24. Die Woche der Umleitungen

Montag, den 12. Oktober 2020, 3:30 am, PDT, Sacramento, CA:

Nach dem zwar kurzen, aber schönen Wochenende ging es am Montagmorgen wieder zu gewohnter Zeit los. Dazu stand ich um halb Vier auf und ließ den üblichen Morgenablauf folgen. Es war zwar heute der Columbus Day, das war aber kein Feiertag, an dem die Geschäfte geschlossen waren. Außerdem war dieser Tag ja auch sehr umstritten. Nachdem dann zu Hause alles erledigt war, nahm ich wieder den alten Focus um zur Arbeit zu fahren. Eigentlich hätte ich auch laufen können, aber der Wagen stand nun mal da. Dabei rügte ich mich selbst, dass ich zu faul war, um die Laufrunde mit dem Weg zur Arbeit zu koppeln. Trotzdem änderte ich meine Entscheidung nicht.

Um fünf Uhr begann ich dann, wie geplant mit der PTI. Nachdem ich diese beendet hatte, stand auch der erste Auftrag der Woche im System:

PICKUP: EST-CASAC
GATE: 05
TRAILER: REN93621
FREIGHT: HOUSEHOLD APPLIANCES
WEIGHT: 25,650 LB
DROP: THD-ORBND
PRIORITY: IMPORTANT

WAT-CASAC-KMU

Keela schickte mich also zum Wochenstart zu einem Home Depot Baumarkt in Bend, Oregon. Das war quasi eine Standardtour, die auch ein Regional Driver hätte machen können. Je mehr aber zu fahren war, um so kürzer wurden auch die Touren. Gerade auch bei wichtigen oder dringenden Aufträgen. Es ging also wieder mal Bobtail zum Außenlager, wo ich dann um halb Sechs ankam. Dort nahm ich dann den neutralen Reefer auf und erledigte die Abfahrtskotrolle des Trailers. Anschließend konnte ich mich dann auf den Weg machen.

Ich fuhr zurück zur Interstate 80, auf die ich dann erst in westlicher Richtung auffuhr. Als ich dann auf die I-5 N in Richtung Redding wechseln wollte, stellte ich was fest, was mir vorher gar nicht aufgefallen war, da ich an dem Kreuz vorhin direkt die erste Abzweigung in Richtung Reno genommen hatte. Normal hätte ich bemerken müssen, dass die I-5 N gesperrt war, ich war aber offensichtlich doch noch im Halbschlaf gewesen. Jetzt merkte ich, dass ich nicht in nördliche Richtung auf die Interstate 5 wechseln konnte. Jetzt konnte ich nur noch in Richtung Los Angeles abfahren. Ich fuhr bis zur Ausfahrt 521, Garden Highway, wo ich von der I-5 abfuhr und in Richtung Norden wieder auffuhr.

Gleichzeitig wählte ich die Nummer der Dispatch an. Die Begrüßung war dann nicht so herzlich. „Wann lernt ihr Fahrer eigentlich, dass zwischen viertel vor Sechs und Sechs die Übergabe stattfindet?“, wurde ich von Jessy angemeckert. Das kam mir dann auch gerade richtig. „Soll ich mich jetzt etwa eine Viertelstunde auf den Randstreifen stellen, bis Madame sich dazu herablässt mit dem einfachen Fußvolk zu sprechen? Das könnte den Chips gut gefallen.“ „Was willst du denn?“, fragte Jessy schnippisch zurück. „Nichts weiter. Es ist nur mal wieder die Interstate 5 in Richtung Norden gesperrt.“ „Dann umfahre die Sperrung halt.“, sagte Jessy wütend. „Kannst du mir sagen, wo ich herfahren soll?“ „Das weiß ich doch nicht. Wir waren eben noch nicht bei dir. Ich weiß gar nicht, wo du hinmusst.“ „Nach Bend.“ „Keine Ahnung. Fahr von mir aus über Reno.“, sagte sie immer noch mit wütendem Unterton. „Ist das deine offizielle Anweisung?“ „Ja. Und jetzt lass mich in Ruhe.“ „Jawohl Ma’am. Wie sie wünschen, Ma’am.“ Mehr kam nicht, da Jessy das Gespräch schon weggedrückt hatte. „Diese blöde, kleine Zicke.“, fluchte ich noch. Dann wechselte ich auf die I-80 E in Richtung Reno.

Als ich Auburn hinter mir gelassen hatte, beruhigte ich mich selbst dann wieder. Trotzdem fragte ich mich, wie lange das mit Jessy noch so weitergehen sollte. Seitdem Dave sich von ihr getrennt hatte, war sie noch schlimmer geworden, als sie vorher schon war. Dave fehlte ihr. Außerdem passte ihr das gar nicht, dass sie wieder zu Hause bei Mom und Dad wohnte. Sie hatte zwar reichlich Platz, da sie auch noch die ehemaligen Zimmer von Marc und mir nutzen konnte, ich wollte aber ebenfalls nicht im Traum mit ihr tauschen. Jessy hatte viel von unserem Vater abbekommen. Gerade was die Launen und die Ausbrüche anbelangte. Allerdings war Dad diszipliniert genug, dass er im Job eher selten aus der Haut fuhr. Jessy fehlte diese Selbstkontrolle. Vermutlich wäre sie, wenn sie nicht die Tochter unseres Vaters wäre, längst entlassen worden. Die Beschwerden über Jessy stapelten sich schon auf Charlies Schreibtisch. Heute früh hatte sie mal wieder gezeigt, wie schnell sie die Kontrolle über sich verlor. Im Nachhinein waren mir selbst schon mehrere Strecken eingefallen, die besser gewesen wären, als gerade über Reno zu fahren. Nun war es aber zu spät. Außerdem hatte sie mir ja ausdrücklich die Anweisung gegeben.

Ich verwarf meine Gedanken und konzentrierte mich jetzt mehr auf den Anstieg zum Donner Pass, den ich nun vor mir hatte. Auch heute merkte ich wieder, dass es die 12-Liter-Maschine nicht mit ihrem 15-Liter-Gegenstück von Cummins aufnehmen konnte. Davon ließ ich mich aber nicht mehr aus der Ruhe bringen. Ich fuhr das, was ich mit dem Antriebsstrang hinbekam, der Rest war mir egal. Dass die neuen Trucks immer noch mit dem ISX15 bestellt wurden, bestätigte mir, dass man die Tests schon ausgewertet hatte und ebenfalls zu dem Schluss gekommen war, dass man besser etwas mehr Hubraum nahm. Ich konnte trotzdem mit dem Truck leben und brauchte dann eben am Berg etwas länger. Dafür hatte ich die besseren Verbrauchswerte in der Ebene.

Ich passierte Truckee und erreichte kurz darauf Nevada. Schließlich kam ich dann auch in Reno an. An der Ausfahrt 15 wechselte ich schließlich auf die US-395 N in Richtung Susanville. Mein Stopp an der Agricultural Inspection Station – Long Valley dauerte dann auch nicht lange, da ich nachweisen konnte, dass ich den Trailer in Kalifornien übernommen hatte und ich auch nachweislich keinen Zwischenstopp in Nevada gemacht hatte. Hier machten sich dann auch die Kalifornischen Kennzeichen an der Zugmaschine wieder bezahlt.

Bei Susanville machte ich dann meine kurze Pause einfach am sandigen Straßenrand. Dort telefonierte ich dann kurz mit Pam, um ihr zu sagen, dass ich heute nicht nach Hause käme. Anschließend machte ich mir den Rest vom gestrigen Mittagessen in der Mikrowelle warm, den mir Pam zum Mitnehmen eingepackt hatte. Da ich noch nicht einschätzen konnte, ob ich noch bis Bend kommen würde, fuhr ich dann auch nach der vorgeschriebenen halben Stunde sofort weiter.

Für die nächsten zwei Stunden folgte ich dann noch der US-395 N, dann hatte ich Alturas erreicht. Hier nahm ich dann die CA-299 W in Richtung Redding. Auf diesem Highway blieb ich dann bis nach Canby, wo ich dann auf die CA-139 N in Richtung Klamath Falls fuhr. Eine Stunde später erreichte ich dann Oregon. Dort wurde der Highway dann zur OR-39 N.

Eine dreiviertel Stunde später erreichte ich Klamath Falls, von wo aus es dann über die US-97 N weiter nach Bend gehen sollte. Inzwischen war mir zwar klar geworden, dass ich nicht mehr bis nach Bend kommen würde, trotzdem entschied ich mich gegen einen frühen Feierabend am dortigen Pilot Travel Center. Wenn ich meine Fahrzeit vollmachen würde, könnte man mir wenigstens nichts mehr vorwerfen. Dann lag der schwarze Peter eindeutig bei Jessy, die mir die Anweisung gegeben hatte, über Reno zu fahren. Kurz darauf musste ich aber trotzdem anhalten. An der North Enterance ODOT Scales genannten Weigh Station wollten die Behörden von Oregon mein Gewicht prüfen. Mit gerade mal 62.286 Pfund ließ man mich aber sofort wieder auf den Highway zurück.

