16. Independence Day und die letzte Tour im Cascadia

Samstag, den 4. Juli 2020, Sacramento, CA:


Wir hatten wieder keinen Wecker gestellt. Wir konnten uns aber auch sicher sein, dass uns unser Sohn früher oder später wecken würde. Tim entschied sich dann für „früher.“ Natürlich kam er wieder zu meiner Seite des Bettes. Pam hatte schon recht, dass er das ausnutze, wenn ich mal da war. „Daddy, wach werden.“ „Tim, ich möchte noch schlafen. Komm gleich nochmal wieder.“ Tim ging wieder. Nach zwei Minuten kam er wieder. „Daddy, wach werden.“ „Ich habe gesagt, dass du gleich wiederkommen sollst.“ „Ist jetzt gleich.“ „Das kann nicht sein.“ „Doch.“ Er kletterte wieder auf mich und patschte mir im Gesicht rum. „Daddy, komm jetzt.“ „Wo soll ich hinkommen?“ „Spielen kommen.“ Pam drehte sich zu uns. „Was ist denn hier für ein Theater?“ murmelte sie. „Dein Sohn will unbedingt, dass ich spielen komme.“ „Das kann nicht mein Sohn sein. Das ist deiner.“ Nachdem Tim merkte, dass Mom auch wach war und Daddy Widerstand leistete, versuchte er dort sein Glück. „Mami, spielen kommen.“ „Ganz sicher nicht.“ Sagte Pam und zog sich die Decke über den Kopf. „Was ist los, Sweetheart?“ „Lass uns das nächste Mal nicht so einen leckeren Wein kaufen. Dann trinke ich auch nicht so viel davon.“ „So viel hattest du doch gar nicht.“ „Normal nicht. Mit meinen Psychopharmaka sollte man aber keinen Alkohol trinken.“ „Da habe ich gestern Abend gar nicht dran gedacht.“ „Ich auch nicht.“ „Und jetzt hast du einen Kater?“ „Es geht. Bis heute Nachmittag bin ich wieder fit.“ „Na hoffentlich.“ Ich wandte mich an Tim. „Sollen wir Mami Frühstück machen?“ „Lieber spielen.“ „Ach komm. Wir machen Mami jetzt ein schönes Frühstück.“ „Dann aber spielen.“ „Okay.“
Ich stand auf und ging in die Küche. Dort machte ich ein schönes Frühstück für Pam. Tim kam in sein Stühlchen und bekam seine Cheerios. Für Pam packte ich alles auf unser großes Tablett und brachte es ihr ans Bett. „Oh, Frühstück im Bett.“ Staunte Pam. „Könntest du gerne auch öfter haben, wenn ich dabeibleiben könnte. Ich muss aber schauen, dass unser Sohn die Milch seiner Cheerios nicht in der ganzen Küche verteilt.“ „Ist okay. Geh schon.“ Ich gab ihr einen Kuss. „Wann sollen wir denn bei Keela sein?“ „Zwei, halb Drei.“ „So früh zum Barbecue?“ „Wir wollen ja auch noch zusammensitzen und quatschen. Außerdem vermute ich, dass Keela und Marc, wenn sie das traditionell machen, den Smoker heute früh schon anfeuern.“ „Stimmt.“ Ich ging wieder zu Tim. Der hatte natürlich gerade Spaß daran, mit seinem Löffel immer in die Schale mit den Cheerios zu patschen, dass die Milch nur so spritzte.
Nach dem Frühstück kam Pam in die Küche. „Ich mache dann mal eben den Salat fertig.“ Sagte sie. „Danach gehe ich ins Bad und versuche wieder einen Menschen aus mir zu machen.“ „Ich sage nur so viel. Es ist Wahnsinn, wie gut du selbst verkatert aussiehst.“ „Danke, Darling.“ Sie bekam einen Kuss. Dann ging ich mit Tim in sein Zimmer und dort spielten wir zusammen.

Irgendwann kam Pam rein. „Ich mache mich jetzt fertig. Was soll ich dir denn zum Anziehen rauslegen?“ „Irgendwas Leichtes. Es soll heute heiß werden.“ „Okay. Shorts oder lieber eine lange Hose?“ „Nimm ruhig Shorts.“ „Okay.“ Sie verschwand wieder.


Es dauerte eine gute Stunde, bis ich Pam wiedersah. Dann staunte ich. Sie hatte sich regelrecht aufgebrezelt. Sie hatte etwas Makeup aufgelegt und die Haare gestylt. Außerdem trug sie einen engen Minirock und dazu ein weißes, leicht transparentes Top. „Wow. Wen willst du denn verführen?“ „Das war Keelas Idee, dass wir Frauen uns heute aufhübschen. Ob deine Mom auch mitmacht, weiß ich nicht. Keela und Jessy jedenfalls schon.“ „Das war Keelas Idee?“ „Ja. Hat mich ehrlich gesagt auch etwas gewundert.“ „Bekommt ihr jetzt alle einen Koller wegen Corona?“ „Ich verstehe nicht, was du meinst.“ „Tu doch nicht so. Keela will meinen Bruder einem Treuetest unterzeihen und du machst da mit.“ „Was für ein Treuetest?“ „Es ging ihr mit Sicherheit darum, dass du dich aufbrezelst. Bei Jessy ist das egal. Weil sie genau weiß, dass du Marcs früherem Beuteschema entsprichst. Dann will sie beobachten, ob Marc dich anschmachtet.“ „Das ist doch Blödsinn.“ „Überleg doch mal. Wann legt Keela Wert darauf, besonders weiblich zu wirken. Ich kenne sie nur in Jeans und T-Shirt. Mal abgesehen von ihrer Hochzeit.“ „Ich meine bei irgendeiner Familienfeier hätte sie sich auch schonmal aufgebrezelt.“ „Weiß ich jetzt nicht mehr.“ „Soll ich mich jetzt wieder umziehen?“ „Quatsch. Ich werde Marc aber von meiner Vermutung erzählen.“ „Tu, was du nicht lassen kannst.“ „Mache ich auch.“ „Ich mache dann jetzt Tim fertig.“ „Mach das.“

