Kapitel 23 – Tarnung aufgeflogen

Sonntag, 22.07.2018

Mir blieb quasi nur ein freier Tag. Am Samstagabend hatte ich ein Truckervideo geschnitten und hochgeladen.

Allerdings gab es in Salt Lake City nicht viel zu exploren. Deshalb nutzte ich den Sonntag zwar nicht von der Idee, aber vom Zeitpunkt her spontan, um mir im Land der auch am Sonntag geöffneten Läden freiwillig Schmerzen zufügen zu lassen. Auf dem Heimweg stand dann noch ein Besuch in einer Drogerie auf dem Programm. Nach einigen Stunden konnte ich den Verband abnehmen und einen ersten Blick auf das gar nicht so toll aussehende Ergebnis werfen, aber ich war gewarnt worden, dass das so sein musste. Innerhalb der nächsten Tage würde sich das schon noch regeln, aber jetzt war erst mal alles zu dunkel, leicht geschwollen und verzerrt. Den Oberarm am Abend mit medizinischer Seife zu waschen und mit einem der extra gekauften, fusselfreien Einweghandtücher vorsichtig abzutupfen tat wieder ordentlich weh. Aber das sollte sich schneller bessern als der Anblick.

Weil ich sonst nichts tun konnte, stellte ich noch mal ein kurzes Video vom Ereignis des Tages fertig für den Malik-Channel. Auch das lud ich dann hoch. Die Videos auf dem Truckerchannel waren meistens schon 1 oder 2 Wochen alt, wenn sie online gingen, die anderen frisch und oft vom gleichen Tag. Das lag einfach an der Entstehungsweise. Alle Malik-Videos, ob es nun Urbex, Parkour, Messer-Kunststückchen oder Inlineskaten waren, enthielten relativ rohes Material. Da musste ich den durchgängigen Film nur ein Bisschen bearbeiten und gut. Dadurch hatte es sich mittlerweile auch schon ein paarmal ergeben, dass mir jemand am Samstag eine Nachricht zu einem neuen Video schrieb, dass ich in seiner Gegend war und ich war am Sonntag in tolle Objekte gekommen. Schließlich kannte man sich zu Hause am besten aus, also war es gut, wenn man sich mit Einheimischen zum Exploren treffen konnte.
Für die Truckervideos musste erst einmal genug Material zusammenkommen. Dashcam Clips aus Kansas oder Oklahoma waren doch relativ unspannend. Entweder musste jemand im Bild idiotisch spurwechseln, es mussten tolle Trucks zu sehen sein oder ich musste irgendwelche Dinge mit rein nehmen, die zwar zum Job gehörten, aber nicht zum Fahren. Außergewöhnliche Truckstops oder so was. Foodporn auf Truckstops war auch kein so dauerhaft ergiebiges Thema. Also galt es, genug solcher Schnipsel für ein Video zu sammeln und dann zusammenzuschneiden und eventuell mit Musik zu vertonen.
Nach kurzer Zeit hatte ich dann auch noch festgestellt, dass es gar nicht schlecht wäre, wenn sich Brandon und Malik nicht so offensichtlich zur gleichen Zeit am gleichen Ort aufhielten und damit wurde der zeitliche Versatz zur Tradition.
Mein zukünftig doch sehr markanter, rechter Oberarm war bei den Truckervideos an sich nie erkennbar im Bild, weil ich meine „Selfie-Webcam“ für Aufnahmen von mir selbst in der unteren, fahrerseitigen Ecke der Windschutzscheibe hatte. Abgesehen davon fragte ich mich inzwischen langsam, ob es überhaupt eine Schnittmenge zwischen den Zuschauern beider Channels gab.


Montag, 23.07.2018

Meine Pause war, wenn ich mich an die 38 Stunden halten wollte, um 6:44 Uhr um. Also frühstückte ich entsprechend sehr früh und war um 06:35 AM an der Zugmaschine. Die PTI für die Solomaschine war mit 9 Minuten gut bemessen. Während ich die Checks abarbeitete, hörte ich, dass der neue Auftrag angefordert wurde und das Geräusch, dass er eingetroffen war. Mal sehen, wo es hin gehen sollte.

LOCATION: UTSLC
ACTION: WAIT UNTIL 07:15 AM LOCAL
DISPATCH: MABOS-CAT-EVP


Fing es jetzt so an, wovor mich der eine Kollege gewarnt hatte? Warten und trotzdem schlechte Touren? Zumindest sollte ich eine halbe Stunde später schon los, und auch nicht mit einem Auftrag aus dem eigenen Hause. Immerhin konnte ich so das langärmelige Hemd noch mal ausziehen und mich im Muscle Shirt auf das Bett in den Schatten setzen. Die Sache sah schon deutlich besser aus.

