Kapitel 35 – Zwei neue Freunde und ein neuer Staat

Samstag, 22.06.2019 und Sonntag, 23.06.2019

„Klar, setz Dich.“ „Ich bin Alex.” „Brandon.” Wir hatten uns nun schon ein paarmal bei seinem Arbeitgeber gesehen und auch mal den Ladevorgang betreffend miteinander gesprochen, aber noch nie uns mit Namen vorgestellt. Erst einmal plauderten wir über belanglose Dinge. Die Wellenlänge passte jedenfalls mal.
„Bist Du ursprünglich aus Philadelphia?“ Er zeigte auf mein recht frisches Tattoo mit dem Flyers-Logo, das aus dem T-Shirt-Ärmel herausguckte. „Ganz ursprünglich nicht. Lange Geschichte.“ „Nicht so lang wie meine, wette ich.“ „Kommt drauf an, wie alt Du bist und wann die eigentliche Geschichte losgeht.“ „Ich bin 21 und sie geht kurz nach meinem 4. Geburtstag los.“ „Dann ist meine länger. Ich bin 24 und sie beginnt mit meiner Geburt.“ „Das ist früh.“
„Um sie nicht zu lang werden zu lassen. Geboren bin ich in San Diego, hatte als ungeplanter Zwilling, und auch von meinen Leistungen immer im Schatten meines Bruders, mein Leben lang Stress mit meinen Eltern. Er konnte früher sprechen, er baute den höheren Turm mit Bauklötzen, er war in der Schule besser, er war sportlicher. Mit 18 habe ich mich endgültig mit meinen Eltern zerstritten und bin nach Philadelphia, habe da 6 Jahre gelebt und den Truckführerschein gemacht, mich als Owner-Operator selbstständig gemacht, bin unter meinem jetzigen Boss für Caterpillar gefahren. Kurz bevor der bei CAT gekündigt hat und hier die Firma seines Opas übernommen hat, hatte ich einen Freizeitunfall und als ich aus dem Krankenhaus kam, war meine Einmann-Firma natürlich pleite. Also habe ich meinen ehemaligen Kunden und heutigen Boss angerufen und er hat mir die Stelle angeboten. Darauf bin ich im April hier rüber.“ 
„Also auch familienlos?“ „Nein. Mein Bruder hat immer zu mir gehalten und mit meiner Mutter habe ich mich letzten Herbst versöhnt. Meine Eltern leben inzwischen getrennt und wollen sich scheiden lassen. Das ging alles von meinem Vater aus, uns ist dann irgendwann der Reihe nach die Geduld mit ihm ausgegangen. Mir zuerst, ihr zuletzt. Und Du?“
„Ich bin in einem Vorort von Moskau geboren. Meine Eltern wollten sich unbedingt mal was gönnen, als ich alt genug für einen Babysitter war und haben lange auf Musicalkarten gespart. Das Theater wurde von Rebellen für die Unabhängigkeit einer russischen Teilrepublik in einer Geiselnahme besetzt und bei der verpfuschten Stürmung durch die russischen Behörden mit Narkosegas wurden meine Eltern mit über 100 anderen Geiseln und den Rebellen getötet.“ „Oh. Das tut mir leid. Ich wollte nicht so tief bohren.“
„Ich war zu jung, um das damals kapiert zu haben. Der nächste Verwandte war mein Onkel, der in den 90ern von Boeing bei Sukhoi als Flugzeugentwickler abgeworben worden war, also wurde ich in einen Flieger nach Seattle gesteckt und von ihm und seiner Frau in Everett großgezogen. Eigentlich war es dann mit ein Bisschen Abstand von Moskau doch eine ganz schöne Kindheit. Mein Cousin ist genauso alt wie ich, wurde wie ein Bruder und heißt lustigerweise auch Alexej.“ „Das war wohl nicht ganz einfach, Euch zu rufen?“ „Er ist Lesha, ich bin Alex. Der Name ist so häufig in Russland, da gibt es duzende von Rufnamen für.“
„Onkel und Tante waren aber nie so richtig hier angekommen und hatten das vor allem fürs Geld gemacht, aber nie so richtig am Leben teilgenommen. Weil ich durch ihre Abgrenzung bis auf ein paar Schulfreunde nur bei ihnen und anderen von Boeing abgeworbenen Russen und Ukrainern rumgehangen habe, spreche ich auch nach 16 Jahren in Amerika diesen lustigen Akzent.
Mit 18 bekam ich, weil ich seit der Vorschule hier aufgewachsen bin, meine unbefristete Greencard quasi automatisch und habe mir die amerikanische Staatsbürgerschaft gesichert. Über eine kurze Zeit in Portland ich vor zweieinhalb Jahren dann hier gelandet.
Trotz meiner Entscheidung und der Drohung meines Cousins, in den USA zu bleiben, sind mein Onkel und meine Tante aber nach Russland zurück und ich sehe sie meistens nur einmal im Jahr. Mein Cousin ist auch Amerikaner geworden und lebt in Chicago, wir besuchen uns etwas öfter.“


