6. Leihwagen Rochade

Montag, den 3. Februar 2020, 7:45 p.m., Sacramento, CA:

Wir fuhren wieder den kurzen Weg nach Lemon Hills. Zuhause fuhren wir in die Garage, von der aus wir direkt ins Haus kamen. Dann brachte Pam erstmal Tim ins Bett. Es wurde Zeit für ihn.
Nachdem der Kleine eingeschlafen war, kam Pam ins Wohnzimmer. „Jetzt erzähl erstmal, wie der erste Tag war.“ Ich berichtete Pam ausführlich von Ben und meinen Rangiermanövern. Natürlich auch vom Rest. „Und? Macht es dir Spaß?“ „Das kann ich nach einem Tag noch nicht sagen. Es ist aber erstmal ungewohnt, dass ich nicht der Drill Instructor bin, sondern eher der Rekrut.“ „So ist das halt.“ „Hast du eigentlich immer noch die Alpträume?“ „Im Moment schon. Aber nicht mehr so oft.“ „Das ist ja auch schon mal was.“ Lange blieben wir dann auch nicht mehr auf. Der erste Tag war schon anstrengend.

Dienstag, den 4. Februar 2020, 6:00 a.m., Sacramento, CA:

Um sechs Uhr stand ich wieder auf. Nach Morgentoilette und Zahnpflege absolvierte ich zuerst meine Laufrunde. Zurück im Haus, ging ich dann duschen. Pam war inzwischen auch schon aufgestanden und machte gerade Tim fertig. Nach dem Frühstück brachten Pam und Tim mich zum Zentrallager, wo ich dann pünktlich um acht Uhr eintraf.

Im Dispositionsbüro traf ich dann auf Ben und Charlie, die gerade bei Keela am Schreibtisch standen. „Guten Morgen zusammen.“ Die drei begrüßten mich ebenfalls. „Okay. Dann nehmt ihr heute den Mack.“ Sagte Charlie dann zu Ben. „Wie lange fährt Greg denn noch?“ „Noch ein paar Tage. Dann nimmt er seinen Resturlaub und danach geht es in den Ruhestand.“ „Bei Greg wohl eher Unruhestand.“ Grinste Ben. Charlie lachte. „Das könnte durchaus sein.“ Charlie ging wieder in seinen Glaskasten und wir wandten uns an Keela.
„Was hast du heute Schönes für uns?“ Keela schaute ins System nach fertigen Ladungen. „Was hältst du von Carson City? Ist doch eine schöne Tour.“ „Am zweiten Tag schon den Staat verlassen? Überfordere deinen Schwager nicht.“ Grinste Ben. „Scherzkeks.“ Konterte Keela. „Ich finde die Tour gut.“ „Du würdest die ja auch zu einem Ausflug mit deinem Motorrad missbrauchen. Schön gemütlich durch die Sierra Nevada.“ „Stimmt allerdings.“ „Na gut, überredet.“ „Okay. Der Trailer mit Bürobedarf steht am Außenlager, Tor 5. Geht zu Best Buy, Carson City.“ „Was wollen die bei einem Elektrofachmarkt mit Bürobedarf?“ fragte ich. „Keine Ahnung.“ Sagte Keela. „Vielleicht Zubehör für Bürocomputer. Vielleicht auch Bürobedarf für die Verwaltung. Ist mir auch egal.“ „Irgendwann stellst du dir solche Fragen nicht mehr.“ Meinte Ben. „Unser Job ist es, das Zeug dahin zu bringen und nicht zu überlegen, was die damit wollen.“ „Ich mache euch schon mal die Papiere fertig.“ Sagte Keela. „Dann müssen die das nicht drüben im Container machen.“ „Gut.“ Kurz darauf gab sie uns die Papiere. Auf den Lieferscheinen war dann oben das Logo von Sam’s Club. Es lief also wieder über die Großhandelssparte.

Wir gingen zum Zugmaschinenparkplatz. Dort ging Ben zielsicher auf einen grauen Mack zu. „Das ist unser Arbeitsgerät für heute.“ Ich nickte. Wir stiegen ein und ich meldete mich in E-Log und ORBCOMM an. Danach folgte die obligatorische PTI. Schließlich war sie erledigt. Im ORBCOMM stand inzwischen auch unser Auftrag:

PICKUP: EST-CASAC
GATE: 05
TRAILER: DV126949
FREIGHT: OFFICE SUPPLIES
WEIGHT: 41,428 LB
DROP: BBY-NVCSN
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-KMU

„Das ist aber eine ganze Menge Bürobedarf.“ Stellte ich beim Blick auf das Gewicht fest. „Bei dem Gewicht tippe ich darauf, dass mindestens die Hälfte der Ladung aus Druckerpapier besteht. Wenn nicht, mehr.“ „Kann natürlich sein. Papier ist schwer.“
Wir fuhren dann Bobtail zum Außenlager. Dort fuhren wir direkt vor Tor 5 und sattelten den Trailer auf. Beim Schließen der Türen am Trailer sah ich dann, dass Ben Recht hatte. Der Großteil der Ladung bestand aus Paletten mit Papier. Bei der PTI des Trailers wunderte ich mich über die dritte Achse des Trailers. „Wahrscheinlich ein Trailer aus Kanada.“ Sagte Ben, was sich am Kennzeichen bestätigte. „Sind wir dann nicht zu schwer?“ „Muss nicht sein. Ist ja kein Reefer. Wenn wir die US-50 nehmen, haben wir eh keine Waage auf der Strecke.“ „Okay.“ Es war dann neun Uhr, als wir uns endlich auf den Weg machen konnten.

Wir fuhren dann über I-80 und I-5 zur US-50 E. Dann waren wir auf unserer Strecke. Es ging dann durch die östlichen Vorstädte in Richtung Placerville. Danach ging es dann in die Berge der Sierra Nevada. Je höher wir kamen, um so kühler wurde es auch. „Gleich sind wir im Winter.“ Grinste Ben. „Kann schon sein.“ „Geh mal davon aus. Am Lake Tahoe liegt sicher noch etwas Schnee.“ So war es dann auch. Je weiter ich rauf kam, um so Winterlicher wurde es.

„Als hätte ich nicht schon genug mit den Kurven zu tun.“ „Sei froh, dass der Mack Automatik hat, sonst hättest du auch noch die Schaltarbeit.“ Lachte Ben. „Ist wirklich eher eine Strecke für Motorräder.“ „Aber nicht bei dem Wetter. Da sollte es schon noch etwas wärmer werden.“
Als wir die Passhöhe erreicht hatten, ging es dann wieder runter, auf den Lake Tahoe zu. Schließlich ging es durch South Lake Tahoe. „Hier war ich schon ein paar Mal mit Pam.“ „Ist ja auch schön hier.“

Nachdem wir den Ort verlassen hatten, dauerte es nicht mehr lange und ich verließ zum ersten Mal im neuen Job Kalifornien. „Willkommen in Nevada.“ Meinte Ben. „Danke.“ „Dann lass uns mal die Hauptstadt besuchen.“
Carson City war ja tatsächlich die Hauptstadt Nevadas. Wie in vielen amerikanischen Staaten, war es auch hier nicht die Stadt, bei der man es am meisten denken würde, sondern eine kleinere Stadt.

Wir fuhren weiter über die US-50 E und erreichten dann mittags nach zwei Uhr Carson City. „Der Best Buy ist direkt an der US-395.“ Sagte Ben. Ich folgte seinen Anweisungen. „Anschlussfracht wird angefordert.“ Meldete ORBCOMM. Gegen halb drei erreichten wir dann den Best Buy.

