Kapitel 32 – Möbellaster

Montag, 29.04.2019

Auch diese Frage würde sich gleich beantworten lassen. Aber als ich in der Firma ankam, war von einem Truck für mich aber nichts zu sehen. Evan war mir mit dem Kenworth T800 und einem Flatbed-Trailer entgegen gekommen, so dass ich den wieder nicht persönlich kennen lernen konnte. Vom Blick durch die Scheibe schien er so ungefähr im gleichen Alter wie der Rest der Firma zu sein, also Mitte 20. Das Flatbed-STAA-Double war auf Caseys abfahrbereitem Freightliner Cascadia aufgesattelt. Also ging ich rein.
„Guten Morgen, Brandon. Leider bist Du etwas früher dran als Dein Truck. Aber der sollte auch gleich von der Werkstatt zurückkommen. Weil Du mir noch einen etwas untrainierten Eindruck machst, bekommst Du erst mal eine Tour mit dem Dry Van und entsprechend ohne Ladungssicherung. Wenn Du in Deinem Haus noch ein paar Wände streichst und Möbel schleppst, kannst Du auch Flatbeds fahren und Ketten spannen. Die Ladungssicherung ist bei denen kein Hexenwerk, wenn man schon Baumaschinen gesichert hat, notfalls fragst Du einen Kollegen. Den Rungentrailer kriegst Du aber erst, wenn ich Dich mit jemand anders gemeinsam zur ersten Ladestelle schicken kann und der Dir eine Einweisung geben kann.“

Ein Mechaniker klingelte, Brian nahm den Schlüssel für meinen Truck entgegen und reichte ihn an Casey weiter, ohne dass ich die Marke erkennen konnte. Es war sowieso ein alter Bartschlüssel, bei Baujahr Mitte 2000er Jahre in Amerika aber nicht außergewöhnlich. „Also, Brandon. Weil ich zwar beurteilen kann, ob Trucks wirtschaftlich sind aber sowieso keine Ahnung habe, wie man sie bedient, gibt Dir am besten Casey eine Einweisung, er ist den wenigstens in Vertretung schon mal gefahren, wenn seiner in der Werkstatt war und Harold Urlaub hatte. Und egal was der Dummschwätzer von sich gibt, der Truck ist nicht schlecht und erst recht nicht unzuverlässig, sonst wäre er nämlich schon achtkantig aus der Flotte geflogen.“ „Willkommen im Kleinunternehmen, hier mobbt einen der Geschäftsführer noch persönlich!“ Na die Stimmung hier schien hart aber herzlich zu sein, denn beide grinsten sie bei ihren gegenseitigen Anwürfen.
„Klar, oder soll ich mir extra für Dich einen Folterknecht suchen? Mach dass Du runter kommst, Brandon den Truck zeigst und dann mit Deinem eigenen Gespann vom Hof kommst. Du kommst dann wieder rauf, Brandon. Wir haben noch 2 bis 3 Stunden Bürokratie zu fechten, bevor Du los kannst. Und wie gesagt, hör nicht hin, wenn er den Truck runter putzt!“ „Ach, Brian. Dachtest Du wirklich, ich könnte einen Freightliner-Fan ernst nehmen?“ „Mir scheint, Du gliederst Dich schon perfekt ins Unternehmen ein!“

Auf der Treppe meinte auch Casey dann: „Cool drauf bist Du ja. Du kennst Brian schon etwas besser scheint mir?“ „Na ja. Ich bin 3 meiner 5 Jahre für Caterpillar gefahren. Persönlich gesehen haben wir uns in der Zeit 4 oder 5-mal zu einer förmlichen Besprechung.“ „Und Evan?“ „Ein Namenskürzel und eine Stimme am Telefon. Noch nie persönlich getroffen, eben die Straße von der Firma zur Interstate runter kam er mir entgegen.“ „Der ist auch cool drauf, steht nur entschieden zu sehr auf Kenworth! Und muss noch viel übers fahren lernen.“

„Ach, da hat er ihn hingestellt. In die letzte Ecke vom Hof, wo er hin gehört!“ „GEIL!“ „Jetzt sag mir nicht, dass Du die Karre toll findest…“ Anstatt zu antworten, rannte ich wie ein kleiner Junge zu meinem neuen Spielzeug.

