Montag, Uppsala.
Ist es wirklich schon 02:30 Uhr? Nunja. Wird schon stimmen. Ich setze mich im Bett auf und angele nach dem Wecker. Kurz darauf ist Ruhe. Ich gebe Sandra einen Kuss und verschwinde dann kurz im Bad. Danach ist sie dran und ich mache in der Küche das Frühstück fertig.
Sandra kommt um die Ecke und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ihre noch feuchten Haare sind heute früh ein wenig widerspenstig und stehen in alle Richtungen. „Hör auf zu grinsen. Wieso hast du eigentlich um diese Uhrzeit so gute Laune?“ „Weil ich dich habe. Und wir für ein paar Tage zusammen auf Tour gehen. Das kommt nicht so oft vor.“
Um 03:30 Uhr sind wir so weit, dass wir los können.
Wir fahren unsere Trucks aus der Halle, schließen ab und rollen einmal über die Straße auf den Lagerhof, wo die EISITRANS-Trailer stehen. Zuerst satteln wir den Hauber, dann meinen V8. Nach der Abfahrtskontrolle an beiden Zügen geht es los. Die Uhr Zeigt 03:50 Uhr an. Wir liegen also gut im Plan.
Sandra fährt voraus. Die Strecke der nächsten Stunden kennen wir inzwischen im Schlaf. Immer die E4 südwestwärts. Mein Radio dudelt mit Rockmusik vor sich hin. Der CB-Funk schweigt. Wir passieren Stockholm und Sandra beschleunigt den Hauber auf 84 km/h. Ich folge mit entsprechendem Abstand. Beide Fahrzeuge haben den großen V8 unter der Haube und entsprechend leichtes Spiel mit den leeren Trailern. Södertälje. Tystberga.
Nyköping. Norrköping. Linköping.
Der digitale Wächter zeigt inzwischen knapp vier Stunden Fahrzeit an. Im Spiegel sieht man wie es langsam hell wird. „Älskling? Du fliegst hier unten öfter rum. Was schlägst du als Anlaufpunkt zur Pause vor?“ „Ausfahrt 108. Mjölby Västra. Da kommt eine OKQ8-Tanke und ein Meckes. Für’s zweite Frühstück.“
…
Bevor es wieder losgeht trage ich noch einen Kaffee zu Grabe. Sandra, die zeitgleich mit mir im Damen-WC verschwunden war, ist noch nicht zu sehen. Ich nutze den Moment und lasse unsere Thermobecher mit Kaffee auffüllen.
Zurück an den Trucks gibt Sandra mir einen Kuss und klettert dann in den ‚T‘ „Så, låt oss gå. Noch etwas über zweihundertneunzig Kilometer bis zum Feierabend.“
Zurück auf die E4 gen Südwesten. Es ist kurz nach 09:00 Uhr. Der Verkehr hält sich in Grenzen und die beiden Scania können mit Tempomat auf 85 km/h dahinkullern.
Die E4 führt jetzt am Vättern, Schwedens zweitgrößtem See, entlang. An dessen Südspitze passieren wir Jönköping.
…
Als wir am Trafikplats Skånes fagerhult vorbeifahren sage ich über Funk: „Hier habe ich im Dezember mal Pause gemacht. Dort am Tankstellenschild siehst du ein Flugzeug stehen.“ „Ja. Was macht es da?“ „Es ist eigentlich nur ein Gebäude, das aussieht wie ein Flugzeug. Die Firma Godisflyget verkauft dort Süßwaren, besser gesagt Gummitiere, in allen möglichen Ausführungen.“ „Interessant. Aber gut, dass wir jetzt keine Zeit haben dort anzuhalten.“ „Du meinst, weil das sonst auf die Hüften geht?“ „Ey… das darfst du noch nicht einmal denken.“ „Tschuldigung.“ „Erinnere mich heute Abend dran, dass ich dich durchkitzel.“
Fünfundzwanzig Minuten später erreichen wir den Trafikplats Mölletofta. Blinker rechts. Wir parken die Scanias und stellen die Fahrtenschreiber auf Pause. Ich klettere aus meinem V8, schließe ab und entere die Beifahrerseite vom Hauber. „… ja. Genau. Klingeln Sie kurz durch wenn wir gerade nicht an den Fahrzeugen sein sollten. Die beiden Scania mit den Eisbär-Trailern sind nicht zu übersehen. Vi ses senare.“ Sandra legt auf und das Telefon zur Seite. „Na. Gesprächstermine fixiert?“ „Mhm. Gegen 15:00 Uhr bekommen wir Besuch. Brauchte jetzt nur einen Anruf machen – die Mädels kennen sich schon seit der Schule und sind schon seit heute frühs zusammen beim shoppen sagten sie mir.“ „Dann haben wir ja noch Zeit für einen Spaziergang.“ „Oh ja.“
Wir lassen die Scanias hinter uns. Sandra hakt sich bei mir ein und wir genießen es, dass es gerade trocken ist und ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken gucken.