Ich nahm mein Handy und rief Marc an. „Hey Steve. Was kann ich für dich tun?“ meldete er sich. „Hallo Brüderchen. Ist deine bessere Hälfte gerade in der Nähe oder kannst du sprechen?“ „Kein Problem. Ich bin unten am Smoker. Keela ist im Bad und brezelt sich auf.“ Verstehe. Hat sie dir einen Grund genannt, warum sich die Mädels aufbrezeln sollen?“ „Ich dachte, dass sie das nur macht.“ „Nee. Pam und Jessy sollen das wohl auch.“ „Was soll das denn wieder?“ „Ich habe eine Vermutung. Hat sie in letzter Zeit mal wieder ein Problem mit ihrer Eifersucht gehabt?“ „So halb. In erster Linie ist sie etwas neidisch, weil wir Fahrer unterwegs sind und Sie kaum vor die Tür kommt.“ „Ich gebe dir einen Tipp. Achte genau darauf, wie du Pam heute anguckst. Versuche weder Pam zu ignorieren, noch sie anzustarren oder anzuschmachten. Verstehst du was ich meine?“ „Stichwort Alice?“ „Wenn das die Verlobte von deinem Schwager ist, ja.“ „Alles klar. Das hat uns schon eine Familienfeier versaut. Das brauche ich heute sicher nicht.“ „Okay. Übrigens. Was hast du denn für unseren Kurzen zu essen?“ „Ich denke mal, ein Pulled Pork Sandwich kann auch der Kleine schon essen. Außerdem habe ich neben dem Smoker auch noch einen Holzkohlengrill hier. Keela hat German Bratwurst geholt. Ich hoffe die schmeckt.“ „Okay. Dann bis gleich.“ Wir legten auf. Dann ging ich ins Bad und machte mich fertig.
Schließlich waren wir alle fertig und konnten losfahren. Wir nahmen für das kurze Stück das Auto, weil wir ja einiges mitbringen mussten. Dann fuhren wir bei M.M. Trucking auf den Hof. Ich fuhr dann erstmal auf die Rückseite der Halle.

Dort fand ich Marc vor, der gerade beim Smoker nach dem Rechten schaute. „Hallo ihr drei.“ Begrüßte er uns. Wir umarmten uns kurz, dann sagte er: „Keela ist noch oben. Sie bereitet noch was vor, außerdem muss sie ja immer zwischendurch an den Laptop.“ „Sind heute viele Fahrer unterwegs?“ „Nicht wirklich, nur eine Handvoll. Die meisten, die unterwegs sind, haben Frischware geladen.“ „Verstehe.“ „Hallo Pam.“ Begrüßte er sie und umarmte sie kurz. „Du siehst wirklich umwerfend aus.“ „Danke.“ Dann zwinkerte er mir zu. Sie ist ja gerade oben.“ Dann beugte er sich zu Tim runter. „Hallo kleiner Mann. Kennst du mich noch?“ Tim schüttelte schüchtern den Kopf und griff nach meiner Hand. „Du brauchst keine Angst zu haben. Das ist Onkel Marc. Der hat auch einen Truck.“ Damit war Tims Neugier geweckt. „Echt?“ Marc nickte. „Der steht da drin.“ Tim tippelte in die Halle, dann sah er den T680. „Boah.“ Sagte er und lief um die Zugmaschine herum. „Jetzt hast du gewonnen.“ Grinste ich. „Wo ist denn die zweite Maschine?“ „Irgendwo in Montana. George ist unterwegs.“ „Aha.“
Wir holten dann das Root Beer aus dem Ford und stellten die Hälfte davon kalt. Pam nahm den Salat und die Baguettes. „Ich gehe mal rauf und schaue, ob ich Keela helfen kann.“ Dann stellte ich das Auto nach vorne auf den Parkplatz.
Dort kam gerade Dads Cadillac auf den Hof. Auch er fuhr erstmal um die Halle. Ich ging zurück und kam gerade dazu, als die drei ausstiegen. Dad war dann heute wohl der Einzige, der nicht in Shorts kam. Er trug eine leichte Sommerhose und ein Oberhemd. Mom trug ein geblümtes Sommerkleid und Jessy toppte wieder alles. Sie hatte sicher zwei Stunden gebraucht um sich zu stylen. Dazu trug sie ein Cocktailkleid und High Heels.
Zuerst begrüßten sie Marc als Gastgeber. Anschließend kamen sie zu mir. „Hallo Steven.“ Begrüßte mich Mom. „Schön, dass ihr auch da seid. Wo sind denn Pamela und Timothy?“ „Hallo Mom. Pam ist oben und hilft Keela und Tim bewundert Marcs Truck.“ „Dann werde ich auch mal nach oben gehen.“ Nun kam Dad an die Reihe. „Hallo Steve, wie geht es dir?“ „Soll ich jetzt Dad oder Boss sagen?“ grinste ich. „Heute bin ich Dad, obwohl ich gleich kurz was dienstliches habe.“ „Hallo Dad. Uns geht es gut. Wir haben uns inzwischen ganz gut eingelebt. Auch wenn es, Dank der Situation etwas ungewöhnlich war.“ „Das stimmt. Wegen dem ganzen Mist habe ich eine Sondersitzung nach der anderen.“ Dad ging wieder zu Marc und ich begrüßte Jessy. „Hi, Jessy. Wie geht’s dir heute?“ „Geht so. Alle sind mit Anhang hier, nur ich bin solo. Das ist etwas doof.“ „Dafür hast du dich aber ganz schön herausgeputzt. Kannst du den ganzen Tag auf solchen Schuhen laufen?“ „Da könnte ich sogar den ganzen Abend mit tanzen.“ „Hast du denn drüber nachgedacht, wie das mit dir und Dave weitergehen soll?“ „Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt weitergehen soll.“ „Aber nicht wegen gekränkter Eitelkeit.“ „Keine Ahnung. Es hat aber unheimlich weh getan, was er zu mir gesagt hat.“ „Hast du denn über meine Worte nachgedacht?“ „Die ganze Nacht von Vorgestern auf gestern. Du hast wahrscheinlich auch recht. Aber ich bin nun mal so.“ „Denk mal darüber nach, ob du daran vielleicht was ändern solltest.“ „Wie denn?“ „Jeder kann sich ändern. Du hast hier heute die besten Beispiele vertreten. Marc, der früher der Jasager war und heute selbstständiger Unternehmer ist. Dad, der inzwischen auch andere Meinungen akzeptiert und nicht nur seine. Oder ich, der frühere Rebell, der jetzt ein glücklicher Familienmensch ist.“ Jessy nickte. „Ich kann es ja versuchen.“ „Nicht versuchen. Tu es oder lass es. Versuchen gilt nicht.“ „Okay.“ „Wenn ich mit Dave reden soll, sag Bescheid.“ „Das mache ich, wenn ich mir darüber im Klaren bin.“
Jessy ging dann zu den anderen Frauen nach oben. Ich ging zu Marc und Dad. „Was hast du denn im Smoker?“ fragte ich. „Heute früh habe ich Schweineschulter und Rinderbrust reingetan. Heute Mittag dann die Spareribs.“ „Für jeden Geschmack etwas.“ „Nachher mache ich noch den Grill an und mache Bratwurst und bei Bedarf noch Rinderstakes.“ „Okay. Verhungern werden wir nicht.“ „Ist Tim immer noch bei meiner Zugmaschine?“ „Mom hat ihn vorhin mit hochgenommen.“ „Okay. Ich habe mir überlegt, wenn er nachher mal müde wird, kann er im Sleeper schlafen. Dann ist er in der Nähe und nicht alleine oben.“ Okay. Wir müssen nur schauen, dass er nicht aus der Zugmaschine purzelt.“ „Wir machen die Tür zu und die Fenster runter. Dann kann er rufen, wenn er raus will.“ „Das könnte klappen.“

