „Welchen Trailer du bekommst und wo dieser hingebracht werden soll, erfährst du über dein ORBCOMM on Board Gerät in deinem Truck. Die jeweiligen Anweisungen stehen dort in einem Code, den dir unser Driving Instructor erklären wird. Deine Anweisungen bekommst du quasi immer aus diesem Großraumbüro von deinem Dispatcher Team. Egal wo du dich befinden solltest. Selbst dein Bruder, der komplett USA und Kanada für uns fährt, wird immer von hier aus eingeteilt.“ „Aha.“ „Mal eine Frage. Kommst du mit deiner Familie gut klar, oder gibt es da Probleme?“ „Keine Probleme, warum?“ „Weil ich dich gerne dem Team zuordnen würde, in dem deine Schwester und deine Schwägerin sind.“ „Überhaupt kein Problem.“ „Das ist gut. Mit Keela brauche ich dich dann ja auch nicht bekannt zu machen.“ „Nicht wirklich.“ „Okay. Heute Nachmittag ist dann deine Schwester im Dienst und deinen dritten Dispatcher lernst du dann in den nächsten Tagen kennen. Der hat diese Woche die Nachtschicht.“ „Wenn der auch auf der Hochzeit war, kenne ich ihn sicher schon.“ „Danny Schneider?“ „Klar. Den habe ich auch kennengelernt.“ „Gut.“ Fuhr Charlie fort.
Er zeigte dann auf einen Karton, der auf einem Tisch in der Ecke stand. „Da sind deine Fahreruniformen drin.“ „Uniformen?“ „Extra für dich als ex-Soldat.“ Grinste Charlie. „Quatsch. Unsere Fahrer tragen ihre Uniformen, die sie als Walmart Fahrer kennzeichnen regelrecht mit Stolz.“ Ich ging zu dem Karton und fand dort weiße und hellblau Oberhemden mit halbem Arm, sowie ein paar Jacken und Westen und diverse Basecaps vor. Es waren auch diverse Aufnäher auf den Kleidungsstücken. Auf dem einen Arm war eine amerikanische Flagge, auf dem anderen Arm ein Aufnäher, der einen als Fahrer aus Sacramento auswies. Auf der Brust stand dann auf einem Aufnäher „Steven“. „Steve wäre mir lieber gewesen.“ Grinste ich. „Bekommst du dann, wenn du mal wieder neue Sachen bekommst. Die Aufnäher auf den Sachen werden auch mit der Zeit mehr werden. Wenn du zum Beispiel eine gewisse Anzahl sichere Meilen gesammelt hast. Also ohne Unfälle oder Verstöße. Dann gibt es auch besondere Caps.“ „Verstehe. Beim Militär gibt es Orden, hier Aufnäher.“ „Richtig. Du kannst die Sachen, wenn sie schmutzig sind, abgeben, dann werden sie auf unsere Kosten chemisch gereinigt.“ „Aha.“ „Deine Jeans, die du beim Fahren trägst übrigens auch.“ „Okay.“ „Dann gib mir noch mal eben deine CDL, dann lege ich dich im System an. Damit du dich im ORBCOMM und so weiter, anmelden kannst.“
Ich gab ihm die Fahrerlaubnis. Charlie gab die Daten ein. „Okay. Fahrerlaubnis ist okay. Gefahrgut ist auch okay. Ähh… …darfst du LCV’s fahren?“ „Was?“ „Longer Commercial Vehicles. Also Doubles und so weiter.“ „Keine Ahnung. Ich habe aber schon Schwertransporte gefahren.“ „Okay, das muss ich prüfen. Vielleicht reicht deine Ausbildung für den Schwerverkehr.“ Er notierte sich was auf einem Zettel. Schließlich gab er mir die CDL zurück und stand auf. „Wir gehen jetzt zu den Umkleideräumen. Da gebe ich dir dann deinen Spind. In dem kannst du dann auch erstmal deine Sachen unterbringen und dich dann umziehen. Anschließend bringe ich dich zu Ben, unserem Driving Instructor.“

Wir gingen in den Keller, wo die Sozialräume für die Fahrer und das Lagerpersonal waren. Dort bekam ich dann meinen Spind. Ich räumte meine Sachen ein, mit denen der Spind schon sehr gut gefüllt war. Dann nahm ich ein weißes Hemd, die mittlere Jacke, nicht die ganz dicke. Die würde ich wohl eher im Norden brauchen, dann noch ein Basecap.
Anschließend brachte mich Charlie zu Ben Jackson, der hier der Driving Instructor war. „Hallo Ben. Ich bringe dir den neuen Kollegen.“ „Hallo Charlie. Dann schauen wir mal, ob er was taugt.“ Er wandte sich dann an mich. „Hallo. Ich bin Benjamin Jackson, der Driving Instructor. Du kannst mich Ben nennen.“ „Hallo Ben, Steve Murdock.“ „Murdock? Wie Frank Murdock?“ „Genau.“ grinste Charlie. „Das ist Marcs großer Bruder.“ „Muss das sein?“ meinte Ben. „Die vermehren sich hier ja wie die Karnickel. Erst hatten wir nur den Boss. Dann Marc als Sub. Anschließend Jessy und dann heiratet Keela auch noch Marc. Jetzt der nächste Murdock. Wie viele kommen denn da noch?“ „Das sollte es erstmal gewesen sein.“ Grinste Charlie. „Na hoffentlich. Dann muss ich dir ja besonders scharf auf die Finger gucken.“ Meinte Ben. „Ob du wirklich was kannst, oder ob du den Job nur zugeschustert bekommen hast.“ Mir schwante übles. Charlie verabschiedete sich. „Ich muss wieder rauf. Wir sehen uns.“ Dann ging er.

