Freitag, Swinoujscie.
Nach der nächtlichen Überfahrt legt die ‚Nils Dacke‘ um 08:15 Uhr im Hafen an. Entspannt fahre ich von der Fähre und verlasse den Hafen. Die erste Tankstelle die mir auf der Route begegnet ist die BP auf der Skandynawska. Fütterungszeit für den Scania. Mit frisch gefülltem Tank und einem Kaffee im Thermobecher fahre ich zurück auf die DK3. Über die DK3 und die DW108 führt mich mein Weg problemlos in Richtung Ploty wo ich auf die E28 wechsele. Auf dieser bremsen mich insgesamt 10 Baustellen bis Slupsk dann immer wieder aus.
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Um 16:20 erreiche ich das Cargocenter am Lech-Walesa-Flughafen Danzig von wo aus ein Kurierdienst mein Sammelgut weiter verteilen soll. Nach der Anmeldung kann ich direkt an eine Rampe ansetzen. Kurz nach 17:00 Uhr ziehe ich den Trailer wieder ab und schließe die Hecktüren.
Gut eine Stunde später habe ich mich durch den Danziger Feierabendverkehr gekämpft und fahre im Hafen zu meiner nächsten Ladestelle.„Nabend, einmal der hansekontor.“ begrüße ich den Angestellten im Büro des Lagerhauses. „Nabend. Was gibt’s?“ „Laut meiner Info bei Ihnen eine Ladung für Daimler in Berlin.“ „Moment… Ah ja. Berlin. Können wir laden. Das steht auf der Kommissionierfläche.“ „An welche Rampe soll ich fahren?“ „Wenn’s machbar ist sollte das bei Ihnen mit Stapler von der Seite verladen werden. An der eigentlich vorgesehenen Rampe steht noch ein Russe, der noch länger warten muss.“ „Ist kein Problem.“
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Nach der Verladung verlasse ich das Gelände des Lagerhauses. Weit fahre ich aber nicht mehr. Ich stelle den V8 bei der CircleK-Tankstelle in der ‚Marynarki Polskiej‘ ab. Praktischerweise liegt direkt nebenan ein LIDL-Markt und jetzt, kurz nach 19:00 Uhr, kann ich noch schnell ein paar Vorräte einkaufen.
Als ich wieder am Scania zurück bin meldet mein Telefon zwei Anrufe in Abwesenheit. Einmal Viviens Mobilfunknummer, einmal Sandra. Ich rufe zuerst bei Vivien zurück. Nach kurzem Klingeln nimmt sie ab: „Heyho Chef.“ „Hi. Lass mich raten – du wolltest mir dein Prüfungsergebnis mitteilen?!“ „Ja. Ich hab mit einer glatten 2 bestanden und darf mich jetzt Speditionskauffrau nennen.“ „Prima. Herzlichen Glückwunsch.“ „Wie sieht denn dein Plan für mich eigentlich aus? Die nächsten 4 Wochen in Berlin ist ja klar.“ „Ja. Und danach bist du dann wieder in deiner Heimatstadt München. Da wirst du primär auch bleiben. Berlin als Urlaubsvertretung, wie du es ja bereits kennst. Wenn du es selbst willst stehen dir aber auch die anderen Niederlassungen offen. Die Arbeit bleibt am Ende ja die selbe.“ „Ich spiele mit dem Gedanken berufsbegleitend im Logistikbereich zu studieren…“ „Da bekommst du von uns die volle Unterstützung.“ „Chef, du bist Klasse.“ „Ehrensache. Ohne Nachwuchsförderung funktioniert es nicht. Feier deinen Abschluss am Wochenende.“
Nach diesem Telefonat rufe ich kurz mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht noch bei Sandra an. Eine halbe Stunde später genieße ich mein Abendessen, welches ich auch heute Abend mit dem Gaskocher zubereitet habe.
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Samstag, Gdansk.
Um 04:50 Uhr rasselt mich mein Wecker aus der Koje. Ich gehe zuerst in die Tankstelle. Die Angestellte vom Vorabend bereitet sich inzwischen auf den Schichtwechsel vor. „Guten Morgen. Kaffee und ’n Frühstück für Sie?“ „Gerne. Ich würde aber vorher gerne Duschen und den Bart ein wenig stutzen.“ Sie reicht mir den Schlüssel für den Sanitärbereich. „Sie wissen ja von gestern Abend noch, wo es ist…“
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Um 06:00 Uhr bin ich dann auf dem Weg nach Berlin. Ich fahre aus Danzig heraus und folge der E75 immer weiter gen Süden. Bei Nowe Marzy wechsele ich dann auf die E261. Ich passiere Bydgoszcz. Bei Poznan fahre ich dann auf die polnische A2. Vor dem polnisch-deutschen Grenzübergang fahre ich noch einmal auf einen Rastplatz ab um den Tank des V8 aufzufüllen. Kurz darauf befinde ich mich dann bei Frankfurt/Oder auf der A12. Ich schaue in den Rückspiegel und sehe ein Fahrzeug vom Zoll was mir eine ganze Weile folgt. Als ich von diesem überholt werde bleibt der Viano kurz auf der Höhe der Zugmaschine und ich rechne ich damit, dass gleich die Kelle kommt.
Plötzlich gibt der Zöllner Gas und verschwindet im Verkehr. Ich bin mir sicher mit polnischem Kennzeichen wäre das Ergebnis ein anderes gewesen.
