Das Wochenende war natürlich lang aber nicht ewig gewesen und so musste ich dann am Montag ran. Ich erinnerte mich an Brians Ansage und meldete mich um 8 Uhr am Telefon abfahrbereit zum Dienst. „Guten Morgen Brandon. Du holst auf einer Baustelle in Harrowgate, East Philadelphia, einen Raupenbagger ab. Das ist ein Leihgerät und geht zur Prüfung vor dem nächsten Einsatz zurück an unsere Niederlassung in Norfolk, Virginia.“ „Okay. Soll ich mich irgendwann vorher melden, wann ich ungefähr da bin?“ „Ich melde mich, das dürftest Du nicht schaffen, bis ich Feierabend habe.“ „Stimmt. Da werde ich mich dran gewöhnen müssen, dass nicht dauernd ein Dispatcher da ist. Dann bis später.“
Ich fuhr vom Hof zur Baustelle, wo der Bagger schon auf dem Trailer stand. Ich prüfte, dass die Ladungssicherung korrekt war und dass die Bremse angelegt war. Beides hatte man mir auch bei meinem Besuch in Erie erklärt. Außerdem hatte ich seinerzeit einen Schnellkurs bekommen, wie man die gängigen Fahrzeuge fährt und lädt, denn manchmal musste ich das auch selber machen.
Bald war ich auf dem Weg. Der Superliner zog solche recht schweren Ladungen wirklich besser als gedacht, allerdings war mir das Getriebe ein Bisschen kurz übersetzt. Damals galt in allen Staaten noch 55 für Trucks, heute ging mehr. Und anders als in Europa, wo sich Christian mit so was rum ärgerte, hatten amerikanische Tieflader ganz normale Reifen und konnten entsprechend schneller fahren. Ich machte es also von den Rahmenbedingungen der Aufträge abhängig, wie schnell ich fuhr. Immerhin reichte es, den Markenkollegen mit seinem RD Betonmischer abzuhängen.
Brian meldete sich am Nachmittag: „Du kannst morgen früh einen 420F nach Wilmington, North Carolina fahren. Den machen sie in der Spätschicht fertig und Du kannst ab 6 Uhr abholen.“ Der 420F war ein Tractor Excavator, ein Radbagger. Also suchte ich einen Parkplatz und fand einen Mini-Truckstop. Was ich erst zu spät bemerkte, waren die in der Nähe von einer Air Base startenden Kampfjets. Das könnte eine unruhige Nacht werden.
Die Air Force war nachts dann nicht geflogen und so konnte ich ohne Lärm schlafen. Gut ging das aber trotzdem nicht, denn das Bett war auch 30 Jahre alt und entsprechend durchgelegen. Sollte es zwischendurch mal aufgepolstert worden sein, dann war das zumindest schon etwas her.
Am nächsten Morgen machte ich mich also zeitig auf den Weg und war schon kurz nach Sonnenaufgang auf dem Weg aus Norfolk.

Als ich dem Ziel näher kam, rief ich bei Brian an: „Hallo, ich bin in 35 Minuten laut Navi am Ziel, wie geht es dann weiter?“ „Hallo Brandon. Du lädst den Bagger ab und dann machen wir einen besonderen Service für den Kunden. Er wird Dir zwei Kabeltrommeln auf den Trailer stellen und die fährst Du dann nach Atlanta.“ „Machen wir so was auch?“ „Nur wenn uns gute Kunden fragen, ob wir ihnen mal einen Tieflader zur Verfügung stellen können.“
Beim Kunden wurde es also für mich erst mal spannend. Als erstes musste ich den Schwanenhals abbauen. Danach löste ich die Ladungssicherung und es ging in das eher ungewohnte Fahrzeug. Ich startete den Bagger, hob die Schaufeln an und manövrierte ihn vom Trailer. Nun konnte ich den Trailer wieder zusammenbauen. Inzwischen brachte der Kunde mit einem auf Gabelzinken umgerüsteten Bagger die beiden Kabeltrommeln, die ich dann wieder sichern musste. Also fuhr ich dann um die Mittagszeit mit einer für einen Baumaschinenhersteller eher ungewöhnlichen Ladung wieder aus Wilmington raus.