Das erklärte auch einiges, denn der Markt in den USA war streng hierarchisch strukturiert. Ganz oben waren die Edelmarken, das waren Western Star, Mack und Peterbilt.
Dann gab es vom Image eine Mittelklasse. Dort hatte Kenworth mit dem Aussterben der zahlreichen Konkurrenten von White über Diamond-Reo und Marmon-Harrington bis GMC zwischen 1980 und 2000 ein Monopol erreicht. Das führte dazu, dass Peterbilt einem typischerweise sowohl als Flottengerät wie auch als Owner-Operator-Maschine begegnen konnte.
Und den Abschluss bildeten die Flottenmaschinen. In den USA war das beinahe traditionell International, früher mischten dort Ford und später Sterling mit. So lange es Sterling gab, gehörte Freightliner noch mit Kenworth zur Mittelklasse. Aber in den letzten 10 Jahren hatten sich die europäischen Konzerne alle Mühe gegeben, die Mittelklasse aufzulösen und mit den traditionell etablierten Nobelmarken Mack und Western Star die anspruchsvollen Owner-Operator zu bedienen und ihre Kernmarken Volvo und Freightliner gnadenlos vom Image heruntergewirtschaftet und im Flottengeschäft versenkt. Der Abgasskandal von International und Caterpillar Road Engines in den 2000ern hatte dazu aber auch zusätzlich eingeladen, in die offene Flanke zu drängen. Bis nach der Jahrtausendwende war International die mit Abstand größte Marke Nordamerikas gewesen, heute waren sie weit abgeschlagen hinter Freightliner, Peterbilt und Kenworth die Nummer 4, dicht gefolgt von Volvo und weit vor Mack. Western Star wurde eher in homöopathischen Stückzahlen verkauft. Passenderweise war als Folge dieser Krise ausgerechnet Volkswagen Großinvestor bei Navistar geworden. Gleich und gleich gesellt sich gern.

Nun hatten aber auch die „Massenmarken“ Freightliner, International und Volvo ihre Fans unter Owner Operators oder wie wir bei PCT unter Angestellten kleiner Unternehmen, deren Inhaber fernab von Flottenrabatt ihren Fahrern versuchten, zu kaufen, was sie am liebsten fuhren. Und genauso wie die Fans der Premiummarken Mack, Kenworth und Western Star konnten auch die am anderen Ende der Skala ihre Rivalitäten leidenschaftlich ausfechten. Und genau das schien Casey getan zu haben.

„Schon mal einen gefahren?“ „Leider noch nie, hatte mir als Owner-Operator ein Bisschen von klangvoller Marke geleitet einen Peterbilt 579 gekauft, was erst mal kein schlechter Truck war. Habe danach aber mal auf einem Truck Stop in einem 9400 gesessen und mich gewundert, wie viel Platz in einem Classic sein kann, wenn man sonst nur Peterbilt 389, Kenworth W900 und Mack Superliner kennt.“ „Okay, wenn ich mal die Markenbrille absetze und fair bin, Platz ist hier wirklich gut drin, besonders für einen Classic, dessen Grundkonstruktion aus den 70ern stammt. Evans Kenny ist deutlich kleiner. 460 PS Cummins-Maschine, Fuller 13-Gang, Pro-Sleeper und das ehrlich gesagt beneidenswerte Eagle-Ausstattungspaket. Wenn man auf International steht, eigentlich das Beste, was man kriegen kann, außer man hätte den Mega-Sleeper natürlich.“
„Den Anstriebsstrang kenne ich noch aus meiner ersten Angestelltenzeit, die Kombination hatten bei Costco alle W900 sowie die älteren T680 und International Prostar. Das waren nur halt so richtig üble Flotten-Eimer, und die Verarbeitung von Hartplastik und Kunstleder kann International noch deutlich mieser als Kenworth muss ich zugeben.“ „Dann bist Du noch keinen Freightliner Coronado in Flottenausführung gefahren. An der Plastikrassel habe sogar ich als Fan der Marke gezweifelt.“ „Kann ich drauf verzichten. Auf einen New Cascadia mit Vollausstattung aber auch.“ „Ich muss wohl Brian überreden, dass Du meinen Cascadia kriegst, wenn der 9400 weg geht? So als Überzeugungshilfe?“ „Du meinst als Hilfe, mich dazu zu überzeugen, das Unternehmen zu verlassen?“ „Gegen Dich ist schwer anzukommen. Auf jeden Fall ein Gewinn gegenüber Walter, der zum Lachen in den Keller gegangen ist! Also dann, viel Spaß mit der Gurke. Und wenn Du mal eine Frage hast, melde Dich einfach. Mit dem Truck solltest Du wohl fertig werden, aber wenn Du sonst mal Hilfe brauchst, einen versteckten Kunden zu finden oder nicht weißt, wo Du nachts stehen kannst, ruf einfach an. Ich bin jetzt seit 3 Jahren für diese Firma unterwegs und kenne mich in unserem normalen Aktionsradius aus.“ Wir tauschten also noch die Handynummern aus. „Danke. Und gute Fahrt, sofern das mit Deinem Eimer überhaupt möglich ist!“ Casey streckte mir die Zunge raus und ging zu seinem Freightliner.