Mein Essen kam und kurz danach bekam auch Alex den Burger, den er sich bestellt hatte. Wir aßen also erst mal und holten uns jeder noch ein Bier. „Wollen wir mal Billard oder Darts spielen?“ „Gerne.“ „Was?“ „Mir egal, bin in beidem gut.“ „Dann für die Chancengleichheit besser Billard. Darts ist bei mir kein Sport sondern ein Glücksspiel.“ „Kann man aber lernen.“ „Ein anderes Mal, okay?“
Wir lieferten uns zwei harte Duelle, einmal gewann Alex mit zwei Kugeln Vorsprung, dann ich mit ebenfalls zwei Kugeln. Wir mussten es aber bei Unentschieden belassen. Andere Gäste wollten den Tisch auch mal benutzen. Also tranken wir jeder noch ein Bier.
„Was hast Du morgen vor?“ „Noch eine Ladung Wäsche waschen, im Haus sauber machen. Vielleicht reicht es noch für eine Runde Motorrad.“ „Ach so.“ „Warum?“ „Es soll ja so warm werden. Ich wollte ins Schwimmbad.“ „Klingt auch nicht schlecht.“
Wir tauschten die Handynummern und ich fuhr mit dem Taxi nach Hause. Alex wohnte in einem Appartementblock nur knapp 400 Yards vom Pub weg. Scheinbar hatte ich meinen „neuen Ralph“ gefunden.

Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Silverado zum Schwimmbad. Wir waren nicht die einzigen, die auf diese Idee gekommen waren. Es wurde schon ein Problem, einen Parkplatz zu finden. Alex stand mit einem Rucksack da. „Wo parkst Du denn?“ „Zu Hause. Ich bin zu Fuß hier. Ist nicht mal eine Meile für mich.“ „Wollen wir uns das da drin wirklich antun?“ „Ich hab mich so auf Schwimmen gefreut.“ „Ich mich auch.“ Immerhin durfte ich dieses Wochenende das erste mal nach dem neuen Tattoo wieder. „Aber wie willst Du da drin schwimmen?“ Man konnte ein Schwimmbecken voll mit Köpfen hinter dem Zaun erkennen. „Steig ein, lieber in 2 Stunden richtig Wasser als nach 2 Stunden die Nase voll von dem Spargelkocher.“
Ich fuhr los auf die I-5 und bei Grants Pass auf die US-199 in Richtung Westen. „Willst Du bis an den Pazifik?“ „Ja. Sind doch nur 110 Meilen.“ „Okay, mit diesem Auto kann man das machen. Ich hätte da Angst, nicht zurück zu kommen?“ „Was fährst Du denn?“ „Ein 1994er Oldsmobile Bravada. Ziemlich fertig, das Teil.“ Bei 25 Jahren wohl kein Wunder, aber es gab ja auch Ausnahmen. „Mit einem 1988er Oldsmobile Cutlass Cruiser Wagon bin ich damals mit 18 von San Diego nach Philadelphia gefahren. Auch alte Autos können Höchstleistungen erbringen.“ „Der Wagen nicht mehr. Und ich will kein Geld in einen neuen stecken, so lange er es tut. In der Stadt reicht der und ansonsten habe ich ja eh keine großartigen Kontakte hier, die Langstrecke brauchen. Zweimal im Jahr zu meinen Freunden nach Portland hoffe ich einfach, dass es gut geht.“

Wir kamen in Crescent City an, wo südlich der Stadt ein mehrere Meilen langer Strand war. Hier fanden wir dann auch genug Platz zum Schwimmen.