Das ORBCOMM meldete immer noch nichts. Da aber kein anderer Trailer auf dem Hof stand, meldeten wir uns erstmal an. Man sagte uns, wo der Trailer abgesattelt werden sollte und wir machten es dann entsprechend.
Nachdem wir dann auch die quittierten Papiere hatten, stand auch endlich ein neuer Auftrag im ORBCOMM:

PICKUP: BBY-CATVL
TRAILER: BBYXXX
FREIGHT: HOME ACCESSOIRES
WEIGHT: 38,830 LB
DROP: CAMYV
MARKET: SUC1903
PRIORITY: IMPORTANT

WAT-CASAC-JMU

„Ich verstehe nur Bahnhof.“ Sagte ich zu Ben. „Ich gebe zu, das sind Codes, die nicht so offensichtlich sind, wie andere. So recht plausibel ist mir der Auftrag aber auch nicht. Das macht nicht wirklich viel Sinn.“ „Warum?“ „Wir sollen jetzt Bobtail nach South Lake Tahoe fahren. Dort bekommen wir dann einen Trailer mit Haushaltswaren nach Yuba City.“ „Schaffen wir das heute überhaupt noch?“ „Nicht wirklich.“ „Also Bettzeug habe ich keins mit.“ „Das brauchen wir auch nicht. Wir können ja in Sacramento die Pause machen. Trotzdem rufe ich erstmal deine Schwester an.“
Ben wählte die Nummer der Dispatch an. Er stellte wieder auf laut, damit ich mithören konnte. „Guten Tag. Walmart Transportation, Sacramento. Sie sprechen mit Jessica Murdock.“ „Hallo Jessy. Ben Jackson hier.“ „Hallo Ben, was gibt’s?“ „Ist das dein Ernst mit der Ladung, die du uns geschickt hast?“ „Natürlich. Was denn wohl sonst?“ „Wir fahren Bobtail nach Lake Tahoe, um dort eine Ladung für Yuba City zu übernehmen?“ „Was soll ich machen? In Carson City haben wir nichts liegen. Willst du lieber nach Reno?“ „Nicht wirklich.“ „Dann meckere nicht rum, sondern fahr den Auftrag.“ „Na gut. Laden ja. Aber ausliefern dann erst morgen.“ „Wieso das denn? Ihr seid doch zu zweit.“ „Hör mal zu, Mädchen. Bei Trainingsfahrten fährt der Ausbilder nicht. Das solltest du eigentlich wissen.“ „Ja, ja. Nerv nicht. Dann liefert ihr das eben morgen früh ab.“ „Okay. Wir holen den Trailer ab und fahren dann zum Platz.“ „Ihr macht doch sowieso, was ihr wollt.“ Jessy legte auf. „War deine Schwester immer schon so eine Zicke?“ fragte mich Ben. Ich nickte. „Vor allem, wenn ihr was nicht passt.“ „Okay. Dann lass uns nach South Lake Tahoe fahren.“
Ich startete den Motor und fuhr zurück auf die US-395. Dann war es nicht weit, bis wir wieder auf die US-50 fahren konnten. Diesmal eben in westlicher Richtung.

In dem kleinen Ort Stateline sagte Ben: „Halte da vorne an der Tankstelle noch mal an.“ „Brauchst du Irgendwas?“ „In Nevada ist der Diesel günstiger als in Kalifornien. Wir tanken hier nochmal voll.“ „Ach so. Eigentlich ist der Diesel überall günstiger, als in Kalifornien.“ „Deshalb wird auch generell nochmal getankt, wenn wir aus einem anderen Staat zurückkommen.“ „Okay.“
Wir hielten an und ich stellte das E-Log auf „Fuel“ Das war extra eine Einstellung für den Tankstopp. Wir tankten die Maschine wieder voll. „DEF auch?“ fragte ich dann Ben, als mir der blaue Tankdeckel ins Auge fiel. „Kannst du, musst du aber nicht unbedingt. Bei DEF ist die Differenz nicht so gravierend.“ „Okay.“
Eine Viertelstunde später waren wir wieder on the Road. Kurz darauf ging es wieder über die Grenze nach Kalifornien zurück. Ben lotste mich dann zum Best Buy. „Dann lass uns mal die Haushaltswaren übernehmen.“
Wir meldeten uns beim Lagerpersonal und forderten unseren Auftrag ab. Nach dem Papierkram konnten wir den Trailer aufsatteln, der auch mit Best Buy Werbung versehen war. „Gut, dass wir eine neutrale Maschine mithaben.“ Grinste Ben. „Ich mag das nicht, wenn wir einen fremden Trailer mit unseren Maschinen ziehen.“ „Warum?“ „Erstens sieht es manchmal blöd aus und zweitens kommen so schonmal Gerüchte auf, die nicht stimmen.“ „Was denn für Gerüchte?“ „Was weiß ich. In diesem Fall vielleicht, dass Walmart und Best Buy fusionieren.“ „Ach so was.“ „Genau. Wir verkaufen denen was, die verkaufen uns was. Siehst du ja heute. Das hat aber nichts mit Fusion zu tun. Die ganzen Handelskonzerne handeln eben auch untereinander.“ Ich nickte.
Nach dem Aufsatteln und der PTI des Trailers machten wir und dann wieder auf den Weg in Richtung Sacramento.

Zuerst ging es wieder durch South Lake Tahoe, bis wir wieder an der US-50 ankamen. Dort ging es dann wieder in westlicher Richtung weiter. „Wo machen wir eigentlich unsere Pause?“ „Gute Frage. Da habe ich gar nicht dran gedacht.“ „Müssen wir die nicht langsam machen?“ „Das ist richtig. Einen Truckstop haben wir heute aber nicht auf dem Weg.“
Wir kamen dann aber noch an Bert’s Café vorbei. Dort hielten wir an und holten uns was zum Mitnehmen. Ben nahm einen Mountain Burger und ich holte mir einen Pacific Salad. Da der Truck hier aber nicht so gut stand, fuhren wir dann erstmal weiter.
Wir verließen dann South Lake Tahoe und es ging wieder in die Berge. An dem Parkplatz auf der Passhöhe vom Echo Summit hielten wir dann an und machten unsere Pause.

„Restaurant mit schöner Aussicht.“ Grinste Ben. „Stimmt.“ Dann aßen wir in Ruhe unser Essen. Anschließend machten wir uns auf den Weg nach Hause. Es ging dann über die US-50 weiter nach Sacramento zurück.

Als wir unsere Heimatstadt erreichten, war es schon dunkel. Schließlich war es schon acht Uhr. Wir wechselten noch kurz von der US-50 auf die CA-99 um zum Zentrallager zu kommen. An der 47th Avenue verließen wir den Highway. Dann waren wir fast da. Ich aktivierte mein Headset und rief bei Pam an. „Hallo Darling.“ Meldete sie sich. „Hallo Sweetheart. Kannst du mich abholen?“ „Ich habe Tim gerade hingelegt.“ „Schläft er schon?“ „Ja. Aber soll ich ihn hier alleine lassen?“ „Du bist doch in einer Viertelstunde wieder zu Hause.“ „Okay. Ich komme.“ „Dann bis gleich.“
Wir fuhren mit dem Lastzug auf den Platz und stellten ihn ab. „Okay. Das war es für heute.“ Meinte Ben. „Dann sehen wir uns in zehn Stunden.“ „Normale Pause?“ „Genau. Wir haben ja Truck und Trailer. Außerdem muss die Ladung nach Yuba City. Deine Schwester wollte sie ja heute schon dort haben.“ „Okay. Dann bis in zehn Stunden.“
Ich sah, dass Pam gerade auf den Platz fuhr und ging zu ihr. Wir fuhren nach Hause, wo Pam dann zuerst nach Tim schaute. „Er schläft immer noch.“ „Dann ist doch alles gut.“ „Bleibt das so, dass du jeden Abend nach Hause kommst?“ „Sicher nicht.“ „Dann muss ich das jetzt noch ausnutzen.“ Sie küsste mich zärtlich. „Dann erzähl mal, was du heute erlebt hast.“ Wir gingen ins Wohnzimmer.

Mittwoch, 5. Februar 2020, 5:00 a.m., PST, Sacramento, CA:

Um fünf Uhr klingelte mein Wecker. Ich machte ihn schnell aus, damit Pam nicht wach wurde. Anschließend ging ich ins Bad und machte mich fertig. Nach der Zahn- und Körperpflege zog ich mir leise meine Sportsachen an. Meine Arbeitskleidung verstaute ich ordentlich in einem Rucksack. Ich aß in der Küche schnell eine Kleinigkeit und trank einen Schluck Kaffee. Danach wollte ich los. Im Flur zog ich meine Laufschuhe an und setzte den Rucksack auf. Die Gurte des Rucksacks zog ich straff, damit er mich beim Laufen nicht behinderte. Dann verließ ich das Haus. Heute würde ich dann das erste Mal meine Laufrunde und den Weg zur Arbeit miteinander koppeln. So brauchte Pam nicht extra aufstehen und mich wegbringen.
Ich lief erst durch unser Viertel, dann überquerte ich den Golden State Highway über die Fußgängerbrücke, die beide Teile von Lemon Hills miteinander verband. Dann ging es zum Southgate Industrial Park, wo sich das Zentrallager befand. Gegen sechs Uhr traf ich dort ein.
Im Eingang lief ich dann bald Danny um, der gerade seine Nachtschicht beendet hatte. „Hallo Steve.“ Begrüßte er mich. „Erstmal noch Willkommen bei Walmart.“ „Danke, Danny.“ „Kommst du zu Fuß zur Arbeit?“ fragte er dann verwundert und schaute mich von oben bis unten an. „Ich muss ja Pam nicht unbedingt um diese Zeit schon wecken.“ „Sportlich, sportlich. Wo wohnt ihr jetzt?“ „In Lemon Hills. Ist ja quasi um die Ecke. Außerdem versuche ich fit zu bleiben.“ „Das sollte man. Bei mir sorgt da Gina schon für. Die hält mich schon auf Trab.“ „Bei Pam ist das, seit wir hier wohnen, etwas eingeschlafen. Da muss ich mich am Wochenende mal drum kümmern.“ „So, Steve. Ich will nach Hause. Wir sehen uns.“ „Ja, mach’s gut.“
Ich ging in den Keller, wo die Sozialräume waren. Dort duschte ich schnell. Dann zog ich meine Fahrer Uniform an und ging zum Truck. Pünktlich um halb Sieben traf ich dort auf Ben.