Ich ging wieder rauf zu Brian. „Und? Wie gefällt er Dir? Auswahl haben wir leider erst mal keine, aber der wird wohl wahrscheinlich sowieso als nächstes raus gehen.“ „Ein International war mein Traum, seit ich gemerkt hatte, dass ich mir besser gleich einen gekauft hätte anstatt den Peterbilt. Von mir aus muss der nicht weg.“ „Na also, dann haben ja zufällig alle drei ihre feuchten Fernfahrerträume erfüllt, zumindest was die Marken angeht. Von Verbrauch und Steuern her muss er aber doch mal irgendwann weg! Wird nur spannend, sich mit Webfoot zu einigen. Ich hatte gehofft, das bliebe mir erspart.“
„Wer ist Webfoot?“ „Eine markenungebundene Werkstatt mit markengebundenem Verkauf. Der hiesige International-Händler. Leider hat man mich als Unternehmer nicht ernst genommen, weshalb ich für die Wartung der ganzen Flotte zu Jon MacKay gewechselt bin und auch Isaac nun treu bleiben werde. Der hat aber Reparatur aller Marken und Freightliner Verkauf. Wahrscheinlich wird der eine oder andere alte, bärbeißige Trucker Isaac mit den gleichen Augen sehen, wie der eine oder andere bärbeißige Werkstattbesitzer mich als Spediteur gesehen hat. Das mit dem Wechsel dürfte mir Webfoot aber übel nehmen, wenn ich einen Truck kaufen will und nach dem Preis frage.“

Wir kümmerten uns noch um meine endgültige Adresse, Bankdetails, Brian bezahlte zweiwöchentlich, weil das sein Großvater schon so gemacht hatte, er deshalb Casey den Vertrag nicht ändern wollte und auch nicht anfangen wollte, verschiedene Zahlungsmodalitäten bei drei Fahrern zu haben. In den USA gab es wöchentlich, zweiwöchentlich und monatlich als übliche Bezahlungen. Schließlich war alles besprochen und erledigt, ich konnte aufsatteln und losfahren, oder eher erst mal schauen, wo ich hin fahren musste.

PICKUP: ORMFR-HAW
DESTIN: OREUG-WAL-ES
TRAILER: DRY53
LOAD: FURNITURE
WEIGHT: 37,537
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Versender war also Heartwood, ein holzverarbeitender Betrieb. Jetzt vermisste ich den Button für die automatische Übertragung ins Truck-Navi. Also tippte ich die Adresse von Hand ein, nur um zu merken, dass es in der übernächsten Straße war. Anfängerprobleme in unbekanntem Gebiet, aber die Ladestellen in Medford sollte ich recht schnell kennen lernen. Ich sattelte den 53‘ Koffer auf und machte mich auf den Weg. Es ging nun schon ziemlich auf Mittag. Ich nutzte die Ladezeit, um meine Tasche und den mit Truck-Sachen vollgepackten Umzugskarton auszupacken. Da waren so Dinge wie meine Werkzeugkiste, die üblichen Helferlein, aber auch die hier dank Festeinbau überflüssige Kompaktmikrowelle drin. Die Eagle-Versionen waren eben Internationals Vollausstattungen, da blieben so gut wie keine Wünsche offen, die man aus dem Zubehörhandel befriedigen musste.

Bald danach war ich also unterwegs auf der Schlagader der Westküste und an der Waage nördlich von Myrtle Creek stellte ich dann fest, dass ich keinen Transponder in diesem Truck hatte. Also musste ich raus ziehen. Vor der Brücke gab es aber grünes Licht und so durfte ich an der Waage vorbei und wieder auf die Interstate. Kontrollstationen, wo andere Urlaub machen.

Das Wetter um kurz nach 5 PM war dann nicht mehr ganz so urlaubsreif, als Regen einsetzte. Um 5:51 PM kam ich am Außenlager von Walmart an und bekam gleich mal Truckers Alptraum zugeteilt, insbesondere mit einem 53‘ Auflieger. Ich sollte an Tor 9. Also zog ich erst mal mit dem Trailer einen Donut auf den Hof und fuhr dann mit dem unbekannten Truck und einem nach der langen Zeit mit den 40‘ und 45‘ Tiefladern ungewohnt sperrigen Trailer über die blinde Seite die Position an.