PICKUP: UTSLC-VLM
DESTIN: TXAMA-UPR
TRAILER: VLM-BLCT
LOAD: CARS
WEIGHT: 24,000
DISPATCH: MABOS-CAT-EVP


Ich sah mir die Auftragsdetails an. Immerhin war der Auftrag nicht so schlecht bezahlt wie befürchtet. Und BLCT stand für „bi-level car transporter“, also einen zweistöckigen Autotransporter. Auch wenn ich mittlerweile den Schichtplan so einigermaßen verstanden hatte, musste man bei zwei Meldungen in dieser kurzen Zeit keine Logikkanone sein, um zu merken, dass der Verzapfer gerade Dienst hatte. „Caterpillar Logistics Center Boston, Evan Palmer.” “Hallo Evan. Was habe ich denn angestellt, dass ich in die Automobilindustrie abgeschoben werde?“ „Du wohnst in Philadelphia. Unsere Aufträge ab Salt Lake gingen alle nach Kalifornien, Oregon und Arizona. Kann ich Dir gerne einen von geben. Dann kannst Du Dich mit dem Anlassen des Motors aber schon auf das zweite Außenwochenende hintereinander einstellen.“ „Ach so. Ich wusste gar nicht, dass ich überhaupt eine Heimschläferquote habe.“ „Hast Du auch nicht. Aber wir versuchen es trotzdem bei so vielen Fahrern wie möglich hinzukriegen. Außer Du sagst mir, dass Du sowieso nicht nach Hause willst. Dann bist Du in 30 Sekunden umgestellt Richtung Oxnard.“ „Och, zu Hause wartet zwar niemand außer einem vollen Briefkasten, aber auch um den sollte man sich kümmern. Und in den Clubs der Stadt warten meine Kumpels. Philly passt schon.“ „Versprechen können wir es nicht, aber dann versuchen wir es jedenfalls mal.“

Ich sammelte also bei Voltison einen Trailer mit Autos ein. 5 Tesla S waren zumindest mal eine wertvolle Fracht. Als ich auf die Interstate einfuhr, sah ich im Rückspiegel einen Truck mit Daycab und einer Ladung Strohballen, den die Polizei gerade filzte.

Und das Bild wenig später sah nicht anders aus. Nur dass jetzt der Trailer jetzt ein Reefer war und die Ladung offensichtlich Wein. Ich ging inzwischen aber fast ein in meiner Kabine. Die Klimaanlage tat ihr bestes, die Temperatur niedrig zu halten, aber ich musste ein langes Hemd tragen, damit mir die Sonne nicht auf den Arm ballerte und die noch nicht von der Haut aufgenommenen Farben ausbleichen konnte oder mir einen Sonnenbrand auf der empfindlichen Stelle bescherte.

Ich kam jedenfalls unbehelligt nach Wyoming bis Akal Travel Center, wo ich schon am Freitag ein hervorragendes Mittagessen hatte. Zuerst mal musste ich feststellen, dass im Gegensatz zur Ladung mein Truck noch auf fossile Brennstoffe angewiesen war und ich genau die jetzt nachfüllen musste.

Danach ging ich ins Restaurant. Heute probierte ich mal einen Tandoori-Spieß mit hausgemachtem Fladenbrot und Joghurtdip. Weil die sanitären Anlagen hier nicht sonderlich keimfrei waren, musste ich für eine Wäsche meines Arms mit medizinischer Seife dann Mineralwasser aus der Flasche opfern. Viermal täglich sollte ich das in der ersten Woche machen.

Nach der Pause ging es weiter und an der Grenze musste ich dann feststellen, dass Colorado zu den Staaten mit verschiedenen Grenzschildern gehörte. Immerhin setzte Regen ein, so dass ich mein Hemd gefahrlos ablegen konnte.

Und in diesem Staat war dann ich an der Reihe. Ich lief auf einen Polizeiwagen auf. Bevor ich ihn eingeholt hatte, wechselte er auf die linke Spur und ließ sich langsam zurückfallen. Der Beamte auf dem Beifahrersitz musterte meinen Truck. Also sah ich in den Rückspiegel und wartete auf das Signal. Und wirklich, die Lichter am Dachbalken gingen an und die Sirene heulte einmal kurz auf.

Also setzte ich den Blinker und zog raus auf die Standspur. Die Polizei in Amerika hielt immer von hinten an. Im PKW musste man nun das Fenster runter lassen und die Hände sichtbar aufs Lenkrad legen. Weil das mit dem Fenster beim Truck wenig Sinn machte, musste ich stattdessen die Tür öffnen, bevor der Officer hier war. Außerdem legte ich die Fahrzeugpapiere und meinen Führerschein noch schnell bereit. Ich hatte noch nie eine Verkehrskontrolle erlebt.

Der Officer kam mit gezogener Pistole zur Fahrertür. Als er sah, dass ich die vorschriftsmäßige Körperhaltung hatte, senkte er die Mündung etwas. „Sind Sie bewaffnet?“ Unterm Sitz steckte ein Kampfmesser. „Äh, ja, Sir.“ Sofort hatte ich wieder direkten Blick auf die Pistole. „Langsam aussteigen! Ich will zu jeder Zeit beide Hände sehen!“
Immerhin war diese Übung mit meinem Truck möglich. Wie man das ohne einen unfreiwilligen Abgang hinzulegen bei einem Mack mit seinem steilen Aufstieg – egal ob mein alter Superliner oder der neue Anthem – schaffen sollte, war mir nicht klar. Dennoch war ich wackelig auf den Beinen, der Beamte merkte es: „Warum Sind sie so nervös.“ Weil ich in den Lauf einer Pistole gucken musste? „Das ist meine erste Verkehrskontrolle, Sir.“ Es galt in den USA auch mehr oder weniger, dass es keine allgemeinen Verkehrskontrollen gab wie zum Beispiel in den meisten europäischen Ländern. Wenn einen die Polizei anhielt, dann hatte man was falsch gemacht oder fiel ins Raster einer Personenfahndung. „Bisher ist alles in Ordnung. Sie haben nichts falsch gemacht. Sich zu bewaffnen ist ein Grundrecht jedes Bürgers der Vereinigten Staaten.“
Ich war am Boden angekommen. „Was für eine Waffe haben Sie und wo ist sie?“ „Ein Messer, Sir. In der Ablage unter dem Fahrersitz.“ Er griff unter den Sitz und zog das Messer raus. „Wenn Sie wieder kontrolliert werden, sagen Sie gleich, dass Sie eine Stichwaffe haben. Dann müssen wir als Polizisten unseren Selbstschutz nicht ganz so energisch umsetzen.“ „Ja, Sir!“ Er sah sich das Messer an, insbesondere dass die Schmiedemarke die Stahllegierung der Klinge und keine Militäreinheit zeigte. „In Ordnung, das Messer ist legal.“
„Wo waren Sie heute Morgen zwischen 6 und 7 Uhr?“
„In Salt Lake City.“ „Wo genau?“ “In meinem Hotel, in einem Taxi vom Hotel zu meinem Fahrzeug und bei der Abfahrtkontrolle.” „Können Sie das nachweisen?“ „Mit Belegen, im Fahrzeug.“ Ich holte im Zeitlupentempo meine Dokumentenmappe raus, wo meine Hotelrechnung mit der Zeit auf der Kreditkartenbestätigung, die ebenso bei der Kartenzahlung mit einer Zeit versehene Taxirechnung und die Quittung vom Kassenautomaten am Truck-Parkplatz drin waren. „In Ordnung. Sie können weiterfahren.“ Er legte das Messer auf den Fahrersitz.