Eine halbe Stunde später kamen dann auch die Frauen runter. Auch Keela hatte sich herausgeputzt. Ihre Wuschelmähne hatte sie mit Gel gebändigt. Außerdem trug sie ein Sommerkleid. Sie begrüßte erst Dad und dann kam sie zu mir. „Hallo Steve.“ Sie umarmte mich kurz. „Hi Keela. Du bist ja so weiblich heute.“ „Was soll das denn heißen?“ fragte sie mich stirnrunzelnd. „Bin ich sonst etwa männlich?“ „Ähh… …so meinte ich das auch nicht.“ „Ja, ja. Wenn man keinen Rock trägt, ist man keine Frau.“ „Quatsch. Ist nur ungewohnt bei dir.“ „In Jeans und T-Shirt fühle ich mich am wohlsten. Bei dem warmen Wetter kann es dann aber gerne auch mal luftiger sein.“ „Aha.“
Zusammen machten wir einen Tisch fertig, auf dem die Salate und Soßen standen Außerdem hatten wir einen Korb mit den Baguettes und einen mit Hamburger Brötchen. „Wenn da was zu Ende geht, haben wir noch mehr oben.“ Sagte Keela. Wir stellten dann noch zwei Gartentische zusammen, an denen wir später essen konnten. Außerdem standen der Firmenlaptop und das Diensthandy auf einem Tisch. Keela musste ja zwischendurch arbeiten. Wir hatten Musik laufen und es war eine schöne Stimmung. Pam holte dann noch einen Ball aus dem Auto und Marc und ich spielten mit Tim Fußball. Natürlich so, dass der knapp dreijährige seinen Spaß hatte. Dad schaute uns zu und kümmerte sich um den Smoker und den Grill. Die Frauen saßen zusammen und tratschten. Ich schaute dabei immer nebenher auf Keela und Pam. Bisher war alles in Ordnung.
Irgendwann sagte Mom: „Pam, du hast ja schon ganz schön Farbe bekommen.“ „Ja das stimmt.“ Antwortete sie. „Das geht bei mir aber auch sehr schnell.“ Keela blickte sichtbar neidisch auf Pams gleichmäßige, gebräunte Haut. Sie hatte zwar auf Gesicht und Armen zahlreiche Sommersprossen, der Rest war aber kalkweiß. Mom und Jessy waren irgendwo dazwischen. Sie waren zwar auch beide eher helle Typen mit ihren naturblonden Haaren und dem eher nordischen Teint. Gegen Keela waren sie aber auch schon vergleichsweise dunkel.
Irgendwann hatten Marc und Tim dann auch erstmal genug mit dem Ball gespielt und wir setzten uns auch zu den anderen. Wenn Marc dann mal mit Pam sprach, wurden die beiden aufmerksam von Keela beobachtet. Die beiden gaben ihr aber keinen Grund zur Eifersucht. Etwas später wurde es Tim wieder langweilig. Dann waren abwechselnd Marc und ich oder seine Granny dran.

Kurz bevor wir essen konnten nahm mich Dad nochmal an die Seite. Bevor ich das gleich vergesse, lass uns mal eben das Dienstliche machen.“ „Okay.“ „Du hast ja vorgestern schon eine lange Besprechung mit Charlie gehabt.“ Ich schluckte kurz. Wollte mir Dad jetzt auch noch einen Anschiss für die vergessene Tankung verpassen? „Falls es wegen der vergessenen Tankung ist…“ „Vergiss es. Das kann jedem mal passieren.“ „Okay.“ „Es geht einmal um die LCV Schulung. Da weiß ich im Moment nicht, ob ich da Termine bekomme. Wegen Corona dürfen die Gruppen nicht so groß sein und es muss ausreichend Abstand sein. Dadurch haben sich die Kosten erhöht, weil das nicht auf so viele Leute umgelegt werden kann. Ich weiß nicht, ob ich das in Bentonville durchkriege.“ „Das heißt ich muss den Rest zahlen?“ „Wenn sie jetzt unbedingt gemacht werden muss, dann ja.“ „Muss das sein?“ „Ich spreche nochmal mit Charlie. Du bist ja jetzt auch schon ein knappes halbes Jahr ohne LCV’s klargekommen.“ „Ich muss diese Doubles auch nicht unbedingt haben.“ „Bei Volumengut ist es ab und zu besser, wenn man nochmal 3 Fuß mehr zur Verfügung hat. Eine Kupplung zum Anhängen des Dollys an die Zugmaschine haben sowieso nur die City Trucks und ein paar Regional Trucks.“ „Also wie gesagt. Ich komme auch ohne die Dinger klar.“ „Das könnten deine Dispatcher anders sehen. Die müssen nämlich immer drauf achten, dass du das nicht darfst.“ „Okay.“ „Dann geht es noch um deine Zugmaschine.“ „Ich weiß. Die kommt kurzfristig weg.“ „Ganz genau am Montag.“ „Am Montag schon?“ „Ja. Keela schickt dich Montag mit einer Tagestour raus. Wenn du wiederkommst, steht die Maschine entweder schon auf dem Platz oder wir holen sie dann bei NorCal Kenworth ab.“
„Es gibt also einen Kenworth.“ „Entweder einen Kenworth oder einen Peterbilt. PacLease hat beides.„Aber bitte einen Handschalter.“ „Ich schaue, was ich machen kann.“ „Im Zweifel verzichte ich sogar auf die ganz große Kabine. Also lieber eine kleinere Kabine und manuelle Schaltung, als umgekehrt.“ „Na gut.“ „Was wird das sonst?“Was Günstiges. Einfache Ausstattung, neutralweiß mit Aeropaket zum Kraftstoff sparen.“ „Wie lange fahre ich den?“ „Bis die nächste Serie an neuen kommt.“ „Bekomme ich dann auch einen Handschalter?“ „Wenn es ein neuer Cascadia wird, dann nicht. Die kommen mit Automatik.“ „Ich bin nicht so scharf wie die Kollegen auf den neuen Cascadia.“ „Ich weiß nur nicht, ob du schon genug Erfahrung hast, um das zu beurteilen.“ „Ich will ja nicht eure generelle Einkaufspolitik kritisieren. Ich habe nur meinen eigenen Geschmack genannt.“ „Verstehe. Wir werden es sehen, wenn es so weit ist.“