Während ich mir einen Wolf kurbelte, funkte auch noch Isotrak dazwischen. Vom Fahren her ein kurzer Arbeitstag, allerdings durfte ich nicht vergessen, dass ich ja vorher im Büro einige Formalitäten mit Brian erledigt hatte.

LOCATION: OREUG
ACTION: 11H BREAK
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Also durfte ich bis gegen viertel vor fünf Pause machen. Ich suchte mir hier einen Stellplatz. Ein Truckstop war hier in der Nähe nicht und erst weit im Norden von Eugene. Musste ich mal wieder mit dem Gully zum Zähneputzen über die Runden kommen. Kanister hatte ich noch nicht wieder dabei, im Truckeralltag ja auch eigentlich überflüssig. Weil es eine recht belebte Gegend war, musste ich für die Toilettengänge in die Gastronomie ausweichen, was auch bedeutete, dort einzukehren. Zum Abendessen suchte ich mir den 6th Street Grill aus.


Dienstag, 30.04.2019

Weil das Cafe mit dem schlüpfrigen Namen „Morning Glory“ leider erst um 7:30 öffnete, musste ich eine halbe Meile zum 24 Stunden geöffneten McDonald’s laufen, um zu frühstücken und eine Toilette benutzen zu können. Dann kam ich zurück, machte meine PTI und hörte das Signal vom Laptop, dass der neue Auftrag da war. Irgendwie kam mir das bekannt vor.

PICKUP: OREUG-HOM-WH
DESTIN: ORDLS-HOM-MA
TRAILER: DRY53
LOAD: FURNITURE
WEIGHT: 37,537
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Also fuhr ich zum Lager von Home Depot, einer großen Baumarktkette, und ließ mir dort wieder Möbel drauf packen. Danach ging es an die Nordgrenze des Bundesstaates. So richtig wusste ich gar nicht, wo ich hin gucken sollte. Ja, die Appalachen waren auch sehenswert, aber die Kaskadenkette steckte sie doch irgendwo locker in die Tasche.

Bei Cascade Locks stand mal wieder ein blinkendes Verkehrsschild, man wollte mich wiegen. Und hier gab es auch keine grüne Ampel, ich musste auf die Waage fahren. Bei 74,118 lbs. blieb sie stehen, nun gab es eine grüne Ampel, also durfte ich direkt ausfahren.

In The Dalles erreichte ich fast genau um 12 PM den Baumarkt von Home Depot und rangierte mein Geschoss an die Rampe. Die Entladezeit nutzte ich, um mir ein Sandwich zu machen und ich schaute mal ein Bisschen auf Youtube vorbei.
Marius war vom Livestreaming abgekommen, aber stellte nun qualitativ hochwertig geschnittene Aufzeichnungen online. David in Philadelphia war auf die Hochrisikoschiene gegangen, weshalb ich seinen Kanal deabonnierte. Ich wollte nicht im Livestream seinen Absturz in Echtzeit erleben, sollte der Mal passieren. Jamie deabonnierte ich aus persönlichen Gründen.

Wer mir auf meinen Truckerkanal eine PN geschrieben hatte, war mein Krankenhaus-Zimmerkamerad James. Er wollte wissen, wie es mir ging und was ich machte. Ihm hatten sie eröffnet, dass er jetzt auf der Warteliste weit genug nach oben gewandert war, um auf ein Spenderherz hoffen zu können.
Ich antwortete, dass es mir gut ging und dass ich umgezogen war an die Westküste. Das war meine erste Woche wieder mit Truck und auf dem Kanal würde es demnächst also neues Material geben.

Der neue Auftrag drängelte sich auch dazwischen. Weil ich hier entladen werden musste, hatte ich keine Pushmeldungen bei Annäherungen ans Ziel. Ich glaube, ich habe ein Deja Vu…

PICKUP: ORDLS-BNS
DESTIN: ORNPO-WAL-ES
TRAILER: DRY53
LOAD: FURNITURE
WEIGHT: 37,537
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW


Also fuhr ich zum Güterbahnhof und ließ mir wieder Möbel drauf packen. Danach ging es an der beeindruckenden Kulisse des The Dalles Dam vorbei zurück zur I-84.