Die verbleibenden zweieinhalb Stunden blieb ich auf der I-25, überquerte noch die Staatsgrenze nach New Mexico und kam in Raton an, wo ich auf einem kleinen und unabhängigen Truck Stop den Tag beendete. Leider würde auch hier die Wundversorgung wieder zu Lasten meines Mineralwasservorrats gehen, wie sich schnell herausstellte.

Im Internet fand ich dann auch den Grund für die Kontrolle vorhin. Im Prinzip war ich verdammt weit gekommen, andererseits wurde der Mythos, dass man in Sicherheit war, sobald man den Bundesstaat verlassen hatte, pulverisiert. In manchen Fällen mochte das noch stimmen, aber zumindest die unmittelbaren Nachbarstaaten beteiligten sich oft an der Suche, wenn es nicht gerade nur um einen Taschendiebstahl ging.
In Salt Lake City hatte es heute Morgen ein Verbrechen gegeben und das Opfer hatte einen Peterbilt-Zündschlüssel beim Täter gesehen. Zeugen hatten einen „gelben und schwarzen LKW mit einem eckigen Trailer“ in der Nähe des Tatorts gesehen und so wurde dank dieser vagen Beschreibung alles kontrolliert, was die Polizeikräfte in Utah und den Nachbarstaaten schafften und irgendwie am kompletten Gespann Gelb- und Beigetöne in Kombination mit dunklen Farben in größerem Ausmaß enthielt und von einem Peterbilt gezogen wurde. Anfangs nur Boxes, Reefer und was man in der Morgendämmerung vielleicht damit verwechseln konnte wie eben ein Flatbed mit Stroh. In der Annahme, dass er inzwischen umgesattelt haben könnte, wurde später die Form des Trailers nicht mehr einbezogen und so war ich dann auch ins Raster geraten.


Dienstag, 24.07.2018

Nun ging es die US-87 runter über Des Moines (NM), Clayton (NM) und Dalhart (TX). Dabei ging es aber durch die Städte, was mich ein Bisschen einbremste. Parallel fuhr die Konkurrenz mit den richtig großen Motoren und viel mehr Anhängern.

Bei Union Pacific in Amarillo musste ich dann den Trailer in eine enge Lücke zurücksetzen. Immerhin erfuhr ich nun, warum man mit dem LKW Autos durch die Gegend fahren musste, damit sie ganz wo anders auf den Zug verladen werden konnten. Autotransportzüge wurden nicht rangiert. Also wurden Fahrzeuge, die man nicht komplett auf einen Zug laden konnte, zusammengezogen und bildeten dann einen Zug. Diese Teslas sollten nach Mexiko. Während große Hersteller komplette Züge in ihren Werken zusammenbekamen, mussten kleinere und teurere Modelle eben den anderen Weg nehmen. Auf diesen Zug würden wahrscheinlich dann noch teure SUV von BMW und Mercedes aus den Werken in den Südstaaten kommen, die dort auch nicht in so großen Stückzahlen für komplette Züge verkauft wurden.

Für eine Pause hielt ich es noch zu früh, also fuhr ich erst mal zu meinem nächsten Auftrag.

PICKUP: TXAMA-CAT
DESTIN: ALTCL-COL
TRAILER: RGN-2877
LOAD: D7E
WEIGHT: 48,402
EXCEEDINGS: SIZE, WEIGHT
PRIORITY: INCREASED
DISPATCH: MABOS-CAT-EVP


Eigentlich wollte ich nach Childress, um am dortigen Pilot Travel Center eine Mittagspause einzulegen. Soweit kam ich aber nicht, denn kurz vor Childress piepste es und eine rote LED funkelte mich aus der Box in der Frontscheibe an. Ich wusste ja, dass ich legal zu schwer war, also mal wieder eine Kontrolle gewonnen. Bei 82,752 lbs. blieb die Waage stehen.

In den letzten Wochen hatte ich mir außer der einen Minute beim Abstellen in Salt Lake am Samstag nichts zu Schulden kommen lassen. Dafür gab es nicht mal eine offizielle Ermahnung, eher eine schnippische Bemerkung, die mich wissen ließ, dass es aufgefallen war. Mein Report war ja ansonsten sauber, da schienen die Ordnungshüter gnädig zu sein.