Ben machte weiter. „Zuerst bekommst du hier mal Schuhe und Handschuhe von mir. Außerdem noch einen Schutzhelm und eine gelbe Weste.“ Er holte die Sachen raus. „Die Arbeitsschuhe und Handschuhe bitte immer tragen, wenn du draußen am Truck was machst. Also Auf- und Absatteln, die Trailer Türen öffnen und so weiter. Schutzhelm und gelbe Weste trägst du dort, wo es vorgeschrieben ist. Zum Beispiel im Hafen.“ Ich nickte. „Wenn du deinen eigenen Truck hast, gebe ich dir einen kleinen Karton Handschuhe als Vorrat. Alles Andere bekommst du bei mir, wenn die alten Sachen verschlissen sind.“ „Okay.“ „Dann gehen wir jetzt zum Truck.“
Wir verließen das Gebäude und gingen zu Tor 11. Dort stand ein weißer Volvo an der Rampe. Das unbeschriftete Fahrzeug war unter einen 48 Fuß Reefer gesattelt, dessen Kühlaggregat lief. „Das ist dein Truck?“ fragte ich erstaunt. „Nicht wirklich. Wenn ich neue Fahrer anlerne nehme ich höchst ungerne meine eigene Maschine. Meinen möchte ich möglichst nur selbst fahren.“ Das konnte ich gut verstehen. „Was fährst du selbst für einen?“ „Den neuen Cascadia.“ „Aha.“ „Leider mit Automatik.“ „Okay.“ „Hat der Volvo übrigens auch. Nennt sich bei dem I-Shift.“ „Okay.“ „Ich habe den heute Morgen schon mal aufgesattelt. Wir haben auch so noch genug zu tun.“
Wir stiegen ein. Ich meldete mich dann im E-Log und im ORBCOMM an. Marc hatte mir schon gezeigt, wie das ging. „Okay, das kannst du schon mal. Das ist gut. Trotzdem halte ich meinen üblichen Vortrag. Zuerst zum E-Log. Seitdem die elektronischen Logbücher empfohlen werden, nutzen wir diese bei Walmart auch. Über Sinn und Unsinn der Dinger streiten sich zwar bis heute die Geister und es gibt genug Fahrer, die sie ablehnen. Ich sehe das so, wie die Geschäftsleitung. Die Vorschriften sind nicht gegen die Fahrer, sondern eher zum Schutz der Fahrer und zur Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer. Bei uns wird sich ausdrücklich an die Arbeits- und Sozialvorschriften gehalten. Wer das nicht macht und dagegen verstößt bekommt eine Abmahnung. Wir haben uns die Sicherheit auf die Fahne geschrieben und halten uns auch daran. Auch wenn unsere Fahrzeit eine Stunde vor zu Hause ausläuft, wird stehengeblieben. Wir bekommen bei Walmart ja nicht umsonst 42 Bucks pro Übernachtung im Truck.“ „Gut. Das sehe ich auch so.“ „Dann sind wir uns da einig.“
„Nun eine kleine Geschichtsstunde zum ORBCOMM. Als seinerzeit das GPS für den zivilen Gebrauch freigegeben wurde, hat sich die Firma einen Namen damit gemacht, Ein Ortungssystem zu entwickeln. Da Walmart auch damals schon eine sehr große Flotte an Trucks und vor allem Trailern hatte, wollte die Geschäftsführung ein System einführen, dass es den Fuhrparkmanagern und Dispatchern ermöglichte, am Computer zu sehen, wo sich welche Trucks und Trailer befinden. Das Nachhalten in Tabellen und Listen war einfach zu umständlich. Vor allem, weil man damals schon eine fünfstellige Zahl an Trailern hatte. So wurde dann nach und nach in jedes Fahrzeug ein Transponder eingebaut, der es ermöglichte, dass man die Einheiten per GPS orten konnte. So wussten die Dispatcher auf Knopfdruck genau, welche Trailer bei welchem Lager oder Markt standen. Außerdem wusste man auch, wo sich die Trucks befanden. Die nervenden Anrufe der Dispatcher bei den Fahrern um nachzufragen wo sie sind und wann sie am Ziel seien, wurden unnötig.
Im 21. Jahrhundert kamen dann die ersten Satelliten Kommunikationsgeräte auf. Dort wurden dann Systeme, wie die von Isotrak oder Qualcomm Omnitracs eingeführt, die inzwischen auch Marktführer auf dem Sektor sind. Da Walmart zu diesem Zeitpunkt schon eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit ORBCOMM bei der Ortung hatte, wurden diese von Walmart beauftragt, ein solches System speziell für die Bedürfnisse von Walmart zu entwickeln. Soviel zur Geschichte und zur Frage, warum man nicht ein gängigeres System hat.“ 
„Aha.“ „Inzwischen nutzen wir die siebte Generation der Software. Dieses ist eben ein vernetztes System aus Ortung, Kommunikation, Telematik und weiteren Systemen. Das System arbeitet eben mit den im Fahrzeug verbauten Systemen zusammen und überträgt zum Beispiel die Daten der Kommunikation auch sofort in ein vernetztes Navi.“ „Nicht schlecht.“ „Bei den alten Cascadias funktioniert das leider noch nicht, bei den neuen Modellen klappt das aber einwandfrei. Genauso wie bei den Systemen von Paccar und Volvo.“ „Nicht schlecht.“ „Durch die ganze Vernetzung sehen die Dispatcher inzwischen auch nicht mehr nur auf dem Rechner, wo du bist, sondern auch noch wie deine Lenkzeiten aussehen und wieviel du verbrauchst.“ „Also der gläserne Fahrer.“ „Das schon. Der ganze Papierkram, den man früher aber hatte, mit Papierlog, IFTA Trip Report und Inspections Report läuft jetzt alles über das System.“ „Die PTI läuft auch über das System?“ „Natürlich. Du kannst dir aber gerne eine Checkliste aus Papier besorgen, wenn du das brauchst. Ich gehe das im Kopf durch. Hinterher hake ich alles ab, außer eben das, was ich als Mangel gefunden habe.“ „Dann fangen wir damit doch gleich mal an.“

