Montag, Puttgarden
Es ist 01:00 Uhr in der Früh am Montagmorgen als ich den Fährhafen erreiche. Die Baustellen rund um Lübeck möchte ich tagsüber lieber nicht durchqueren müssen. Auf der Fahrt runter nach Belgien bin ich diese ja bereits bewusst über Rostock, A20, A14 und A24 umgangen. Jetzt bei der Nachtfahrt hatte ich gepokert, dass ich bei geringem Verkehrsaufkommen staufrei durchkomme. Das Glück lag auf meiner Seite.
Als ich gerade den Actros in der Wartezone abstelle klingelt mein Telefon. Um diese Zeit? Der Blick aufs Display verrät Sandra… „Nachtexpress. Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an…“ melde ich mich. „Achso? Nachtexpress, aber um diese Zeit nix tun? Dann muss ich wohl mit dem Sabbelkasten quatschen. Ich warte auf das *piep*.“ „Piiiieeeep. Guten Morgen mein Schatz. Kannst du nicht schlafen?“ „So könnte man das nennen. Magnus rief mich gestern um 20:00 Uhr noch an – er braucht kurzfristig jemanden der am Montagmittag, also heute, einen Container von der Fähre in Karlskrona in Empfang nimmt und nach Södertälje schubbst.“ „Na hoppla. Der arbeitet wohl auch jeden Tag. Und normalerweise fährt doch Oppa Ole aus Malmö die Container aus dem Süden?!“ „Genau da liegt das Problem. Oppa Ole ist schon fast 70. Magnus hat was davon erzählt, dass der sich wohl beim Toben mit seiner Enkelin ein Bein gebrochen hat.“ „Na klasse.“ „Mhm. Jedenfalls fahre ich jetzt gerade leer nach Karlskrona. Dort dann die Dose drauf und ab zum Chassiporten. Das ist aber noch nicht alles… Ich hab dann mit Oppa Ole telefoniert. Er sieht das jetzt als Warnschuss und denkt an den Ruhestand. Er kennt uns ja nun auch schon ganz schön lange und fragte dann direkt ob wir nicht mit seinem Geschäft weiter machen wollen?“ „Und – wollen wir?“ „Sagen wir mal so… Ich habe im Büro zusammen mit Tania so viel zu tun, dass mehr als die Nahverkehrstouren und gelegentlich Notfälle nicht drin sind. Und bei dir… du wärst dann zwar wohl öfter zu Hause, aber ich kann es mir nicht vorstellen, dass du nur noch Linie fährst.“ „In der Tat, das wäre für mich nicht gut. Und für die Firma auch nicht.“ „Deswegen hat Tania von mir einen Zettel im Büro liegen, dass sie heute früh gleich Stellenanzeigen raus gibt. Oppa Ole ist ja immer alleine unterwegs gewesen. Sein Scania entsprechend gepflegt. Den könnten wir zusammen mit der Garage in Malmö übernehmen. Das passt auch fürs Trailergeschäft von der Lage ganz gut ins Konzept.“ „Und wäre für diesen Geschäftsbereich dann in kurzer Zeit nach der Erweiterung in Hamburg schon wieder eine Investition. Aber warum eigentlich nicht. Ich bin ja mal gespannt was die Woche noch so zu bieten hat. Nachher das Gespräch in Kopenhagen beim Bär. Und Mittwoch noch Fred Stone…“ „Du magst Herausforderungen. Aber weißt du was, Schatz…?“ „Du hast noch ne Herausforderung in Form einer Tour aufm Tisch für mich?“ „Könnte man so nennen. Ab Donnerstag fahren wir zusammen.“ „Wohin?“ „Nach Reims. Und zwar mit dem Gelben – bevor der demnächst verkauft wird.“ „Urlaub?“ …
Das Telefonat mit Sandra ging noch ein paar Minuten weiter bis es Zeit war auf die Fähre nach Rødby zu fahren. Die etwa fünfundvierzigminütige Überfahrt verläuft ereignislos. Da es mitten in der Nacht ist wäre an Deck nicht viel zu sehen. Ich hole mir einen Kaffee, sowie eine Zeitung und suche mir einen Ruhesessel. Ich schreibe dem Bär noch kurz per SMS: Moin. Komme gegen 06:00 Uhr in Kopenhagen an. Dann ist bis 11:00 Uhr aber erst einmal Augenpflege notwendig. Christian vom hansekontor.
…
Um kurz nach 03:00 Uhr fahre ich aus dem Hafen auf den Sydmotorvejen, immer der Beschilderung E47 København nach Richtung Nordosten. Hin und wieder ein anderer Truck. Eine handvoll PKW. So ein Nachtflug ist durchaus angenehmes Fahren.