Hinter der Stadt steuerte ich dann den vorgesehenen Truck Stop an und ging duschen und den Arm versorgen. Die Schwellung war schon deutlich weniger, aber die Haut noch gereizt und die Farbe nicht komplett eingezogen und immer noch zu stark. Aber endlich war es schöner anzusehen, mein Tattoo.
Das Motiv war für jemanden, der mich kannte, eigentlich unschwer zu erraten. Es war das schwarze Logo der Spieleserie Assassin’s Creed, verziert mit je einem roten Adler an jedem Schenkel des stilisierten A.

Das Motto der Assassinen stand in schwarz dabei, der erste Teil „Nothing is true“ drüber, der zweite „everything is permitted“ drunter.

Nach der Pause ging es weiter über die US-287 durch Wichita Falls und Fort Worth. Mir blieb noch einige Zeit, also fuhr ich noch 2:44 Stunden weiter nach Haughton (LA) zum Pilot Travel Center. Das hieß mit großer Wahrscheinlichkeit saubere Duschen und auf jeden Fall gute Konditionen mit der CAT-Karte.


Mittwoch, 25.07.2018

Ich ging erst mal wieder meinen für die Schönheit geschundenen Arm versorgen und dann frühstücken. Um 20 vor 7 AM Ortszeit fuhr ich los, die Sonne verschwand schon bald hinter Wolken. Als ich den Mississippi überquerte und in den gleichnamigen Staat einfuhr, war es komplett bedeckt.

Das Wetter besserte sich allerdings ohne Regen wieder. Als ich in Jackson auf die Spaghetti Junction zwischen I-20 und I-55 zusteuerte, war es schon wieder sonnig. Wenigstens blieb ich auf der I-20, das war hier die einfachste der möglichen Übungen.

Auch an der Toomsuba Weighing Station musste ich wieder raus. Und weil ich immer noch zu schwer sein musste, griff ich schon mal zur Mappe mit den Frachtpapieren und dem Overweight Permit. 82,896 zeigte sie diesmal, die Tanks waren etwas voller. Der Vorteil war, sobald ich ein Permit hatte, musste ich mir um gar nichts mehr Gedanken machen. Das Permit galt automatisch bis 90.000 lbs, mein Truck war für 87,200 zugelassen, aber selbst vollgetankt konnte ich mit dem 966M Radlader als schwerste Ladung, die man bei CAT ohne Class 9 License bekommen konnte, 87,000 lbs nicht ganz erreichen.

Wieder wurden alle Unterlagen genauestens kontrolliert, ich musste wieder mein E-Log übermitteln und wieder war mein einziger Verstoß von einer Minute in den letzten Wochen nicht wirklich schlimm. Eine ansonsten saubere Statistik zahlte sich bei so einer Minimalabweichung eben aus.

Weil es mal langsam Zeit wurde, blieb ich gleich für eine kleine Pause stehen und machte mir im Fahrerhaus ein Sandwich. Außerdem hatte die Station ein sauberes Waschbecken in der „Kundentoilette“, also schnappte ich mir die medizinische Seife und ging mal wieder den Arm waschen.

Kurz bevor ich in Tuscaloosa bei Coastline ankam, wurde der nächste Auftrag angefordert. Wenigstens blieb mir heute die Freilufttoilette dort erspart. Ich wurde meine Raupe wieder beim gleichen Vorarbeiter los wie letzte Woche und sah nach, was mich als nächstes erwartete.

PICKUP: ALTCL-CAT-SF
DESTIN: OKLAW-BZH
TRAILER: RGN-235
LOAD: 907M
WEIGHT: 12,677
DISPATCH: MABOS-CAT-EVP


Irgendwie hatte ich wohl gerade einen solchen Takt mit meinen Ladestellen, dass Evan mein persönlicher Dispatcher geworden zu sein schien. Nach alle den schweren Lasten dieser und der letzten Woche war es mal eine leichte Ladung. Der 907M war das zweitleichteste Gerät im ganzen Produktprogramm von CAT.

Auch in der Gegenrichtung wurde ich lustigerweise wieder in Toomsuba raus genommen. Ob es verdächtig war, wenn man die gleiche Waage kurz hintereinander in beiden Richtungen passierte? Mit 47,005 lbs. war ich aber so leicht, dass ich mich für eine grüne Ampel qualifizierte und gleich wieder auf die Interstate durfte.

Diesen sehr „ausgewogenen“ Tag beendete ich dann auf dem Flying J Travel Center in Jackson (MS).


Donnerstag 26.07.2018

Wie so oft ging es wieder vor 7 Uhr morgens los. Nach ereignislosen fünfeinhalb Stunden Fahrt steuerte ich für eine Mittagspause den Dukes Travel Plaza in Canton (TX) an. Bis auf die Fahrt durch Wichita Falls (TX) mit einem Bisschen Skyline gab es nicht viel Abwechslung.

Außerdem wurde in meiner Nordamerika-Karte Oklahoma mit der Anlieferung bei Beazer in Lawton vom gelben Staat, wo ich nur durchgefahren war, zu einem grünen, wo ich auch geladen hatte. Ob ich aufgrund der Meldung nun rot sehen sollte, musste ich mir noch überlegen. Denn ich hatte für heute noch fast 3 Stunden Fahrzeit, in denen ich noch die eine oder andere bezahlte Meile zusammen bekommen hätte.

LOCATION: OKLAW
ACTION: 14H BREAK
DISPATCH: MABOS-CAT-EVP


Da ich auf Youtube von einem deutschen Trucker in Kanada gerade mitbekam, wie es auch laufen konnte, schluckte ich mein Bisschen Ärger mal runter. Da platzten nicht nur einzelne Ladestellen sondern in der Folge ganze Touren. Er musste hunderte Meilen leer fahren und stand einen Reset in der Ferne rum, um dann 2 Tage später für 10 Stunden zu Hause vorbeizuspringen und wieder ein Wochenende in der Ferne zu verbringen.