Wir gingen zurück zu den anderen. Marc hatte inzwischen noch eine Handvoll Bratwürste und zwei Steaks auf den Grill gelegt. Mom und Keela hatten sich Schweineschulter aus dem Grill geholt und zupften das Fleisch auseinander. Wir konnten uns dann unsere Pulled Pork Burger ganz nach Belieben fertig machen. Salate hatten wir auch reichlich. Einerseits Pams mexikanischen Salat. Mom hatte Kartoffelsalat gemacht und Jessy hatte Coleslaw fertiggemacht. Pam ließ Tim auch mit bei ihrem Pulled Pork probieren. Dann hatte Marc aber Bratwürste fertig. Pam schnitt sie in mundgerechte Stücke und gab etwas Ketchup auf den Teller. Kurz darauf war Tims halbes Gesicht rot vom Ketchup. Zur Abwechselung kam nun etwas Rindfleisch. Dad nahm eines der Steaks. Die Anderen zogen Beef Brisket vor.

Irgendwann wurde es nochmal etwas peinlich. Mom kümmerte sich gerade darum, dass Tim aß. Sie hatte sich etwas Soße auf den Teller getan und tunkte etwas von den French Baguettes hinein. Dann sollte Tim abbeißen. „Was ist das, Granny?“ fragte er. „Das ist nur Weißbrot.“ Sagte Mom. Tim begann zu kichern und meinte: „Daddy ist ein Weißbrot.“ Mom guckte entsetzt. „Aber Timothy. Sowas sagt man nicht. Wer hat denn sowas gesagt?“ „Mami hat gesagt, Daddy ist ein Weißbrot.“ Pam wurde knallrot. Alle starrten sie an. „Das war doch nur Quatsch.“ Meinte sie verlegen. „Pamela.“ Sagte Mom streng. „Wir dulden in unserer Familie keine rassendiskriminierenden Bezeichnungen. Egal wie rum und in welche Richtung. Da macht man auch keinen Spaß drüber.“ Sie nickte. „Ich bin früher genug gemobbt worden. In meiner Klasse gab es nur zwei Gruppen. Die Latinos zu denen man mich als Halbmexikanerin auch zählte und die Weißbr… äh Weißen. Das war schlimm genug.“ „Dann solltest gerade du das wissen. Unsere Familie ist inzwischen kulturell so durchgemischt, dass wir solche Äußerungen gar nicht wollen. Ich selbst habe niederländische Wurzeln. Frank Schottische. Keela irische und du zur Hälfte mexikanische. Da können wir uns sowas nicht anmaßen. Wir haben ja auch kein Problem damit, dass Marc und Steven katholisch geworden sind.“ „Mom. Ist gut jetzt.“ Sagte ich. „Pam hatte mir vor ein paar Wochen was von früher erzählt. Eben aus dieser Schulzeit. Dabei ist der Begriff gefallen, den Tim dann aufgeschnappt hat.“ „Timothy hat aber gesagt, dass Pamela dich so bezeichnet hat.“ „Weil ich davor gesagt habe, dass sie ja eben so einen geheiratet hat.“ Nun stand Marc auf. „Es reicht.“ Sagte er. „Unsere Feier war bisher schön und das soll sie auch bleiben. Ich dulde nicht, dass sie wegen so einem Blödsinn aus dem Ruder läuft.“ Ich war mal wieder tief beeindruckt von meinem kleinen Bruder. Es hielten sich auch alle daran und die Stimmung wurde langsam wieder besser. Pam sagte noch leise zu mir: „Wir sollten langsam aufpassen, was wir in Tims Gegenwart sagen. Sonst kommen wir nochmal in Teufels Küche.“

Das weitere Essen lief dann auch störungsfrei. Mal abgesehen davon, dass Keela ein-, zweimal an den Laptop musste, um Kollegen den nächsten Auftrag zu geben. Die Spareribs kamen noch auf den Tisch. Schließlich passte bei keinem mehr was in den Magen.
Um ein paar der reichlich verzehrten Kalorien wieder zu verbrennen, machte Marc Musik an und wir konnten tanzen. Jessy nahmen alle Männer zwischendurch als Tanzpartnerin, damit sie dabei nicht außen vor war. Schließlich war Jessy eine kleine Partyqueen und tanzte für ihr Leben gern.
Am Abend wurde Tim quengelig. Ein Zeichen dafür, dass er müde war. Ich brachte ihn dann, wie besprochen, in den Sleeper von Marcs T680. Dabei schaute ich mich nochmal im Truck um. Der Platz war ähnlich, wie bei meinem Truck. In der edlen Diamond VIT Version war sie auch super ausgestattet. Tim war megastolz, dass er in dem Truck schlafen durfte. Das durfte er ja bisher nicht mal in Daddys Truck. Trotzdem war er so müde, dass er recht schnell einschlief. Dann machte ich noch die Fenster so weit auf, dass er rufen konnte, wenn er wach wurde, aber nicht durch die Fenster rausklettern konnte.
Danach ging ich zu den anderen zurück. Keela war gerade dabei, schon mal ein paar Sachen vom Essen zusammen zu räumen. Dabei beobachtete sie argwöhnisch Marc und Pam, die gerade zusammen tanzten. „Hey Lieblingsschwägerin.“ Sagte ich zu ihr. Sie fuhr erschreckt herum. „Steve. Ich habe dich gar nicht kommen hören.“ „Du konzentrierst dich ja auch voll auf deinen Mann. Ob er mit meiner Frau mehr macht, als nur zu tanzen.“ „Merkt man das?“ „Keela. Ich bitte dich. Die ganze Party ist doch ein großer Treuetest für Marc. Warum sonst hätten sich die Frauen extra hübsch machen sollen? Außerdem weiß ich genau wie du, dass Pam genau dem Typ Frau entspricht, die dir ein Greul sind und auf die Marc früher stand.“ „Warum sollte ich diesen Typ Frau nicht leiden können?“ „Einerseits, weil du darauf neidisch bist und andererseits, weil du meinst, dass dir so eine Frau deinen Bruder Liam weggenommen hat.“ „Ist das so offensichtlich?“ „Das mit dem Neid hast du Pam selbst mal gesagt. Deinen Bruder und seine Frau habe ich auf eurer Hochzeit kennengelernt. Wir haben uns gut mir Liam und Alice verstanden. Dabei hat uns Liam auch davon erzählt.“ „Dieses verfluchte Virus ist an allem schuld.“ Brach es aus Keela heraus. „Ich hänge hier zu Hause rum und ihr Truckdriver dürft weiterhin unterwegs sein. Ich liege hier abends im Bett und frage mich, wen Marc schon wieder alles kennenlernen durfte.“ „Niemanden. Du kennst doch unsere Anweisungen, möglichst kontaktlos zu arbeiten. Wenn wir wirklich jemanden treffen, haben wir und unser gegenüber Masken auf. Meinst du damit flirtet man?“ „Stimmt auch wieder.“ „Außerdem liebt dich Marc über alles. Warum sollte er also fremdgehen?“ „Weil ich nicht seinem Typ entspreche?“ „Hey. Du bist eine verdammt hübsche Frau. Ein völlig anderer Typ als Pam, trotzdem auf deine Art eine umwerfende Frau. Marc hat für dich sein ganzes Leben geändert. Er betreibt Hobbys, an die er früher noch nicht mal dachte. So eine Ansage wie vorhin beim Essen hätte er früher niemals gemacht. Glaubst du wirklich, dass er dich nicht über alles liebt?“ „Du hast Recht.“ „Ganz abgesehen davon würden weder Marc noch Pam auf die Idee kommen, was miteinander anzufangen. Die beiden passen gar nicht zusammen.“ „Und alles was du von Marc gesagt hast, gilt auch für deine Frau.“ „Das auch. Sonst hätte sich Pam sicher nicht in ein bestimmtes Lebensmittel verliebt.“ Keela begann herzlich zu lachen. „Wenn du das bist, was bin ich denn dann?“ Sie streckte demonstrativ eines ihrer weißen Beine vor. „Keine Ahnung.“ Grinste ich. „Milch?“ „Hau bloß ab.“ Lachte Keela. „Vielleicht ja auch Milch mit Honig. Die ist dann auch süß.“ „Pass auf, dass ich dich nicht übers Knie lege.“ Lachte Keela. „Dann erlöse ich dich und klatsche mal bei Pam und Marc ab.“
Ich ging zur Tanzfläche und tanzte mich zu Marc und Pam vor. „Ich hätte gerne meine Frau zurück.“ Grinste ich. „Bitte.“ Sagte Marc. „Ich glaube, deine Frau könnte mal einen Kuss gebrauchen.“ „Dein Wunsch ist mir Befehl.“ Marc ging zu Keela. Dort umarmte und küsste er sie. „Bist du hier der Beziehungsratgeber?“ fragte Pam grinsend. „Wir zeigen den anderen halt, wie man es richtig macht.“ „Ich liebe dich, Darling.“ „Ich dich auch, Sweetheart.“ Nun küssten auch wir uns.