Der Leihwagen hatte dafür sowieso kein on Board Gerät, so hatte Ben das auf seinem Tablett. Wir gingen die einzelnen Punkte durch und Ben hakte sie ab, nachdem ich sie geprüft hatte. Um viertel nach Neun hatten wir dann die PTI von Truck und Trailer erledigt. „Wo geht es eigentlich hin?“ fragte ich Ben. „Schau nach.“ Sagte Ben und gab mir das Tablett:

PICKUP: CST-CASAC
GATE: 12
TRAILER: RE127597
FREIGHT: FROZEN FOOD
WEIGHT: 33,593 LB
DROP: CASAC
MARKET: NMA5683
GATE: 01
PRIORITY: STANDARD
REMARKS: GOOD LUCK ON THE 1ST ORDER

WAT-CASAC-KMU

„Okay. Ich versuche mal das zu entziffern. Als Klartext stehen ja nur die Ladung und das Gewicht.“ „Und natürlich die Bemerkung. Das ist wohl extra für dich.“ „Gut. Die Ladestelle ist auch klar. Zentrallager, Sacramento Tor 12. Die Nummer steht am Trailer RE wird wohl Reefer heißen.“ „Bisher alles richtig. Jetzt kommt das Wichtigste.“ „Das Städtekürzel ist auch klar. Ist wohl eine Stadtfahrt.“ Ben nickte. „Aber was ist NMA5683?“ „Das ist der Neighborhood Market Nummer 5683. Der ist auf dem Elk Grove Boulevard in Elk Grove.“ „Und woher weiß ich das?“ „Tipp mal auf die Zeile.“ Ich machte es und ein Fenster mit der Adresse poppte auf. „Ach so geht das.“ „Bei meinem Truck wäre das jetzt sofort im Navi.“ „Bei dem Leihwagen natürlich nicht.“ „Stimmt. Bis zur letzten Version vom ORBCOMM stand das auch noch nicht so dort. Da hätte dann nur NMA-CASAC dort gestanden. Es wurde dann aber festgestellt, dass es den einen oder anderen Fahrer gab, der dann nur dachte, ach das ist der Markt Nummer XY und der ist dann schon mal zum falschen Markt gefahren. Zumal es in großen Städten eben nicht nur einen Markt, sondern mehrere gibt.“ „Und wenn die Tour jetzt andersherum wäre?“ „Dann hätte bei PICKUP nur der Ort gestanden und darunter die Zeile MARKET. Die taucht immer nur dort auf, wo sie benötigt wird. Die Zeile Bemerkungen tauchte in der letzten Version immer auf. Egal, ob was drinstand oder nicht. Das ist inzwischen auch nicht mehr so. Jetzt fahr aber mal los.“ Ich tippte die Adresse ins Navi ein und machte mich dann auf den Weg.

Es ging kurz auf die CA-99 in Richtung Süden und in Elk Grove wieder runter. „Eigentlich gehört Elk Grove doch gar nicht mehr zu Sacramento.“ Stutzte ich hier. „Du kannst ja nicht jeder kleinen Vorstadt ihren eigenen Orts Code geben.“ Meinte Ben. „Daher werden manche Nachbarorte im System quasi eingemeindet. Wenn du mal Abholungen bekommen wirst bei Landwirtschaftlichen Betrieben, dann hast du das öfter. Das ist 20 Meilen aus der eigentlichen Stadt raus und hat trotzdem den Orts Code.“ „Verstehe.“ Wir erreichten Elk Grove und verließen die CA-99. „Anschlussfracht wird angefordert.“ Meldete ORBCOMM. Die Querstraße an der Abfahrt war dann auch schon die Straße, an der der Neighborhood Market lag. So waren wir kurz darauf angekommen.