Ich schaffte es noch bis Columbia, SC, bevor mir die Fahrzeit für den Tag ausging. Am nächsten Tag fuhr ich ans Ziel nach Atlanta und bekam von Brian meinen nächsten Auftrag. Der Tieflader wurde entladen und leer zur CAT-Niederlassung gefahren. Dort bekam ich einen quasi identischen. Es ging durch die Berge, mit einem Radbagger sollte ich nach Nashville. Das bedeutete einen kräftigen Anstieg, an dem der alte Mack gut zu kämpfen hatte.
In Nashville (TN) lieferte ich den 420F ab und nahm ein frisch überholtes Exemplar der gleichen Serie mit, das nach Louisville (KY) sollte. Ein Bisschen Zeit hatte ich noch, also fuhr ich zu einer Rest Area nördlich von Nashville. Hier machte ich mich mitten in der Nacht wieder auf den Weg, denn der Bagger wurde am Morgen auf der Baustelle erwartet.
Pünktlich mit der Sonne kam ich im Stadtgebiet von Louisville an.

Und der nächste 420F wartete schon auf mich, um wieder nach Nashville zurückgebracht zu werden. Er war defekt und stand auf der Baustelle, die ich belieferte. Ich fuhr also den neuen Bagger runter und musste den anderen mit der Winde drauf ziehen.
Zurück in Nashville war es Zeit, noch was für den Abend einzukaufen und so parkte ich mal eben mitten zwischen einer Gruppe Teenager, die mit Ford Mustang, GMC Sierra, Cadillac Escalade und Cadillac CTS meinten posen zu müssen. Da sie mitten drin einen Stellplatz freigelassen hatten, um besser fotografieren zu können, stellte ich kurzerhand meinen Superliner dort hin. Manchmal war es halt doch geil, ein A… zu sein.
Scheinbar war ihnen das aber eher recht, denn nun fotografierten sie ihre Autos mit dem Truck im Bild. Als ich ins Einkaufszentrum ging, hörte ich sie noch flüstern: „Hast Du das gesehen? Der ist doch nicht älter als wir. Wie darf der schon so was fahren?“
Es ging noch ein Stück auf den Weg nach Atlanta, wieder mit einem Tractor Excavator. Ich übernachtete auf dem Weg und fuhr am nächsten Vormittag weiter. Im Herbst war das Wetter hier im Süden auch nicht mehr so richtig berühmt.

Der Rückweg ging weiter nach Columbia, wo ich die letzte Ladung der Woche bekam. Sie ging fast nach Hause, der Raupenbagger musste nach Baltimore. Dass ich noch am Samstag fahren musste, war wohl eher selten. Das bedeutete mehr Freizeit, aber dafür auch weniger Einnahmen oder ich musste mir zum Auffüllen noch was aus der Frachtbörse suchen. Für heute beließ ich es aber dabei und lieferte nur noch den Bagger ab und fuhr leer nach Philadelphia.
Zurück zu Hause hatte ich Post im Briefkasten. Die Versicherung wollte noch ein paar Fahrzeugdaten. Also nahm ich die Papiere des Mack zur Hand und begann auszufüllen.
Marke: Mack
Modell: RW
PS: 450
Erstzulassung: 20.11.1986
Was? Der Truck hatte sozusagen mit mir Geburtstag? Da das Baudatum nicht bekannt war, zog man die Erstzulassung heran und die war auf den Tag genau 8 Jahre vor meiner Geburt. Wenn das mal kein Zeichen war.
Allerdings konnte ich das Wochenende nicht so richtig frei genießen, denn als Unternehmer hatte ich jetzt auch Pflichten. Ich musste meine Fahrten verbuchen und Rechnungen an Caterpillar schreiben. Die Zeit, als nach der Tour am Samstag die Arbeit vergessen war bis zum kommenden Montag war vorbei.