Meine Gedanken hängen noch dem Gespräch mit Sandra über Oppa Ole hinterher. Das er sich ein Bein gebrochen hat ist wahrlich nicht schön – aber in seinem Alter könnte es schlimmer kommen. Daher verstehe ich seine Überlegung, den Containertruckeralltag an den Nagel zu hängen, vollkommen. Mich freut, dass er sich Gedanken über die Weiterführung macht auch wenn das Geschäft dann nicht mehr in seiner Familie bleibt. Aber sein einziger Sohn hat sich nie für den Job seines Vaters erwärmen können. Seine Enkelin schlägt da eher nach ihrem Opa. Aber mit sieben Jahren ist sie noch weit entfernt vom Berufsleben.
Bei Køge trifft der Sydmotorvejen auf den Vestmotorvejen und führt als E20 bis nach Malmö. Ganz so weit will ich bei dieser Etappe jedoch nicht. Um kurz vor 06:00 Uhr erreiche ich Kopenhagen. Kurz danach stelle ich meinen Actros auf den Eisitrans-Hof. Wie erwartet ist alles dunkel. Ich ziehe die Gardinen zu und lege mich schlafen.

…
Als mein Wecker um 11:00 Uhr klingelt fluche ich innerlich. Knapp 5 Stunden Schlaf sind doch recht knapp bemessen. Aber was soll’s bald ist Urlaub. Auf dem Eisitrans-Hof bin ich immer noch alleine. Ich putze mir die Zähne und überlege danach gerade ob ich mir einen Kaffee aufsetze als ein schwarzer Ford Granada um die Ecke biegt. Der Fahrer steigt aus und kommt auf mich zu. „Goddag! Christian?“ „Moin. Ja, der bin ich.“ „Velkommen. Ich bin der Bär. Hast du ausgeschlafen?“ „Abgebrochen trifft’s eher. Aber bald habe ich ein paar Tage Urlaub…“ „Lass uns reingehen. Dort gibt’s Kaffee. Und belegte Brötchen hab ich auch dabei.“
Der Bär schließt das relativ kleine Gebäude auf und lotst mich zum Besprechungsraum. „Hier sieht es noch ein wenig chaotisch aus. Wir haben das Grundstück und das Gebäude vor noch nicht allzu langer Zeit gekauft. Es wird noch ein wenig Arbeit bis es so ist, wie wir uns das vorstellen.“ sagt er während er Kaffee aufsetzt. Wir sitzen dann gemeinsam am Tisch, frühstücken, trinken Kaffee und sprechen erst mal über alles Mögliche, fernab vom Geschäftlichen.
…
„Wann musst du eigentlich weiter?“ „Um 15:30 Uhr soll die Fuhre wieder rollen. Der Kunde erwartet mich heute Abend noch in Jönköping.“ „OK. Dann lass uns mit den geschäftlichen Dingen anfangen.“ „Du hattest dich bei uns gemeldet wegen Trailer.“ „Ja, ganz recht. Wir haben mit Gedanken an eigene Trailer gespielt. Sind uns aber bisher noch nicht schlüssig wie wir da weiter gehen. Auf den ‚hansekontor‘ bin ich eigentlich durch Zufall beim Stöbern im Internet gekommen. Auch weil ihr ja scheinbar recht vielseitig aufgestellt seit.“ „Mhm. Sandra meint mit vielen Beinen steht man besser. Recht hat sie. Transport, Logistik, Warehousing, Trailer rental&service, Spezialtransporte. Was Geld reinbringt wird gemacht – solange es legal und mit dem Gewissen zu vereinbaren ist. Die Vielzahl der Standorte hat sich über die Jahre kundenorientiert fast von alleine entwickelt. Und es gibt noch viele Optionen.“ „Klingt interessant. Wie gesagt, bei den Trailern bin ich mir mit Petra noch nicht im Klaren was wir wirklich machen werden. Bisher funktioniert es mit vom Kunden gestellten Aufliegern.“ „Sagen wir mal so: diese Variante ist durchaus gut wenn man feste Verträge hat und rein die Dienstleistung von A nach B anbietet. Auf Anfragen von außerhalb kann man dann jedoch mangels Kapazität schlecht reagieren. Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ein eigener Trailerpark auch mit Fixkosten verbunden ist. Um unseren Kunden die bestmögliche Flexibilität zu bieten haben wir beim ‚hansekontor‘ deswegen verschiedene Möglichkeiten.
