Donnerstag, Vöhringen.
Nach dem Abendessen haben wir noch einen kleinen Spaziergang durchs Dunkel gemacht und dem Plätschern des Schlappenbach gelauscht. Gegen Mitternacht ging es nur noch fix zum Zähneputzen im Sanitärtrakt vom Autohof. Anschließend hieß es Gardinen und Augen zu.
Mein Handywecker bleibt stumm, da ich es immer noch nicht geschafft habe die SD-Card vom Smartphone zu resetten. Stattdessen erklingen jetzt um 06:15 Uhr AC/DC mit Hells Bells von Sandras mobiler Telefonzelle als Weckton. Dong… Dong… Dong…
Ich bekomme einen Kuss und erwidere diesen. Ich gucke in strahlend blaue Augen. „Auf in den Donnerstag.“ Wir machen uns im Autohof ein schnelles Frühstück.
Um 07:20 Uhr sitze ich hinter dem Lenkrad und bugsiere den Zug über die L409 zur Autobahnauffahrt. Es geht über die A81 in Richtung Singen.
Ein Stück hinter Ebringen endet die A81 und verengt sich auf eine Fahrspur. Nach gut dreihundert Metern erreichen wir einen Kreisverkehr den wir an der ersten Ausfahrt verlassen. Über die B34 geht es in Richtung Grenzübergang zur Schweiz.
Um 08:45 Uhr stelle ich den Scania in eine Parkbucht. Sandra und ich gehen mit unserer Mappe voll Dokumenten ins Büro vom Zollamt. Lufthansa Cargo hat sich als zugelassener Empfänger im Vorfeld bereits um die notwendige Anmeldung für die Einfuhr in die Schweiz gekümmert. Und auch für die Transitware nach Palermo ist alles Notwendige bereits veranlasst. Trotzdem dauert die Abwicklung gut eine Stunde.
Ich klemme mich hinters Steuer und Sandra verschwindet im hinteren Teil der Kabine. „Älskling?“ „Ja?“ „Was machst du da hinten eigentlich?“ „Ich dachte ein frischer Kaffee kann nicht schaden. Du hast die Kanne von heute früh ja schon geleert.“ „Du är en ängel. Och om kaffekannan … du måste erkänna att den är ganska liten. Och det har också ett hål.“ Sandra prustet laut lachend los. „Jaja. Das Loch nennt sich Einfüllöffnung.“




Wir passieren die Abfahrt Mutzentäli. Im Radio schwenkt die Musik gerade von Nirvana mit Come as you are zu Voices von Russ Ballard um. Sandra klettert auf den Beifahrersitz; nicht ohne mir vorher einen Kuss auf die Wange zu geben. Sie stellt meinen Kaffeebecher in den Halter.
Die A4 führt uns über den Rhein in den Kanton Zürich. Bei Winterthur-Nord halten wir uns in Richtung Zürich/Wülflingen.
Am Dreieck Zürich-Ost ist dann bereits der Flughafen ausgeschildert.
Kloten-Süd. Bis hierher stehen fünfundfünfzig Minuten Fahrzeit seit dem Grenzübertritt auf der Uhr. Blinker rechts. Auf der Ausfahrt staut es sich dann. Ich könnte mich darüber aufregen; aber ändern würde es an der Situation nichts. Sandra hat inzwischen ihren Laptop aufgeklappt und erledigt über unsere Firmensoftware Büroarbeit. Sie blickt zu mir auf. „Ich fühle mich beoabachtet.“ „Das mag daran liegen, dass ich dir beim Arbeiten zugucke.“
Als ich endlich am Cargocenter auf den Hof fahre ist es bereits 11:10 Uhr.
„Hej. Einmal der hansekontor für LufthansaCargo. Abladen und zuladen.“ melde ich mich im Büro. „Guete Tag.“ Ich reiche die Frachtpapiere rüber und bekomme ein Tor fürs Abladen zugeteilt. „Ihre Zuladung für Palermo bekommen Sie später allerdings an einem anderen Tor. Die ist auch noch nicht fertig. Stellen Sie sich bitte nach dem Abladen an die Seite. Ich würde Sie dann anrufen, wenn Sie laden können.“ „Ok. Ich gehe mit meiner Frau dann eben zum Mittagessen.“ „Kein Problem, vor 14:00 Uhr rechne ich eh nicht damit, dass Palermo fertig ist.“ Ich gebe dem Sachbearbeiter meine Mobilfunknummer und gehe zurück zum Scania.
