Ich startete den Motor meines Volvo und fuhr zu meiner Firma. Das ich dort unfallfrei ankam ist noch heute ein Wunder für mich, denn ich war mit meinen Gedanken überall nur nicht auf der Straße.
Schließlich erreichte ich meinen Hof, sah immer noch ziemlich wüst aus, aber egal. Das Geld wird auf der Straße und nicht hier verdient.

Ich setzte mich in mein kleines Büro an den PC und erledigte den Bürokram der letzten Tage. Das heißt ich versuchte es, meine Gedanken kreisten um alles Mögliche zumeist um Stana. Irgendwie wurde ich aber doch mit dem Papierkram fertig. Alle Rechnungen waren geschrieben und auch sonst hatte alles seine Ordnung. Jetzt konnte ich entspannen. Ich setzte mich mit einem Glas Scotch hinter mein Werkstatt-/Bürogebäude in die Sonne. Es war zwar nicht wirklich ein ruhiger Platz, aber die Brems- & Anfahrgeräusche der LKW von der nahen Kreuzung waren ja all zu bekannt.
So saß ich nun da mit dem Glas in der einen Hand und einer Zigarette in der anderen. Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Eigentlich hatte ich allen Grund Happy zu sein. Schließlich hatte ich aus dem Nichts eine Firma mit jetzt schon zwei LKW und zwei Standorten aus dem Boden gestampft. Klar gab es auch Probleme, ich hatte immer noch keinen Fahrer für den Iveco in Holland. Aber selbst wenn das noch dauern sollte sah es nicht schlecht aus für „European Power Trans“.
Aber trotzdem wollte keine so richtig gute Stimmung in mir aufkommen. Ich musste andauernd an Stana denken und jedes mal tat dabei auch gleich wieder die Wange weh.
Und ich konnte Ihr ja nicht einmal böse sein. Sie hatte jedes Recht stinksauer auf mich zu sein. Schließlich war mein Verhalten vor knapp einem Jahr ziemlich armselig.
Nachdem ich vor fünf Jahren von DAF zu Scania gewechselt war und ein Jahr im Büro der Deutschlandzentrale arbeitete wurde ich schließlich nach Södertälje versetzt. Dort war ich dann für drei Jahre im Promobereich tätig. Meist war ich auf Veranstaltungen in Deutschland tätig, aber auch Fahrtrainings in Schweden für deutschsprachige Fahrer zählten zu meinen Aufgaben. Als ich etwa ein Jahr in Schweden tätig war, lernte ich Stana kennen. Sie war gerade in unsere Abteilung versetzt wurden. Da wir die beiden Jüngsten waren, freundeten wir uns schnell an und wurden zu einem eingespielten Team, so dass man uns meist gemeinsam rausschickte. Sei es zur IAA, zur RAI oder den diversen anderen Messen, wohin wir Ausstellungsfahrzeuge brachten. Es war eine tolle Zeit in der wir viel erlebten und auch viel lernten. Wir versuchten so wenig wie möglich Englisch miteinander zu sprechen. Schließlich konnten wir nach einem knappen Jahr jeder fließend die Sprache des anderen sprechen.
Durch dieses enge zusammenarbeiten blieb es nicht aus, dass wir auch privat viel zusammen unternahmen. Wir hatten in diesen zwei Jahren eine tolle gemeinsame Zeit.
Aber es hatte keiner von uns beiden den Mut einen Schritt weiter zu gehen.
Also genossen wir unsere Freundschaft, bis zu dieser Woche, welche eine der schlimmsten in meinem Leben sein sollte.
Bei meiner Rückkehr nach Schweden, ich hatte einige Tage frei, da ich einen tragischen Verlust in meiner Familie verkraften musste, hoffte ich meinen neuen Vertrag zu unterschreiben. Aber im Gegenteil. Mir wurde mitgeteilt, dass aufgrund der wirtschaftlichen Lage mein Arbeitsvertrag nicht verlängert werden könnte. Ich war also meinen Job los.
Der Verlust meiner Arbeit, welche mir riesigen Spaß gemacht hatte und der familiäre Verlust zogen mir regelrecht den Boden unter den Füßen weg.
Ich musste weg, egal wohin einfach nur weg. Also packte ich meinen Krempel zusammen, räumte meine Klamotten ins Auto und lagerte die Möbel und alles andere was ich nicht mitnehmen konnte oder wollte in einem gemieteten Raum ein. Erst fuhr ich nach Hause, von dort eine Zeit lang recht ziellos durch die Gegend und schließlich verkroch ich mich im Ferienhaus unserer Familie in Südfrankreich.
Erst zwei Monate später war ich bereit bzw. in der Lage mein Leben neu zu ordnen. Nur wollte ich nie wieder in die Situation kommen, dass mir ein Personalchef kündigt. Ich wollte mein eigener Boss sein und so machte ich mich mit einem kleinen Umweg als Mietfahrer selbstständig.
Während ich so vor meiner Firma saß und an die vergangene Zeit gedacht hatte, war es recht spät geworden. Es dämmerte inzwischen schon. Ich wunderte mich über mich selbst, denn in den letzten Monaten hatte ich diese Zeiten aus meinem Leben total verdrängt.
Erst das Wiedersehen mit Stana hatte diese Erinnerungen geweckt.
Als ich gerade überlegte ob es eine Möglichkeit geben würde, denn Mist den ich gebaut hatte wieder in Ordnung zu bringen, klingelte im Büro mein Handy. Ich zuckte regelrecht zusammen, denn es war mein Privathandy und diesen Klingelton hatte ich nur einer Person zu gewiesen – Stana.