Wenn man schon kein Glück hatte, musste es auch noch als einzige Alternative hier einen Loves Travel Stop geben. Also weniger Rabatt. Aber auch die waren wenigstens normalerweise in einem ganz brauchbaren Zustand. Dachte ich wenigstens, aber leider brillierte dieser winzige Truck Stop durch zwar saubere Toiletten, aber keine Duschen. Das Restaurant war ein Subway, für ein Abendessen aber okay.


Freitag, 27.07.2018

Um nicht bei Subway zu frühstücken, gab es mal wieder Mini-Wheats. Wie von Evan gewünscht war ich Punkt 6 Uhr abfahrbereit. Mal sehen, wer mir nun sagte, was ich tun sollte.

PICKUP: TXWIF-CAT
DESTIN: KYLOU-CAT
TRAILER: RGN-9669
LOAD: CB8
WEIGHT: 20,878
DISPATCH: MABOS-CAT-BRW

Das würde sehr eng, noch nach Hause zu kommen, denn erst mal durfte ich nun Bobtail fast eine Stunde in die Gegenrichtung fahren und dann mit Ladung wieder zurück. Und ich war mir schon fast sicher, dass das die anderthalb Stunden waren, die mir am Ende fehlen würden.

Im Dämmerlicht tauchte dann nach 27 Minuten Fahrt Wichita Falls in der topfebenen Steppe auf. Aber noch war ich ja nicht bei CAT, da sollte die Viertelstunde noch für drauf gehen.

Als ich angekommen war, fehlte der Vorarbeiter aber noch. Ich stellte das E-Log also auf Pause und wartete 22 Minuten, bis es an der Tür klopfte. 19 Minuten für die anschließende Übergabe waren jetzt insbesondere mit einer eher einfach zu übergebenden Walze auch nicht rekordverdächtig, zählten aber leider auch zur Arbeitszeit.

2 Stunden nachdem ich hier auf die I-44 aufgefahren war, passierte ich wieder Lawton (OK). Auch dieser Tag war nicht wirklich spektakulär. Die Landschaft entlang der I-44 bis Oklahoma City war nicht sonderlich inspirierend, danach wurde es zwar etwas hügeliger und die Natur üppiger, aber so richtig toll war das auch nicht mehr, wenn man es sowieso schon kannte.

Schaffte ich es noch, die Mittagspause auf dem Pilot Travel Center in Joplin (MO) zu verbringen, hatte ich für die Nachtruhe komplett versägt. Es wurde die Rest Area Mid America Airport in der Nähe von St. Louis. Also gab es nichts außer einer Toilette, die auf diesen Rest Areas manchmal auch nicht die besten und saubersten waren. Dazu ein paar Automaten. Also beschloss ich, fürs Abendessen mal den Grill anzuwerfen.


Samstag, 28.07.2018

Dass das befürchtete eintreten würde, war mir schon gestern klar gewesen. Die Zeit sollte nicht mehr reichen, um nach Hause zu kommen. Nicht mal mit Schummeln und nach dem Abladen auf Privat weiter zu fahren. Punkt 11:40 AM war ich bei CAT in Louisville. Und auch in Boston war man der Meinung, dass ich es nicht nach Hause schaffte. Nicht mal einen kleinen Auftrag um die Ecke gab es noch.

LOCATION: KYLOU
ACTION: 42H BREAK
DISPATCH: MABOS-CAT-BRW


Also fuhr ich zu einem Motel, stellte den Truck ab und sah in die Statistik, nachdem ich mich ins Wochenende gemeldet hatte. Während ich in Isotrak durch die Auswertung blätterte, meldete sich mein Handy, dass ich eine Whatsapp bekommen hatte. Aber erst mal die Zahlen.

WEEK DRIVE: 56:00 HRS
WEEK WORK: 64:11 HRS
WEEK START: MO:09:04 AM
WEEK END: SA:11:59 PM
WEEK FRAME: 5D:02H:47M
WEEK MILES: 3,170
REVENUE MILES: 3,110
PERFORMANCE: 98.1%
WEEK PAYLOAD: 105,957
SH TON MILES: 41,752
WEEK FUEL ECO: 6.3 MPG
WEEK AVG SPEED: 56.6 MPH

Ich war erstaunt, aber tatsächlich, mit unter 60 Meilen war die Leerfahrt von Lawton nach Wichtia Falls ein Katzensprung gewesen, wenn ich verglich, was ich sonst Bobtail zwischen Philadelphia und New York, Baltimore oder Washington verballerte. Die genutzte Arbeitszeit und damit auch die erreichbaren Meilen ließen noch Luft nach oben, aber anderen erging es schlechter zurzeit. Wenn ich fuhr, dann wenigstens unter Last. Die war allerdings diesmal in der Summe eher klein gewesen. Das machte sich immerhin positiv im Verbrauch bemerkbar.