Nun hieß die Devise so weit fahren, wie es nur ging. Das tat ich dann auch und kam noch bis zur Beaver Marsh Rest Area, die kurz vor Chemult, OR an der US-Route 97 lag. Hier machte ich dann um fünf Uhr am Nachmittag Feierabend und beendete nach zwölf Stunden mit 10 h, 57 min Fahrzeit auf dem E-Log meinen Arbeitstag. Da es in dem Bereich hier noch einige Forstwege gab, entschied ich mich dazu, noch eine Laufrunde zum Feierabend zu absolvieren. Anschließend wusch ich mich dann etwas im Toilettenhäuschen. Leider gab es hier nur kaltes Wasser, aber was einen nicht umbringt, macht einen schließlich nur härter. Zurück im Truck telefonierte ich noch eine Weile mit Pam, danach machte ich mir ein paar Sandwiches als Abendessen. Bis zum Schlafengehen schaute ich dann noch etwas YouTube.

Dienstag, den 13. Oktober 2020, 4:15 am, PDT, Beaver Marsh Rest Area (Chemult, OR):

Um viertel nach Vier am Morgen klingelte mein Wecker wieder. Recht schnell entschloss ich mich dann auch wieder aufzustehen und das Toilettenhäuschen aufzusuchen. Nachdem die Morgentoilette erledigt war, ging ich zurück zum Truck. Die Wäsche erledigte ich dann mit Wasser aus dem Kanister. Dieser war zwar in den USA nicht so üblich, wie bei den Truckdrivern in Europa, hatte aber auch hier gewisse Vorteile. Einerseits stand ich öfter mal bei meinen langen Pausen dort, wo es weder Toiletten, noch sonst irgendwas gab und zweitens konnte einem das Wasser auch in anderen Situationen nützlich sein. Zum Beispiel zum Nachfüllen von Kühlwasser nach einer Panne. Als Ex-Marine hatte man mir in der Ausbildung beigebracht, wie wichtig Wasser sein konnte. Zumal wir ja auch häufiger in der Wüste unterwegs waren. Zur Zahnpflege und zum Kaffeekochen hatte ich aber immer Flaschen mit einem einfachen, stillen Wasser dabei, da das Leitungswasser in den USA zu stark gechlort war, als dass der Kaffee sonst noch schmeckte.

Nachdem dann auch die Zahnpflege erledigt war und der Kaffee durchlief, zog ich mir die Fahreruniform an. Pünktlich um fünf Uhr begann ich dann mit der PTI. Als diese erledigt war, fuhr ich dann los.

Es ging zurück auf die US-97 N in Richtung Bend. Weit hatte ich es nun nicht mehr. Allerdings hatte man mich auch gestern bereits erwartet. Das konnte ich also gar nicht mehr einholen. Hoffentlich bekamen weder Jessy noch ich Ärger wegen der Verspätung.

Etwa eineinhalb Stunden nach der Abfahrt hatte ich Bend erreicht. Es waren ja auch noch 70 Meilen vom Parkplatz bis zur Ausfahrt, die ich zurücklegen musste. Außerdem hatte ich die letzte Stunde schon mehr Verkehr, weil der Berufsverkehr begann.

An der Ausfahrt 135B verließ ich dann die US-97 und bog rechts auf die Empire Avenue ab. An der nächsten Ampel ging es dann wieder nach rechts auf die Boyd Acres Road. Dieser folgte ich dann noch etwa eine halbe Meile, dann hatte ich mein Ziel auf der rechten Seite. Zu meiner Überraschung war es hier kein Baumarkt von Home Depot, sondern ein Lager, was auch etwa so groß war, wie unsere Läger. Da ich bisher immer nur bei den Baumärkten selbst war, wusste ich gar nicht, dass sie sowas auch hatten. Man lernt eben nie aus.
Was man hier mit den Baumärkten gemeinsam hatte, waren die geschlossenen Tore mit den Sprechanlagen.  Auch hier musste ich mich an so einem Kasten anmelden. Die ehemalige Pförtnerbude war nur noch Aufenthaltsraum für die Security-Leute, die auch hier ihren Dienst taten.

Der Vorteil war, dass es auch hier kontaktlos ging, der Nachteil hingegen war der Stau, der sich auf der Straße bildete, bis ich endlich reinfahren konnte. Das Gelände war eben so gebaut worden, dass man sich, wie bei unseren Außenlägern, erst vorne anmelden sollte. So bekam ich die Anweisung, an Tor 22 zu fahren, aus einem kleinen Lautsprecher am Tor.

Als ich den Trailer am Tor abgesattelt hatte, schaute ich, was mir Jessy für einen Anschluss verpasst hatte:

PICKUP: CFO-ORBND
TRAILER: CFOXXX
FREIGHT: BOTTLED MILK
WEIGHT: 35,940 LB
DROP: CST-CASAC
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-JMU

In der Anweisung stand mal wieder nur das Nötigste. Beim Klick auf den Absender zeigte sich als erstes, dass ich nicht etwa in Bend laden würde, sondern in oder bei Terrebonne, einem Ort, der nördlich von Bend an der US-97 lag. Wenigstens wusste ich schon mal, dass ich keinen Milchtank bekam, sondern einen Trailer mit verpackter Milch. Da dürfte dann alles bei sein von den auch in etwa in Europa bekannten 32 fl oz Packs (in Deutschland nach dem bekanntesten Hersteller dieser Verpackungen auch Tetra Pak genannt) bis zu den bei amerikanischen Familien so beliebten Kunststoffflaschen mit 1 Gallone Inhalt. Das war mir aber im Prinzip auch egal. Auf jeden Fall hatte ich nun erstmal ein ganzes Stück als Bobtail vor mir.

Mit der Zugmaschine fuhr ich nun also auf die Boyd Acres Road zurück. Über die fuhr ich auch zurück zur Empire Avenue und dann zur US-Route 97. Hier ging es dann vorerst mal nicht wieder zurück, sondern noch weiter nach Norden. Nach 20 Meilen hatte ich Terrebonne erreicht und bog dort nach rechts auf den Smith Rock Way. Nun ging es in östlicher Richtung wieder aus dem Ort hinaus und dann noch ein paar Meilen ins Grüne. Da ich mich dann auch noch mit der Einfahrt vertan hatte, musste ich nun ein ganzes Stück über Bauernwege fahren, über die ich einmal um die Farm herumfuhr. Nicht nur deswegen war ich für das relativ kurze Stück schon wieder eine gute Stunde unterwegs, bis ich schließlich an der Farm ankam.

Hier hatte ich nun wieder persönlichen Kontakt zum Kunden oder besser Lieferanten. Laut Walmart Vorschrift setzte ich dann also meine Maske auf und ging zum Farmhaus, wo ich mich meldete. Ich hatte Glück, dass der Verwalter der Farm gerade beim zweiten Frühstück war, so brauchte ich nicht lange suchen. Er ließ mich die Übernahme quittieren und sagte mir, wo mein Trailer, ein Reefer mit Cascadian Farm Werbung, stand. Außerdem bot er mir noch frisches Obst an, welches er ebenfalls auf seiner Farm anbaute. Da ich aber wieder auf dem Weg nach Kalifornien war, nahm ich mir nur zwei Äpfel mit, die ich gleich noch essen wollte. Damit war mein Kontakt aber zum Glück schon wieder erledigt.

Nachdem ich dann den Trailer aufgesattelt hatte und die PTI des Trailers erledigt war, konnte ich mich auf den Weg nach Hause machen. Diesmal nahm ich dann auch den kürzeren Weg zum Smith Rock Way. Über diesen fuhr ich zurück nach Terrebonne und dann auf die US-97 S in Richtung Bend. Als ich dann über die US-97 durch Bend fuhr, rechnete ich nach. Wenn ich direkt hier in der Stadt einen Trailer bekommen hätte, wäre ich wohl bis nach Hause gekommen. So dürfte das wohl nichts mehr werden. Trotzdem konnte ich heute noch ein ganzes Stück fahren. Als nächstes Zwischenziel hatte ich mir dann Klamath Falls gesetzt, wo ich dann tanken und Pause machen wollte.

Drei Stunden, nachdem ich auf die US-97 gewechselt war, kam dann aber noch ein ungeplanter Stopp. An der Weigh Station, kurz vor Klamath Falls, leuchtete die rote LED am W-Pass Transponder auf. Ich durfte also wiegen. Mir fehlten aber noch gute 9.500 Pfund, um die erlaubten 80.000 zu erreichen. Ich konnte also gleich sogar entspannt volltanken. Da ich jetzt aber stand, zog ich meine Mittagspause vor und blieb direkt an der Weigh Station stehen.

Zum Mittagessen machte ich mir dann aber nur ein paar Sandwiches und aß anschließend noch die Äpfel, die ich bei der Farm bekommen hatte. Nachdem ich meine Mittagspause beendetet hatte, fuhr ich dann weiter.