Da wären das Operate Leasing bei dem ein Vertrag über den jeweiligen Trailer geschlossen wird. Kündigung ist unter Einhaltung von vergleichsweise kurzen Fristen möglich. Die zweite Variante wäre das Finanzierungs-Leasing, sprich der Vertrag wäre über eine bestimmte Grundmietzeit unkündbar. Im Anschluss an diese gibt es eine Verlängerungs- bzw. Kaufoption. In beiden Fällen lassen wir dem Kunden die Wahl die Versicherung und auch die Wartung über uns zu machen oder aber seine eigenen Quellen damit zu beauftragen. Wie sich die Verträge im einzelnen gestalten würde den Rahmen des heutigen Gesprächs vermutlich sprengen, da wir dort Faktoren wie Anzahl der Trailer, die gewünschte Leasinglaufzeit und noch einiges mehr mit in die Wagschale werfen müssen. Und dann hätten wir noch die Möglichkeit der Kurzzeitmiete, sozusagen auftragsbezogen, wenn der Bedarf für zum Beispiel einen Tieflader da ist.“ „Das wäre sicher nicht verkehrt. Hin und wieder könnte man solche Aufträge bedienen. Aber dafür dann den Hof mit einem eigenen Trailer blockieren, der den Rest des Jahres dann wieder beim Rasen mähen stört…“ „Genau das ist der Fall wo dann unsere Kurzzeitmiete ins Spiel kommt…“ „Mhm. Ich hatte mir ja eure Standorte auf der Website angeschaut. Ziemlich gut verteilt. Und Hamburg als zentraler Standort für die Trailer auch nicht verkehrt. Um jetzt aber für einen Tag nen Tieflader zu nutzen ist das von Kopenhagen oder auch Odense aber schon wieder weit weg.“ „Dafür wäre unser Lieferservice dann zu Diensten. Wäre Malmö in puncto Selbstabholung für dich interessanter?“ „Durchaus. Da liegt ja nur die Öresundbrücke zwischen. Die kostet zwar Maut, aber bis Hamburg wären Diesel und Fähre sicher teurer. Wie kommst du auf Malmö?“ „Behalte die Option im Hinterkopf. Wir werden demnächst einen Standort in Malmö übernehmen. Nicht groß, aber für unsere Geschäftsbereiche praktisch.“ „Das klingt gut. Noch ’nen Kaffee?“ „Jo.“
Im weiteren Gesprächsverlauf sprechen wir dann noch über die Bereiche Transport&Logistik und Warehousing. Es kommt ja immer wieder vor, dass man Anfragen von Kunden hereinbekommt, die man mangels Kapazität nicht schafft oder die schlicht zu weit vom eigentlichen Operationsstandort entfernt sind…
„Was macht ihr eigentlich in eurer Düsseldorfer Niederlassung?“ „Die ist bisher nur mit Steffy besetzt. Und die fährt überwiegend zwischen Hamburg und der Insel für einen Flurförderfahrzeughändler. Hin und wieder, da setze ich dann aber auch mein Fahrerinnen bzw. Fahrer aus anderen Niederlassungen mit ein, DHL ab Paketzentrum Krefeld. Ansonsten ist der Standort noch für den Luftfrachtsektor durch die Nähe zum Flughafen praktisch. Zudem hab ich in Düsseldorf, wie auch in allen anderen Niederlassungen, Räume für die Übernachtung der Fahrer.“
…
Gegen 15:25 Uhr haben wir dann soweit alles besprochen. „Ich denke, dass war jetzt erst einmal eine ganze Menge Information. Bei den Trailern überstürze nichts. Aber wenn du Bedarf egal ob im Bereich Leasing oder Kurzzeitmiete hast melde diche entweder direkt bei mir oder bei Josephine in Hamburg. Wir finden dann das für dich passende. Und auch die auch sonst bin ich übers Telefon greifbar. Nur wenn ich meine kurze Pause mache ignoriere ich das Ding meistens für den Moment.“
Wir gehen gemeinsam zum Actros. Während ich mit der Abfahrtkontrolle beginne zündet der Bär sich eine Zigarette an.
Um 15:40 Uhr rolle ich dann in Richtung Helsingør. Von dort setze ich mit einer gut 20minütigen Fährfahrt nach Helsingborg über und spare mir den Feierabendverkehr an der Öresundbrücke und in Malmö. Es folgen wieder einmal zig Kilometer auf der mir wohlbekannten E4 gen Nordosten.

Als ich um 21:00 Uhr beim Kunden in Jönköping ankomme liegen gut dreihundert ereignislose Kilometer hinter mir. Zwischendrin hatte ich telefonisch Bescheid gegeben, wann ich in etwa eintreffen würde. Entsprechend werde ich bereits erwartet und kann den Zug zur Entladung abstellen.

Da kam mir jetzt ein DejaVue. Leider finde ich hier keine Möglichkeit um mich an zu melden um auch meine Tagebücher einsetzen zu können.
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Ok mich will man hier nicht.
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