…
Kurz vor 15:00 Uhr sind wir wieder zurück. Ein älterer Volvo fährt auf das Tankstellengelände. Kurz darauf gehen zwei Frauen in unserem Alter auf meinen V8 zu, der ja durch seine Fensterbeschriftung im Gegensatz zu Sandras Hauber eindeutig dem ‚hansekontor‘ zugeordnet werden kann.
Wir steigen aus dem ‚T‘ aus. „Kira Lind? Meike Ek?“ „Ja?!“ kommt es unisono zurück. „Ich bin Sandra Dansör vom hansekontor. Und…“ sie zeigt auf mich „…mein Mann Christian.“ Die beiden geben uns die Hand. „Schön Sie kennen zu lernen.“ ertönt es wieder unisono. „Lassen Sie uns eben ins Wärdshus gehen.“
Zu viert gehen wir ins Restaurant der Raststätte und bestellen Kaffee. Es entwickelt sich ein lockeres Gespräch in dem Sandra auf die Bewerbungsunterlagen und die Fahrerfahrungen der beiden eingeht.
…
„OK ihr beiden. Ab Februar gehört ihr zum Team vom hansekontor. Kira, du wirst in Uppsala von Ludvig und Tania eingearbeitet. Als Fahrzeug bekommst du anschließend dann einen weißen Scania R730. Meike, bei dir machen Felicia und Tjelvar die Einarbeitung in Malmö. Du bekommst anschließend dann den grünen Streamline mit dem ich zur Zeit noch fahre. Das sind nicht die jüngsten Fahrzeuge im Fuhrpark, aber neben Sandras Hauber und meinem Neuen die leistungsstärksten – Fernverkehrsmaschinen.“ „Klingt gut.“ „Das Fahrzeugalter ist doch Nebensache. Die Technik muss stimmen. Und das Umfeld in der Firma. Und ich glaube das passt bei euch.“
Sandra steckt die unterschriebenen Arbeitsverträge in ihre Mappe und wir gehen gemeinsam nach draußen. Kira und Meike verabschieden sich. Sandra und ich klettern wieder in den Hauber.
Musik an. Ozzy Osborne. Dreamer. Ich gucke Sandra an. „Du Schatz… Ich liebe dich.“ „Ich dich auch.“
…
Dienstag, Rastplatz Mölletofta.
Es ist 04:30 Uhr. Mein Handywecker schmeißt uns mit einem fiesen Dauerpiepton aus den Federn. Sandra zuckt zusammen und guckt mich leicht irritiert an. Verdammt… die SD-Karte immer noch nicht zurückgesetzt und dem mobilen Schreihals ein neues Guten-Morgen-Lied aufgespielt… „God morgon älskling.“ Ich gebe ihr einen Kuss.
„’d morgon.“ brummelt Sandra leicht angesäuert ob der unsanften Weckmethode, kuschelt sich dann aber an mich an. „I morgon tar vi min väckarklocka.“
Nach dem Gang durch den Sanitärtrakt und einem Frühstück im Wärdshus ist es kurz vor 06:00 Uhr. Wir machen die Abfahrtskontrolle an den beiden Zügen.
Punkt 06:00 Uhr geht es in Richtung E4. Sandra mit dem Hauber vorweg.
Am Trafikplats Kropp trifft die E4 auf die E6/E20. Wir folgen den Schildern in Richtung Helsingborg S / Malmö.
Als wir die Mautstation für die Øresundbrücke erreichen ist es 07:45 Uhr. Sandra fädelt sich auf der gelben Spur ein um die 153,60€ Mautgebühr am Kassenhäuschen in bar zu entrichten. In meinem V8 habe ich den ØresundBizz-Transponder mit dem ich die Bizz-Fahrspur nutzen muss. Vorteil dabei ist, dass ich nicht anhalten brauche und mit dem BroPas Business-Vertrag nur 67,20€ zu zahlen habe.
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Die E20 führt uns durch Kopenhagen. Vorbei an Ringsted und Slagelse.