Und nun wollte ich mal sehen, wer mir geschrieben hatte. Es war mein Chef-Dispatcher Brian von seinem privaten Handy. Erschrocken starrte ich die Nachricht an. „Sorry, bis nach Hause hat es nicht mehr gereicht. Aber ich bin mir sicher, Du wirst Dich auch in Louisville nicht langweilen, mein Freund Malik Al-Sayf!“

Das konnte nur eins bedeuten. Brian kannte mein Doppelleben. Wieso sonst sollte er mich so zielsicher mit dem Explorer-Spitznamen anschreiben? Ich rief ihn also an. „Das ging schnell. Hallo Brandon.“ „Hallo Brian.“ „Und Du willst wissen, wie ich auf Malik Al-Sayf gekommen bin?“ “Ja.“ „Du hast zu viel da hochgeladen. Nur durch Parkours und Urban Exploration wäre ich nie drauf gekommen, weil ich nie den Kanal gefunden hätte. Wie viele Surfer mache ich meine Trockenübungen aber mit dem Skateboard und habe mir da Videos angesehen. „Skaten“ ist bei Youtube „skaten“, egal womit und da hat Youtube Autostart ein Video von einem gewissen Streetclimber Malik gestartet, der in Savannah auf Inlinern skatet und das mit der Gopro filmt.“
Ich war noch mal dort gewesen, wo ich damals die Jungs getroffen hatte und hatte diesmal mit der Helmkamera gefilmt. „Ich habe dann aus Neugierde auch ein paar der anderen Videos angeschaut und bemerkt, dass dieser Malik botanisch viel rum kommt. Ein Video an den Great Lakes und eine Woche später Wüste. Und weil ich eigentlich das alles ganz cool fand, habe ich den Kanal abonniert.
Und dann wurde es irgendwann auffällig. Ich habe halt den Vorteil, dass ich immer genau weiß, wo Du gerade steckst. Ich schicke Dich nach Maniwaki und Malik fuchtelt auf einer winterlichen Waldlichtung mit Messern rum. Eine Woche später hast Du Wochenende in Parry Sound und Malik fährt mit Inlinern durch genau diese Stadt, wie man auf einem geparkten Van lesen konnte. Das Wochenende danach habe ich Dich in Florida sitzen lassen und prompt klettert Deine Secret Identity in einem alten Disney-Themenpark und in Daytona Beach rum. Und kaum bekommt man Dich endlich wieder nach Hause, gibt es ein Video vom Motorradfahren in Pennsylvania. Dass dort die Heimat des Channels sein muss, merkt man ja sowieso. Außerdem, selbst wenn das Tuch vorm Mund und die durchwachsene Soundqualität von Gopro schon ganz gut die Spur verwischen, Deinen westlichen Akzent beseitigen sie nicht. Das waren dann einfach zu viele Sachen auf einmal.“

„Okay, Du hast mich.“ „Kein Problem.“ Wie cool war das denn? Mein Arbeitsverhältnis, in Nordamerika komplett legal, während es in Europa als Scheinselbstständigkeit verboten war, bedeutete, dass Brian als Teamleiter meiner Dispatchergruppe mich in gewisser Weise in der Hand hatte, quasi so was wie mein Chef war. Auch wenn über mein Wohl und Wehe offiziell Cornelius Sanders entschied, würde der sich kaum von alleine einschalten sondern nur auf Wunsch von Brian. Und meine offene Flanke von Freerunning und Urban Exploration hatte Brian gefunden und anstatt mich zu verpfeifen hatte er meinen Zweitkanal abonniert.

So lange es dort oben noch Sommer gab, beschloss ich aber erst einmal, bei meiner nächsten Heimkehr Urlaub zu nehmen und Christian einen Besuch abzustatten. Dieses nächste Mal war nach nur einer Woche und so buchte ich einen Flug nach Calgary. Theoretisch hätte ich mich auch rauf dispatchen lassen können, aber mir war mal nach einem echten Erholungsurlaub. Später im Jahr stand noch eine Fernreise auf der Agenda, da wollte ich dann aber mal lieber gegen Bezahlung hin fahren, um nicht zu viele Reisen selber bezahlen zu müssen.
Das billigste Angebot hatte ich für Delta Air Lines bekommen, ein Umsteigeflug über Minneapolis-Saint Paul. Der größte Vorteil an Delta war, dass da jemand nicht arbeitete, den ich wider aller Statistiken auf allen meinen American-Flügen im Kabinenpersonal hatte. Dafür arbeitete bei Delta am Check-In-Schalter W. Walker. Das stand zumindest auf seinem Namensschild. Er hatte kurz geschnittene, aber nicht rasierte, dunkelbraune Haare, einen Hauch von südeuropäischen Gesichtszügen und mich komplett fesselnde, tiefgrüne Augen.
Wenn ich gut drauf war, nicht damit rechnete jemanden wiederzusehen und einen gutaussehenden Mann verunsichern wollte, machte ich mir manchmal einen Spaß draus, ihn anzuflirten. Und so war ich auch beim Aushändigen von Reisepass und Buchung und bei der Gepäckaufgabe mit eindeutigen Gesichtsausdrücken und Gesten dabei. Allerdings hatte ich meinen Meister gefunden, denn als er mir den Bordpass über den Tresen schob, legte er seine Hand auf meine. Für einen unverbindlichen Flirt war das zu viel Nähe, ich lief rot an, schnappte meinen Rucksack und meinen Bordpass und verschwand schnell in Richtung Sicherheitskontrolle.

Nach dem ereignislosen Flug kam ich in Calgary an. Gerade mit meiner beruflich bedingten Historie zwischen den beiden Staaten war das Immigrations Office nach Kanada eine Formalie. Vor dem Terminal musste ich noch 10 Minuten warten. Christian hatte mir geschrieben, dass er mit dem Truck im Stau gesteckt hatte und etwas spät dran war. Aber schließlich kam er mit seinem Mazda Tribute angefahren. Die Heimfahrt war kurz, unter einer Landebahn im Tunnel durch, in einem Wohngebiet um eine Straßenbahnstation herum und in eine größere viergeschossige Wohnanlage namens Taralake Place.
Hier hatte er eine schöne Zweizimmerwohnung. So weit vom Zentrum entfernt war das gar nicht so teuer, zumal der Flughafen viele Leute abschreckte und die Preise drückte. Dabei war es nicht mal laut hier, weil es genau seitlich zur Landebahn war. Der Fluglärm war bekanntlich vor und hinter der Landebahn am schlimmsten.
Wir besuchten einige Attraktionen in Calgary, zum Beispiel den Calgary Tower, das Heritage Park Village, wo das Leben um 1900 gezeigt wurde und den Calaway Freizeitpark. Außerdem fuhren wir im Umland herum, um in den Bergen zu wandern und in einem der wenigen Natur-Freibäder schwimmen zu gehen.
Und wie im Fluge war die Woche rum. Ich war Samstag angekommen und flog auch Samstags wieder zurück. Christian musste am Sonntag wieder fahren, ich erst am Montag, aber dafür am Sonntag mich vorbereiten, also insbesondere für die Fahrt Einkaufen.