„Die Ladung für Palermo lässt noch auf sich warten. Sobald die Anlieferung runter ist sollen wir uns an die Seite stellen. Lass uns dann eben rüber zum Airportcenter. Mittagessen und ein bisschen Flieger gucken auf der Zuschauerterasse.“
…
Punkt 14:00 Uhr klingelt mein Telefon. „hansekontor. Christian Dansör. Hallo.“ „Hallo Herr Dansör. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben… Palermo ist in einer halben Stunde bereit zum Verladen.“ Er nennt mir noch das Tor und legt auf…
…
Die Verladung der acht Europaletten geht schnell über die Bühne. Ich ziehe den Zug von der Rampe und schließe die Türen. Sandra holt derweil die Papiere im Büro.
Es ist 14:55 Uhr. Über die Flughafenstraße fahre ich zur A51.
Unterwegs meldet sich der Verkehrsfunk. Ein Unfall mit Vollsperrung auf der eigentlich geplanten Strecke. Das Navi hat inzwischen auch reagiert und lotst mich am Kreuz Zürich-Nord auf die A1 in Richtung Bern/Basel, westlich um Zürich herum.
…
„Ich muss mal.“ „Du warst doch gerade in Zürich…“ „Willst du jetzt diskutieren?!“ „Nein.“ „Dann fahr bitte da vorne an der Tankstelle ab.“
Kaum steht der Hauber ist Sandra aus dem Fahrerhaus raus und sprintet in Richtung Tankstellengebäude. Ich stelle die Überwacher auf Pause, schließe den Scania ab und gehe ebenfalls zum Tankstellengebäude. Wenn man schon mal hier ist…
Ich warte auf Sandra. Ein weißer Scania S730 fährt an mir vorbei. Auffällig ist die Beschriftung SWISS-TRANS in Verbindung mit einem Überseecontainer von HAMBURG-SÜD.

Kurz darauf gehen wir zurück in Richtung unseres Stellplatzes und kommen an dem Weißen vorbei. Dessen Fahrer steht davor und zieht an einer Zigarette. „Schicker Wagen.“ sage ich in seine Richtung. „Danke. Seit ihr auch mit nem Truck unterwegs?“ „Ja, mit meinem Hauber.“ Sandra zeigt zu unserem Zug rüber. „Auch nicht schlecht. Und ein Mädel am Steuer. Find ich gut.“ Sandra grinst frech. Jetzt nach dem Toilettengang ist sie spürbar entspannter. „Ich sehe ihr habt ein schwedisches Kennzeichen dran. Sagt jetzt bitte nicht, dass ihr ein Leihfahrzeug fahrt.“ „Ganz sicher nicht. Wir sind aus Schweden und der Hauber ist einer von unseren. Nur für die Beschriftung haben wir noch keine Zeit gefunden.“ „Das beruhigt mich. Wie heißt eure Firma?“ „hansekontor. Die Zentrale ist in Uppsala.“ Sandra reicht eine ihrer Karten rüber. Unser Gegenüber wirft einen Blick darauf. „Und bei dir?“ „Ich bin auch mein eigener Chef…“ Sandra bekommt eine Visitenkarte. SWISS-TRANS – Peter von Büren. Sandra wirft einen Blick auf die Uhr. Wir verabschieden uns.
Ich schließe den Hauber auf. Sandra umarmt mich und gibt mir einen Kuss. „Tschuldigung, dass ich vorhin so schroff reagiert hab. Aber meine Blase hat mich echt gequält.“ „Schon gut, Süße.“ Ich gebe ihr einen Kuss. „Hmm… en mer, tack.“ Den bekommt sie natürlich. „So, und nu ab hinter Lenkrad mit dir. Jetzt bist du dran.“
Ich tausche die Fahrerkarten und mache es mir dann auf dem Beifahrersessel gemütlich. Im Rückspiegel sieht man Peters weißen S730. Und das Aufglühen einer Zigarette.
….
Sandras Fahrzeitblock nähert sich dem Ende. Kurz vor 20:00 Uhr lässt Sandra den Scania am Zollamt Chiasso ausrollen.
Wie am Morgen ist auch für diesen Grenzübertritt alles an Papierkrieg schon alles im Vorfeld angemeldet worden.
…
Es geht zurück auf die Autobahn – zwei Minuten später nehmen wir italienischen Boden unter die Räder – genauer gesagt auf die A9.

Wir passieren Como und Sandra macht uns derweil Käsebrötchen zum Abendessen.