In dieser Richtung durfte ich an der Waage vorbei fahren. Das war wiederum der Haken im Westen. Während die Stationen im Osten ohnehin weniger zahlreich waren und dann auch noch wahlweise defekt, geschlossen oder wenigstens unterbesetzt waren, wurde im Westen ziemlich flächendeckend kontrolliert. Und besonders die Oregon State Police hatte einen Achslastfetisch, über die sadistischen Neigungen der California Highway Patrol, die sie an Truckern auslebten, brauchte man kein weiteres Wort mehr zu verlieren.

Hinter der Yaquina Bay Bridge lag in Newports Stadtteil South Beach mein Ziel für heute. Und auch wenn das Lager ständig besetzt war, würde ich meine Schichtzeit überschreiten, wenn ich jetzt noch abladen fuhr. Also parkte ich im Schatten der Brücke ein, machte mir eine Dose Chili warm und wartete auf den nächsten Morgen.

Mittwoch, 01.05.2019

Nun konnte ich entladen und bekam zu meiner Überraschung doch eine Push-Meldung, sobald ich mich die letzten 300 Yards zum Tor von Walmart in Bewegung gesetzt hatte. Jetzt begann ich aber wirklich an der Sache zu zweifeln, obwohl ich nach der Zeit in der Logistik und einem entsprechenden Bachelorabschluss einiges gewöhnt war.

PICKUP: ORNPO-WAL-ES
DESTIN: ORCOB-WAL-SC
TRAILER: DRY53
LOAD: FURNITURE
WEIGHT: 37,535
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Der Lagerist nahm meine Unterlagen entgegen und wusste schon, mit wem er es zu tun hatte: „Kriegst Du gleich wieder welche für Coos Bay drauf?“ „Ja. Und ich hätte da mal eine Frage. An sich bin ich nach 5 Jahren in dem Gewerbe ja einiges gewöhnt. Ob von einer Möbelfabrik in der Nähe zu Euch, vom Großlager zum Baumarkt oder von einem Bahnhof zu Euch, immer sind es 37,537 Pfund Möbel! Und jetzt bringe ich die zu Euch und nehme sie auch gleich wieder mit?“
„Ich nehme an, dass die Möbelfabrik Heartwood ist. Denn die stellen die Dinger her, das sind Gartenmöbel, die haben gerade Saison. Und auf einen 53er Trailer passt eine bestimmte Anzahl Paletten. Und auf eine Palette eine bestimmte Anzahl Möbel, daher immer das gleiche Gewicht. Die Dinger sind alle aus hellem Holz und werden dann in Klarlack, verschiedenen dunklen Holzfarben oder Modefarben imprägniert. Du hast uns jetzt nur Teakfarbene gebracht, Deine nächste Ladung ist kommissioniert aus verschiedenen Farben für einen unserer Märkte.“
 „Aha. So macht das wenigstens langsam Sinn.“

Erste, unerschrockene Gäste wagten sich bei Sonnenschein, aber noch eher schattigen Temperaturen an den Strand. Und am Cook’s Chasm bedauerte ich es, dass ich keine Zeit hatte, mal anzuhalten und die Sehenswürdigkeiten zu genießen. Wahrscheinlich müsste ich im Sommer mal das eine oder andere Wochenende mit dem Camper an der Küste entlang fahren.

Eine weitere Sehenswürdigkeit lag dann aber auf dem Weg oder besser gesagt der Weg lag auf ihr. Die McCullough Memorial Bridge war allerfeinste Art Deco Architektur.

Am Walmart Supercenter nutzte ich die Gelegenheit, um das Gebäude zum Vordereingang zu umrunden und ein Bisschen einzukaufen. Der neue Auftrag kam unterdessen rein, es waren keine 37,537 Pfund Möbel.

PICKUP: ORCOB-ADM
DESTIN: CAEKA-GAL
TRAILER: DRY53
LOAD: FERTILIZER
WEIGHT: 36,960
DISPATCH: ORMED-PCT-BRW

Die ADM-Niederlassung war nicht weit von hier, also war ich schnell dort und konnte die Beladezeit dann dazu nutzen, den eben gekauften Salat gleich zu essen.

Um 1:21 PM ging es weiter. Am Point of Entry wollte mich die California Highway Patrol nicht sehen, nur das DFA machte die kurze Inspektion. Weil die Schichtzeit wieder nicht reichen würde, um noch abzuladen, fuhr ich auf einen Parkplatz und machte Feierabend.