Als es dunkel genug für das Feuerwerk war, holten Marc und Keela zwei Kartons, die voll mit Feuerwerkskörpern waren. „Wo hast du die denn her?“ wunderte sich Dad. „Aus dem Manteca Transportschaden.“ Sagte Keela. „Auf die Idee hätte ich auch kommen können.“ Grinste Dad. „Sollen wir Tim wecken?“ fragte mich Pam. „Was meinst du dazu?“ „Ist vielleicht besser, wenn er weiß was da knallt. Bevor er Angst kriegt.“ „Ich hole ihn.“
Ich ging zur Zugmaschine und holte Tim aus dem Bett. Dann nahm ich ihn auf den Arm und wir gingen zu Pam. Sie nahm ihn und ich ging zu Marc und Dad, um ihnen beim Feuerwerk zu helfen. Während dem Feuerwerk hielt Pam Tim die Ohren zu. Die Augen des Kleinen wurden aber immer größer, als er die Farben des Feuerwerks am Himmel sah. Auch von den Anderen kam immer wieder Oh und Ah. Nach dem Feuerwerk legte ich Tim wieder in den Truck. Er bekam auch Ohrstöpsel, weil wir nicht wussten, wo sonst noch Feuerwerk abgebrannt wurde.

Wir feierten weiter. Pam und ich hielten sich an Root Beer. Mom, Keela und Jessy tranken inzwischen Wein, Marc und Dad Bier. Irgendwann schaute Dad auf seine Dose Bud Light. „Warum hast du eigentlich kein vernünftiges Bier da?“ „Was hättest du denn lieber gehabt? Miller? Coors?“ „Erstens kein Light Bier und zweitens meine ich was Vernünftiges.“ „Also Corona wollte ich im Moment wirklich nicht kaufen.“ „Wieso? Meist du der Virus ist in dem Bier?“ „Quatsch. Ich will nur nicht ständig den Namen vor der Nase haben.“ „Dann nimm das nächste Mal nicht nur Light.“ „Okay, Dad.“

Gegen Mitternacht entschlossen wir, sowie Mom und Dad, dass wir langsam nach Hause wollten. Jessy hatte wohl noch Lust auf Party. „Ich rufe mir ein Uber und fahre noch nach Downtown. Ich hab noch keine Lust nach Hause zu fahren.“ „Jessy.“ Sagte Marc. „Wo willst du denn hin? Ist doch sowieso alles Geschlossen. Newsom hat doch Mitte der Woche wieder die meisten Indoor-Business Sachen schließen lassen. Clubs sind sicher nicht geöffnet.“ Jessy stampfte wie ein kleines Kind mit dem Fuß auf. „Diese blöde Pandemie macht mir mein ganzes Leben kaputt.“ Keela wandte sich an Mom und Dad. „Fahrt ruhig nach Hause. Jessy kann auch hierbleiben. Wir reden und trinken noch was.“ Dad schaute etwas skeptisch. „Du hast auch Dienst, Keela.“ „Passt schon.“ Sagte Marc. „Wir kriegen das hin.“ „Wie kommt ihr denn nach Hause?“ Fragte ich Dad. „Mit dem Auto.“ „Wir bringen euch. Du fährst nicht mehr.“ Sagte ich entschieden. „Was soll das denn?“ „Du hast getrunken. Den Cadillac kannst du auch morgen holen.“ Wir stiegen zusammen in den Ford. Dad setzte sich nach vorne, Mom und Pam zu Tim nach hinten. „Fängst du jetzt an, mich zu bevormunden?“ sagte Dad mürrisch. „Frank, lass es gut sein.“ Sagte Mom. „Steven hat recht.“
Wir setzten meine Eltern zu Hause ab und fuhren dann zurück nach Lemon Hills. „Jessy macht mir Sorgen.“ Sagte Pam. „Mir auch. Hoffentlich wird das wieder.“ „Glaubst du wirklich?“ „Ich weiß es nicht. Kommt darauf an, was Dave in den letzten Jahren alles einstecken musste.“ „Ich versuche, Dave mal zu uns einzuladen.“ Sagte Pam. „Ich will wissen, was los war und was er denkt.“ „Versuch es. Kann aber sein, dass er sofort auflegt, wenn er den Namen Murdock hört.“ „Warten wir es ab.“ Schließlich waren wir zu Hause. Wir legten Tim in sein Bettchen und gingen dann ins Schlafzimmer. Pam schlief sofort ein. Ich lag noch eine Weile wach und dachte über den Tag und über Jessy nach.