Der nächste Stopp folgte dann auch schon drei Meilen später. An der Chevron, die gegenüber dem Pilot Travel Center lag, hielten wir ja immer an, wenn es über die US-97 zurück nach Kalifornien ging.

Dank der großen Tanks, die der Kenworth hatte, bekam ich 275 Gallonen Diesel mit. Die dafür fälligen 637 Bucks wurden, wie üblich mit der Techron Karte bezahlt. Mit vollen Tanks konnte ich mich dann endlich auf den Weg nach Kalifornien machen. Dazu blieb ich auf der US-97 S und folgte der Beschilderung in Richtung Weed / San Francisco.

Weitere 23 Meilen später folgte der nächste Stopp beim Food & Agriculture Department, Dorris (CA). Heute dauerte die Kontrolle dann naturgemäß wieder länger. Schließlich führte ich mal wieder Milch nach Kalifornien ein. Die Kontrolle bezog sich aber zum Glück nur auf die Ladung. Da hatte man schon genug mit zu tun. Da ich in meinem Kühlschrank und Vorratsschrank nur noch abgepackte Lebensmittel hatte, die auch noch in Kalifornien gekauft waren, brauchte man sonst auch nichts weiter kontrollieren. Schließlich gab man sich zufrieden und ich konnte endlich weiterfahren.

Eine weitere gute Stunde später hatte ich dann Weed passiert und wechselte nun auf die I-5 S in Richtung Redding. Nun hieß es noch weiter auf die Heimat zurollen, solange ich noch durfte.

Die weitere Fahrt verlief ereignislos. Mit Tempomat 56 rollte ich dahin. Der Verkehr wurde bei Redding noch mal etwas dichter, ansonsten lief aber alles.

Meinen Feierabend läutete ich dann nach einer Fahrzeit von zehn Stunden und 53 Minuten auf der Maxwell Southbound Rest Area, zwischen Maxwell und Williams ein. Es gab dann heute zwar keine richtige Laufrunde zum Feierabend, aber immerhin konnte ich mich noch ein wenig auf der Rest Area bewegen. Mein Abendessen bestand dann heute mal aus einem Mikrowellengericht, welche ich auch immer für alle Fälle im Vorrat hatte. Nach dem abendlichen Telefonat mit Pam ließ ich den Abend dann mit YouTube auf meinem Notebook ausklingen.  

Mittwoch, den 14. Oktober 2020, 4:15 am, PDT, Maxwell Rest Area (Williams, CA):

Der Anfang des Tages glich dem Beginn des gestrigen Tages. Auch heute begann ich wieder an einer Rest Area, die außer einem Toilettenhäuschen nicht viel zu Bieten hatte. Genau wie gestern erfolgte dann die Körperpflege und das Zubereiten des Kaffes mit eigenem Wasser. Um fünf Uhr begann ich wieder mit der PTI und anschließend ging es weiter nach Hause.

Weit kam ich aber erstmal nicht. Die Colusa County Weigh Station hatte bereits geöffnet und bat mich zur Prüfung von Gesamtgewicht und Achslasten. Auch mit den recht vollen Tanks brachte ich aber nur 72.127 Pfund auf die Waage und durfte anschließend meinen Weg nach Sacramento fortsetzen.

Etwa eine Stunde später hatte ich dann meine Heimatstadt erreicht und konnte mich nun auf den bekannten Weg zum Zentrallager machen. Dort angekommen, durfte ich den Trailer an Tor 5 ansetzen. Da meine Ladung aus haltbarer Milch bestand, reichte die Lagerung im normal temperierten Bereich des Food-Lagers aus. Als der Trailer abgesattelt war, stand dann auch der nächste Auftrag im System:

PICKUP: EST-CASAC
GATE: 04
TRAILER: DV104225
FREIGHT: FURNITURE
WEIGHT: 32,175 LB
DROP: COW-COFNL
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-JMU

Jessy schickte mich sofort wieder in die Ferne. Wobei ich das Zielkürzel erstmal herausfinden musste. Der Kunde war dann schonmal die Großhandelskette Costco Wholesale. Nun konnte ich das Rätsel des Zielorts lösen. ORBCOMM zog ja für die Ortscodes häufig die IATA-Codes der örtlichen Flugplätze als Kürzel. Wie so häufig war das Ziel dann auch wieder die Zusammenlegung von zwei Städten als Ziel, damit nicht jeder Ort ein separates Kürzel brauchte. In diesem Fall waren es die Städte Fort Collins und Loveland im Norden von Colorado. Damit stand dann wohl der Rest der Woche fest. Eineinhalb Tage würde ich sicher brauchen. Da ich außerdem noch mit einem angefangenen Tag auf die Tour ging, würde es sicher Samstag sein, bis ich zurück war. Zuerst ging es aber mal wieder Bobtail zum Außenlager. Für die kurze Pause war es noch zu früh. Außerdem wusste ich nicht, ob Pam und Tim überhaupt schon auf waren.

Am Außenlager angekommen, nahm ich den Dry Van mit den Möbeln auf und erledigte die PTI, anschließend konnte ich mich dann auf den Weg nach Osten machen.

Ich fuhr auf die I-80 E in Richtung Reno. Auf diesem Highway würde ich dann wohl den Rest des Tages verbringen. Laut meinem Navi sollte ich nun die Interstate 80 bis zum Kreuz mit der Interstate 25 in der Nähe von Cheyenne, Wyoming nehmen und dann die I-25 S bis zum Zielort. Das klang ja schonmal recht einfach. Erst einmal hieß es aber, die heimische Metropolregion zu verlassen und dann den Truck den Donner Pass raufkraxeln zu lassen.

Während die Dunkelheit der Nacht langsam einem grauen Herbstmorgen wich, arbeitete sich der Kenworth dann den Berg hinauf. Dabei schaltete ich dann recht früh in den neunten Gang zurück. Verbrauch und Geräuschkulisse sprachen da zwar gegen, das war aber die einzige Chance, dem Cummins ISX12 ein wenig Temperament zu entlocken. Trotz der relativ leichten Ladung krabbelte ich schließlich mit 35 mph den Pass hinauf. Es gab aber Kollegen, die noch langsamer den Berg hinauffuhren.

Schließlich hatte ich die Passhöhe erreicht und konnte nun wieder den Warnblinker abschalten. Kurz darauf erreichte ich Nevada und stellte den Tempomat auf die begrenzte Höchstgeschwindigkeit von 66 mph. Als ich diese erreicht hatte, zeigte der Drehzahlmesser knapp über 1.500 U/min an. Auch der Geräuschpegel des Motors war nun höher, als üblich. Der Truck war wohl doch für die Staaten an der Westküste gedacht und weniger für die Staaten, wo man schneller fahren konnte.

Reno war dann auch schnell erreicht und auch passiert. In Sparks überlegte ich kurz, ob ich zum TA fahren sollte, um meine Mittagspause zu machen, entschied mich dann aber dagegen. Irgendwie war mir noch nicht nach Pause.

Es dauerte aber nicht mehr lange, bis ich doch anhalten musste. An der Wadsworth DOT Inspection Area war die LED im W-Pass mal wieder rot. Entgegen meiner Vermutung ließ man es aber nicht bei der Gewichtskontrolle bleiben. „Bitte fahren Sie in den Kontrollbereich und warten Sie im Fahrzeug. Die Beamten kommen zu Ihnen.“, lautete die Anweisung aus dem Lautsprecher. Ich fuhr also auf den Parkplatz und stellte den Motor ab. Das E-Log stellte ich auf „Truck Inspection“, was als „On Duty“-Zeit galt.