Ich beschleunige den Hauber auf 80km/h. Bei Fusetti muss ich dann jedoch den Tempomaten rausnehmen, da der Verkehr trotz des fortgeschrittenen Abends – wir haben es bereits nach 21:00 Uhr – ziemlich dicht wird.
Es geht vorbei an der Ausfahrt Origgio-Ubuldo. Ich kann wieder auf 80 km/h hochziehen. Kurz darauf verlangsame ich den Zug jedoch wieder, da ein eher unübersichtliches Autobahndreieck vor mir liegt. Ich konzentriere mich auf den Fahrspurassistenten des Navis und bin froh das hier nicht mehr so viel Verkehr ist wie noch vor ein paar Kilometern.
A8 – Autostrada die Laghi. Im Radio stimmt George Thorogood sein Get a haircut an. Hmmm… Da ist er bei mir falsch. Ich trag mein Haar zwar immer offen – allerdings auf ungefähr einem Milimeter Länge. Und Schatz war gerade erst beim Friseur. Also auch falsch. Egal…. This is not a test. This is Rock’n ‚Roll. Und damit lässt es sich gut fahren.
…
Mein Telefon klingelt. Da ich am fahren bin nimmt Sandra den Anruf entgegen. „Hej, Sandra hier.“ „…“ „Warte mal kurz, ich stell eben auf Freisprecheinrichtung, dann kann Christian mithören.“ Sandra stellt um und sagt: „Sooo, kannst loslegen.“ „Servus Chris.“ „Hi Annyka. Was gibt’s so spät noch?“ „Notfoi vo am gloan italienischem Kundn. Secks Stäiplätze Europalette de noch Neapl miassn.“ „Gesundheit. Auf hochdeutsch bitte noch mal.“ „Tschuidigung. Also… Ich hab da einen kleinen Kunden in Parma der bei mir eben vor einer halben Stunde angefragt hat. Er hätte sechs Europaletten die dringend nach Caserta bei Neapel müssen. Morgen bis zum Abend. Wenn’s gar nicht anders geht übermorgen frühs. Das Unternehmen was seine Ware sonst fährt ist in Konkurs gegangen und fährt daher von jetzt auf gleich nichts mehr. “ „Und wie kommt er da auf uns?“ „Keine Ahnung. Er sprach das ein Piero ihm unsere Telefonnummer gegeben hätte. Und da ich das Büro aufs Handy umgeleitet habe… Wenn ich eure Ladedaten im System richtig interpretiere wäre jedenfalls genug Platz auf eurem Trailer. Nur hab ich kein Plan wo genau ihr überhaupt schon seit.“ „Hmmmmm. Piero. Kann ich jetzt erst mal nix mit anfangen. Ist aber auch egal. Wir sind gerade an Piacenza vorbei. Wir nehmen das mit. Schick Sandra bitte eben die Adresse rüber und rufe beim Kunden an. Ich fahre dann noch bis dort hin. Dann ist aber erst mal Augenpflege angesagt.“ „Bassd. Mach i. Des mid da Pause vaklicka i eahm aa.“
Sandra guckt mich an und meint „So schnell hat man die Hütte voll.“ „Scheinbar schon. Ich frag mich nur wie die auf uns kommen. Piero… Wenn ich doch nur wüsste wo ich den Namen hinstecken muss.“ „Ich hab auch gerade keinen Plan. Zumal ja auch knapp sechshundert Kilometer zwischen München und Parma liegen.“
Sandras mobile Telefonzelle meldet den Eingang einer Nachricht – die Adresse in Parma.
…
Blinker rechts. Ich steuere den Hauber von der A1 und stehe einen Moment später vor der Schranke der Straßenräuber. *hust* Ich meine natürlich die Mautstation Parma.
An der angegliederten Tankstelle ist dann erst einmal Fütterung des Scanias angesagt.
…
Freitag, Parma.
Dong… Dong… Dong…
Die Hells Bells von Sandras Handywecker holen uns aus dem Schlaf. Ich mache langsam die Augen auf. „Wie spät haben wir es, Schatz?“ „Kurz vor 08:00 Uhr.“ Ich beuge mich zu ihr rüber und gebe ihr einen Kuss. „Das kitzelt.“ „Was?“ „Dein Bart. Den darfst du mal wieder ein bisschen kürzen.“ „Hmm, ok. Später. Lass uns mal eben vorne zum Pförtner latschen und uns anmelden. Vielleicht können wir dann dort auch eben in die Keramikabteilung.“
Ein paar Minuten später sind wir angemeldet und haben die Morgentoilette erledigt.