Sonntag, den 5. Juli 2020, Sacramento, CA:

An diesem Morgen schlief selbst Tim etwas länger. Gegen halb Neun kam er trotzdem ins Schlafzimmer und weckte uns. Da wir keinen Alkohol getrunken hatten, hatten wir auch keinen Kater. Wie die anderen aussehen würden, wollte ich besser nicht wissen.
Wir standen auf und frühstückten. Anschließend wollten wir uns wieder einen gemütlichen Tag im Garten machen.

Irgendwann klingelte es an der Tür. Ich ging hin und traf Marc. „Morgen Bruderherz. Ich bringe dir noch Reste von gestern. Das Fleisch bekommst du im Backofen nochmal ganz gut hin. Außerdem war noch reichlich von den Salaten da.“ „Danke. Komm rein.“ Wir gingen auf die Terrasse.
Dort hatten wir Tims Planschbecken wieder aufgebaut. Tim saß im Becken und hatte Spaß mit dem Wasser. Pam hatte wieder ihren Bikini an, weswegen Marc seine Augen nicht von ihr lassen konnte. „Lass die Finger von der Frau.“ Warnte ich ihn. „Appetit holen ist erlaubt. Nur gegessen wird zu Hause.“ Grinste Marc. „Und ich habe Keela gestern versichert, dass sie sich bei dir keine Sorgen machen braucht.“ „Das hast du?“ „Als sie Pam bald mit Blicken getötet hätte, weil ihr zusammen getanzt habt.“ „Danke.“ „Ich hoffe, ich bereue das nicht.“ „Wirst du nicht. Ich liebe Keela.“
„Was war denn gestern noch mit Jessy?“ „Sie haben laut Keela noch bis drei Uhr geredet. Jessy hat sich quasi ausgeheult.“ „Wo warst du?“ „Ich habe geschlafen. Dafür habe ich heute früh für Keela ihren Dienst gemacht.“ „Darfst du das?“ „Eigentlich nicht. Da ich aber im Reset bin, konnte ich mich ja nicht selbst bevorteilen.“ „Das könnte Keela sonst auch. Schließlich ist sie Teilhaberin bei euch.“ „Dann wäre sie vertragsbrüchig und würde rausfliegen. Außerdem käme dann noch eine Klage von Walmart gegen M.M. Trucking. Das lohnt sich sicher nicht. Außerdem könnte das Danny sonst auch mit Gina machen.“ „Steht das mit der Kündigungsklausel im Vertrag?“ „Dad hat sich abgesichert und eine Zusatzklausel einfügen lassen, bei der es um diesen Interessenkonflikt geht. Die musste Keela unterschreiben und hinterher auch Danny.“ „Verstehe. Also weiß das von heute keiner.“ „Da ich mit Keelas Login Daten eingeloggt war, stand auch ihr Kürzel unter den Anweisungen.“ „Okay. Was hat Jessy denn nun gesagt?“ „Ich weiß nicht so viel. Keela hat mir nicht so viel erzählt. Sie hat mir aber gesagt, dass Jessy nicht weiß, ob sie nochmal mit Dave zusammen sein möchte. Trotzdem nervt es Jessy jetzt schon, dass sie solo ist.“ „Wieso das denn? Das sind doch erst ein paar Tage.“ „Vielleicht, weil sie so keinen nerven kann.“ „Wohl eher, weil keiner da ist, der ihr die Welt zu Füßen legt, wie es Dave immer getan hat.“ „Kann auch sein.“ „Wenn du mich fragst, wird sie gerade deswegen Dave über kurz oder lang zurückhaben wollen.“ „Eigentlich ist Dave der Falsche für Jessy.“ Mischte sich Pam ein. „Die ruhige Art ist zwar richtig, um Jessys Launen zu ertragen, Dave hat ihr aber zu viel durchgehen lassen. So wird sich Jessy nie ändern. Eure Eltern haben das schon verbockt, weil sie Jessy verwöhnt haben. Dave hat aber genauso weitergemacht. Dann bleibt sie ewig die kleine Prinzessin.“ „Was für einen Typen braucht sie dann?“ „Jemanden, der ihr zwar auch die Sterne vom Himmel holt, sie aber ansonsten auch einbremst und zurechtstutzt. Zuckerbrot und Peitsche.“ „Bist du sicher?“ Pam nickte. „Dave ist es nicht gewohnt sich gegen Jessy durchzusetzen. Irgendwann hat es ihm gereicht. Dann ist er einmal laut geworden und hat sie rausgeworfen. Er hätte sich früher durchsetzen müssen. Entweder hätte sie es dann beendet und hätte so eine schlechte Beziehung nach der anderen gehabt oder sie hätten sich zusammengerauft und Kompromisse gefunden.“ „Ich glaube nicht, dass mich Keela so in der Hand hat.“ Meinte Marc. „Alles was ich geändert habe, wollte ich selbst.“ „Dann hat Keela alles richtig gemacht.“ Sagte Pam mit einem Lächeln. „Es ist das Beste, wenn der Mann glaubt, dass er das selbst wollte.“ Marc und ich sahen uns an und konnten es kaum glauben. „Ihr manipuliert uns.“ Sagte Marc fassungslos. „Natürlich.“ Sagte Pam. „Das ist das Geheimnis einer guten Beziehung.“ „Können wir das auch?“ „Wenn ihr euch geschickt genug anstellt. Meistens ist das bei Männern ein plumper Versuch.“ „Ich gehe jetzt besser.“ Sagte Marc. „Ich muss noch zu Mom und Dad. Für die habe ich auch Reste. Außerdem hole ich Dad ab, damit er sein Auto abholen kann.“ Marc ging.

Als er weg war, meinte Pam zu mir: „Hol jetzt erstmal Küchentücher und wisch den Sabber auf. Mann, hat er mich angegafft.“ Ich lachte. „Gut, dass Keela das nicht gesehen hat.“ „Vielleicht ist das doch keine gute Idee, mit den beiden zusammen ans Meer zu fahren.“ „Mir ist gestern eher aufgefallen, dass Keela immer einen leichten Bogen um Tim gemacht hat. Sie kann wohl wirklich nichts mit Kindern anfangen.“ „Marc schon. Er hat gestern auch schön mit Tim gespielt.“ Ich ging zu Tim und spielte mit ihm. Pam legte sich dann in die Sonne.