Nach etwa fünf Minuten kamen ein männlicher und ein weiblicher Polizeibeamter der Highway-Polizei von Nevada und ein Mann im Anzug. Ich öffnete die Fahrertür und legte die Hände gut sichtbar auf das Lenkrad. Der männliche Beamte ergriff dann das Wort: „Guten Tag. Ich bin Sergeant John Hamilton von der Nevada Highway Police. Das sind Officer Alexandra Shaw und Caleb Jordan von der DOT. Führen sie eine Waffe mit sich?“ „Ja, ein Kampfmesser, Sir.“ Officer Shaw zog die Waffe und visierte mich an. Sergeant Hamilton fuhr fort: „Reichen Sie mir das Messer mit dem Griff zu mir.“ Ich nahm das Messer an der Lederscheide und reichte es dem Sergeant. Danach steckte auch Officer Shaw ihre Waffe wieder in den Holster, beobachtete mich aber weiterhin ganz genau. „Das ist ein Messer des US-Marine Corps. Woher haben Sie es?“ „Ich bin Reservist bei den Marines. Ich darf es besitzen und mitführen. Meinen Militärpass kann ich Ihnen vorlegen.“ „In Ordnung. Dann geben Sie mir diesen. Außerdem Ihre CDL und die Fahrzeugpapiere. Schalten Sie auch bitte Ihr E-Log zum Auslesen frei.“ Ich reichte ihm die Dokumente und die Papiere der Zugmaschine. „Wo sind die Frachtpapiere und die Fahrzeugpapiere vom Trailer?“ „Beides am, beziehungsweise im Trailer.“ „Dann steigen Sie bitte aus und händigen mir die Papiere aus.“ Ich stieg aus und holte zuerst die Fahrzeugpapiere aus dem Kasten am Trailer, dann öffnete ich den Laderaum und holte die Frachtpapiere aus der Lieferscheintasche an der Ladung. „Warum sind die Papiere am Trailer?“ „Die Fahrzeugpapiere, weil wir drop and hook betreiben und die Frachtpapiere um die Kontakte wegen Corona zu minimieren.“ „Verstehe.“ „Gibt es einen besonderen Grund, warum Sie mich kontrollieren?“ „Ja. Über Ihr Kennzeichen hat Ihr Fahrzeug nur eine Historie aus diesem Monat. Sie haben aber auch eine IFTA Plakette aus dem vergangenen Jahr an der Seite kleben. Das hat uns stutzig gemacht.“ Officer Shaw meldete sich zu Wort. „John, der Truck hat laut Tacho und E-Log bereits über 100.000 Meilen gefahren. Das funktioniert nicht in eineinhalb Wochen.“ „Prüfe mal die Fahrgestellnummer, Alex. Irgendwas passt da nicht. Normal sind die Walmart Trucks auch in Arkansas zugelassen.“, er wandte sich wieder an mich. „Können Sie den Tatbestand aufklären?“ „Meines Wissens war die Maschine ein dreiviertel Jahr stillgelegt. Die Neuzulassung kam dann so kurzfristig, dass unser Niederlassungsleiter die Maschine direkt auf die Niederlassung in Sacramento zulassen musste.“ „Das kommt hin.“, bestätigte Officer Shaw. „Laut unserer Datenbank war die Maschine von April bis Dezember 2019 in Bentonville, Arkansas auf Walmart Transportation zugelassen. In dem Zeitraum fanden Wägungen und Kontrollen an der Ostküste statt. Abmeldung Ende Dezember 2019. Wiederzulassung am 2. Oktober, dieses Jahres auf Walmart Transportation, Sacramento. Seit dem 5. Oktober wird die Maschine laut E-Log von Steven Murdock gefahren.“ „Klingt plausibel.“, warf der DOT-Beamte ein. „Auch wenn ich nicht verstehe, warum die Maschine erst nach neun Monaten stillgelegt wird und dann dieses Jahr wieder eingesetzt wird.“ „Die Maschine hat einen anderen Motor, der seinerzeit als Test beschafft wurde. Nach Ende des Tests wurde sie erst abgemeldet, da noch nicht geklärt war, was damit passieren sollte. Nun brauchten wir die Maschine aber dringend.“ „Das klingt einleuchtend.“, stimmte der DOT-Beamte zu. „Meines Wissens hat es Anfang 2020 einen Wechsel des Geschäftsführers bei Walmart Transportation gegeben. Der Vorgänger wurde wohl freigestellt. Über die Gründe gibt es aber nur Gerüchte. Vielleicht wurde der Test mit dem neuen Boss überflüssig.“ „Da kann ich nichts zu sagen. Ich bin erst seit Februar bei Walmart.“ „Das kommt hin.“, bestätigte Shaw. „Wir haben seit Februar Daten über Steven Murdock. Die meiste Zeit ist er mit einem Freightliner von Walmart Transportation unterwegs gewesen. Außerdem mit einer Handvoll Leih- und Vorführwagen, die allesamt im relevanten Zeitraum Walmart zur Verfügung standen.“ „Wie sehen die Auswertungen aus?“ „Im Prüfzeitraum keine Gewichtsüberschreitungen. Bei den Lenk- und Ruhezeiten ist es manchmal grenzwertig und zweimal über die Elf Stunden. Aber nicht mehr als 15 Minuten. Ruhezeiten und Resetzeiten sind aber häufig länger, als nötig.“ „In Ordnung. Dann sind alle Unklarheiten beseitigt.“, er wandte sich an mich: „Mr. Murdock, ich erteile Ihnen eine Verwarnung für die Überschreitung der zulässigen Lenkzeit in zwei Fällen. Dafür werden 100 Dollar fällig. Versuchen Sie, zukünftig etwas früher einen Parkplatz zu suchen. Wir behalten das im Auge. Ansonsten wünschen wir Ihnen weiterhin eine gute Fahrt.“ „Danke. Kann ich hier für meine kurze Pause noch stehenbleiben?“ „Selbstverständlich.“ Er gab mir noch mein Messer zurück, dann ging ich mit Officer Shaw zum Office, um die Strafe per Kreditkarte zu bezahlen. Die anderen Beamten gingen zum nächsten Fahrzeug. Anschließend ging Officer Shaw wieder zu ihren Kollegen. Ich räumte meine Sachen weg und stellte dann die Systeme auf Pause.

Nun wurde es Zeit, bei Pam anzurufen und ihr zu sagen, dass ich für den Rest der Woche nicht nach Hause kam. Nachdem ich das erledigt hatte, machte ich mir noch was aus meinen Vorräten zu essen. Um viertel nach Zwölf fuhr ich dann wieder weiter.

Es ging zurück auf die I-80 E in Richtung Elko. Nun hieß es die Fahrzeit vollmachen und dabei noch so weit, wie möglich zu kommen. Also stellte ich den Tempomat wieder auf 66 mph und ließ den Truck mit Höchstgeschwindigkeit laufen. Abgesehen von ein, zwei Tagesbaustellen, an denen ich vom Gas gehen musste, konnte ich den Truck mit 66 laufen lassen, es sei denn die Hügel hatten was dagegen. Ich hatte halt nicht wirklich einen Truck für Berge erwischt. Nachdem ich die Sierra Nevada hinter mir gelassen hatte, war auch das Wetter wieder besser. Zwischen den Wolken gab es immer wieder größere Lücken, durch die die Sonne schien. So lief der Nachmittag dahin.

An der Osino Weigh Station, kurz hinter Elko wurde dann mein Vorwärtsdrang abermals gestoppt. Wieder bekam ich die rote LED und wieder durfte ich wiegen. Im Gegensatz zum Mittag verzichtete man jetzt aber auf weitere Kontrollen. Nachdem die 65,393 lb auf der Skala erschienen war, durfte ich weiterfahren. Vielleicht war jetzt ein Vermerk im System, der erklärte, warum neben der grünen IFTA-Plakette auch noch die blaue Plakette aus dem Vorjahr am Truck war.

Zurück auf der Interstate 80, überlegte ich mir, wo ich denn Feierabend machen könnte. Viel Zeit blieb mir inzwischen nicht mehr. Ich wollte ja auch kein weiteres Mal überziehen. Also nahm ich 40 Meilen später die Ausfahrt 352, East Wells. Dort hatte ich die Qual der Wahl zwischen Petro, Love’s und Flying J. Dabei entschied ich mich dann für letzteren. Wenn ich nicht tanken musste, war mir Pilot / Flying J immer noch die sympathischste der großen Ketten. Am Nachmittag um viertel nach Fünf war der Parkplatz zwar schon gut gefüllt, trotzdem fand ich noch bequem einen Parkplatz. Nachdem die Systeme dann auf Pause standen, zog ich die Sportsachen an und lief noch eine gute Stunde durch Wells. Zurück am Truck, reservierte ich mir dann eine Dusche.

Frisch geduscht, schaute ich anschließend, was ich denn als Abendessen fand. An diesem Truckstop hatte man mal keine der großen Fast-Food-Ketten. Pizza gab es aber immer bei Flying J. Also entschied ich mich dafür. Nach dem obligatorischen Telefonat mit Pam guckte ich noch ein wenig in die Röhre, beziehungsweise auf meinen Flatscreen. Schließlich legte ich mich zum Schlafen hin.

Donnerstag, den 15. Oktober 2020, 4:00 am, PDT, Wells, NV:

Heute stand ich mal wieder um vier Uhr auf. Anschließend reservierte ich mir eine Dusche im Truckstop. Auch den ersten Kaffee des Tages gönnte ich mir dort. Zurück am Truck setzte ich mir den Kaffee für den weiteren Tag auf und schlüpfte in die Fahreruniform. Um fünf Uhr begann ich dann mit der PTI und machte mich anschließend wieder auf den Weg gen Osten. Über die US-93 fuhr ich zur I-80 E in Richtung Salt Lake. Nun beschleunigte ich den Truck wieder auf 66 mph und rollte dann dem baldigen Sonnenaufgang entgegen.

Eine Stunde später hatte ich Utah erreicht, wobei die Uhr nun nicht viertel nach Sechs, sondern viertel nach Sieben zeigte. Die Mountain Time Zone war erreicht. Am Wendover Port of Entry bekam ich die grüne LED am W-Pass zu sehen. Ich durfte also ohne Zwischenstopp weiterfahren.