Donnerstag, 02.05.2019

Nach der PTI fuhr ich zum Weingut und lieferte meine Ladung ab. Der nächste Auftrag kam inzwischen, während ich eine Schüssel Mini-Wheats frühstückte. Er wunderte mich etwas für einen ungedämmten Trailer.

PICKUP: CAEUR-WAL-CW
DESTIN: CASFO-711
TRAILER: DRY53
LOAD: FRUIT
WEIGHT: 38,062
PRIORITY: IMMEDIATE
REMARKS: PROFESSIONAL TRAILER INSIDE CLEANING BEFORE LOADING
DISPATCH: ORMED-PCT-BRW

Nach dem Abliefern tankte ich erst einmal voll. Nun gab es natürlich, weil Brian nicht wie CAT mit allen Betreibern verhandeln und das Ganze dann als Sammelrabattkarte in Auftrag geben konnte, ein ganzes Kartenspiel von Kundenkarten bei allen großen Ketten, teils mit Rabatt und teils ohne. Auch den Trailer ließ ich hier reinigen und mir ein entsprechendes Zertifikat für Lebensmitteltransporte ausstellen. Dann fuhr ich zum Walmart-Zentrallager.

Danach ging es weiter auf der US-101 nach Süden und auf der George M Leatherwood Memorial Bridge über das sehr sehenswerte South Fork Eel River Valley. Landschaft gab es hier jedenfalls.

Letzte Brücke für den Tag war dann natürlich die Golden Gate Bridge, für die und andere Mautstellen Kaliforniens wenigstens ein FasTrak-Transponder an Bord war.

Die kleinen Höfe von den konzeptionell als Grundversorgermärkte nah am Kunden ebenso kleinen 7-Eleven waren mit einem 53‘-Auflieger eine besondere Herausforderung. Die Ladung waren dann Äpfel und Birnen, dazu aber auch einiges an Wurzelgemüse wie Möhren und Kartoffeln gewesen, die einen kurzen Transport bei diesen Außentemperaturen auch ohne Dämmung oder sogar Kühlung aushalten konnten.

Während ich abgeladen wurde, rief ich dann doch mal Casey an: „Sorgentelefon für leidende International-Fahrer. Wie kann ich helfen?“ „Ich habe einen Freightliner gesehen. Was kann ich gegen den Brechreiz machen?“ „Oh Mann. Für Dich muss ich meine Schlagfertigkeit wohl doch wieder etwas trainieren. Was gibt’s denn wirklich?“ „Wo stellt man sich in San Francisco über Nacht hin? Habe in North Beach am 7-Eleven abgeladen.“ „Wie es weiter geht, weißt Du noch nicht?“ „Nein.“ „Dann wäre ein PKW-Parkplatz eine Möglichkeit. Einige unbekannte sind nicht so voll, so dass man noch bequem einen Zug abstellen kann. Gib Bay Truck Sales als Ziel ein, ein guter Parkplatz ist direkt daneben.“ „Die verkaufen aber nicht Freightliner?“ „Nein, Volvo. Keine Ahnung, ob Dein Magen den Anblick besser erträgt.“ „Nein, rein optisch noch schlimmer. Hatte nur mal einen 2017er VNL als Werkstattersatzfahrzeug. Immerhin fahren ließ er sich ganz gut.“