Der Tag war nochmal richtig schön und erholsam. Die Reste vom Vortag schmeckten zwar nicht ganz so gut, wie direkt aus dem Smoker, waren aber immer noch sehr lecker. Die Salate waren aber noch besser durchgezogen. Die schmeckten wirklich ausgezeichnet.
Am Spätnachmittag skypten wir noch mit Pams Eltern. Sie hatten den gestrigen Tag mit ihren Nachbarn zusammen verbracht. Die Themen Corona und Pams Ängste wegen ihres Dads erwähnten wir auf Pams Wunsch aber nicht. Sie wollte ihre Eltern nicht beunruhigen. Der Tag verging dann wie im Flug. Auf einmal war es Zeit, Tim ins Bett zu bringen. Nachdem er eingeschlafen war, gingen wir auch in unser Schlafzimmer. Um halb Vier sollte mein Wecker schon wieder klingeln.

Montag, den 6. Juli 2020, 3:30 am, PDT, Sacramento, CA:

Der Wecker klingelte mal wieder um halb Vier. Ich stand auf und erledigte die übliche Morgenroutine. Vorräte packte ich mir aber nur für den heutigen Tag ein. So brauchte ich nicht so viel umräumen. Ich lief über die übliche Strecke zum Zentrallager und duschte dort.
Pünktlich um fünf Uhr begann ich dann mit der PTI. Dabei dachte ich daran, dass es die letzte Abfahrtskontrolle dieser Zugmaschine war. Um viertel nach Fünf schaute ich dann im System nach dem heutigen Auftrag:

PICKUP: EST-CASAC
GATE: 08
TRAILER: DV124003
FREIGHT: FURNITURE
WEIGHT: 37,537 LB
DROP: CAFAT
MARKET: SUC1815
PRIORITY: IMPORTANT

WAT-CASAC-KMU

Es ging also vom Außenlager nach Fresno. Damit konnte ich gut leben. Bevor ich aber zum Außenlager fuhr, ging es zur Betriebstankstelle. Dort füllte ich die Tanks so, dass es für die Tour nach Fresno und zurück reichte. Anschließend ging es dann über die übliche Strecke zum Außenlager. Hier nahm ich an Tor 8 den Trailer auf und erledigte die Abfahrtskontrolle. Es war dann sechs Uhr, als ich Richtung Fresno losfuhr.

Ich nahm wieder die gleiche Route in Richtung Zentrallager zurück. In Lemon Hills blieb ich dann aber auf der CA-99 S, über die es dann weiter in Richtung Stockton geht. Trotz des Montagmorgenverkehrs lief es gut.
Bei Stockton stockte der Verkehr etwas. Das hatte aber sich nichts mit dem Namen zu tun. Anschließend konnte ich sehr entspannt in Richtung Fresno rollen. Es lief so gut, dass ich um viertel vor Zehn am Supercenter im Norden von Fresno ankam. Meine Ladung sollte an die erste Rampe. Auch der Anschluss stand bereits fest:

PICKUP: CAFAT
MARKET: SUC1815
GATE: 04
TRAILER: DV122597
FREIGHT: USED PACKAGING
WEIGHT: 34,618 LB
DROP: CST-CASAC
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-JMU

Erwartungsgemäß bekam ich eine Ladung zurück nach Hause. Dort sollte ich ja schließlich die Maschine wechseln. Ich setzte also den Trailer an die Rampe und nahm den anderen Trailer an Tor 4 auf. Nach erledigter PTI machte ich mich auf den Weg zurück nach Hause.

Ich fuhr zurück zum Golden State Highway und nahm die CA-99 N in Richtung Sacramento.
Am Pilot Travel Center in Madera, CA hielt ich dann für meine Pause an. Den Truckstop nutzte ich aber nur, um die Toilette zu benutzen. Den Rest der Pause verbrachte ich im Truck. Während ich dort mein mitgebrachtes Essen verzehrte, räumte ich im Sleeper schonmal ein paar Sachen zusammen. Nach der vorgeschriebenen halben Stunde machte ich mich dann auch wieder auf den Weg nach Hause.

Ich fuhr zurück zur CA-99 N. Dort beschleunigte ich auf 56 mph und legte den Tempomat ein. Nun rollte ich gemütlich dahin. Dabei wurde mir immer mehr bewusst, dass es die letzte Strecke war, die ich mit dieser Maschine fuhr. Seit dem 10. Februar hatte ich diese Maschine gefahren. Also vier Monate. So schnell hatte keiner damit gerechnet, dass ich sie wieder abgeben musste. Nun ging sie vorsichtshalber weg, bevor ich auch noch mit Motorschaden liegenblieb, wie Harry Pearson und die anderen Kollegen mit Trucks aus dieser Serie. Es waren zwar nur vier Monate, trotzdem war mir der Truck ans Herz gewachsen. Wie war das dann bloß, wenn man eine Maschine neu bekam und sie dann mehrere Jahre hatte?
Bei Stockton musste ich dann vom Gas gehen. Aufgrund eines Unfalls war der Abzweig auf die CA-4 W gesperrt. Um sicher zu gehen, dass wirklich keiner in die Sperrung fuhr, hatte man die rechte Spur der CA-99 ebenfalls gesperrt. So staute sich das, bis man an der Sperrung vorbei war. Danach lief es dann wieder.
Auf Höhe von Elk Grove klingelte mein Telefon. „Murdock bei der Arbeit.“ Meldete ich mich. „Du mich auch.“ Antwortete Danny. „Was kann ich gegen dich tun?“ „Nichts. Ich bin da um dich zu nerven.“ „Na klar.“ „So. Ich gebe dir jetzt die weiteren Anweisungen für den Nachmittag.“ „Ich kann’s kaum erwarten.“ „Den Trailer aus Fresno stellst du an Tor 23. Danach stellst du deine Maschine an die Seite und loggst dich aus.“ „Wäre ich nicht drauf gekommen.“ „Ja, ja. Bis dahin ist dein Dad bei dir und bringt dich zu NorCal Kenworth. Dort bekommst du deine Leihzugmaschine.“ „Okay.“ „Wir haben da ein Tablet mit E-Log und ORBCOMM reinbasteln lassen. Das heißt, du kannst dich in der Maschine normal einloggen.“ „Mit welcher Truck Nummer?“ „Mit deiner. Die Nummer behältst du, bis du eine neue Walmart Maschine bekommst.“ „Okay.“ „Du wirst dann direkt einen Auftrag bekommen. NorCal Kenworth ist nur einen Steinwurf von Freightliner weg. Dass Freightliner beim Außenlager um die Ecke ist, weißt du.“ „Also bekomme ich einen Trailer beim Außenlager.“ „Genau. Danach kommst du zum Zentrallager und bekommst dann Zeit zum Umräumen. Wenn der Cascadia ausgeräumt ist, bringst du ihn zu unserer Werkstatt auf dem Platz. Denen gibst du alle Schlüssel und Papiere des Cascadia. Versicherungsnachweis und Transportgenehmigungen behältst du. Die brauchst du auch im Leihwagen.“ „Okay.“ „Ob du dann anschließend noch losfährst oder lieber morgen etwas früher, das überlasse ich dir.“ „Alles klar.“ „Dann leg dich wieder hin.“ „Von wegen. Dann komme ich gleich ins Büro und nerve dich dort.“ „Das kannst du gerne versuchen. Schalterdienst hatten wir aber letzte Woche. Diese Woche sitzt dort ein anderes Team. Ich bin gemütlich zu Hause.“ „Früher oder später sehen wir uns.“ Wir legten auf.