„Neuer Auftrag eingegangen.“ Meldete sich ORBCOMM wieder. „Bevor wir uns melden, schauen wir direkt ins System. Dann können wir die neuen Papiere gleich mit abfordern.“ „Okay.“

PICKUP: CASAC
MARKET: NMA5683
GATE: 02
TRAILER: DV489293
FREIGHT: EMPTY PALLETS
WEIGHT: 40,154 LB
DROP: CST-CARDD
GATE: 23
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-KMU

„So. Jetzt kannst du zu dem Security Mann da vorne gehen. Dem gibst du die Papiere und forderst die Papiere für die Leerpaletten nach Redding ab. Außerdem fragst du, ob es bei Tor 1 für diesen Trailer bleibt.“ „Okay.“
Ich stieg aus und ging zu dem Security Mann. „Hallo, wir haben eine Ladung Tiefkühlkost für euch. Bleibt das bei Tor 1?“ „Hallo. Ja, das bleibt dabei.“ „Außerdem bekommen wir die Leerpaletten für Redding mit.“ „Gut. Ihr könnt schon mal umsatteln. Ich bringe euch dann die Papiere.“
Ich ging zurück zum Truck. „Es bleibt dabei.“ Sagte ich zu Ben. „Du wirst also gleich ins kalte Wasser geworfen.“ „Wieso?“ „Tor 1 ist da hinten das erste Tor hinter der Ecke. Das ist quasi ein Blindflug.“ „Okay.“ „Ich werde dich hinten absichern. Denk aber daran, dass du sonst keinen Beifahrer hast, der dich einweist. Daher werde ich dich zwar rechtzeitig warnen, bevor du irgendwo drankommst, dir aber keine Tipps beim Rangieren geben.“ „Verstehe.“
Ich konzentrierte mich. Marc hatte mir vorab schon einen Tipp für die Neighborhood Märkte gegeben: „Versuche nicht, vorwärts auf den Lade Hof zu fahren und dort zu drehen. Bei den kleinen Märkten klappt das nicht. Fahr auf den Parkplatz und setze über die linke Seite rein.“ So machte ich das auch.
Ich fuhr auf den Parkplatz und setzte dann entsprechend zurück. Der Warnton beim Zurücksetzten nervte etwas, machte aber gerade an den Märkten Sinn um Kunden zusätzlich zu den Warnblinkern noch auf den rangierenden Truck aufmerksam zu machen.
Ich setzte über die linke Ecke zurück und visierte die Hausecke an, hinter der das Tor irgendwo liegen musste. Bevor ich in den Bereich kam, an dem ich nichts mehr sah, hielt ich an und stieg aus. Dann machte ich mir erstmal ein Bild, wie es hinter der Ecke aussah.
„Du kannst davon ausgehen, dass wenn man dir das Tor vorne bestätigt, es dann auch frei ist. Trotzdem ist es nicht verkehrt, sich nochmal davon zu überzeugen. Dass am zweiten Tor ein Trailer steht, war uns ja auch durchs ORBCOMM bekannt. Den bekommen wir ja mit.“ Ich schätzte die Platzverhältnisse ab und stieg wieder ein. Dann rangierte ich den Trailer vor das Tor. „Ausgezeichnet.“ Lobte mich Ben. „Ich hatte schon gute Fahrer, die sich beim ersten Mal an einem Neighborhood Market viel schlechter angestellt haben.

Er zeigte auf die Wand, neben der der Truck nun stand, die schon einige „Kampfspuren“ aufwies. „Da wir hier keine Thermoschleuse haben, lassen wir die Türen zu.“ Erklärte Ben. „Ist ja Tiefkühlware auf dem Trailer. Du kannst jetzt umsatteln.“ Ich sattelte den Reefer ab und den Dry Van auf, der vor Tor 2 stand.
Dann sagte Ben: „So, jetzt machst du die Trailer PTI. Das ist sehr wichtig. Wenn Defekte oder Beschädigungen dran sind, wollen wir ja auch nachhalten können, bei wem die aufgetreten sind.“ „Okay.“

Während ich die Abfahrtskontrolle des Trailers machte, kam dann auch der Security Mann an und brachte uns sowohl die quittierten Papiere für die Tiefkühlkost, als auch die, für die Leerpaletten. Diese musste ich nun quittieren. Der Security Mann nahm die Quittung mit und verschwand wieder. „Zeig mal die Papiere.“ Forderte Ben. Ich gab sie ihm. „Hmm… …über 40,000 Pfund. Weißt du was jetzt nicht stimmt?“ Ich blickte am Truck entlang. „Die Achslasten?“ „Jap.“ Bestätigte Ben. „Du hast vorher Baumaschinen gefahren. Oder?“ „Richtig.“ Log ich. „Da habt ihr keine verstellbaren Achsschlitten gehabt.“ „Nein. Bestätigte ich. Das gibt es da nicht.“ „Weißt du trotzdem, wie man das macht?“ „So ungefähr. Marc hat mir das mal gezeigt.“
Ben zeigte mir das nun nochmal genau. Zuerst erklärte er mir, welche Werte auf dem Manometer stehen dürfen und ab welchem Wert die Achslasten etwa überschritten wären. „Wenn du keine Waage hast, bleibt dir ja nichts anderes, als die Anzeige des Drucks auf die Luftbälge. Er zeigte mir dann auch, wie ich den Druck auf die Achsen der Zugmaschine beim Volvo abrufen konnte. „Das meiste machen wir mit den Trailer Achsen. Falls das alles nicht ausreicht, kannst du das „fifth Wheel“, die Sattelplatte auch noch verstellen. Da du damit aber die Gesamtlänge veränderst, machen wir das nur im Notfall. Es ist so schon alles eng genug hier.“ Ben berechnete dann, wie weit die Achsen am Trailer nach hinten mussten, dann verschoben wir die Achsen. „Wir hatten jetzt genug Standzeit hier. Lass uns losfahren.“ „Okay. Nach Redding?“ „Wohin denn sonst?“ „Hätte ja sein können, dass wir den Trailer nur vorholen.“ Quatsch. Du wirst doch kein Shunter Fahrer.“ „Okay.“ Ich gab die Zieladresse ins Navi ein und wir machten uns auf den Weg.