Wir begrüßten uns, dann stiegen wir in den Mack. Nach der Anmeldung in den Systemen begannen wir mit der PTI. Inzwischen beobachtete Ben meist nur noch und sagte nur da was, wo er was anzumerken hatte. Um viertel vor Sieben fuhren wir dann los. Über die 47th Avenue ging es zum Golden State Highway, der CA-99. Diese nahmen wir dann in nördlicher Richtung. Es ging dann ein Stück über die I-5 N weiter, die sich die Trasse mit der CA-99 teilte.
Kurz vor dem Flughafen trennten sich dann die I-5 und die CA-99 wieder. Wir folgten dann weiter der CA-99 N, die uns dann direkt nach Yuba City führen sollte. Mit dem Rest des Berufsverkehrs ging es dann weiter. So konnten wir die erlaubten 55 mph kaum fahren. Es lief dann eher mit 40 mph.

Schließlich erreichten wir Yuba City. ORBCOMM forderte dann auch wieder automatisch den nächsten Auftrag ab. Es ging ein Stück über die CA-20, den Colusa Highway. Dann ging es auf den Harter Parkway, an dem das Supercenter 1903 lag. „Neuer Auftrag eingegangen.“ Meldete dann auch die Elektronik. Da wir ja keine Zuweisung für ein Tor hatten, mussten wir uns sowieso vorher melden. Zuerst schauten wir aber, was es denn im Anschluss für uns geben sollte:

PICKUP: CAMYV
MARKET: SUC1903
GATE: 04
TRAILER: RE436313
FREIGHT: USED PACKAGING
WEIGHT: 34,618 LB
DROP: EST-CASAC
GATE: 20
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-KMU

„Das Übliche. Altverpackungen zurück.“ Grinste Ben. „Ist Tor 20 die Ecke beim Außenlager?“ fragte ich. „Ganz genau. Heute musst du da rein.“ „Das bekomme ich auch noch hin.“ „Lass uns aber erstmal hier schauen.“ „Okay.“ Wir meldeten uns an und bekamen Tor 2 für unseren Trailer zugewiesen.
Wir fuhren auf den Hof und ich stellte den Zug so, dass ich gut an das Dock kam. Dann öffnete ich zuerst die Türen. Anschließend setzte ich an und sattelte ab. Danach fuhr ich vor Tor 4, wo ich den nächsten Trailer wieder aufnahm. Nun folgte die PTI des Trailers.
„Das klappt doch schon ganz gut.“ Lobte mich Ben. „Spätestens nächste Woche fährst du alleine.“ „Okay.“
Wir verließen den Hof des Supercenters und fuhren zurück zur CA-20. Als Nächstes wechselten wir auf die CA-99 in Richtung Süden. So kamen wir wieder dahin, wo wir hergekommen waren.Während der Rückfahrt klingelte wieder das Handy von Ben. Er schaltete wieder auf laut.
„Hallo Charlie. So oft, wie diese Woche, rufst du sonst das ganze Jahr nicht an.“ „Das mag sein. Momentan muss ich aber die Leihwagen wieder ordnen.“ „Okay.“ „Der Mack, den ihr fahrt, geht dann jetzt erstmal nach Fresno. Tony fährt den heute Nachmittag rüber.“ „Wo sollen wir dann mit fahren?“ „Wir haben einen Vorführer von International bekommen. So einen Lonestar. Weil ich da ein vernünftiges, objektives Urteil brauche, gebe ich euch den.“ „Ist der überhaupt mit den Anforderungen aus Bentonville konform? Das ist doch ein Klassiker.“ „Wegen der stromlinienförmigen Haube geht der sogar wohl.“ „Na ja. Über Geschmack lässt sich ja streiten. International hatten wir in Kalifornien auch noch nicht.“ „Eben. Deshalb bin ich ja auch gespannt, wie er sich schlägt.“ „Schalter oder Automatik?“ „Soll wohl ein Schalter sein.“ „Gott sei Dank.“ „Tony bringt euch den gleich zum Außenlager und übernimmt dort den Mack.“ „In Ordnung.“ „Dann mal bis später.“ „Ciao.“ Ben beendete das Telefonat.
„Du bekommst ja richtig was geboten.“ Grinste Ben. „Dritter Tag, dritte Marke. Und Freightliner war noch nicht mal dabei.“

Bei Sacramento ging es erst wieder auf die I-5, der wir in südlicher Richtung folgten. Dann ging es kurz auf die I-80, die wir an der nächsten Ausfahrt wieder verließen. Anschließend ging es zum Außenlager.
Als wir dort ankamen, stand Tony schon dort. Die Maschine, die auf uns wartete war ein Lonestar mit mittlerer Kabine, der in Himmelblau lackiert war. Bevor wir das Fahrzeug aber wechseln konnten, stand erstmal die Aufgabe an, den Trailer hinten in die Ecke zu rangieren. Natürlich waren davor alle Docks belegt. Hochkonzentriert schaffte ich es aber, den Trailer ohne Probleme in die Ecke zu rangieren.
Wir übergaben den Mack an Tony, der dann sofort damit begann, den Mack unter einen Trailer zu rangieren. Die PTI erledigte er dann für beide Einheiten in einem Zug. So wollten wir das auch gleich machen. Zuerst mussten wir aber schauen, wie es für uns weiterging:

PICKUP: EST-CASAC
GATE: 05
TRAILER: CT987624
FREIGHT: HOME ACCESSOIRES
WEIGHT: 40,595 LB
DROP: BNS-CABFL
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-KMU

„Offensichtlich brauchen wir noch Bettzeug.“ Meinte Ben. „Ist der Truck für zwei Fahrer ausgelegt?“ Wir schauten in den Sleeper. „Nicht wirklich.“ Meinte Ben dann. „Der hat nur ein Bett. Macht im 56 Inch Hi-Rise Sleeper aber auch keinen Sinn, zwei Betten einzubauen. Da brauchst du schon den 73 Inch Sky-Rise Sleeper.“ „Da hast du Recht.“ „Dann gibt es wohl ein Motel für die Nacht.“

Wir sattelten erstmal auf und erledigten die PTI. Außerdem holten wir uns die Papiere im Bürocontainer. „Okay. Bettzeug brauchen wir also nicht. Aber trotzdem Sachen für die Übernachtung. Ruf deine Süße an, dass sie dir was vorbeibringt.“ „Hierhin zum Außenlager?“ „Wo wohnst du?“ „In Lemon Hills.“ „Dann ist das quatsch. Sie soll dann zum Zentrallager kommen. Dann kann ich meine Sachen aus meinem Truck holen. Wir machen dann da unsere Pause.“ „Okay.“
Ich rief Pam an. „Hallo Darling. Schön, dass du dich meldest. Hast du gerade Pause?“ „Hallo Sweetheart. Die Pause machen wir gleich am Zentrallager. Kannst du mir denn noch Sachen für eine Übernachtung vorbeibringen? Wir müssen gleich noch weiter nach Bakersfield.“ „Okay. Mache ich. Brauchst du auch noch was zu essen?“ „Nur für gleich. Ansonsten essen wir auswärts.“ „Okay. Dann komme ich gleich zur Firma.“ Ich legte auf.
Anschließend machten wir uns dann auf den Weg. Es ging wieder über die I-80 und I-5 zur CA-99. An der 47th Avenue verließen wir dann den Golden State Highway und fuhren zum Zentrallager. Dort trafen wir dann zeitgleich mit Pam ein.