Weitere eineinhalb Stunden später erreichte ich langsam Salt Lake City. Mehr als der zur Rush Hour zunehmende Straßenverkehr interessierte mich aber der in den letzten Minuten rapide zunehmende Funkverkehr auf Kanal 19: „Kollegen, die eastbound unterwegs sind. Nehmt nicht die I-80 in Richtung Cheyenne. Im Echo Canyon hat es einen Zweikampf zwischen einem Swift Trucker und einem von Schneider gegeben.“ „Und wer hat verloren?“ „Beide. Die Trucks sind beide Totalschäden. Die I-80 ist dort eastbound voll gesperrt. Bis aus dem Knäul wieder zwei einzelne Schrotthaufen werden, dauert es sicher mehrere Stunden.“ „Weißt du was mit den Fahrern ist?“ „Keine Ahnung. Es waren aber vorhin schon viele Einsatzkräfte vor Ort. Außerdem haben die hinter mir wieder dicht gemacht, weil ein Rettungshubschrauber landen sollte.“ „Wie kann man das umfahren?“, fragte ein weiterer Kollege. „Ich weiß nicht, ob die UT-150 für Trucks geeignet ist. Da sollen auf jeden Fall die PKW herfahren. Ansonsten fällt mir nur eine Strecke ein. Vom Silver Creek über die US-189 South bis nach Heber City, dann die US-40 East bis nach Duchense und dann die US-191 North über Vernal und Red Canyon nach Rock Springs. Die Strecke ist aber auch recht anspruchsvoll.“ „Dann kann ich auch gleich über Denver fahren.“ „Wenn du nicht gerade nach Wyoming musst, hast du recht.“ „Dann mache ich das. Danke, Kollege.“
Es folgten weiter solche Gespräche. Über das Schicksal der beiden Fahrer wusste keiner was, es wurde aber natürlich wild spekuliert. Leider gab es auch genug Sprüche, dass es da genau die Richtigen erwischt hätte.
Natürlich kannte ich auch die Gerüchte über Swift und Schneider und die YouTube Videos. Trotzdem gönnte ich sowas niemandem. Eine bessere Umleitungsempfehlung hatte aber keiner parat. Daher entschied ich mich dann kurz entschlossen dazu, ebenfalls weiträumig über die Interstate 70 auszuweichen.

Zuerst folgte nun der Wechsel auf die I-15 S in Richtung Vegas. Anschließend nahm ich erstmal mein Handy und wählte die Dispatch an. „Steve, du hast mir heute auch noch gefehlt.“, wurde ich von Jessy begrüßt. „Dir auch einen schönen guten Morgen, Schwesterherz.“ „Ja, guten Morgen. Was willst du?“ „Ich darf wohl schon wieder eine weiträumige Umleitung fahren. Ist dann die Zweite diese Woche.“ „Was kann ich dafür?“ „Nichts. Ich wollte dich nur informieren.“ „Hast du Einzelheiten?“ „Die kannst du kriegen. Auf der Interstate 80 in Richtung Osten ist im Bereich des Echo Canyons eine länger andauernde Vollsperrung aufgrund eines schweren Unfalls. Reicht dir das?“ „Wie willst du nun fahren?“ „Interstate 15 bis Spanish Fork, dann die US-6 über Price zur Interstate 70 und dann über Denver.“ Ich hörte wie Jessy am Computer arbeitete. Vermutlich schaute sie sich die Strecke auf Google Maps an. „Okay. Die Interstate 80 ist im genannten Bereich wohl wirklich dicht. Lokale Strecken sehe ich nicht. Dann mach das so.“ „Wie kommt’s, dass du dir das heute genau anschaust?“ „Weil ich für Montag einen Anschiss bekommen habe.“, sagte sie wütend. „Da hätte ich dich besser über Davis und die CA-113 nach Woodland schicken sollen. Ab da hättest du die Interstate 5 wieder fahren können und du wärst am Montag noch in Bend gewesen. Dann hätte Home Depot die Ware noch für Dienstag in die Verteilung bekommen.“ „Ich sag ja immer, dass du zu aufbrausend bist.“ „Na toll. Du hast mich Montag eben auf dem falschen Fuß erwischt.“ „Wie kommt’s?“ „Sonntag zu spät ins Bett, weil ich noch aus war, am Montagmorgen noch nicht richtig wach und dann rufst du auch noch während der Übergabe an, was ich sowieso hasse.“ „Ich habe den Eindruck, dass dir Dave fehlt. Sozusagen als Ruhepol in deinem Leben.“ „Das tut er auch. Aber der geht ja nicht mal mehr ans Telefon, wenn ich versuche ihn anzurufen.“ „Dann suche dir einen neuen Freund, damit du wieder ausgeglichener wirst.“ „Mache ich ja. Seit Ende September sind die Clubs ja wieder offen. Aber eben nur mit beschränkter Kapazität. Finde da mal eben so einen Typen.“ „Schon mal was von Singlebörsen im Netz gehört?“ „Ich will nicht wochenlang nur mit ’nem Typen rumtexten. Ich will persönlich mit ihm reden oder Spaß haben.“ „Dann kann ich dir leider auch nicht helfen.“ „Ich muss sowieso wieder an die Arbeit. Ich vermerke hier, dass du wegen der Vollsperrung über die I-70 fährst.“ „Okay. Halt die Ohren steif.“ „Danke. Vielleicht sollten wir bei deinem Feierabend noch mal telefonieren. Tut gut, mit jemandem zu reden.“ „Können wir machen. Du kannst dich aber sicher auch bei Pam melden, wenn du eine Frau zum Reden brauchst.“ „Mein großer Bruder reicht mir erstmal.“ „Okay. Ich ruf dich an.“ Wir legten auf.

Bis Spanish Fork blieb ich noch auf der I-15. An der Ausfahrt 257B wechselte ich dann auf die US-6 E in Richtung Price. Nun ging es in die Berge. Die nächsten Meilen hatte ich einen stetigen Anstieg. Dabei war ich froh, dass ich so eine leichte Ladung hatte. Sonst wäre ich sicher ein Hindernis gewesen. So konnte ich aber meist gut mithalten und hielt keinen auf.

Eine knappe Stunde später hatte ich dann einen unfreiwilligen Stopp am Peerless UDOT Port of Entry. Den Beamten reichte dann die Anzeige der 65,470 lb auf der Skala und man ließ mich weiterfahren.
Weit wollte ich fürs Erste aber nicht mehr. Ich bekam Hunger. Knapp sechs Meilen später bog ich links in die Carbonville Road, die mich durch den gleichnamigen Ort führte. Ich hoffte, hier eine Parkmöglichkeit und was zu Essen zu finden. Es gab hier zwar mehrere Mobile Home und RV Parks, aber keine wirkliche Parkmöglichkeit für Trucks. Auch die Auswahl an Mahlzeiten war hier eher begrenzt.

Dreieinhalb Meilen später, ich hatte bereits den Ortsrand von Price erreicht, sah ich dann rechterhand eine große Chevron Tankstelle mit einem Market Express. Außerdem hatte ich hier eine Auswahl von diversen Fast-Food-Ketten und die Möglichkeit, meinen Truck zu parken. Das tat ich dann auch. Als ich ausgestiegen war, und auf die kleine Gruppe, geparkter Trucks schaute, überkam mich der Eindruck, als stände dort eine Verkaufsübersicht von Kenworth für die verschiedenen Kabinenversionen des T680.

Beim Essen hatte ich mich dann für JB’s entschieden. Dort bestellte ich mir ein Country-Fried Steak & Eggs. Gut gesättigt machte ich mich hinterher wieder auf den Weg zum Truck. Ich fuhr aber erstmal nur zur Tanksäule. Da ich nicht wusste, wie die Spritpreise in Colorado waren, füllte ich sicherheitshalber die Tanks hier noch mal. Auf den örtlichen Uhren stand dann 1:15 pm, als ich mich auf meinen weiteren Weg machte.

Ich bog rechts auf die W Main Street ab. An der Ampel ging es abermals rechts auf die Straße mit dem Namen W 1st N Street. Es ging unter dem Highway durch. Danach fuhr ich dann links auf die US-6 E in Richtung Wellington zurück.

Etwa eine Stunde später hatte ich dann schließlich die Interstate 70 erreicht. Ab hier ging es dann auf der I-70 E in Richtung Grand Junction weiter. Jetzt war mein Zielort dann wieder durchgängig über Interstates zu erreichen. Das war für mich schonmal ein gutes Zeichen.
Auf der Interstate ging es nun aber ebenfalls überwiegend bergauf weiter. Ich hatte schließlich Colorado und die Rockies vor mir. Es gab aber auch Fahrer, die mehr Probleme mit den Bergen hatten, als ich. Zum Beispiel der Fahrer eines alten VW Bus, der nun damit leben musste, dass ihn zahlreiche Trucks überholten.