Es ging zurück auf den Elk Grove Boulevard. Über den E Stockton Blvd kamen wir dann auf die CA-99 in Richtung Norden. In Sacramento wechselten wir dann auf die US-50 W über die es dann zur I-5 N gehen sollte.
Als wir auf der I-5 waren, sagte Ben: „So, jetzt geht es erstmal 150 Meilen Geradeaus.“
So ganz sollte es dann doch nicht stimmen. Nördlich von Sacramento begann der Transponder zu piepen. Die rote LED ging an. „Diese dämlichen Leihwagen.“ Fluchte Ben kurz. „Gleich wissen wir also, ob wir die Achsen korrekt verschoben haben. Mit Weigh Stations solltest du dich ja auskennen.“ Ich nickte. Ich bremste mit der Engine Brake ab und bog auf die Weigh Station ab. Auf der Waage zeigte sich dann, dass wir alles korrekt hatten.
Wir wurden dann auch nicht weiter kontrolliert und konnten sofort weiterfahren. „Größere Kontrollen haben wir eigentlich seltener.“ Sagte Ben. „Eher dann, wenn wir ein STAA Double ziehen. Sonst wissen die Cops und die DOT, dass bei Walmart in der Regel alles passt. Wenn du mit von Außerhalb nach Kalifornien zurückkommst, kannst du aber schon davon ausgehen, dass wir kontrolliert werden. Lebensmittelkontrollen.“ „Verstehe.“

Es ging dann schon auf Mittag zu, als Bens Handy klingelte. Er schaltete auf laut. „Hallo Charlie. Willst du wissen, wie es läuft?“ „Das vielleicht auch. Aber eigentlich möchte ich was Anderes.“ „Okay. Mit Steve bin ich bisher sehr zufrieden. Was gibt es denn noch?“ „Ihr habt nicht zufällig den Leih- Volvo genommen. Oder?“ „Doch, den haben wir genommen.“ „Warum, zur Hölle, nimmst du eigentlich nicht deine Maschine?“ „Willst du das mal wieder ausdiskutieren? Würdest du jeden Neuling in dein Schlafzimmer lassen und ihm dein Auto geben?“ Charlie stöhnte auf. „Natürlich nicht.“ „Genau deswegen mache ich das mit den Leihwagen.“ „Toll. Der Volvo sollte heute verlegt werden.“ „Wohin?“ „Wir haben an zwei Niederlassungen Bedarf. Fresno und Redding.“ „Wir fahren gerade nach Redding.“ „Da sollte eigentlich ein Vorführer von NorCal Kenworth, Anderson hin.“ „Na und?“ „Den Vorführer bekommen wir aber erst nächste Woche.“ „Schade. Wir können den Volvo ja trotzdem in Redding lassen. Dann cancelst du das mit dem Vorführer.“ „Und wie wollt ihr wieder nach Sacramento kommen? Laufen?“ „Warte mal… …haben die nicht den Mack als Test für einen City Truck bekommen?“ „Meinst du den Day Cab?“ „Genau den meine ich. Den können wir doch viel besser bei uns testen.“ „Hmm… …das geht zur Not.“ „Dann lassen wir den Volvo in Redding und nehmen den Mack mit nach Sacramento.“ „Gut. Was machen wir dann mit Fresno?“ „Brauchen die den Leihwagen da sofort?“ „Nein. Im Lauf der Woche reicht das.“ „Das bekommen wir hin. Was haben wir den noch für Leihwagen?“ „Das muss ich prüfen.“ „Ich weiß nur, dass wir noch einen Mack mit dem kurzen Sleeper haben.“ „Stimmt.“ „Dann halte uns den für Morgen fest.“ „Da ist Johnny mit unterwegs. Der ist erst morgen früh wieder hier.“ „Das reicht doch.“ „Vor acht Uhr könnt ihr den nicht bekommen.“ „Dann fangen wir etwas später an.“ „Na gut. Ich rufe dann in Redding an und kläre, dass ihr den City Truck mitnehmen könnt.“ „Danke, Charlie.“
Ben beendete das Telefonat. „Habt ihr öfter so einen Zirkus?“ „Nur bei den Leihwagen. Da haben wir immer ein paar auf dem Platz.“ „Wie kommt’s?“ „Der Volvo hier ist eine Langzeitmiete. Solche Trucks bekommen die Fahrer von uns, deren Trucks längere Zeit in der Werkstatt sind. Außerdem haben wir immer eine stattliche Anzahl Vorführwagen zur Verfügung.“ „Echt?“ fragte ich erstaunt. „Du weißt ja bestimmt, dass unsere Zugmaschinen zu mindestens 90 Prozent von Freightliner kommen.“ Ich nickte. „Die anderen amerikanischen Truckhersteller versuchen natürlich permanent das zu ändern und auch ein Stück von dem Kuchen zu ergattern. Dein Dad ist da auch recht geschickt, wenn es darum geht, den Truck Dealern eben die Vorführwagen aus dem Kreuz zu leiern. Dann werden mal wieder zwei, drei Trucks bei denen geordert um die Händler bei der Stange zu halten.“ „Ich dachte, die Trucks würden in Bentonville geordert.“ „Normal schon. Die Geschäftsleitung sträubt sich aber auch nicht, wenn die Gebietsleiter kostenlose Vorführer bekommen können. Außerdem können sich Fahrer, die besonders sicher fahren, zum Beispiel zwei Millionen sichere Meilen, die Marke, die sie gerne fahren möchten, aussuchen.“ „Verstehe.“