Sie holte Tim aus dem Auto. Dann stellte ich sie erstmal Ben vor. „Ben, das ist Pam, meine Frau und mein Sohn Tim. Pam, das ist Ben Jackson.“ Die beiden begrüßten sich. Dann ging Ben erstmal zu seinem Cascadia, um seine Sachen zu holen.
Pam betrachtete erstmal den Lonestar. „Ist das deiner? Der ist ja süß.“ Wir holten die Sachen aus dem Auto, die Pam mitgebracht hatte, dann antwortete ich: „Das ist ein Vorführwagen. Der Truck schwimmt irgendwie auf der Retro Welle mit.“ „Ist aber wieder völlig anders, als der, den Keela und Marc bei der Hochzeit hatten.“ „Stimmt. Der hier soll eher das Design der 40er und 50er Jahre wiedergeben.“ Ich packte meine Sachen in den Truck und begann, die Sandwiches, die mir Pam mitgebracht hatte, zu essen.
Pam ging weiter interessiert um den Truck. „Der Anhänger sieht auch irgendwie seltsam aus.“ „Da haben wir nur ein paar von. Im Prinzip ist das ein Flatbed, über den dann die Plane drüber geschoben wird. Die braucht man, wenn entweder von der Seite abgeladen werden soll, oder zum Beispiel für alte Paletten oder alte Verpackungen. Für Baumarkterzeugnisse sind die auch gut. Normal haben wir ja die Dry Vans oder Reefer.“
Tim bekam bei dem Anblick des Trucks auch schon große Augen. „Daddy Truck fahren.“ Sagte er dann. Inzwischen war Ben auch wieder da. Er aß jetzt auch eine Kleinigkeit, die er aus seinem Kühlschrank mitgebracht hatte. Leider war die halbe Stunde Pause dann sehr schnell wieder um. Wir mussten also los. Wir stiegen ein und Pam und Tim winkten uns zum Abschied. „Du bist ein Glückspilz.“ Meinte Ben dann. „Du hast eine bildschöne und sehr nette Frau und einen tollen Sohn.“ „Danke.“ „Der Kleine kommt aber auch ziemlich nach seiner Mutter.“ „Stimmt.“ Mit den gleichen dunklen Augen und den schwarzen Haaren konnte Tim seine Mutter nicht verleugnen. Ein wenig hatte er aber auch von mir. „Wie alt ist der Kleine jetzt?“ „Im Sommer wird er drei.“ „Dann kann man als Vater auch so langsam was mit ihnen anfangen.“ „Da hast du recht. Es macht richtig Spaß mit dem Kleinen zu spielen.“

Wir fuhren dann zurück auf die CA-99 S. Nach etwa einer dreiviertel Stunde hatten wir Stockton erreicht. Wir passierten die Stadt einfach und fuhren weiter in Richtung Süden. Es folgten Modesto, Turlock und Merced. Im Berufsverkehr am Nachmittag passierten wir dann Fresno.

„Wie fährt sich der Lonestar?“ fragte Ben. „Sehr gut. Da könnte ich mich dran gewöhnen. Die 13 Gang Schaltbox lässt sich gut schalten und der Truck ist erstaunlich übersichtlich und sparsam.“ „Zum Glück haben die ihn von Innen wenigstens modern gehalten.“ „Stimmt. Das gefällt mir auch sehr gut.“ „Hoffentlich werden da auch mal welche von gekauft.“ „Das wäre doch nicht schlecht. Retro und trotzdem modern. Wenn ich da die Klassiker von Kenworth oder Peterbilt im Vergleich gegen sehe.“ „Bei Kenworth geht das noch. Mit dem W990 haben sie jetzt ja immerhin einen Klassiker mit der gleichen Hütte, wie der T680. Bei Peterbilt finde ich das schlimmer. Der 389 ist ja immer noch der alte 386 mit einer anderen Haube. Der ist doch nicht mehr zeitgemäß.“ „Aber auch der neue Kenworth hat sicher nicht den Verbrauch, wie dieser hier.“ „Das glaube ich auch nicht.“

Südlich von Fresno, bei Tulare, ging es dann vom Golden State Highway runter. „Wir sind doch noch lange nicht in Bakersfield.“ Wunderte ich mich. Der Bahnhof liegt nördlich von Bakersfield am Highway 65.“ Erklärte Ben. „Okay. Verstehe.“ „Wahrscheinlich wollten die in der Stadt den Krach mit den rangierenden Zügen nicht haben.“ „Könnte sein.“
Wir folgten dem Highway 137 bis Lindsay. Dort ging es dann auf den Highway 65. Gegen viertel nach Sechs erreichten wir dann den Bahnhof.

Zuerst schauten wir dann wieder ins ORBCOMM:

PICKUP: BNS-CABFL
TRAILER: FEXXXX
FREIGHT: ICE CREAM
WEIGHT: 34,509 LB
DROP: CA-SRU
MARKET: NMA4174
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-JMU

„Speiseeis von hier aus?“ wunderte ich mich. „Ist hier wahrscheinlich im Kühlcontainer angekommen und dann umgeladen worden.“ „Okay.“ Wir meldeten uns bei einem der Arbeiter, die hier zugange waren. Dieser sagte uns dann, wo wir den Trailer absatteln sollten. Während wir das machten, würde er dann die Papiere holen. Wir rangierten den Trailer in die Ecke, wo er hinsollte.
Als er dort stand, war mir auch klar, warum man einen Trailer mit Schubplane genommen hatte. Von hinten kam man so nicht mehr dran. Der Arbeiter kam dann mit den Papieren wieder. Unsere Anlieferpapiere hatte er abgestempelt und quittiert. Ich unterschrieb ihm dann die, für die Abholung. Dann zeigte er auf einen FedEx Reefer, der auf dem Platz stand. „Der ist für euch.“ Wir sattelten auf und erledigten dann die PTI. Um viertel vor Sieben ging es dann weiter.

„Und jetzt?“ „Suchen wir uns ein Motel, wo man mit einem Truck parken kann. Die werden begeistert sein, wenn die mitbekommen, dass wir einen Reefer mit Tiefkühlfracht dran haben.“
So war es dann auch. Am Super 8 Motel in Lindsay schickte man uns wieder weg. „Keine Reefer.“ War die Antwort. Am Best Western in Tulare hatten wir dann Glück. Hier gab es tatsächlich Truck Parkplätze, die auch abseits vom Gebäude lagen. Dort war es egal, ob ein Kühler lief. Wir bekamen einen Parkplatz und konnten Feierabend machen.

Wir nahmen dann ein Doppelzimmer mit zwei Einzelbetten. Anschließend gingen wir dann zum Abendessen. Fußläufig gab es hier eine ganze Anzahl von Fast Food Restaurants. Wir konnten uns also wieder was aussuchen.
Zurück im Zimmer, telefonierte ich dann noch mit Pam. Danach war der Tag gelaufen und wir legten uns schlafen.

Donnerstag, den 6. Februar 2020, 5:00 a.m. PST, Talusa, CA:

Am Morgen um fünf Uhr standen wir wieder auf. Während Ben dann das Badezimmer nutzte, warf ich mich in meinen Sportdress und erledigte meine morgendliche Laufrunde. Anschließend ging ich ins Bad, während Ben schon eine Kleinigkeit frühstückte. Pünktlich um sechs Uhr waren wir dann wieder im Truck. Dort folgte die obligatorische PTI. Um viertel nach Sechs machten wir uns dann auf den Weg nach Santa Cruz.
Wir fuhren zurück zur CA-99, die wir dann in nördlicher Richtung nahmen. Als wir dann durch Fresno kamen, war der Berufsverkehr schon in vollem Gange. Trotzdem begeisterte mich der Lonestar. „Ich hab das Ding ja früher nie angesehen, weil ich eigentlich nicht ganz so auf dieses Retrodesign stehe. Schon gar nicht auf das, welches sich auf die 40er und 50er bezieht. Ich hätte mir auch nie einen Chrysler PT Cruiser gekauft. Wenn schon Retro, dann eher so 70er Jahre.“ „Also Pete 389 oder Kenworth W900?“ „Schon eher. Ich meinte aber jetzt bei PKW. Diese Muscle Cars im Retrodesign, wie Mustang, Camaro oder Challenger gefallen mir echt gut. Leider sind das keine Familienautos, wie ich eines brauche.“ „Dieser Truck gefällt dir jetzt aber.“ „Lässt sich auf jeden Fall gut fahren. Außerdem sind die Spiegel nicht so blöde, wie beim Mack.“

Wir ließen Fresno hinter und uns passierten Madera. Kurz vor Chowchilla wechselten wir an der Ausfahrt 166 auf die CA-152 W in Richtung Los Banos / Gilroy. Die nächsten Meilen gingen gerade, wie mit dem Lineal gezogen nach Westen.
Hinter Los Banos kreuzten wir dann die I-5, fuhren aber weiter geradeaus in Richtung Gilroy. Dabei ging es auch in die Berge, die vorher noch zwischen uns und dem Pazifik lagen.
Bei Gilroy ging es dann noch kurz auf die US-101. Anschließend ging es dann über die CA-1 N nach Santa Cruz hinein. „Anschlussfracht wird angefordert.“ Meldete ORBCOMM. „Wir sind also gleich da.“ „Stimmt. Ist wieder ein schöner, enger Neighborhood Market.“ „Wir haben ja zum Glück einen 48 Fuß Trailer und keinen 53er.“ „Neuer Auftrag eingegangen.“ Meldete sich das System. Da wir gerade im Rückstau hinter einer Ampel standen, konnten wir direkt nachsehen:

PICKUP: CASRU
MARKET: NMA4174
GATE: 02
TRAILER: DV124460
FREIGHT: EMPTY PALLETS
WEIGHT: 40,154 LB
DROP: EST-CASAC
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-KMU

„Heimatschuss.“ Meinte Ben. „Müssen wir dann nicht wieder raus?“ fragte ich. „Eher nicht. Lass uns erstmal nach Hause kommen. Dann wird es spät genug sein.“ „Okay.“
Wir erreichten den Markt. „Normal müssten wir jetzt über beide Spuren der Straße fahren. Sonst kommst du nicht rechts auf den Parkplatz.“ Sagte Ben. „Bei dem Verkehr?“ fragte ich. Es war wirklich gerade voll. „Mit dem 48 Fuß Trailer schaffst du es vielleicht so gerade eben hinten zu drehen. Fahr links rum rein.“ Das tat ich dann auch. Wir blieben kurz in der Einfahrt stehen und meldeten uns bei dem Security Mann. Mit dem Vorführer und FedEx Trailer waren wir ja auch nicht auf den ersten Blick als Walmart Fahrer zu erkennen.
Ben kannte den Mann sowieso. Daher lief das dann. Der Reefer musste natürlich wieder ans erste Tor. Das war bei Tiefkühlware, wie unserem Speiseeis, eigentlich immer so. Die Papiere für unsere Abholung hatte der Security Mann auch bereits in der Tasche. So erledigten wir direkt den Papierkram. Ben schaute noch mal am Trailer entlang. „Die Achsen stehen sowieso ziemlich weit hinten. Das sollte dann passen mit dem Umdrehen, ohne dass du mit dem Heck des Trailers hängen bleibst.“
Ich fuhr mit dem Zug auf den Lade Hof des Wareneingangs. Dort hielt ich mich links, knapp neben dem Bordstein. Dann schlug ich komplett rechts ein und zog den Truck herum. Ben achtete draußen darauf, dass ich nirgendwo hängen blieb. Es passte dann wirklich um Haaresbreite. Mit einem 53 Fuß Trailer hätte ich wohl Schrott fabriziert. Ich zog wieder bis zur Einfahrt vor und setzte den Trailer dann so zurück, wie ich es am Montag schon, beim gleich gebauten Markt in Sacramento getan hatte.
Als ich den Trailer vor dem Tor stehen hatte, sagte Ben: „Umsatteln und die Trailer PTI schaffst du sicher alleine.“ Ich nickte. „Gut. Dann gehe ich in den Markt und hole uns unser Mittagessen. Was willst du haben?“ Ich sagte es ihm. Dann verschwand Ben. Ich sattelte dann um und kontrollierte den Trailer, den wir mitbekamen. Kurz nachdem ich fertig war, kam dann auch Ben wieder. „Schon elf Uhr. Siehst du, allzu früh werden wir gar nicht in Sacramento sein.“ Ich startete den Motor und wir machten uns wieder auf den Weg.

Das erste Problem war, überhaupt wieder vom Markt auf die Straße zu kommen. Es herrschte so viel Verkehr, dass ich erstmal keine Chance hatte, raus zu kommen. „Freiwillig lässt dich eh keiner raus.“ Meinte Ben. Du hast einen Truck. Der ist lang und langsam. Man könnte ja eine Minute später am Ziel ankommen.“ „Was schlägst du vor?“ „Taste dich langsam vor. Wenn du Glück hast, hält dann einer an und lässt dich raus, weil er Angst hat, dass du ihn streifen könntest.“ Der Trick funktionierte. Schließlich waren wir auf der Straße.
Dann ging es erst zurück zur CA-1 und weiter zur US-101. Die letztere nahmen wir dann in Nördlicher Richtung. So ging es dann auf San José zu. Von dort ging es weiter durch das bekannte Silicon Valley. Santa Clara, Sunnyvale, Palo Alto, Redwood City, San Mateo.
Der Verkehr in der San Francisco Bay Area war dicht. Es lief aber immer noch. Vorbei am San Francisco International Airport ging es dann in die Stadt.
„Lass uns San Francisco noch hinter uns bringen, bevor wir unsere Pause machen.“ Sagte Ben. „Der Verkehr kann jetzt eigentlich stündlich nur schlimmer werden.“ „Wie du möchtest.“ Sagte ich.
Flüssig lief er jetzt auch schon nicht mehr. Wir quälten uns über die US-101 durch die Stadt und wechselten schließlich auf die I-80 E. Diese ging dann auch über die Bay Bridge nach Oakland. Auf dem kleinen Parkplatz an der Mautstelle, Oakland machten wir dann unsere Pause. Inzwischen war es schon viertel nach Zwei. „Siehst du, was ich meinte.“ Grinste Ben. „Wir haben gerade mal Oakland erreicht.“ Ich nickte. „Gleich geht es im Berufsverkehr nach Sacramento. Das dauert auch noch seine Zeit.“ „Stimmt. Dann haben wir alleine durch den dichten Verkehr hinterher in Sacramento die Zeit voll.“ „Eben.“

Kurz vor drei fuhren wir dann weiter. Wir folgten weiter der I-80 E, die als nächstes die bekannte Universitätsstadt Berkeley passierte. „Hier bin ich zum Glück drumherum gekommen.“ Sagte ich. „Wie jetzt?“ fragte Ben. „Das wäre meinen Eltern damals am liebsten gewesen, wenn ich hier studiert hätte.“ „Und wie bist du drumherum gekommen?“ „Ich habe dann stattdessen die Marines genommen.“ „Ach so.“
Wir passierten dann im dichten Berufsverkehr Richmond und Vallejo. Dann ging es weiter an Fairfield und Vacaville vorbei. Danach ging es an der Universitätsstadt Davis vorbei nach Sacramento.
Es war dann tatsächlich sechs Uhr, als wir das Außenlager erreichten. Ich hatte dann auch Glück und brauchte nicht in die Ecke rangieren. Man wollte die Paletten wohl im Lager haben, um Ausgangsware packen zu können.
Nachdem ich dann abgesattelt hatte, fuhren wir noch zum Zentrallager. Dort war dann Feierabend. „Lass uns besser alles rausnehmen.“ Sagte Ben. „Ich weiß nicht, wie lange wir bei International die Vorführer behalten.“ Wir nahmen alles raus. Ben räumte seine Sachen wieder in seinen Truck, ich in meinen Spind. Dann rief ich Pam an, dass sie mich abholen konnte. „Lass uns morgen so halb Acht, acht hier sein. Bis dahin weiß ich, was wir für eine Maschine nehmen.“ Wir verabschiedeten uns, dann war Pam auch schon da. Tim war auch mit dabei.
Wir fuhren dann nach Hause, wo ich noch ein Stündchen mit dem Kleinen spielen konnte, bevor er ins Bett musste. Der weitere Abend war eine Mischung aus Abendessen und Kuscheln mit Pam.

Freitag, der 7. Februar 2020, 6:00 a.m. PST, Sacramento, CA:

Mein Wecker klingelte mal wieder um sechs Uhr. Ich stand auf und erledigte meinen Toilettengang und die Zahnpflege. Anschließend warf ich mich wieder in den Sportdress und absolvierte meine morgendliche Laufrunde. Zurück zu Hause weckte ich Pam und ging danach duschen.
Während Pam sich anschließend fertigmachte, frühstückte ich mit Tim zusammen. Der Kleine matschte mit seinen Cornflakes ganz schön rum. Dabei lachte er und strahlte mich an. Ein Morgenmuffel war mein Sohn nicht. Vielleicht kommt das ja erst noch. „Was machst du denn für eine Schweinerei?“ fragte Pam, als sie reinkam. „Ich war’s nicht.“ Sagte Tim. „So, so. Wer war das denn, wenn nicht du?“ „Daddy Schweinerei gemacht.“ Sagte er und schaute uns unschuldig an. „Dann muss ich wohl mit Daddy schimpfen.“ Sagte Pam und schaute mich gespielt böse an. „Böser Daddy.“ „So ein kleiner Strolch.“ Lachte ich. „Ich war’s nicht kann er schon ganz gut.“ Lachte Pam.