Es dauerte dann aber nochmal eine gute Stunde, bis ich Colorado schließlich erreichte. Bis zum Port of Entry, wo ich dann auch raus durfte, waren es aber noch mehrere Meilen. Er kam dann erst auf Höhe der Ausfahrt 15. Mit den fast vollen Tanks hatte ich aber immer noch nur 66,560 lb Gesamtgewicht.
Die Kontrollstation hatte dann auch keine eigene Zufahrt auf die Interstate. Man kam auf der Landstraße raus und musste dann über die Zufahrt der Anschlussstelle 15 wieder zurück auf den Freeway.

Der Arbeitstag war inzwischen schon weit fortgeschritten. Langsam musste ich mir überlegen, wo ich denn meine Pause absolvieren sollte. Die erste Möglichkeit bot sich schon eine Ausfahrt später. In dem Städtchen Fruita gab es einen kleinen Truckstop, der zu keiner Kette gehörte. Das war mir aber noch zu früh. Ein Stück weiter, in Grand Junction hatte ich dann sogar die Wahl zwischen Pilot und Love’s, was mir zwar sympathisch war, aber eigentlich immer noch etwas früh. So wirklich brauchte ich eigentlich auch keinen Truckstop. Ich hatte am Morgen geduscht, war den ganzen Tag nur gefahren und hatte noch nicht mal eine Tür am Trailer öffnen müssen. Außerdem hatte ich ja am Mittag schon gut und reichlich gegessen. Also entschied ich mich erstmal, weiterzufahren.
Als nächstes kam an der Ausfahrt 47 der Exxon Truckstop, Palisade. Dieser lag hier, im Tal des Colorado Rivers zwar landschaftlich schön, wirkte aber selbst wenig einladend. Als fuhr ich auch hier weiter, während mir meine Fahrzeit langsam weglief. Vielleicht müsste ich doch etwas weniger wählerisch sein. Meine Weiterfahrt wurde aber wenigstens noch damit belohnt, dass ich noch einen Blick auf den Roller Dam bei Tageslicht werfen konnte.

Kurz darauf führte der Highway quasi unter dem „Schwanz“ des Beavertail Mountains hindurch. Man konnte aber hier abfahren und der Schleife des Colorado Rivers folgen. Auf dem Schild stand „Parking Area“ was dann für mich eine Einladung war.

Das schien das zu sein, was ich für den Feierabend haben wollte. Der Parkplatz lag dann schließlich auch direkt am Fluss. Außerdem gab es hier auch inzwischen ein kleines Toilettenhäuschen. Damit hatte ich alles was ich brauchte. Ich stellte den Truck ab und auch die Systeme auf Pause. Mit 10 Stunden und 15 Minuten hatte ich auch noch etwas Luft gelassen, wie es mir die Beamten aus Nevada gestern geraten hatten.

Als erstes nutzte ich dann die Toilette. Anschließend machte ich ein Foto, welches ich Pam schickte. Das schickte ich Pam mit der Bildunterschrift „Mein Platz für den Feierabend.“ Die Antwort kam kurz darauf: „Vielleicht sollte ich doch mal bei dir mitfahren. Ich platze gleich vor Neid.“

Mein Platz für den Feierabend.

Zurück im Truck tauschte ich dann meine Fahreruniform gegen die Sportsachen und erledigte noch eine leichte Laufrunde, die ich mangels anderer Wege an der Straße entlang machen musste. Kurz vor der Interstate drehte ich dann um und lief den Weg wieder zurück. Das musste dann heute reichen.
Anschließend machte ich es mir bei den letzten Sonnenstrahlen noch am Flussufer gemütlich. Es wurde dann aber viel zu schnell dunkel.

So verbrachte ich dann den Abend doch im Truck. Dabei telefonierte ich zuerst mit Pam. Nachdem sie sich dann wieder um unseren Sohn kümmern musste, rief ich bei Jessy an, die sich dann noch bei mir ausheulen konnte.
Als ich hinterher auf die Uhr sah, hatten wir sage und schreibe zwei Stunden miteinander telefoniert. Jessy fühlte sich hinterher erleichtert und ich konnte sie etwas besser verstehen. Viel weiter konnte ich ihr mit meiner männlichen Sicht auf die Dinge dann aber auch nicht helfen. Es hatte ihr aber geholfen, einige Sachen auch mal aus meiner Sicht zu betrachten, auch wenn sie nun wusste, dass sie Dave vermutlich nicht mehr zurückgewinnen konnte. Sie versprach dann aber trotzdem, sich auch noch mit Pam oder Keela zu unterhalten, die das dann auch noch vom weiblichen Standpunkt aus betrachten konnten.

Nach der ganzen Telefoniererei glühten mir dann die Ohren und der Kopf rauchte. Ich wollte dann auch gar nichts mehr an Input haben. So legte ich mich dann recht schnell in meine Koje.

Freitag, den 16. Oktober 2020, 5:15 am, MDT, Beavertail Mountain Parking (De Beque, CO):

Ich hatte wunderbar geschlafen. Zum Glück hatte das lange Telefonat mit Jessy nicht dazu geführt, sich in meine nächtlichen Träume zu mogeln. Dass mein Wecker heute erst um viertel nach Fünf klingelte, lag dann daran, dass ich mich nun in der Mountain Time Zone befand und nicht daran, dass ich verschlafen hätte. Dank des inzwischen vorhandenen Toilettenhäuschens hatte ich zumindest dieses zur Verfügung und brauchte mich nicht in der Natur erleichtern. Die Körperpflege fand dann trotzdem am Truck statt.
Nachdem ich den ersten Schluck Kaffee genossen hatte, konnte ich dann um sechs Uhr mit der PTI beginnen, die Mitte Oktober natürlich im Dunkeln stattfand. Anschließend konnte ich mich dann auf den Weg machen. Dazu ging es zuerst zurück auf die I-70 E in Richtung Denver. Langsam wurde es dann auch hell und ich konnte dann auch wieder die beeindruckende Kulisse der Rockies betrachten.

Da kam auch noch zu, dass auf den Schildern die Namen von bekannten Wintersportorten wie Aspen oder Vail auf den Schildern standen. Durch letzteres führte die Interstate 70 quasi hindurch, genau wie durch andere bekannte Orte im Eagle County und Summit County.

Schließlich erreichte ich den höchsten Punkt meiner Tour, als ich den Eisenhower-Johnson Memorial Tunnel erreichte.

Nun ging es immer weiter auf die Mile-High-City, Denver zu. Die Dauerbremsen der Trucks bekamen gut zu tun, das kannte ich aber auch aus meiner Heimat, wenn ich den Donner Pass hinab fuhr. Hier fand ich nur die Kulisse noch etwas schöner, als in der Sierra Nevada.

Schließlich erreichte ich die Metropolregion von Colorados Hauptstadt. Hier wechselte ich dann an der Ausfahrt 269B auf die I-76 E in Richtung Fort Morgan. Knapp fünf Meilen später ging es dann an der Ausfahrt 5 auf die I-25 N in Richtung Fort Collins.
Jetzt, am Vormittag brauchte ich dann nochmal eine knappe Stunde, bis ich vom Navi die Anweisung bekam, die Interstate zu verlassen. Allerdings wunderte ich mich. Hier, an der Ausfahrt 257 ging es auf die US-34 W in Richtung Loveland. Die Adresse lag aber in Fort Collins. Warum sollte ich denn schon hier abfahren. Mein Navi kannte aber die für Trucks geeigneten Strecken, hier in Colorado sicher besser als ich. Na gut. Also erstmal in die Stadt, die den Verliebten in den USA als Heimat des Re- Mailing Programms zum Valentinstag bekannt ist. Jedes Jahr werden in Loveland hunderttausende Briefe mit selbst gedichteten Versen beantwortet und „handgestempelt“ wieder zurückgeschickt.

In der Stadt bog ich dann rechts in die N Lincoln Avenue und somit auf die US-287 N, über die es dann wirklich nach Fort Collins gehen sollte. Diese wurde dann zur Buchanan Avenue und später zur N Garfield Avenue, wobei ich vermutete, dass beide nichts mit den Fantasiefiguren eines Rettungsschwimmers oder einer Comic Katze zu tun hatten.
Die Straße hieß dann S College Avenue, als linkerhand das Lager von Costco Wholesale auftauchte, welches mein Ziel war. Mit der Großhandelskette arbeitete Walmart über Sam’s Club ja schon jahrelang zusammen, auch wenn ich da bislang noch nicht hinmusste. Jedenfalls war die Kooperation so eng, dass ich mich hier nicht melden brauchte, sondern direkt im ORBCOMM mein Tor angezeigt bekam, an welches mein Trailer musste.
Nachdem der Trailer dann am Tor stand, hatte ich auch den nächsten Auftrag im System stehen:

PICKUP: THD-COFNL
TRAILER: THDXXX
FREIGHT: USED PACKAGING
WEIGHT: 33,233 LB
DROP: CST-CASAC
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-JMU