Schließlich erreichten wir Redding. An der Ausfahrt 677, Cypress Avenue, verließen wir die Interstate. Dann bogen wir rechts ab. „Anschlussfracht wird angefordert.“ Meldete sich ORBCOMM zu Wort. „Da vorne auf der Linken Seite ist schon das Lager. Etwas kleiner, als unseres aber immerhin.“ Wir erreichten das Lager und ich fuhr auf das Gelände. „Tor 23 ist auf der Rückseite der Halle.“ Sagte Ben.
Wir fuhren um die Halle und ich erblickte auch einen Mack Anthem mit Day Cab in leuchtendem Orange. „Das ist die Maschine, mit der es zurück nach Hause geht.“ „Das ist ja nur ein besserer Shunter Truck.“ Entfuhr es mir. „Genau für sowas ist der gedacht.“ Sagte Ben. „Rangierdienste und hier und da mal einen Trailer zu den Märkten im Umkreis der Läger bringen. Daher haben die bei Mack wohl auch die Signalfarbe gewählt.“
Wir erreichten Tor 23. Es war das vorletzte Tor an dieser Seite der Halle. An Tor 24 stand dann noch ein weiterer 48 Fuß Trailer. Die Ecke des Platzes, die ich mir normal als Raum zum Rangieren gewünscht hätte, stand voll mit Müllcontainern, alten Paletten und weiterem Abfall. „Du hast nur zwei Möglichkeiten, den Trailer an das Tor zu rangieren.“ Sagte Ben. „Über die Blind Side oder in einem größeren Bogen.“ „Wie meinst du das?“ „Du ziehst links um die Ecke und schiebst den Trailer dann quasi um 180 Grad ans Dock. Der Vorteil dabei ist, dass du mehr siehst, als bei der Blind Side.“ „Dann versuche ich das.“
Es klappte dann auch besser, als ich dachte. Ben stand dabei draußen und schaute, wie ich das machte. Als ich dann schließlich gerade kurz vor dem Tor war, signalisierte mir Ben, dass ich anhalten sollte. Ich stoppte. „Stimmt was nicht?“ fragte ich Ben. „Alles Gut.“ Sagte Ben. „Es würde allerdings Sinn machen, wenn du, bevor du den Trailer am Dock absattelst, auch noch die Türen aufmachst. Das erleichtert das Abladen doch erheblich.“ Ich lief rot an, wie eine Tomate. „Klar. Das fällt bei Tiefladern weg.“ Grinste Ben.
Wütend nahm ich mir meine Handschuhe und ging zum Heck des Trailers. Dort öffnete ich die Türen und hakte sie an den Seiten fest. „Bleib locker.“ Grinste Ben. „Ich kenne Trainer, die dich erst hätten dich erst komplett absatteln lassen und dich dann gefragt, was du vergessen hast.“ Im Moment kam ich mir vor, wie meine eigenen Rekruten im letzten Jahr. Ich stieg wieder ein und setzte den Trailer dann endgültig an. Dann sattelte ich ab.
„Fahr die Maschine zum Mack rüber. Dann machen wir den Papierkram und räumen um. Haben wir schon einen neuen Auftrag?“ Ich schaute nach.

PICKUP: WGR-CARDD
TRAILER: FEX-XXX
FREIGHT: EMPTY PALLETS
WEIGHT: 40,154 LB
DROP: EST-CASAC
PRIORITY: STANDARD
REMARKS: WALGREENS STORE #4243, 480 E CYPRESS BLVD