Schon in Kanada war ein Entschluss in mir gereift und bei meinem nächsten Wochenende zu Hause setzte ich ihn in die Tat um, zumindest die ersten Schritte. Schon vom Flughafen in Calgary aus hatte ich meinen Mack Superliner in ein Portal für historische Trucks hochgeladen. Und es meldeten sich auch zwei Interessenten, die ihn kaufen und wieder aufbauen wollten.
Ein kleiner Umweg führte mich zum Sports Car Club of America. So hatte ich dann den Platz vom Mack und die Zulassung vom SCCA, um mich nach einem etwas anderen Gefährt umzusehen und es danach zu fahren. Und ich wurde fündig:

1990 Nissan SX Rennwagen, nicht straßenzulassungsfähig, Ibishu Body Kit, verstärktes Dach, 2.0 l Turbo, 227 PS, 161 mph Spitze, ABS, läuft mit Methanol oder AKI 95 Rennbenzin, Innenverkleidung entfernt, komplette Nomi Rennausstattung aus pulverbeschichtetem Aluminiumkäfig, Fahrer- und Beifahrer-Schalensitzen, 5-Punkt-Gurten, Schnellspanner-Rennlenkrad und sequenzieller Schaltung.

Ich vereinbarte ein Treffen mit dem Verkäufer während einer Veranstaltung und fuhr mit meinem Pickup, Camper und leerem, ebenfalls neuem Fahrzeuganhänger, zu einem Rundstreckenrennen in New York State. Hier sah ich mir das Fahrzeug erst mal im Fahrerlager an.

Ibishu und der Erzrivale Hirochi waren Hersteller von Rennwagen-Umbausätzen für japanische Fahrzeuge. Während mein Honda Civic in Kalifornien seinerzeit nur eine Ibishu Frontpartie mit größerem Lufteinlass für den thermisch überlasteten, 1,4 Liter großen, frisierten Serienmotor hatte, konnte der Subaru schon mit einem deutlich aufwändigeren Hirochi-Bodykit aufwarten.
Aber das hier war ein kompletter Umbau von Ibishu. Das hieß fest mit der Karosserie verbundene Verbreiterung und Verspoilerung, aerodynamisch aktive Unterbodenplatte, Änderungen an Turboladerkennlinie und Motormanagement für die 56 zusätzlichen PS.
Die Karosserie des als Freizeit-Coupé und nie für ernsthaften Motorsport konzipierten Nissan SX erwies sich im Renneinsatz oft als nicht verwindungssteif genug, so dass hintere Seitenfenster oder die Scheibe in der Heckklappe in Kurven oder bei Sprüngen über Bodenwellen platzten. Nach den Plänen von Nissan sollten diese Leute bitteschön den teuren Skyline GTR kaufen. Hier hatte Ibishu beim SX mit Versteifungen des gesamten Hecks ab den B-Säulen oberhalb der Fensterlinie Abhilfe geschaffen. Natürlich wurde durch die verwindungssteife Karosserie auch die Kurvenlage besser.
Eigentlich gab es den Zweiliter-Motor nur nach dem Facelift in Japan. In Europa hieß das Fahrzeug zwar als Mogelpackung 200SX, hatte aber immer den 1,8 Liter kleinen Motor, der in Japan mit dem Einsteigermodell wahrheitsgemäß als 180SX verkauft wurde. Der Japaner ab dem Facelift bekam dann 2 Liter und zu Recht die Bezeichnung 200SX. In den USA dagegen war der einzige Motor ein 2,4 Liter großer Sauger, entsprechend die Verkaufsbezeichnung 240SX. Weil der 240er Motor aber nicht genug Spielraum für Leistungssteigerung bot und der 180er nicht genug Ausgangsleistung, verbaute Ibishu einen 200er mit stärkerem Turbolader in den Rennwagen, der von der Karosserie aber auf dem Vor-Facelift-Modell basierte.
Der Haken war, dass dieser hochgezüchtete Motor nicht mal mehr mit AKI 91 Premium-Benzin, dem Super Plus 98 nach ISO-Norm, lief. Er brauchte entweder Rennkraftstoff aus reinem Alkohol oder welchen auf Ölbasis mit Additiven für AKI 95, was im internationalen Standard RON 106 entsprach.

Dann unterschrieb ich die etwas risikoreiche, aber dennoch für eine Probefahrt von Rennwagen unter realen Bedingungen unvermeidliche Haftungsübernahme und stellte mich zu einer Probefahrt auf, wo man zwischen Training und Qualifikation auch als nicht gewerteter Teilnehmer im Besitz einer Rennlizenz fahren konnte.
Neben Kaufinteressenten wurde das auch von Leuten genutzt, die ein Fahrzeug aufbauten und eine Testfahrt außerhalb des Rennbetriebs machen wollten. Auch hier überzeugte der Wagen. Die Heckschleuder machte im Gegensatz zu meinem Subaru, der damals allradgetrieben quasi wie auf Schienen fuhr und erst recht zum frontgetriebenen Einsteiger-Civic richtig Spaß.