Jessy hatte das einzig Mögliche gemacht, um mich zum Wochenende noch irgendwie nach Hause zu bekommen. Wobei ich nur hoffte, dass die Fahrzeit dafür noch reichen würde. Eine Direktfahrt von Fort Collins zum Zentrallager, Sacramento. Diese ging aber nicht hier los, sondern bei einem Home-Depot Baumarkt. Ich rief die Adresse ab und gab dann 1251 E Magnolia St, Fort Collins, CO 80524 ins Navi ein. Dazu ging es dann wieder links vom Hof und über die S College Avenue weiter nach Fort Collins hinein. Es ging jetzt noch fast vier Meilen nach Norden. Vorbei an zahlreichen Geschäften, Einkaufszentren und Fast-Food Tempeln. Dann sogar relativ nah am Campus der Colorado State University vorbei, womit ich an sich eher gerechnet hätte, als mit den Malls.
Schließlich ging es rechts auf die E Mulberry Street. Nach einer Meile ging es dann links in die S Lemay Avenue, an der auch der Haupteingang des Baumarkts lag, auch wenn die Adresse an einer Querstraße lag. Über den Parkplatz ging es dann zur Einfahrt der Warenannahme, wo mich dann mal wieder eine Sprechanlage erwartete. Ich hielt vor dem Tor und klingelte an der Sprechanlage. „Ja bitte?“, meldete sich eine Stimme, die etwas ungehalten war, da ich leider genau zu beginn der Mittagspause um halb Eins geklingelt hatte. „Hallo. Walmart Transportation. Ich soll hier einen Trailer mit Altverpackungen übernehmen. Kommission Sam’s Club.“ „Okay. Der Trailer steht fertig auf dem Hof. Ist der, mit dem Kennzeichen DQQ-M48. Papiere sind, wie besprochen, hinten auf dem Trailer.“ „Okay. Danke.“ „Das nächste Mal kommt ihr bitte nicht ausgerechnet in der Pause.“ Es knackte im Lautsprecher und das Tor fuhr auf.

Ich fuhr dann schnell hinein, bevor er sich es anders überlegen würde und sattelte den genannten Trailer auf. Leider ergab das dann mal wieder eine ungeliebte Kombination mit einem Orangen Trailer mit Werbung für die Baumarktkette. Nach der PTI des Trailers fuhr ich vom Hof. Zum Glück wurde das Tor von dieser Seite durch eine Kontaktschleife geöffnet, so dass ich die Leute der Warenannahme nicht nochmal belästigen musste. Draußen suchte ich mir einen Parkplatz für den Truck und machte dort meine kurze Pause. Diese verbrachte ich dann beim Taco Bell, wo ich mir dann mein Mittagessen holte. Es war dann halb Zwei, als ich mich auf den Weg nach Hause machte.

Ich fuhr wieder auf die S Lemay Avenue und bog dann links auf die E Mulberry Street ab, die hier gleichzeitig die CO-14 war. Nach drei Meilen erreichte ich dann die Anschlussstelle 269 der Interstate 25. Hier fuhr ich nun auf die I-25 N in Richtung Cheyenne. Eine gute halbe Stunde später kam ich dann das erste Mal in meiner Fahrerkarriere nach Wyoming.

Dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis ich Cheyenne erreichte.
Im Südwesten der Stadt wechselte ich dann an der Ausfahrt 8B auf die I-80 W in Richtung Laramie. Nun war ich also auf der Rennstrecke nach Hause. Schließlich führte die Interstate 80 ja auf dem Weg an die Westküste direkt durch Sacramento.

Der Nachmittag und damit die nächsten 250 Meilen gingen dann ohne besondere Vorkommnisse vorbei. Die eintönige Fahrt passte auch zur Landschaft, durch die ich fuhr. Es ging zwar stetig kaum merkbar bergauf, so spektakulär wie an der Interstate 70 war die Landschaft hier aber lange nicht. Noch eintöniger als hier war es vermutlich nur noch in Nebraska oder Iowa.

Kurz vor Rock Springs wurden dann aber die Hügel, durch die es ging langsam wieder zu Bergen. Nun musste ich mir aber langsam überlegen, wo ich Feierabend machen wollte. Meine Wahl fiel dann auf das Flying J Travel Center, Rock Springs, WY. Als ich den Truck auf den Parkplatz stellte, zeigte die Fahrzeit dann 10 Stunden und 51 Minuten an. Punktlandung.
Was mich mehr beunruhigte, war die Wochenrestzeit, die nur noch etwas über zwölf Stunden betrug. Um in einer Schicht nach Hause zu kommen, musste ich schon im Westen von Utah sein und nicht im Westen von Wyoming. Offensichtlich hatten mir die Umleitungen dieser Woche zu viel Zeit gekostet.

Ich nahm nochmal das Handy und rief die Nummer der Dispatch an. „Hallo Steve.“, begrüßte mich Danny. „Was kannst du denn bei deinem Feierabend noch von mir wollen?“ „Hallo Danny. Ich habe gerade meine Wochenrestzeit gesehen. Ich glaube nicht, dass ich damit nach Hause komme.“ „Wieviel hast du denn noch und wo stehst du gerade?“ „Ungefähr zwölfeinviertel Stunden und Rock Springs, Wyoming.“ „Dann hast du Recht. Das wird nichts.“ „Was machen wir nun?“ „Nichts weiter. Du hast Altverpackungen geladen. Ob die nun vor dem Wochenende oder erst Montag hier ankommen, ist gehopst wie gesprungen. Du fährst morgen noch eine Schicht und machst dann deinen Reset. So kommst du noch weiter in Richtung Heimat. Am Sonntag kannst du dann meinetwegen Nevadas Casinos unsicher machen und Montag um Fünf fährst du weiter nach Sacramento. Wenn du hier bist, kannst du dann gerne Pause machen, um dir zu Hause neue Vorräte und frische Wäsche zu holen, bevor ich dich dann wieder in die Ferne schicke.“ „Ist ja toll.“, stöhnte ich. „Sei froh, dass du bei uns fährst. So bekommst du immerhin die 42 Dollar pro Tag durchgezahlt. Andere Fahrer stehen dann ohne Einkommen rum.“ „Auch wieder wahr.“ „Mehr kann ich nicht für dich tun. Wenn du eine eilige Ladung hättest, könnte man vielleicht was machen. So macht es für uns aber keinen Sinn, dich abzulösen, damit der Truck nach Hause kommt. Ich vermute mal, dass du etwa bis Reno kommst. Lass deine Frau doch dahinkommen. Dann seht ihr euch wenigstens. Zwei Betten hast du doch im Truck.“ „Und was mache ich mit Tim?“ „Da hab ich jetzt nicht dran gedacht. Ein Motel Zimmer kostet natürlich wieder Geld.“ „Das muss Pam dann entscheiden, falls da Motels überhaupt geöffnet haben.“ „Sorry, dass ich da nichts für dich tun kann. Ohne die Sperrung gestern, hätte ja alles gepasst.“ „Zwei Sperrungen in der Woche sind dann doch eine zu viel.“ „Du sagst es. Ich muss mich jetzt aber um deine Kollegen kümmern. Schönen Feierabend, Steve.“ „Danke Danny.“, ich legte dann auf.

Entsprechend gefrustet zog ich mich um und zog die Sportsachen an. Dann absolvierte ich dann noch eine gute Laufrunde, um mich abzureagieren. Zurück am Truck, ging ich dann duschen. Anschließend gab es mein Abendessen vom Denny’s.

Als ich gesättigt war, rief ich dann bei Pam an. „Hallo Darling. Wo bist du denn jetzt?“, wurde ich begrüßt. „Hallo Sweetheart. Ich bin in Rock Springs Wyoming.“ „Du bist am Freitagabend noch in Wyoming?“, wunderte sie sich. „Leider ja. Das ist auch das Problem. Ich schaffe es wohl nicht mehr nach Hause.“ „Du kommst das Wochenende nicht?“ „Nein. Ich habe zwar eine Ladung nach Sacramento. Aber leider nur Altverpackungen. Ob die nun morgen oder nächste Woche ankommen, interessiert keinen.“ „Also Wochenende draußen.“, resümierte Pam enttäuscht. „Hat Jessy das jetzt verbockt?“ „Wenn Jessy was falsch gemacht hat, dann am Montag. Dafür hat sie auch schon den Anschiss kassiert. Als sie mich nach Colorado geschickt hat, war alles in Ordnung. Sie konnte ja auch nicht wissen, dass 24 Stunden später ein Unfall passiert, der eine weitere Umleitung erforderlich macht.“ „Also kann da keiner was für.“ „Allenfalls die Idioten, die den Unfall gebaut haben. Da weiß ich aber nicht einmal, ob die den überlebt haben.“ „Fährst du morgen trotzdem noch weiter?“ „Natürlich. Ich mache morgen meine Zeit voll und fahre soweit wie möglich nach Hause.“ „Bis wohin kommst du denn?“ „Wenn alles klappt, vielleicht bis nach Reno.“ „Und dann stehst du 200 Meilen vor zu Hause?“ „Genau. Worauf willst du hinaus?“ „Sollen wir dann zu dir kommen?“ „Die Idee hatte Danny auch schon. Meinst du das lohnt sich?“ „Keine Ahnung. Ich würde dich aber schon gerne sehen.“ „An einem Tag hin und zurück ist aber Blödsinn. Ich weiß nicht ob Motels geöffnet haben.“ „Wo schläfst du denn?“ „Natürlich im Truck.“ „Warte mal. Da sind doch auch zwei Betten drin.“ „Und was ist mit Tim?“ „Wenn ich ihn zu deiner Mom bringe?“ „Das wäre eine Möglichkeit. Jessy müsste auch zu Hause sein. Sie hat Bereitschaft.“ „Dann ist der Kleine eben mal ein Wochenende bei den Großeltern.“ „Lass uns noch eine Nacht drüber schlafen. Wir entscheiden das morgen.“ „Okay.“

Das weitere Gespräch führten wir dann mit anderen Themen. Ich berichtete von meinem Tag und Pam von ihrem Tag mit Tim. Schließlich legten wir auf, weil Pam das Abendessen fertigmachen wollte. Ich ließ den Tag dann vor dem Fernseher ausklingen.