Sandra setzt den Zug ans zugewiesene Tor. Um den Papierkram kümmere ich mich.
Hatte Annyka nicht von einem kleinen Kunden gesprochen? Die Firma stellt Verpackungs- und Abfüllmaschinen unter anderem für die Essen- und Getränkeindustrie her. Damit passt sie grundsätzlich schonmal ganz gut zu unserem Kundenportfolio.
Die sechs Europaletten sind schnell verladen und gesichert. Das Ziel heißt CocaCola Hbc Italia. Sandra zieht den Zug von der Rampe ab und stellt den Motor dann wieder ab. Ich schließe die Türen des Aufliegers.
„Jetzt gibt’s erst mal Frühstück.“ Sandra reicht mir ein frisch aufgebackenes Brötchen mit Nutella und einen Kaffee rüber. „Danke.“
Es ist 10:00 Uhr. Sandra steuert den Hauber nach links auf die Via del Popolo und kurz darauf nach rechts auf die Viale Europa. Nach einem kurzen Stopp an der Mautstation geht es auf die A1. Sie beschleunigt auf 84 km/h und ich gieße mir einen weiteren Kaffee ein. Dann fahre ich meinen Laptop hoch und widme mich der Büroarbeit.
Milanello. Bologna. Florenz.
Wir rollen entspannt dahin als bei San Donato In Collina wegen einer Baustelle der Verkehr dichter wird. Kurz darauf blubbert der V8 unter der langen Haube wieder bei Tempo 84 vor sich hin.
Die Strecke führt jetzt mal dichter, mal weiter entfernt am Fluss Arno entlang.
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14:19 Uhr. Sandra stellt den Zug auf dem Parkplatz ab. Kurze Pause fürs Mitagessen; dann geht es wieder weiter. Nicht ohne zuvor unser Plätze und die der Fahrerkarten zu tauschen.

Der Weg führt immer weiter die A1 gen Süden. Wir passieren Orvieto Scalo und und erreichen schließlich die Vororte von Rom.
An Rom geht es östlich vorbei ohne das auf den Straßen etwas außergewöhnliches passiert.
…
„Fahr mal auf den nächsten Rastplatz. Bis Caserta reicht deine Fahrzeit eh nicht mehr. Sind noch gut einhundertfünfzig Kilometer. Du kannst dann gleich mit Annyka telefonieren, damit sie uns bei CocaCola avisiert. Und wegen der Fährüberfahrt von Neapel nach Palermo müsstest du auch noch schauen.“
…
19:00 Uhr. Ich sitze wieder auf dem Beifahrersitz. Das Telefonat mit Annyka ist schon erledigt. Und auch nach der Fähre habe ich geschaut. „Wenn wir bei CocaCola fertig sind können wir noch bis nach Neapel zum Fährhafen und dann ist eigentlich Wochenende. Die Überfahrt nach Palermo ist ne Nachtfahrt. Die heutige schaffen wir also eh nicht mehr. Von Caserta dann den Landweg über Villa San Giovanni / Messina zu nehmen macht auch keinen Sinn. Das sind über siebenhundert Kilometer. Da rasseln wir dann auch ins Sonntagsfahrverbot. Dann lieber den Zug mit der Fähreneinstellung im digitalen Wächter aufs Schiff.“
…
Kurz vor 21:00 Uhr setzt Sandra den Blinker an der Ausfahrt Caserta-Süd. Kurzer Stopp bei den Straßenräubern um den Wegezoll zu entrichten. Das folgende Spaghettigeknote der Straße meistert sie dank dem Fahrspurassistenten im Navi auch problemlos. Kreisverkehr. An der zweiten Ausfahrt geht es auf die Strada Provinciale Tavernette. Nach einem weiteren Kreisverkehr biegt Sandra noch einmal rechts ab und wir erreichen den Kunden.
Ich melde uns an. Dank der Avisierung von Annyka wird bereits auf uns gewartet und wir können direkt an die Rampe. Sechs Paletten runter.
Etwas über eine halbe Stunde später geht es wieder zurück zur Autostrada 1.
…
Wir erreichen den Hafen von Neapel. Es ist 22:20 Uhr als ich den Digitalus Wächterus auf Pause stelle. Sandra stellt das Lenkrad in aufrechte Position. Dann klettert sie zu mir und setzt sich rittlings auf meinen Schoß.
….