Gegen halb Acht fuhren wir dann zum Zentrallager, wo ich dann ausstieg. Pam und Tim bekamen einen Abschiedskuss, danach fuhren die beiden wieder los. Ich ging mich umziehen. Dann schaute ich, wo Ben war.
Ich fand ihn bei Charlie in dessen Glaskasten. „Guten Morgen zusammen.“ Grüßte ich. „Hallo Steve. Ich hab gehört, du warst mit dem Lonestar zufrieden?“ „Die Optik ist zwar gewöhnungsbedürftig, der Rest ist aber gut. Wenn der dann noch die große Hütte hat, ist der bestimmt klasse.“ „Hoffentlich bist du heute auch so begeistert.“ Grinste Ben. „Warum?“ „Heute gibt es unsere Haus- und Hofmarke.“ „Also einen Cascadia.“ „Richtig. Ist ein Leihwagen, den wir bei unserem Freightliner Händler bekommen können. Sozusagen als Werkstattersatzwagen.“ „Was bekomme ich eigentlich als Maschine?“ wandte ich mich dann an Charlie. „Das siehst du kommende Woche.“ Sagte Charlie. „Okay.“ „Wir fahren dann mal los.“ Sagte Ben zu Charlie. Dann verabschiedeten wir uns und gingen zu Keela.
„Na, Mrs. Murdock, was bekommen wir denn heute?“ „Oh, Mr. Jackson. Was ganz Schönes. Extra für Sie.“ Machte Keela den Spaß mit. „Reklamierten Fruchtsaft.“ „Danke. Mir ist schon schlecht.“ „Das war eine Charge für unsere Zapfautomaten in den Supercentern. Die Proben, die gezogen wurden, waren nicht einwandfrei.“ „Ein Lebensmitteltank?“ „Genau.“ „Wo soll der hin?“ „Güterbahnhof Bakersfield. Da wart ihr die Woche ja schon. Wird dort umgepumpt und dann per Bahn zum Hersteller verfrachtet.“ „Vielleicht lag da ja auch das Problem bei der Anlieferung.“ „Was meinst du?“ „Falls das auf dem Hinweg über den gleichen Weg gekommen ist. Ich weiß nicht, wie gut die bei der BNSF die Pumpe und die Schläuche reinigen.“ „Wahrscheinlich besser, wenn das nicht öfter umgepumpt wird.“ „Das meinte ich.“ „Hier sind die Papiere. Die Gutachten sind nur in Kopie dabei. Die Originale gehen per Post zum Hersteller.“ „Okay.“ Wir verabschiedeten uns und gingen zum Zugmaschinenplatz.

Dort ging Ben auf einen blauen Cascadia des älteren Modells zu. „Wir sollten unser Übernachtungszeug holen. Bakersfield und zurück schaffen wir nicht in einer Schicht.“ Ben nahm seine Sachen direkt aus seiner Maschine. Dann fuhren wir zum Lager rüber und sattelten den Tankauflieger auf. Ich ging schnell noch mal rein und holte meine Sachen aus meinem Spind. Danach erledigten wir die PTI. Um viertel nach Acht machten wir uns dann auf den Weg.

Es ging dann mal wieder auf die CA-99 S in Richtung Stockton. Im Prinzip fuhren wir genau die gleiche Strecke, wie vorgestern mit dem Lonestar. „Jetzt hast du den direkten Vergleich.“ Meinte Ben. „Wobei der International noch nicht so alt war.“ „Okay, das stimmt. Wie ist der denn im Vergleich zu deinem?“ „Natürlich auch älter. Wobei die meisten Änderungen ja unter der Haube stecken. Die Sleeper sind weitgehend identisch von diesem hier zu meinem. Platz hat der genug. Zumal wir ja nur alleine unterwegs sind. Das Armaturenbrett ist bei dem Neuen völlig neugestaltet. Das hier ist noch klassisch, während das bei meinem ziemlich modern ist. Die Scheibe ist beim Neuen nicht mehr geteilt und Die Haube ist moderner. Dann hast du eine neuere Motorengeneration und die neuen kommen bei uns eben mit Automatik.“ „Aha. Ich bin froh, dass ich diesen selbst schalten kann.“ „Wobei das im Stau schon angenehmer ist, wenn du Automatik hast.“ „Weißt du, was ich für einen bekomme?“ „Falls du die Maschine von Greg bekommst, dann ja.“ „Was ist das dann für einer?“ „Eine sehr gepflegte Maschine, die sich Greg auch ein wenig individualisiert hat.“ „Mehr sagst du mir auch nicht?“ „Nein. Lass dich überraschen.“ „Okay.“

Bis Stockton war der Verkehr dann wieder sehr dicht. Schließlich war Rush Hour. Danach wurde es etwas angenehmer. Der Cascadia ließ sich auch besser fahren, als befürchtet. Man sollte nicht immer auf den ersten Eindruck vertrauen. Bei Fresno kamen wir dann in einen Stau. Grund dafür war dann eine Baustelle mit einspuriger Verkehrsführung.

„Die war vorgestern auch noch nicht.“ Stellte Ben fest.
Bei Tulare wechselten wir dann wieder auf die CA-137 und bei Lindsay auf die CA-65. Kurz nach eins näherten wir uns dann dem Bahnhof und Das System forderte den nächsten Auftrag ab. Dieser war dann eingegangen, als wir auf das Gelände des Güterbahnhofs kamen:

PICKUP: CABFL
MARKET: SUC1624
GATE: 04
TRAILER: DV75960
FREIGHT: USED PACKAGING
WEIGHT: 18,001 LB
DROP: EST-CASRU
PRIORITY: STANDARD

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„Also nichts von hier.“ Stellte Ben fest. Dann machen wir erstmal weiter.
Wir meldeten uns an. Dann kam das, was Ben wohl vorher schon befürchtet hatte: „Setzt den Trailer da hinten neben die Gleise. Sonst können wir den Saft nicht umpumpen.“ „Habt ihr keinen Shunter hier, der das machen kann?“ fragte Ben. „Siehst du einen?“ „Nee.“ „Na, also.“ „Okay.“
Dann zeigte mir Ben, wo ich hinmusste. „Jetzt kannst du zeigen, ob du fahren kannst. Wenn du den Trailer da vernünftig rein bekommst, ist das dein Ritterschlag.“
Es schien wirklich nicht einfach zu sein. Das einfachste wäre noch von Vorne direkt rückwärts reinzufahren. Dann musste ich 180 Grad um die Ecke und alles über die Blind Side. Einfach geht anders. Zumindest hatte ich ja noch Ben dabei, der mich warnen würde, falls ich was übersehe.
Beim Rangieren merkte ich dann, dass mich die kleine Strebe in der Seitenscheibe etwas in der Sicht auf den rechten Spiegel behinderte. Das war nicht ganz so optimal. Ansonsten ging es noch ganz gut. Trotzdem brauchte ich gute zehn Minuten, bis ich dann fast optimal stand.

Noch einmal vor und zurück, dann konnte ich absatteln. Wir fuhren dann wieder nach vorne und bekamen die abgestempelten und quittierten Papiere. Nun mussten wir also weiter nach Bakersfield, wo wir dann am Supercenter Nummer 1624 unsere Altverpackungen bekommen sollten.

Wir fuhren noch eine halbe Stunde und machten danach in einem Industriegebiet beim Meadows Field Airport unsere Mittagspause. Hier gab es dann auch wieder alles, was das Fast Food Herz begehren konnte. Ben liebte ja Fastfood. Ich hingegen war mir jetzt schon sicher, dass ich zukünftig immer einen prall gefüllten Kühlschrank haben würde. Wahrscheinlich war ich zu lange bei den Marines, wo es besseres Essen in der Messe gab, als das ganze Junkfood, auf das die meisten Amerikaner standen.
Ben wunderte sich dann auch, dass ich wieder eher nach Salaten, als nach Burgern schaute. „Bist du Vegetarier oder sowas?“ „Nein. Ich möchte mich nur halbwegs gesund und nahrhaft ernähren.“ „Das dürfte als Trucker aber dann recht schwierig werden.“ „Das glaube ich nicht. Irgendwas werde ich schon finden.“ Es war dann viertel vor drei, als wir weiterfuhren.