Inzwischen kam ich auch am Zentrallager an. Ich setzte den Trailer an Tor 23 und sattelte ab. Dann stellte ich die Zugmaschine an die Seite.
Als ich mich ausloggte, kam Dads Cadillac an. Ich schnappte mir mein Handy und schloss den Cascadia ab. Dann stieg ich zu Dad in sein Auto. „Hallo Steve. Wie war es heute?“ „Nichts Besonderes. Typische Regionaltour.“ „Okay. Dann wollen wir mal.“ Er fuhr uns zum Display Way in North Sacramento, wo sich NorCal Kenworth befand. „Wie viele Maschinen stehen denn noch für uns da?“ „Nur noch deine. Zum Glück war ich heute früh schnell genug. Wenn die letzte Aufnahme für das Tablet schon eingebaut gewesen wäre, hättest du Automatik fahren müssen.“ „Warum mussten die denn extra eingebaut werden?“ „Halterung mit Ladefunktion. Wir basteln bei einem Leihwagen nicht an der Elektrik rum. rum.“ „Aha. Und die Kollegen haben…“ „…jetzt alle einen T680 mit Automatik bekommen. Sleeper größe wie bei Marcs Maschine. Nur nicht so edel ausgestattet.“ „Und ich bekomme den als Handschalter?“ „Keine Ahnung. Ich habe das heute früh mit dem Handschalter gesagt, da hatten die aber keinen PacLease mit Schaltung auf dem Hof. Irgendwo stand aber noch
eine Maschine mit Schaltung.“
„Das hast du jetzt extra für mich gemacht?“ „Muss ja wohl was dran sein. Die meisten erfahrenen Fahrer schwören auf Handschaltung und dein Bruder will auch nichts von Automatik wissen. Bentonville stellt bei dem neuen Cascadia hauptsächlich wegen der Kosten auf Automatik um. Die ist inzwischen nicht mehr teurer, die Garantie auf Getriebe und Kupplung ist aber länger.“ „Ach daher kommt das.“ „Ganz genau.“

Wir kamen bei Kenworth an. Dad parkte den Cadillac, wir legten die Schutzmasken an und gingen ins Gebäude. Den Werkstattbereich ließen wir aus und gingen zum Verkauf. Als wir dort ankamen, sah uns ein Verkäufer bereits. Er winkte uns rüber und wir gingen zu ihm. „Hallo Mr. Murdock. Schön, Sie zu sehen.“ Mich bedachte er mit einem freundlichen Nicken. Dad nickte auch nur zur Begrüßung. „Die beiden Maschinen mit Automatik stehen ja schon bei uns. Ist die dritte Maschine nun auch abholbereit ?“ „Die sollte fertig sein. Ich frage aber nach.“ Er nahm sein Telefon und wählte eine Durchwahl. „Hallo Jeff. Ich bin’s. Ist die dritte Mietzugmaschine für Walmart fertig?… …steht draußen. Kann ich also rausgeben?… …okay. Wo sind die Schlüssel und der Mietvertrag?… …bei Jim. Okay. Danke, Jeff.“ Er legte auf. „Die Maschine ist abholbereit.“ „Sehr gut.“ „Wann können wir denn wieder mit einem Verkauf an Sie rechnen?“ „Das ist schwer zu sagen. Ich muss da immer auf grünes Licht aus Bentonville warten. Sie wissen ja selbst, dass wir überwiegend Freightliner haben, die zentral von Bentonville geordert werden. Dabei würde ich auch lieber die Industrie fördern, die in meinem Gebiet liegt. Ich habe da ein gewisses Kontingent. Es macht aber auch keinen Sinn, Trucks für Oregon oder Washington über Sie zu ordern. Dann wird die Maschine erst von Kirkland nach Kalifornien geliefert und dann von uns wieder nach Portland oder Kennewick überführt.“ „Das sehe ich ein. Als wir aber seinerzeit die Konditionen für Ihren Sohn vereinbart haben, wurde uns von Ihnen zugesichert, dass Walmart ebenfalls eine gewisse Anzahl an Maschinen hier ordert.“ „Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich um jede Maschine kämpfe, die ich hier ordern kann. Was mir von oben freigegeben wird, liegt aber schlussendlich nicht bei mir.“ „Das hätten Sie uns sagen müssen.“ „Hätten Sie das an meiner Stelle getan?“„Wahrscheinlich nicht.“ „Da haben Sie es. Ich werde aber werde aber meine eigenen Interessen wahren und das heißt, dass ich, im eigenen Interesse so viele Maschinen wie möglich ordern werde, die an der Westküste produziert werden.“ „Das beinhaltet ja nicht nur Kenworth.“ „Das ist korrekt. Freightliner sitzt in Oregon und Peterbilt hat auch Werke in Kalifornien.“ „Leider muss ich das dann so an unsere Verkaufsleitung weitergeben.“ „Machen Sie das.“ „An bereits bestehenden Verträgen ändert das natürlich nichts. Ich weiß aber nicht, ob wir Ihnen zukünftig weiterhin entsprechende Preise geben können.“ „Was es mir dann nur schwieriger macht, bei Ihnen Fahrzeuge zu ordern.“

Wir gingen zum Werkstattbereich. Der Verkäufer holte Schlüssel und Papiere der Zugmaschine. Dad unterschrieb den Mietvertrag. „Die Übernahme quittiere ich erst, wenn ich den Zustand der Maschine geprüft habe.“ „Selbstverständlich. Im Gegenzug werden wir Ihnen…“ er schaute in meine Richtung „…Ihren Vehicle Inspection Report abzeichnen.“ „Gut. Damit spare ich mir die PTI.“ Wir gingen raus zum Parkplatz. Dann sah ich zum ersten Mal mein Arbeitsgerät für die nächsten Wochen oder Monate.

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