Ich gab also die Volvo-Niederlassung als Ziel ein und fand gegen 20 nach 5 auf dem PKW-Parkplatz in der Tat eine Stellfläche. Ich schlenderte aus Langeweile durch die Reihen und fand einen International LoneStar, den man wohl in Zahlung genommen hatte. Die Knopfaugen-Scheinwerfer störten mich zwar etwas. Aber die waren leider nur bei einem Werks-Sondermodell in Zusammenarbeit mit Harley Davidson mal durch klassische Rundscheinwerfer ersetzt worden. Ansonsten war er durch seine außergewöhnliche Form schon ein Hingucker.
Eine Frau sprach mich an: „Guten Abend. Kann ich Ihnen behilflich sein?“ „Nein, ich schaue nur. Und aus Oregon komme ich auch noch.“ „Ach, wo genau denn?“ „Medford.“ „Das ist doch gar nicht so weit. Man muss ja nicht im Heimatstaat kaufen.“ Ihr Blick fiel auf meinen 9400i vor dem Tor: „Und eine mindestens 12 Jahre alte Zugmaschine dürfte ja bald zum Ersatz anstehen.“ In der Tat war meiner der finale Abgesang auf den 9400i, der 2007 sein letztes Modelljahr erlebt hatte, nachdem bereits für zwei Jahre der ProStar als Nachfolger parallel verkauft worden war. Zwar entschied Brian, was er wo für mich als Nachfolger kaufen würde, aber ich witterte die Chance, mal in einen halbwegs aktuellen International mit Sky Rise Sleeper und mehr als Flottenpaket rein zu kommen. „Da ist sicherlich was dran.“
„Ich hole mal den Schlüssel, dann können Sie sich rein setzen.“ Sie konnte auf jeden Fall hartnäckig am Ball bleiben, wenn sie ein Geschäft auch nur im Ansatz erahnte. Nun war es ja meistens so, dass Händler immer scharf drauf waren, Fremdfabrikate vom Hof zu kriegen. Die mussten sie sowieso mit Rabatt verkaufen, weil quasi niemand zu ihnen kam, um die zu suchen. Und jeden Tag, den sie ihn auf dem Hof hatten und von einem Hiwi das Lametta polieren lassen mussten, verdienten sie weniger dran.
Sie gab mir den Schlüssel und ich kletterte auf den Fahrersitz. Kabine und Cockpit entsprachen von der Form dem ProStar, den ich ja oft genug gefahren war, hatten aber mehr Holzimitat und Chromzierrat, Leder und auch die Oberflächen aus Plastik waren hochwertiger. Technisch war der LoneStar ein ProStar oder seit dem Facelift ein LT mit einer Front im Retro-Stil der 40er Jahre. Allerdings merkte ich deshalb auch hier wieder, wie viel mehr Platz mir ein ProStar gegenüber dem Peterbilt 579 geboten hätte. Und mit dieser Kabine war International auf jeden Fall ganz vorne dabei in der 70-75“ Klasse. Egal, der Peterbilt war Vergangenheit.
Die Dame gab mir noch ihre Karte. Julie Snyder. Für den Namen konnte sie nichts und dennoch musste ich mich beherrschen, die Form zu wahren. Zu viele negative Erinnerungen hatte ich dank dem Rausschmeißer meines Vaters an diesen Nachnamen. Ich verabschiedete mich, machte mir in meinem Truck ein Abendessen und ging danach noch etwas in den Parks und an der Waterfront spazieren.


Freitag, 03.05.2019

Noch relativ früh stand ich wieder auf, machte mit einem mahnenden Gedanken an Isaac und der Bemerkung von Brian, dass er mich noch zu geschwächt für die Ladungssicherung an einem Flatbed hielt, eine Runde Frühsport. An Marina Green konnte ich das Joggen für einen guten Teil Freerunning unterbrechen.

Mein neuer Auftrag kam während ich auf dem Laptop beim Frühstück etwas Youtube schaute. Also sah ich ihn mir danach an. Na was für eine Überraschung.

PICKUP: CASFO-POR
DESTIN: CAUKI-WAL-CS
TRAILER: DRY53
LOAD: FURNITURE
WEIGHT: 37,573
SUPPLY PORT: ISLAYS CREEK
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Islays Creek Terminal war am südlichen Rand der Innenstadt, der nördlichste Frachthafen quasi, nachdem alles zwischen Golden Gate und Bay Bridge zu Vegnügungsmeilen und Nobelquartieren umfunktioniert worden war. Also durfte ich mit meinem Sattelzug die Embarcadero runter fahren. Das letzte Mal hatte ich dieses Vergnügen mit einem Audi A7. Noch kein Jahr her und so viel war seitdem passiert.

Danach ging es wieder nach Norden. Walmart in Ukiah, da war doch auch was auf der Tour gewesen. Und da sollte auch heute was sein, aber weniger dramatisch würde es auf jeden Fall. Mein nächster Auftrag kam schon vor der Einfahrt mit Pushmeldung, also sollte ich gleich wieder hier beladen werden.

PICKUP: CAUKI-WAL-CS
DESTIN: CARDD-CSC
TRAILER: DRY53
LOAD: PALLET RETURN
WEIGHT: 43,500
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Ich machte, als ich mit der Anweisung an welches Tor ich sollte, zum Truck zurück kam, ein Foto und schickte es an Marius: „Zurück am unschönen Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“

Eine Antwort von Marius kam nicht, er las die Meldung nicht mal in der Zeit, die ich hier stand, um ent- und beladen zu werden und er war das letzte Mal am Mittag seiner Zeit online gewesen. Na wo der sich mal wieder rum trieb? Seine letzten Videos waren aus der Ukraine.