Es ging dann nochmal kurz auf die CA-99, die wir aber nach drei Meilen wieder verließen. Nun ging es über die CA-178 E weiter. An der Mt Vernon Ave ging es dann vom Highway runter. Dann war es keine Meile mehr und wir waren am Supercenter.
Im Centerbüro holten wir die Papiere ab und fuhren dann zum Tor 4, an dem unser Trailer stand. „Was ist das denn?“ fragte ich entgeistert, als ich den Trailer sah. „Ein 28 Fuß Trailer, auch Pup genannt.“ Grinste Ben. „Optimal für die Zustellung bei Märkten, die irgendwo in Downtown liegen. Außerdem auch gerne als Double, in anderen Staaten sogar als Triple genutzt.“
Natürlich kannte ich diese Trailer. Auch die Doubles hatte ich schon gesehen. Mir war nur bisher nicht aufgefallen, dass wir die Dinger auch hatten. „Jetzt wird mir gerade was klar.“ Sagte ich. „Was denn?“ „Die frage von Charlie, ob ich auch LCV’s fahren darf.“ „Und darfst du?“ „Keine Ahnung. Er wollte schauen, ob da meine Schwertransporterfahrung für reicht.“ „Wenn du kein Endorsement dafür in deiner CDL hast, dann nicht. Das ist bei dir mit Vorkenntnissen im Schwertransport Bereich aber nur eine Formsache. Ein Tag Schulung, bei dem du eben so Sachen lernst, welche LCV’s du in welchem Staat fahren darfst und die erlaubten Abmessungen und Gewichte für die Dinger. Danach bekommst du den Eintrag. Die Fahrpraxis kommt dann von selbst.“ „Verstehe.“ „Im Moment darfst du die Dinger eben nicht fahren.“ „Wie fährt sich sowas?“ „Wenn wir sowas haben, dann STAA-Doubles. Also zwei von denen da. Was Anderes ist in Kalifornien sowieso nicht erlaubt. Vorwärts fahren die sich noch ganz gut. Wenn die Straße beschissen ist, fangen die aber ganz schön an zu tanzen. Um die Ecken kommst du besser, als mit einem langen Trailer. Zurücksetzen kannst du aber fast vergessen.“ „Warum?“ „Weil du drei Drehpunkte hast. Einen am fifth Wheel, den Zweiten an der Kupplung vom Dolly und den Dritten an der hinteren Sattelplatte.“ „Und wie rangiert man die dann?“ „Einzeln. Zum Glück haben wir nur bei den City- und Shunter Trucks eine entsprechende Kupplung am Heck, die es erlaubt, mit der Zugmaschine direkt den Dolly anzukoppeln. Wir sind dann also raus.“ „Und am Ziel?“ „An der Seite abstellen und den Rest macht dann eben der Shunter.“
Ich sattelte den Pup auf und erledigte die PTI. Danach konnten wir uns auf den Weg nach Santa Cruz machen.

Wir fuhren zurück zur CA-178, die wir dann in westlicher Richtung nahmen. Diese wurde dann nach ein paar Meilen zur CA-58 W. Über Rosedale ging es dann aus Bakersfield hinaus. Wir folgten dem Highway dann bis Buttonwillow.
Dort, an dem TA Truckstop, den ich mit Pam und Tim bereits ein paar Mal besucht hatte, ging es dann auf die I-5 N. Für die nächsten 150 Meilen folgten wir nun dem West Side Freeway.
Inzwischen hatte ich mich richtig an den Cascadia gewöhnt. Nur der kurze Trailer machte mich verrückt. Als Single lief er zwar gut hinterher, trotzdem wirkte es irgendwie seltsam im Spiegel. Schließlich war der Trailer nur zwei Fuß länger, als der Laderaum des F650, mit dem ich vor wenigen Tagen erst hierher gefahren war.

An der Ausfahrt 403 wechselte ich auf die CA-152 W und war wieder auf der Strecke, die ich erst gestern Morgen genommen hatte. „Guck mal auf die Uhr.“ Meinte Ben. „Wir sollten uns langsam überlegen, wo wir unsere Pause machen.“ „Bis Santa Cruz kommen wir nicht mehr. Oder?“ „Nicht wirklich.“ „Kennst du ein Motel in Gilroy, wo man mit dem Truck parken kann?“ „Das einzige, was ich hier kenne, ist der Gilroy Farms Diesel Truck Stop. Da ist auch ein Motel, das ist aber teuer. Da ziehe ich das Hotel Cascadia vor.“ „Hat der Truck zwei Betten?“ „Im Gegensatz zu dem kleinen Lonestar von gestern, ja.“ „Okay. Dann machen wir das so.“
Ben lotste mich zu dem Truckstop, der an der US-101 lag. Dort machten wir dann um acht Uhr Feierabend.
Wir gingen dann noch zusammen in den Togo’s, der hier am Truckstop war. Während Bens Sandwiches dann sehr kalorienreich waren, hielt ich mich eher an die Wraps und Salate auf der Speisekarte. Nach dem Essen telefonierte ich dann noch eine Weile mit Pam. Anschließend Gingen wir dann recht schnell im Truck zu Bett.

Samstag, den 8. Februar 2020, 5:00 a.m., PST, Gilroy, CA:

Als mein Wecker klingelte, machte ich ihn schnell aus. Ich wollte Ben noch nicht wecken. Dann kletterte ich leise aus dem oberen Bett. Das Untere hatte ich Ben überlassen, der ja auch erheblich weniger sportlich war, als ich. Der Sport war es auch, der mich dann so früh aus den Federn holte. Schließlich wollte ich auf meine morgendliche Laufrunde nicht verzichten.
Ich lief auf die andere Seite der US-101, wo sich der Gilroy Sports Park befand. Dort gab es auch einen schönen Weg, der für meine Morgenrunde ausreichend lang war. Anschließend ging ich noch im Truckstop duschen. So war ich aber erst gegen viertel nach Sechs wieder startklar am Truck.
„Wir hätten schon vor einer Viertelstunde mit der PTI starten können.“ Sagte Ben streng. „Hallo!“ sagte ich. „Geht’s noch? So eilig sind unsere Altverpackungen auch nicht.“ „Ich wollte aber am Wochenende noch zu Hause sein.“ „Ja, ist ja gut. Ich auch.“ Wir begannen mit der PTI und konnten dann um halb Sieben losfahren.

Über die US-101 und die CA-1 ging es dann nach Santa Cruz. Auch an dem Samstagmorgen war schon wieder dichter Verkehr. Schließlich war der Samstag für viele ein normaler Arbeitstag. Um acht Uhr fuhren wir dann auf das Gelände des Außenlagers. „Neuer Auftrag eingegangen.“ Meldete dann auch das System:

PICKUP: EST-CASRU
GATE: 02
TRAILER: DV211281
FREIGHT: COMPUTER COMPONENTS
WEIGHT: 22,271 LB
DROP: POO-CAOAK
PRIORITY: IMPORTANT
REMARKS: TRAPAC TERMINAL, ORDER WALMART HAWAII NO. 25873654

WAT-CASAC-KMU

„Das auch noch.“ Stöhnte Ben. „Heute noch in den Hafen von Oakland.“ „Warum?“ „Ach, ich mag das einfach nicht. Warum kann ich dir auch nicht sagen.“ „Okay.“
Wir gingen zum Bürocontainer. „Guten Morgen.“ Grüßte ich. „Ben Jackson. Traust du dich schon nicht mehr alleine zu uns?“ meinte der Security Mann, der gerade am Computer war. „Ich habe nur Verstärkung mitgebracht, damit ich dich noch besser ärgern kann.“ „Und? Wer ist das?“ „Steve Murdock.“ Stellte ich mich vor. „Doch keiner von den Murdocks.“ „Ganz genau.“ Grinste Ben. „Einer der Söhne vom Boss.“ So langsam nahm ich mir vor, mich nur noch mit Vornamen vorzustellen. „Was habt ihr da?“ „Altverpackungen aus Bakersfield.“ „Tor 11.“ „Nicht in die Ecke?“ „Nee. Da ist noch voll.“ „Super. Da hat man einmal nur einen Pup dran, da kann man vorne absatteln.“ „Bekommt ihr auch was mit?“ „Die Computer, Kommission Hawaii.“ Sagte Ben. „Okay. Hier vorne. Tor 2.“ „Ein Dry Van? Habt ihr denn keinen Container hier?“ „Siehst du einen?“ „Nee.“ „Eben.“ „Wenn die das im Hafen noch umpacken müssen kommt doch nur noch die Hälfte in Hawaii an.“ „Kann ich da was für?“ „Wahrscheinlich nicht.“ „Eben. Dann meckere bei euch in Sacramento. Die haben das ja auch verbockt.“ „Okay. Mach ich auch.“ Wir bekamen unsere Papiere und konnten umsatteln. Um halb Neun war die PTI erledigt und wir konnten wieder losfahren.

Als wir an die CA-1 kamen, sagte Ben: „Komm, fahr heute mal links rum.“ „Wieso? Das Navi sagt rechts rum.“ „Lass uns über die CA-1 nach San Francisco fahren.“ „Hääh? Ich denke, du willst zeitig nach Hause.“ „Weißt du ich habe so einen Tick. Wenn ich an der Küste bin, will ich auch das Meer sehen. Das ist dann schon fast wie Urlaub.“ „Okay.“ „Ich weiß. Du hast lange in San Diego gewohnt. Aber wenn man in Sacramento wohnt, sieht man nicht unbedingt jede Woche das Meer.“ „Wie du meinst.“ Wir fuhren also linksrum und nahmen die CA-1.
Erst waren wir noch nicht so nah an der Küste, dass wir das Meer sahen. Aber spätestens ab Davenport hatten wir auch Meerblick.