Als ich auf Höhe von Briesen bin höre ich im Funk, dass auf dem Parkplatz ‚Urstromtal‘ eine Großkontrolle von Zoll und BAG durchgeführt wird und alle Fahrzeuge dafür von der A12 über den Parkplatz geleitet werden. Na prima… Zeitplan adé denke ich mir. Ich drossel das Tempo ein wenig. Kurz vor dem Parkplatz werde ich von einem weißrussischen 7,5-Tonner überholt, welcher abrupt in die Eisen steigt als er sieht dass der komplette Verkehr über den Parkplatz geht. Ich wundere mich auch nicht, dass er dort dann direkt zur Kontrolle gebeten wird. Mir hingegen wird nur kurz das grüne Licht der Kelle gezeigt. Ich grüße zurück und verlasse den Parkplatz dann ohne Halt. Am Dreieck Spreeau wird der Verkehr aufgrund einer Baustelle wieder dichter, kommt aber nicht zum Erliegen. Mein Telefon klingelt; Sandra. „Hej älskling.“ „Huhu. Wo bist du gerade?“ „Dreieck Spreeau, sprich gleich auf dem Berliner Ring.“ „Wie sieht’s mit deiner Fahrzeit aus?“ „Bis zur Daimlerstraße komm ich mit dem Zehner noch, wenn sich hier in der Baustelle jetzt keiner verschluckt.“ „Und von dort zur Niederlassung?“ „Ich befürchte nicht.“ „OK. Ich bin gerade zurück und hab den Trailer für Montag aufn Hof gezogen. Ich spring eben in die Bahn und komm zur Daimlerstraße.“ Um 17:15 Uhr rolle ich auf den Hof der Daimler AG. Ich betrete die Pförtnerei. „Moin. Christian Dansör vom hansekontor.“ „Tach.“ Ich reiche dem Pförtner die Papiere. „Wenn du durch den Schlagbaum durch bist gleich dort vorne links auf die erste LOG-Fläche stellen und die Seite aufmachen. Ich ruf dir nen Staplerfahrer.“ „Jo. Eine Bitte hab ich noch…“ „?“ „Meine Frau wird gleich hier sein und sich melden. Die müsste dann zu mir an den Scania kommen – meine Fahrzeit ist gleich voll und sie fährt dann nachher wenn ich leer bin.“ „Kein Problem.“
Zehn Minuten nachdem ich den Auflieger für die Entladung aufgemacht habe sehe ich plötzlich nichts mehr. Sandra hat sich von hinten angeschlichen und hält mir die Augen zu. „Rate mal, wer hier ist?“ „Hmmm… Mein Feierabend?“ „Nö.“ „Mein Wochenende?“ „Vielleicht.“ Sandra lässt mich frei sodass ich mich umdrehen kann. Ich umarme sie und gebe ihr einen Kuss. Der Staplerfahrer kommt gerade wieder aus der Halle. „Lasst euch nicht stören.“ Wir müssen beide lachen.
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18:00 Uhr. Der Trailer ist leer und abgefegt. Ich kletter ins Fahrerhaus und stecke meine Fahrerkarte auf den Platz für den Beifahrer. Anschließend legt Sandra ihre Karte ein und macht den Pausen-Nachtrag.
„Gut dass wir Montag zusammen nach Hause fahren. So hab ich länger was von dir.“ „Gemeinsame Tour machen wir viel zu selten. Wie siehts nächste Woche aus?“ „Ich hab das übliche. Büro und mit dem T für Scania. Bei dir geht’s erst mal nach Lille.“ „Oha. Der V8 frisst dann ja wieder gut Kilometer.“ Sandra schüttelt den Kopf. „Dein Actros-Vierachser ist dran, damit er nicht einstaubt in der Halle. Tania holt Montag mit dem Tieflader eine Yacht aus Grisslehamn für Lille.“
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Sandra lenkt den V8 auf den Hof unserer Berliner Niederlassung und setzt den Trailer zum Absatteln rückwärts in den hinteren Bereich des Geländes. Gemeinsam kärchern wir den Scania noch vor der Halle ab.
Nach dem Tanken an der Betriebstankstelle stellt sie den Scania in die Halle zu Lucys DAF. Ich habe in der Zwischenzeit das Abendessen zubereitet. „Was machen wir jetzt mit dem angefangenen Abend?“ „Nen Barabend mit Livemusik?“ „Oh ja. Was schlägst du vor?“ „Das ‚Kallasch&‘ in Moabit. Ich weiß zwar nicht wer heute da ist, aber dort ist laut Katie immer was los.“
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Sonntag, Berlin.
Es ist 03:00 Uhr als wir zurück an der Niederlassung sind. Wir gehen direkt ins Schlafzimmer. Sandra kuschelt sich an mich und wir schlafen sofort ein.
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Um 11:00 Uhr werde ich langsam munter. Sandra schläft noch fest. Ich gebe ihr einen Kuss und gehe ausgiebig Duschen. Ich bin noch nicht fertig als die Badezimmertür aufgeht: „Ist hier bei den Quietscheenten noch Platz?“
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Am Nachmittag mischen wir uns unter die Touristen und spazieren durch Mitte und an der Spree entlang. Dort beobachten wir eine Gruppe Kajakfahrer und ein Drachenbootteam, das dort anscheinend eine Trainingsfahrt macht.
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Da wir beide am Samstag noch hinter dem Lenkrad saßen ist die Abfahrt nach Schweden erst am Montag möglich. So genießen wir den Abend vor dem Fernseher im Gemeinschaftsraum.