Vor der Storebæltbrücke passieren wir die nächste Mauststation. 135,00€ pro Zug fließen an den Brückenbetreiber.
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Wir erreichen die Ausfahrt 48 ‚Tietgenbyen‘. Im Kreisverkehr geht es gleich an der ersten Ausfahrt auf die Niels-Bohrs-Alle. Es ist 10:25 Uhr als wir bei EISITRANS auf den Hof rollen.
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13:30 Uhr. Die beiden Trailer samt Papieren sind an Petra und Bär übergeben. „Und wo geht’s für euch jetzt hin?“ fragt Petra. „Erstmal nach Hamburg. Von dort dann bis runter nach Süditalien.“ „„Oha. Da habt ihr ja volles Programm.“Durchaus. Aber ich freu mich schon auf ein paar Tage gemeinsame Tour.“ „Das glaub ich dir gern. Na denn. Gute Fahrt.“ „Tack och ciao.“
An den Scanias angekommen umarmt mich Sandra und sagt: „Auf nach Fredericia.“ Sie sieht die Fragezeichen in meinem Gesicht. „Sorry… Dir fehlt da grad ne Info.“ „Aber sowas von…“ „Ich bin doch vorhin kurz einmal kurz mit dem Telefon raus.“ „Ja. Wenn ich das recht mitbekommen hatte mit Tania in der Leitung.“ „Genau. Die Gute hat natürlich mitgedacht und beim gelben Riesen geguckt ob sie was gegen unsere Leerkilometer tun kann.“ „Scheinbar mit Erfolg. Also von Fredericia nach ??? …“ „…Hamburg. Beides Express-Niederlassungen. Nur aufsatteln, durch die Gegend ziehen und dann wieder abstellen.“ „Sauber.“ Ich gebe meinem Schatz einen Kuss, dann geht es los.
Wir fahren zurück zum Kreisverkehr und von dort auf die E20 Fahrtrichtung Kolding.
An Middelfart vorbei. Wir überqueren den Kleinen Belt. Ein paar Minuten später geht es an der Abfahrt 61 – Taulov – von der E20 in Richtung DHL Express.
…
Im Radio läuft gerade Erik Cohen mit ‚Fehmarn‘. Mein Telefon klingelt. Ich nehme über Freisprecheinrichtung an. „Na Süße, was haste?“ „Ich hab gerade mal auf meinen Digitalus Wächterus geguckt. Ich fahr jetzt Neumünster von der 7 runter. Dann machen wir noch mal eben Pause und anschließend geht’s über die B205, A21 und A1 bis zum Rungedamm. In der Hoffnung das wir nirgends stecken bleiben kommen wir dann mit nem Zehner bis zu DHL.“ „Machen wir. Und dann müssen wir bei den Paketen übernachten.“ „Nich wirklich. Josy und Frank haben doch auch Fahrerkarten. Die kommen mitm Sprinter runter und fahren die Solo-Maschinen zur Niederlassung.“
…
Mittwoch, Hamburg.
Sandras Plan war aufgegangen und wir konnte mit 09:55 Stunden Fahrzeit die offizielle Fahrzeit für den Dienstag beenden. Josephine und Frank hatten den V8 und den Hauber zur Niederlassung gefahren, während wir im Sprinter hinterherfuhren.
Als sich der Wecker heute früh um 06:00 Uhr meldet geht die übliche Morgenroutine los. Fix Duschen und aufn Pott. Danach Frühstück in der Küche. „Wann müssen wir eigentlich los?“ „Mirko ist heute früh schon zum Flughafen rüber zum Laden. Eigentlich müsste er jeden Moment da sein und dann geht’s los.“ „Dann hab ich ja noch Zeit eben rüber in die Werkstatt zu gehen. Mal gucken wie weit die Jungs am S730 sind.“ „Mach das.“

Die erste Runde auf dem Weg in den Süden sitzt Sandra hinterm Lenkrad. Sie setzt den Blinker und fährt auf den Parkplatz Schlochau an der A7. Die Uhr zeigt kurz nach 12:00 Uhr.
Nach einer kurzen Pinkelpause tauschen wir die Fahrerkarten und die Sitzplätze. Ich lenke den Hauber auf die A7. Einen Moment später, wir sind gerade an der Abfahrt Northeim-West vorbei, fängt der Verkehr an zu stocken, kommt aber nicht zum Erliegen. Drei Kilometer später zeigt sich die A7 wieder so als wäre nie etwas gewesen. Ich beschleunige und stelle den Tempomaten auf 84 km/h.