Samstag, den 17. Oktober 2020, 5:00 am, MDT, Rock Springs, WY:

Um fünf Uhr Ortszeit stand ich dann auf. Für die Morgentoilette und Körperpflege reservierte ich mir eines der sechs Duschbadezimmer des Flying J Truckstops. Die Wahrscheinlichkeit stand schließlich mindestens 50:50, dass ich Pam am Abend noch sehen würde. Da wollte ich dann gut aussehen und auch entsprechend riechen. Frisch geduscht, nahm ich mir anschließend noch einen Kaffee mit zum Truck. Den weiteren Kaffee setzte ich dann im Truck auf. Um sechs Uhr begann ich dann mit der PTI und eine Viertelstunde später machte ich mich wieder auf den Weg gen Westen.

Dazu bog ich rechts auf den Stagecoach Drive, der mich dann wieder direkt auf die I-80 W in Richtung Salt Lake bringen sollte. Es dauerte dann nicht ganz zwei Stunden, bis ich dann die Grenze zu Utah erreichte. Kurz darauf war ich im Echo Canyon, wo vorgestern der Unfall war. Davon war heute kaum noch was zu sehen. Es gab noch ein paar Kreidemarkierungen auf der Straße und Bremsspuren, die aber nicht zu deuten waren.

Eine weitere Stunde später hatte ich Salt Lake erreicht. Dabei fiel mein Blick auf die Tankuhr. Schlagartig kamen mir wieder die Worte in Erinnerung, die ich seinerzeit bei dem Anschiss von Charlie gehört hatte. Passenderweise war die vergessene Tankung direkt nach meinem letzten und bisher einzigen Wochenende draußen gewesen. „Am Besten hättest du erst in Utah vollgetankt und dann in Nevada noch mal nachgetankt.“, hatte er damals gesagt. Ich hatte schon heute früh in Wyoming nicht geschaut, wie der Preis war. Dann sollte ich wenigstens hier tanken.

Also nahm ich den Truckstop der Sapp Brothers als Zwischenziel. Ich wechselte also auf die UT-201 W in Richtung West Valley. An der Ausfahrt 15B wechselte ich dann auf die I-215 N. Kurz darauf verließ ich die Interstate an der Ausfahrt 21. Dann bog ich rechts in die California Avenue ab und war dann schon fast am Truckstop.

Dort füllte ich als erstes die Tanks voll. Anschließend fuhr ich auf den Parkplatz. Jetzt war ich einmal auf einem Truckstop, dann konnte ich auch gleich die Pause machen. Auch wenn es noch fast der frühestmögliche Moment war. Zum Frühstücken ging ich dann ins Beans & Brews Coffeehouse, welches ich ja auch noch von meinem letzten Aufenthalt kannte.
Hier war es dann schon viertel nach Zehn, als ich mich dann wieder auf den Weg machte.

Es ging zurück auf die California Avenue und dann wieder auf die I-215 N. An der Ausfahrt 22 wechselte ich dann wieder auf die I-80 W in Richtung Reno und war jetzt wieder auf dem normalen Weg.

Eine halbe Stunde später passierte ich den Tree of Utah und war somit auf dem besten Weg nach Nevada, als das Telefon klingelte. Es war Pam, die anrief. „Hallo Sweetheart, schön, dass du dich meldest.“, begrüßte ich sie. „Hallo Darling.“, sagte sie leise. „Warum redest du so leise?“, wunderte ich mich. „Ich möchte nicht, dass Tim mitbekommt, was ich jetzt mit dir bespreche.“ „Ich vermute mal, dass deine Entscheidung zu meinen Gunsten ausgefallen ist.“ „Genau. Wenn er jetzt mitbekommt, dass ich zu dir komme und wo ich dann schlafe, möchte er sicher nicht mehr zu Granny und Jessy.“ „Ist Dad mal wieder unterwegs?“ „Keine Ahnung. Vielleicht ist er auch nur arbeiten. Von ihm war eben keine Rede.“ „Mom und Jessy kümmern sich um den Kleinen?“ „Richtig. Ich hatte den Eindruck, als hätte Jessy ein schlechtes Gewissen.“ „Klar. Wenn ich Montag den riesen Umweg nicht gemacht hätte, würde mir auch mehr Fahrzeit bleiben.“ „Jedenfalls bringe ich Tim gleich zu Mary und die beiden kümmern sich dann um ihn. Danach komme ich dann rüber.“ „Wenn alles klappt, komme ich bis nach Sparks, Nevada. Da müsstest du dann hinkommen.“ „Hattest du nicht Reno gesagt?“ „Das geht auch fließend ineinander über. So wie San Diego in National City oder Chula Vista.“ „Ich dachte schon…“ „Nee, nee. Wir wohnen ja auch in Lemon Hills und nicht in Sacramento.“ „Ich hab‘s verstanden.“ „Okay.“ „Ich nehme sowieso unser Navi mit. Gib mir mal die Adresse.“ „Meinst du, die habe ich im Kopf? Such im Netz nach dem Petro Stopping Center, Sparks.“ „Okay, mache ich. Wann bist du wohl da?“ „Ich hoffe, ich bin bis halb Sechs, heute Abend da. Ansonsten muss ich vorher stehen bleiben.“ „Heißt das, ich muss noch weiter wegfahren?“ „Nur, wenn was dazwischenkommt. Wenn dir die Fahrt zu viel wird, dann lassen wir das vielleicht lieber.“ „Mir wird das nicht zu viel. Ich mag es nur nicht zu fahren, wo ich mich nicht auskenne.“ „Dann wäre mein Job absolut nichts für dich.“, sagte ich lachend. „Das ist wahrscheinlich Gewohnheit. Da wir aber einen Sohn haben, könnten wir sowieso nicht als Paar fahren.“ „Also traust du dir das zu?“ „Natürlich. Ich hab ja ein Navi mit. Außerdem kann ich mich ja bei dir melden, wenn ich nicht weiterweiß.“ „Okay, Sweetheart. Dann bis gleich.“ Wir legten auf.

Eine halbe Stunde später hatte ich Wendover erreicht und somit die Grenze zu Nevada. Als ich diese überschritten hatte, stimmten Realzeit und Logzeit auch wieder überein.
Nun ging es wieder am Nordrand des Great Bassin entlang. Ich passierte Wells, Elko, Battle Mountain und Winnemucca.

Kurz nachdem ich letzteres passiert hatte, bekam ich eine WhatsApp von Pam: „Ich habe gerade Tim abgeliefert. Mache mich jetzt auf den Weg zu dir. Ich liebe dich, Darling.“ Dahinter kamen noch einige Herzchen Emojis. Ich schrieb kurz: „Love you too.“, ebenfalls mit entsprechenden Emojis zurück.

Die weitere Fahrt lief soweit ereignislos. Das „aufregendste“ war dann noch das Passieren einer Tagesbaustelle, für die ich kurz auf 55 verlangsamen musste.

Ansonsten lief alles weiter nach Plan.
So erreichte ich kurz nach Fünf die Ausfahrt 21, Vista Blvd / Greg St. Hier verließ ich dann die Interstate 80 für diese Woche.

Wenige Minuten später erreichte ich dann das Petro Stopping Center. Mit 400 Truck Parkplätzen war der Truckstop auch ausreichend groß, um auch am Samstagnachmittag noch einen Parkplatz zu bekommen. Ich nahm einen Parkplatz im hinteren Bereich, wo es meist etwas ruhiger war. Dann stellte ich die Systeme auf Reset. Heute hatten mir nur noch wenige Minuten bis zu den elf Stunden gefehlt. In der Wochenarbeitszeit war ich dann auch schon über 69 Stunden. Mehr wäre also nicht gegangen.

Als der Papierkram erledigt war, stieg ich aus und ging zu den PKW-Parkplätzen. Als ich dort ankam, fuhr gerade ein Ford Edge, der mir sehr bekannt vorkam auf den Parkplatz. Das Wochenende zu Zweit konnte beginnen.

Hinterlasse einen Kommentar