Da ich natürlich bei Veranstaltungsbeginn noch ohne Rennwagen nicht gemeldet sein konnte, blieb ich das Wochenende als Zuschauer da. Am Sonntag fuhr ich mit jetzt meinem Rennwagen noch mal eine Testrunde im offenen Zeitfenster zwischen Warmup und Rennen und stellte zufrieden fest, dass ich mit dieser Zeit als gewertete Qualifikationsrunde auf jeden Fall im vorderen Drittel der Gesamtwertung sein würde, was aber nur bedingt aussagekräftig war, da die meisten Fahrzeuge an diesem Wochenende in den seriennahen Klassen starteten, die einfach keine Chance gegen einen echten Rennwagen hatten.
Aber in der Klasse „Sport Racing“ wäre ich als 44. von 72 Startern qualifiziert gewesen. Mit einem fremden Fahrzeug, auf unbekannter Strecke und lange nicht mehr in einem Rennwagen gesessen war das keine schlechte Ausgangslage, denn mit mehr Erfahrung auf diesem Auto und der Strecke würde ich auch schneller.
Bei meiner knappen Freizeit hatte ich natürlich nicht vor, in einer Rennserie um die Meisterschaft zu starten. Je nach Lust und Laune wollte ich an einzelnen Rundstreckenrennen, Straßenrennen oder Hillclimbs teilnehmen. So vier bis fünf Rennwochenenden im Jahr.

Die kommenden Wochen blieb ich teils länger am Stück draußen. Das hatte ich meinem Dispo-Team zugesagt, weil ich für danach einen besonderen Wunsch geäußert hatte. Und der bedingte, drei Wochenenden hintereinander an fest vorgegebenen Orten zu sein, davon zweimal zu Hause.

Die meiste Zeit fuhr ich an der Ostküste Nord-Süd-Verkehr. Dabei gab es wenig Neues, was Strecken anging. Ich schaffte es immer noch nicht, die Rakete am Alabama Welcome Center zu besichtigen, obwohl ich vorbei fuhr. Mal hier oder da befuhr ich einen neuen Abschnitt einer Insterstate oder in eine bisher unbekannte Kleinstadt in Florida.
Wenigstens kam ich durch meinen Pendelverkehr zwischen Kanada und den Südstaaten ein paarmal an meiner liebsten Tankstelle in Burlington (VT) vorbei.

Erwähnenswert waren lediglich die Ausläufer von Sturm Florence, die ich passierte. Es wurde am Tag dunkel, windig und regnete stark. Ich hatte allerdings drauf geachtet, dass ich wirklich nur den Rand streifte. Aber das reichte mir, ich wollte erst gar nicht wissen, wie sich das dichter am Zentrum angefühlt hätte.

Nach meiner Heimkehr stand dann eine Tour mit einem sehr spannenden Reset auf dem Kalender. Ich hatte vorher allerdings noch ein Rennen geplant. Um mit dem Auto warm zu werden, sollte es ein Rundstrecken-Einzelzeitfahren sein. Da gab es viel Straße, viel Kiesbett daneben und auch einige Navigationshilfen in Form von Anbremstafeln und dergleichen, was den Einstieg erleichterte.

Talent hatte man und behielt man. Mit dem 93. von 200 Plätzen war ich in der vorderen Hälfte. Und gegen Fahrzeuge aus der GT-Klasse, wo sich insbesondere Porsche, Corvette, Viper und aus Japan Modelle wie Nissan GT-R und Honda NSX tummelten, würde ich nie eine Chance haben. Insofern lag meine Konkurrenz in der Klasse Sport Racing, wo die Gegner Toyota Supra, BMW M3 oder Ford Mustang hießen. Und hier war ich mit dem 34. von knapp 80 Plätzen auch nicht unzufrieden. Wenn ich mehr Routine hatte und das Auto besser kannte, würde ich bestimmt höhere Ansprüche stellen. Aber dann sollten die Zeiten eben auch schneller werden.

Nach dem Rennen ging es mit Pickup, Absetzcamper und Anhänger mit Rennwagen drauf wieder nach Hause. Montag früh hieß es „Konfrontationskurs West“.

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Hirochi und Ibishu sind eigentlich die beiden Kunstmarken aus BeamNG Drive, die Autos im japanischen Stil bauen. Die Fahrzeuge in dem Spiel sind insbesondere durch Lampen, Kühlergrills und hintere Seitenfenster so weit verfremdet, dass die realen Hersteller dem Publisher nicht an die Karre fahren können, aber doch so dicht am Original, dass man meistens problemlos erkennen kann, was es eigentlich sein soll.
Und so gibt es, von der Optik wie der Modellbezeichung her, kaum Zweifel, dass der Ibsihu 200BX ein Nissan 200SX (Baujahre 1989/1990) sein soll. Wer noch einmal ins erste Kapitel schaut, wird auch da den Honda Civic 4 und den Subaru Impreza GD in den Fahrzeugen aus dem Originalspiel problemlos erkennen, obwohl Details verfremdet sind.
Leider ließ sich kein echtes Mod-Auto finden, das beherrschbar wäre (viele neigen dazu, schon unter Halbgas mit dem Heck auszubrechen), auch noch Spaß beim Fahren macht, für Brandons Privatkasse erschwinglich wäre und eine Rennausstattung hat. Also musste ich irgendwie dafür sorgen, dass eins der Lookalike-Fahrzeuge in die Realität passt.



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