WAT-CASAC-KMU

„Wie du siehst, haben wir jetzt weniger Angaben in den Standards. Wir wissen bisher nicht, an welchem Tor der Trailer bei Walgreens steht und auch nicht, an welches Tor der Trailer nachher am Außenlager soll.“ Ich nickte. „Ist Walgreens auch Walmart?“ fragte ich verwundert. „Könnte man denken.“ Grinste Ben. „Fängt ja auch mit WAL an. Die haben aber nichts mit uns zu tun. Der Gründer hieß wohl wirklich Walgreen. Unser Gründer war ja Sam Walton. Im Prinzip ist das Konkurrenz. Wir haben ja unsere eigenen Apotheken und Drugstores.“ „Was machen wir dann da?“ „Wie du siehst, holen wir da alte Paletten ab. Wahrscheinlich haben die gesammelt, bis sie einen Lastzug für uns voll hatten. Über Sam’s Club ist das ein Kunde von uns.“ „Ach so.“
Wir gingen dann zum Bürotrakt. „Sind hier eigentlich auch Fahrer stationiert?“ „Ja, ein paar. An jedem Lager haben wir ein paar Fahrer oder Subunternehmer.“ „Auch Dispatcher?“ „An den Zentrallägern, wie hier schon. Redding hat, glaube ich, ein Dreierteam. Die Außenläger werden aber zentral von Sacramento aus eingeteilt. Dort gibt es ja auch keine Büros.“ „Aha.“
Wir meldeten uns beim Schichtführer. Dieser unterschrieb uns die Quittung für die Leerpaletten. Dann ging er mit uns zusammen zum Platz. Dort gab er uns den Schlüssel vom Mack. Wir holten unsere Sachen aus dem Volvo und gaben dem Meister die Schlüssel der Maschine. Wir warfen unsere Sachen in den Mack und erledigten die PTI. Dann ging es weiter.
Auch dieser Truck hatte Automatik. Außerdem hatte er kein Navi. Nachdem ich mir alles eingestellt hatte, fuhren wir vom Hof. Der Walgreens Store lag an der gleichen Straße, wie das Lager, nur ein paar Meter weiter. Er war ähnlich gebaut, wie unsere Neighborhood Märkte.
Wir hielten in der Einfahrt und ich ging zu dem Security Mann, der hier am Eingang stand. „Hallo, wir kommen von Sam’s Club und sollen hier einen Trailer mit Leerpaletten übernehmen.“ Er holte Papiere aus der Tasche. „Bitte einmal unterschreiben.“ Sagte er knapp. Ich quittierte unter Vorbehalt. Das hatte mir Ben schon erklärt. „Hinten steht nur ein Trailer, der ist für dich.“ Sagte er, dann kümmerte er sich wieder um seinen eigentlichen Job.
Wir fuhren nach hinten und fanden dort einen 53 Fuß Reefer von FedEx vor. Ich sattelte auf und dann folgte das Übliche. Wir erledigten eine gründliche PTI des Trailers und schoben die Achsen an die richtige Position. Als ich mir den Zug so ansah, stellte ich fest, dass er irgendwie seltsam aussah. Der Mack war halt doch nur ein Shunter Truck.

Dann stellte ich wieder fest, wie viel dann doch 5 Fuß waren. Beim Verlassen des engen Geländes musste ich höllisch aufpassen, dass ich mit dem langen Trailer nirgendwo aneckte. „Gut, dass wir nicht mehr den Volvo haben.“ Grinste Ben. „Lange Zugmaschine und langer Trailer sind bei den kleinen Märkten echt übel aber auch das wirst du bald draufhaben.“ Ich machte drei Kreuze, als ich dann mit dem Truck auf dem E Cypress Boulevard war, ohne dass ich was beschädigt hatte.

Nun hatte der Mack aber viel Arbeit. Die Maschine hatte ja erwartungsgemäß nur eine kleine Motorisierung. Diese war dann auch noch in Verbindung mit einer Automatik. Was mich aber am meisten störte, waren die Spiegel. „Die Spiegel sind zu weit hinten angebracht. Außerdem sind die Arme so lang.“ Meckerte ich. Ben nickte. „Für einen modernen Truck hat der Mack eine verdammt schmale Kabine.“ „Ist irgendwie wie früher.“ Stellte ich fest. „Ist das bei der Maschine von George wohl auch so?“ „Meinst du George Walker?“ Ich nickte. „Wahrscheinlich. Ich hab in dem W900 noch nicht dringesessen.“
Wir fuhren auf die I-5 in Richtung Süden. Mit der Beschleunigung hatte es der Mack auch nicht so. Ich konnte mich dann aber doch noch ganz gut in den Verkehr einordnen. „Gewöhn dich schonmal daran.“ Grinste Ben. „Viel mehr als 400 PS haben unsere Trucks auch nicht.“

Wir fuhren dann weiter. Kurz vor der Cottonwood Weigh Station piepte dann der Transponder. Wir mussten wieder wiegen. „War klar.“ Grinste Ben nur. Aber auch dieses Mal hatten wir kein Problem. Dank der leichten Zugmaschine hatten wir trotz 40,000 Pfund im Reefer noch reichlich Luft nach oben. So konnten wir wieder sofort weiter.
Kurz vor Corning fragte Ben dann: „Hast du eigentlich keinen Hunger?“ „Doch irgendwie schon.“ „Fahr mal an der nächsten Ausfahrt raus. Da haben wir zwei Truckstops. Du kannst sogar zwischen Love’s und TA wählen.“ „Was haben die denn für Restaurants?“ „Der Love’s hat Denny’s und einen Hot Deli im Angebot. Beim TA gibt es Subway und Arby’s.“ „Dann lass uns den TA nehmen.“ „Okay.“
Wir verließen die Interstate und fuhren auf den TA Truckstop. Nach dem Toilettengang standen wir dann da und überlegten. „Also ich gehe zu Subway. Entschied ich. Da ist das Fastfood nicht ganz so ungesund.“ „Ich hätte den Arby’s vorgezogen.“ Gestand Ben. „Ist doch kein Problem. Hol du dir dort was und ich beim Subway.“ „Stimmt auch wieder.“ Wir holten uns was zu Essen und setzten uns dann zusammen.
„Du machst deine Sache gut.“ Sagte Ben. „Danke.“ „Vor allem für Jemanden, der vorher kaum gefahren ist.“ „Das hast du gemerkt?“ „Du hast das gut verborgen. Marc hat mir aber irgendwann mal vor ein, zwei Jahren erzählt, dass du Ausbilder bei den Marines warst.“ „Du sagst doch nichts.“ „Warum sollte ich? Da hab ich auch nicht mehr oder weniger von. Wenn du jetzt aber überhaupt kein Talent hättest, wäre das was Anderes. Ich bin mir aber sicher, dass du den Dreh schnell raushast. Du machst das schon.“ „Okay.“ „Das ist doch sowieso eine Medaille mit zwei Seiten. Bei uns legen sie Wert auf Erfahrung und Sicherheit. Und dann setzen sie Swift ein, wo man die grauenhaftesten Storys hört oder im Netz findet. Aber das sind ja nur C Unternehmer.“ „Da sage ich jetzt nichts zu.“ „Man merkt, dass du nicht das erste Mal am Steuer sitzt. Es ist zwar etwas länger her, aber das Grundlegende verlernst du nicht. In ein paar Wochen bist du genauso Fit wie Marc oder ich.“