Wir passieren die Region Kassel. Hin und wieder wechsele ich nach links um einen leistungsschwächeren Kollegen zu überholen wo es möglich und erlaubt ist.

Am Kirchheimer Dreieck schwenke ich den Zug auf die A5 in Fahrtrichtung Frankfurt/Basel. Sandra auf dem Beifahrersitz hat inzwischen den Laptop ausgepackt und erledigt ein wenig Bürokram. „Kannst du mir mal eben ne Flasche Wasser rüber geben?“ „Klar.“ … Zisch… „Achtung, Deckel ist schon ab.“ „Danke.“ „Wo sind wir eigenlich gerade?“ „Wir lassen gleich den MAXI Mücke rechts liegen.“ „Dann sinds ja noch ein paar Kilometer.“
Am Reiskirchener Dreieck muss ich plötzlich stark in die Bremse latschen. „Argh… Diese Kasperköppe in ihren Kleinwagen. Können die nicht einfach hinter einem bleiben, wenn sie wissen dasse gleich die Autobahn wechseln?“
Ich beschleunige wieder und lasse den Hauber dann wieder bei 84km/h rollen.
Das Gambacher Kreuz passieren wir ohne Zwischenfälle. Weiter geht’s an Ober-Mörlen und dem Bad Homburger Kreuz vorbei.
…



Ein paar Minuten nach dem Verlassen der Autobahn und eine Runde um den Pudding fahre ich bei Lufthansa Cargo am Airportring auf den Hof.

Sandra hat uns im Vorfeld bereits telefonisch avisiert, sodass wir ohne weitere Voranmeldung ans Tor andocken können. Die Rampen sind weitestgehend frei. Der Parkplatz vor dem Cargocenter hingegen bis auf fünf Stellplätze voll belegt..
Während ich mit einem Lagerarbeiter das Palettentetris spiele ist Sandra im Büro und macht dort den schriftlichen Teil fertig.
Ich habe den Hauber schon vorgezogen und die Türen am Trailer geschlossen. Ich höre Geschnatter, blicke auf und sehe meine Münchener Fahrerinnen Wiebke und Maria. „Servus Chef.“ werde ich fröhlich begrüßt. „Hej Mädels. Schön euch zu sehen. Alles klaro bei euch?“ „Jo bassd scho. Mia hom fia heid Feiaomd. Moang fria werd gelon und dann direkt wieda noch Minga runta.“ „Na denn. Habt einen schönen Feierabend und kommt morgen gut durch.“
„Measse. Eich a scheene Tour noch Sizilien.“
Um 18:00 Uhr sitzt Sandra wieder am Lenkrad. Meine Fahrerkarte steckt im Schacht 2. „Wer hat’s erfunden?“ „Die Schweizer. Aber bis nach Zürich kommen wir heute eh nicht mehr. In der Schweiz gilt ja zwischen 22:00 Uhr und 05:00 Uhr das Nachtfahrverbot.“ „Was sagt denn das Anlieferzeitfenster? Nachtfahrten werden bewilligt wenn die
Fahrt dringend ist und organisatorisch nicht vermieden oder durch ein anderes Verkehrsmittel durchgeführt werden kann.“ „Ist für uns nicht wichtig. Wir haben genug Zeit. Ich denke wir reiten bis Vöhringen und machen dann Feierabend. Wiebke hat mir den Autohof dort in der Eythstraße empfohlen.“ „Na denn.“
Blinker links. Zwischen Lufthansa Aviation Training Center und Lufthansa Aviation Center durch, einmal über die Brücke und dann gleich rechts auf die B43 und am Fernbahnhof vorbei. Kurz darauf wechselt Sandra am Frankfurter Kreuz auf die A5. Es folgen ereignislose Stunden durch die beginnende Nacht. Der V8 blubbert entspannt vor sich hin. Im Radio einen Sender mit Rockmusik.

…
An der Abfahrt Sulz a.N. steht der Feierabend kurz vor der Tür. Die Abfahrt runter. Rechts auf die L409. Sechshundert Meter später fährt Sandra auf das Gelände vom Autohof. Ein Kollege hat scheinbar gerade seine Pause beendet und verlässt es. Wir sollten also einen Platz finden…
Es ist 22:04 Uhr als der V8 verstummt. „Na, Abendessen im Restaurant zur ‚Goldenen Möwe‘?“