Um 12:11 PM war ich wieder unterwegs, heute würde es wohl noch bis Redding reichen, morgen dann der mit Brian vereinbarte Heimatschuss. Die Instandsetzung der CA-20 für Schwerverkehr ließ weiter auf sich warten, also musste ich auf der US-101 bis Eugene und dann nach Osten. Vor mir war ein hoffnungslos untermotorisierter Peterbilt 579 von Pohl Transportation, gefolgt von einem weiteren Truck, im Rückspiegel hatte ich den nächsten Peterbilt 579. Und die Straße war steil und kurvig.

Dieser unfreiwillige Konvoi hatte mich dann so viel Zeit gekostet, dass ich vor Redding auf einen Schotterplatz fahren musste, um meine Nachtruhe zu verbringen. Marius antwortete kurz nachdem ich angehalten hatte. „Da hast Du Recht. Irgendwie ist unsere Freundschaft aber nicht nur wunderbar sondern auch sehr speziell.“
Bei ihm war es jetzt 2:30 AM, also mitten in der Nacht. Mit seinem Kommentar konnte ich wenig anfangen und drückte das mit einem fragend dreinschauenden Emoji aus. „Sorry, ich bin hundemüde und noch einige Stunden von der Bettkante entfernt.“ Damit ging er offline.


Samstag, 04.05.2019

Es war noch dunkel und für andere Leute mitten in der Nacht, als der Wecker klingelte. Nach Frühsport in erfrischendem Regen, Kanisterwäsche, Frühstück und PTI fuhr ich zu Costco, lieferte die Paletten ab und bekam während der Ladezeit meinen neuen Auftrag.

PICKUP: CARDD-WAL-CW
DESTIN: ORMFR-WAL-SC
TRAILER: DRY53
LOAD: TOYS
WEIGHT: 34,117
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Mi Abladen bei Costco und Laden bei Walmart war ich kurz vor 5 AM auf dem Weg nach Hause. Das konnte ja ein langer und anstrengender Tag werden. Heute wollte ich noch Wände streichen, morgen auch und dann am Montag, den ich mir frei genommen hatte, die Möbel holen. Isaac hatte mir Hilfe versprochen, Brian wusste noch nicht, ob er kommen konnte.

Die neue Heimat war erreicht und weil ich dieses Mal nicht auf der Überholspur die Trucks passierte sondern rechts fahren musste, um die Waage anzusteuern, sah ich auch zum ersten Mal das Grenzschild von Oregon.

Die Waage durfte ich dann aber passieren. Nach 9 AM kam ich bei Walmart an, wurde entladen. Dann war die Woche zu Ende. Am Dienstag um 7 Uhr sollte ich also wieder antreten.

LOCATION: ORMFR
ACTION: 70H BREAK
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Ich fuhr noch zum Truck Stop, um den Truck zu tanken. Am Betriebshof stellte ich den Truck ab, setzte mich in den Silverado und fuhr zu meinem Haus.

Was oder eher wer mich dort erwartete, konnte ich kaum glauben. In abgewetzten Klamotten, also scheinbar als Renovierungshelfer, standen Isaac, Brian und Casey bereit, aber auch Randy war von San Leandro rauf gekommen und sprachlos war ich dann, dass sogar Christian aus Calgary eingeflogen war. „Was macht Ihr denn alle hier?“ Randy grinste mich an: „Ich habe mir gedacht, viele Hände schnelles Ende. Du willst doch nicht ewig auf dem Campingplatz wohnen, während Du hier renovierst?“

Ich fühlte, dass ich was sagen sollte: „Vielen Dank, dass Ihr hier seid. In Philadelphia haben mich meine Freunde dort mit tatkräftiger Hilfe verabschiedet und hier werde ich wieder von meinen Freunden als Helfer empfangen. Und nicht nur von hier, sogar aus Kanada hat sich jemand auf den Weg gemacht. Danke Christian! Dazu ist mit Casey schon der erste hier neu gewonnene Freund dabei.“ „Wenn wir das Gespräch einfach nur auf Truckmarken lenken, ist es mit der Freundschaft zwischen Euch wohl schnell wieder aus.“ „Na Brian? Neidisch, weil Du weder International noch Freightliner selber fahren darfst?“
„Jedenfalls freut es mich, dass mich somit alle meine Freunde bei diesem Unternehmen „einmal quer über den Kontinent“ irgendwie unterstützt haben, sei es in Philadelphia oder hier.“ Randy räusperte sich: „Das sollen alle sein? Ich dachte, Du hättest noch einen engen Freund mehr.“ Das konnte er nicht wirklich ernst meinen, oder?

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