Nach dem Essen bestand ich darauf, dass wir uns noch ein paar Schritte bewegten. „Normal würde ich jetzt die Laufschuhe rausholen und eine kleine Runde drehen.“ „Das kannst du ja in Zukunft gerne machen, aber halte mich daraus.“ Sagte Ben. „Ich finde Sport ist Mord.“ „Kein Kommentar.“
Eine halbe Stunde später fuhren wir dann aber weiter. Es ging zurück auf die I-5 in Richtung Süden, über die wir dann wieder auf unsere Heimatstadt zufuhren.

Hinter Dunnigan blieben wir weiter auf der I-5. Dann ging es durch Woodland und am Flughafen vorbei. Kurz vor Sacramento wechselten wir dann noch auf die I-80, die wir an der nächsten Ausfahrt wieder verließen. Anschließend ging es durch North Natomas, einem Stadtteil im Norden Sacramentos, wo sich das Außenlager befand.
Dort gab es am Tor nur einen Bürocontainer. Der Security Mann, der hier Dienst hatte, war auch für die Abfertigung und das Ausdrucken der Frachtpapiere geschult. „Hallo Nick.“ Wurde er von Ben begrüßt. „Hallo Ben. Hast du da einen neuen Kollegen?“ „Jap. Das ist Steve. Wird wohl der Ersatz für den alten Greg.“ „Alles klar. Hallo Steve. Willkommen bei Walmart.“ „Danke.“ „Was habt ihr denn da?“ fragte Nick. „Brennholz aus Redding.“ „Das sollte man wirklich mit den alten Paletten machen. Verbrennen.“ „Wohin mit dem Trailer? In die Ecke?“ „Geht nicht. Da ist noch alles voll. Stell den Trailer ans erste Tor, hinten.“ „Okay.“ „Was habt ihr da eigentlich für eine Maschine? Ein neuer Shunter Truck?“ „Wird sich noch rausstellen. Erstmal wird der getestet.“

Nick unterschrieb die Papiere. Dann stiegen wir wieder ein. „Glück gehabt, Junge.“ Sagte Ben zu mir. „Warum?“ „Weil die Ecke hinten voll ist. Ist saueng da und du kannst nur über rechts da rein.“ Wir fuhren nach hinten und ich stellte den Truck so, dass ich bequem ans erste Tor kam. Dann zeigte mir Ben die Ecke. „Normal kommen Altverpackungen und alte Paletten da hinten hin. Heute ist da voll, aber verlass dich darauf. Der Tag kommt, wo du da einen Trailer abstellen musst.“ Ich nickte. Dann stieg ich aus und öffnete den Trailer. Anschließend setzte ich den Zug ans Dock. „So. Absatteln, zum Zentrallager fahren und Feierabend.“ Sagte Ben. „Für den ersten Tag reicht das.“
So machten wir es. Wir sattelten den Trailer ab und fuhren mit der Maschine zum Zentrallager rüber. Dort meldeten wir uns im ORBCOMM ab. Wir nahmen alles aus dem Truck und gingen ins Büro, wo jetzt Jessy an dem Patz saß den Keela am Vormittag hatte. „Na, hat alles geklappt?“ fragte sie neugierig. „Natürlich.“ Grinste Ben. „Er ist ja ein Murdock.“ Was soll das denn heißen?“ fragte Jessy empört. „Nichts weiter. Dann morgen um acht Uhr wieder hier.“ Er ging.
Ich telefonierte schnell mit Pam, dass sie mich abholen konnte. Während der Wartezeit quatschte ich noch etwas mit meiner Schwester, die natürlich alles wissen wollte. Ich gab ihr eine kurze Zusammenfassung, dann bekam ich eine WhatsApp von Pam, dass sie draußen sei.
Ich verabschiedete mich von Jessy und ging raus. Dort stieg ich dann in unseren „neuen“ Ford. „Und, wie wars?“ fragte Pam nach dem Begrüßungskuss. „Erzähle ich dir zu Hause in aller Ruhe.“

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