Es ging an Half Moon Bay vorbei. Bei Montara gab es dann einen Parkplatz mit Meerblick. Hier hielten wir dann an und machten unsere Pause.
Wir stiegen aus und aßen unsere Pausenmahlzeit im Freien. Nach einer halben Stunde machten wir uns dann aber wieder auf den Weg, weiter in Richtung San Francisco.

In Pacifica sagte Ben: „Hier gehen wohl dein Bruder und vor allem deine Schwägerin regelmäßig surfen.“ „Ach hier fahren die hin.“ „Keela soll wohl richtig gut sein, was man so hört. Marc inzwischen wohl auch.“ „Marc hat das ja nur Keela zu Liebe angefangen. Früher hatte er da nichts mit am Hut.“ „Genau wie das Motorradfahren.“ „Richtig.“ „Als die Kleine bei uns angefangen hat, habe ich das erst gar nicht geglaubt. Ein Mädel mit solchen Hobbies. Dann kam sie das erste Mal mit ihrer Harley. Ihre Surfboards hat sie mir auch mal gezeigt.“ „Ja, sie ist schon tough.“

Langsam kamen wir dann nach San Francisco. Wir fuhren in Richtung Bay Bridge und über diese dann nach Oakland. Leider konnten wir dann nicht direkt in Richtung Süden abbiegen. Auf Höhe der Mautstelle staute es sich und es stellte sich heraus, dass die rechte Spur gesperrt war. Schließlich sahen wir, warum die Sperrung war.

„Diese dämlichen Kippsattel sind aber auch kopflastig.“ „Hast du sowas schon mal gefahren?“ „Ist schon lange her. Auf jeden Fall sind das nicht nur Kippsattel, weil man die Ladung abkippen kann, sondern auch, weil sie in der Kurve gerne mal umkippen.“
Wir fuhren bis Berkeley und drehten dort um. Dann ging es über die I-580 nach Oakland.

Am Trapac Terminal war dann nichts los. „Das ist aber leer hier.“ Wunderte sich Ben. „Haben die samstags überhaupt offen?“ „Keine Ahnung.“ Wir fuhren zur Anmeldung. Dort kam ein Mann der Security auf uns zu. „Seid ihr von Walmart, Sacramento?“ „Ja, warum?“ „Das ist abgesprochen, dass ihr den Trailer heute hier abstellen könnt. Normal ist samstags zu. Da muss wohl irgendwer gute Beziehungen haben.“ „Okay. Wo soll der hin?“ „Habt ihr die Ordernummer?“ Ich nannte sie ihm, worauf er uns sagte, wohin der Trailer sollte. Einer seiner Kollegen fuhr dann mit einem Auto vorweg und zeigte uns den Platz. Dann achtete er darauf, dass wir auch nur den Trailer abstellten und nichts anderes machten. „Hier gibt es schonmal keine Ladung.“ Stellte Ben dann fest. „Was steht denn im ORBCOMM?“ Ich schaute nach.

PICKUP: BBY-CASFO
TRAILER: BBYXXX
FREIGHT: HOME ACCESSOIRES
WEIGHT: 42,360 LB
DROP: CAMYV
MARKET: SUC1903
PRIORITY: STANDARD
REMARKS: ADRESS: 1717 HARRISON ST, SAN FRANCISCO

WAT-CASAC-KMU

„Noch mal nach San Francisco und dann noch nach Yuba City?“ wunderte ich mich. „Geht gar nicht. Dann bist du über die 70 Stunden.“ Sagte Ben. „Schaffen wir das überhaupt?“ „Wenn wir von San Francisco zum Platz fahren, sollte das so eben klappen. Wird knapp, aber müsste gehen.“ „Dann fahre ich mal nach San Francisco.“

Während ich mich auf den Weg machte, rief Ben bei Keela an. Wie immer, schaltete er auf laut. „Schönen guten Tag. Walmart Transportation, Sacramento. Sie sprechen mit Keela Murdock.“ „Hey Keela. Ben hier.“ „Hallo Ben. Du fragst dich gerade, wie ihr das noch schaffen sollt.“ „Genau. Darum rufe ich an.“ „Ich hätte es ja in die Bemerkungen gepackt. Die Adresse war mir aber wichtiger. Leider haben wir da nur eine Zeile.“ „Also hat auch 7.0 wieder seine Macken.“ „Das ist ja nur bei den dämlichen Fremdkunden.“ „Dann schieß mal los.“ „Ihr fahrt nach San Francisco und holt den Trailer ab. Dann fahrt ihr zum Platz und räumt eure Sachen aus dem Leihwagen. Den Trailer könnt ihr angesattelt lassen. Den bringt dann ein anderer Fahrer nach Yuba City. Ab Montag fahrt ihr dann sowieso alleine. Jeder mit seiner Maschine.“ „Steve bekommt dann am Montag seine Maschine?“ „Genau. Er soll dann am Montag um halb Acht, viertel vor Acht zu Charlie kommen. Der gibt ihm dann seinen Truck.“ „Den von Greg?“ „Keine Ahnung. Würde aber Sinn machen.“ „Ich fahre dann morgen raus?“ „Genau. Ich weiß aber noch nicht genau wohin.“ „Macht ja nichts.“ „Ach übrigens. Was mich wundert. Ich hatte eigentlich etwas mehr Luft in der Tour. Jetzt wird die ja knapp. Woran liegt das?“ „Wir sind die CA-1 von Santa Cruz hochgefahren. An deinem Lieblingsstrand vorbei.“ „Okay. Das ist entschuldigt. Ich bin auch immer glücklich, wenn ich am Meer bin.“ „Warst du dieses Jahr schon surfen?“ „Ist noch zu frisch. Ich bin aber auch froh, wenn die Saison wieder losgeht.“ „Okay. Wir telefonieren dann morgen.“ „Es reicht auch, wenn du ins ORBCOMM guckst.“ Ben beendete das Gespräch.

Wir fuhren nun zum zweiten Mal an diesem Tag über die Bay Bridge. In diese Richtung war dann auch wieder Maut fällig. Eine Stunde, nachdem wir Oakland verlassen hatten, waren wir dann beim Best Buy in San Francisco. Damit die schwere Ladung vom Gewicht passte, hatte man bei Best Buy ein Flatbed mit Schiebeplane genommen. Wir sattelten den Trailer auf und erledigten die letzte PTI der Woche. Anschließend ging es dann durch San Francisco.

Wieder auf dem Weg zur Bay Bridge, die wir dann zum dritten Mal an diesem Tag befuhren. Über die I-80 E ging es dann weiter in Richtung Sacramento.
Auf der Interstate zog Ben dann sein Fazit über diese Woche. „Steve, du hast mich angenehm überrascht. Das hat dein Bruder seinerzeit zwar auch, es ist aber immer noch was anderes, ob man hier als Angestellter, oder als Subunternehmer fährt. Am Anfang habe ich gedacht, oh Gott, noch ein Murdock. Zumal deine Schwester eben manchmal ganz schön die Zicke raushängen lässt. Du bist aber ganz anders, als ich dachte. Du willst es selbst schaffen und nicht als Frank Murdocks Sohn irgendwelche Vergünstigungen bekommen.“ „Danke.“ „Fahren kannst du. Auf den Kopf gefallen bist du auch nicht. Den Schein für die LCV’s schaffst du auch locker. Ich denke, du wirst hier deinen Weg gehen.“ „Gut. Und du bist der Meinung, dass ich das alleine schaffe?“ „Ohne Probleme. Wenn du Fragen hast, kannst du mich auch jederzeit anrufen.“ „Und wenn du gerade schläfst?“ „Ist das Telefon aus. Also auch kein Problem.“ „Gut. Dann schauen wir mal.“ Als wir Sacramento erreichten, wurde es langsam dunkel.

Wir fuhren zum Platz und räumten unsere Sachen aus dem Leihwagen. „Wer bringt die Ladung jetzt weg?“ „Keine Ahnung. Ich vermute mal der Kollege, der den Leihwagen als nächstes bekommt. Was sagte eigentlich das E-Log über deine Stunden?“ „Fahrzeit und On Duty Arbeitszeit lagen diese Woche insgesamt bei 69 Stunden, 45 Minuten.“ „Das nenne ich Punktlandung. Jetzt hast du ja bis Montag Früh sowieso deinen Reset. Also insgesamt 37 Stunden. Sogar mehr, als du brauchst.“ „Dann passt das ja.“
„Soll ich dich eben nach Hause bringen? Dann braucht deine Frau nicht extra los.“ „Das wäre super.“ „Mache ich gerne. Ich mag dich. Ich denke mal, wir könnten Freunde werden.“ „Sehr gerne.“

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