„Ich weiß ja nicht, ob es noch zu früh für freundschaftliche Ratschläge ist, aber Deine Bräune sieht schrecklich aus.“ „Warum?“ „Weil die obere Hälfte Deiner Tattoos immer in den Ärmeln der T-Shirts steckt, die Du scheinbar ständig trägst. Und nun geht die Bräunungslinie genau durch.“
Alex hatte scheinbar oft genug gar nichts am Oberkörper, denn man konnte nur den dezent helleren Umriss von Muscle Shirts oder Unterhemden auf dem eigentlich komplett gebräunten Oberkörper erkennen, von T-Shirt-Ärmeln war jedenfalls nichts zu sehen. Vielleicht sollte ich auch öfter Muscle Shirts tragen, denn die Tattoos halb auf hellem und halb auf dunklem Hintergrund sahen wirklich bescheuert aus. Besonders das Flyers-Logo, weil das Orange im Gegensatz zu Schwarz und dem Dunkelrot im Assassin’s Creed Tattoo bräunungsanfällig zu sein schien und nun aus zwei Farbtönen bestand.

Abends setzte ich Alex zu Hause ab und am nächsten Morgen rief wieder die Arbeit.


Montag, 24.06. bis Sonntag, 30.06.

In dieser Woche hatte ich eine kurze Tour durch Oregon, denn am Wochenende stand das erste von den Rennen an, zu denen ich mich kürzlich angemeldet hatte. Isaac hatte sich auch frei genommen und kam als Mechaniker mit zur Strecke. Außerdem ließ er sich mal auf einer Sichtungsfahrt mitnehmen.
Ich wurde am Ende 9. in meiner Klasse. Auf einer unbekannten Strecke ein gutes Ergebnis.


Montag 01.07. bis Samstag, 06.07.

In dieser Woche ging es ganz in den Norden Oregons, einen Abstecher nach Nevada und über Central Oregon nach Hause zurück. Mal wieder hatte ich das STAA-Double, aber das dürfte weniger werden, den Evan hatte jetzt das Endorsement T auch wirklich ausgestellt bekommen.
Am Independence Day sah ich mir mit Evan und Brian morgens die Parade an. Danach hatte Brian uns „familienlose“ Angestellte zum Barbecue eingeladen. Casey war bei seinen Eltern, von uns hatte er als einziger Verwandtschaft vor Ort. Werkstattbesitzer Isaac war zu seinen Verwandten nach Nevada gefahren.
Am Freitag und Samstag fuhr ich noch mal mit dem Flatbed nach Sacramento und zurück. Und ich hatte bei Sonne und 30 Grad Außentemperatur auch die Woche über mal Alex Ratschlag befolgt und war ohne Shirt gefahren und auf Rest Areas auch so oder mit Muscle Shirt draußen auf einer Bank gesessen. Ein erster Braunschleier begann sich über die NATO-Bräune (immer mindestens kurzes Uniformhemd, daher wie bei mir ab Mitte Oberarm und den gesamten Oberkörper käseweiß) zu legen. Als ich zu Hause war, beschäftigte ich mich mit den vernachlässigten Dingen im Haushalt durch die beiden vergangenen Wochenenden.

Sonntag, 07.07.2019

Heute war ich mit Isaac zum Motorradfahren verabredet und wir hatten uns eine Tour über die Grenze nach Kalifornien gebaut. Erst mal ging es aber von Kalifornien weg, auf der I-5 nach Grants Pass, wo ich gut ziehen musste, um an Isaac dran zu bleiben und dann über die US-199 nach Cave Junction. Hier konnten wir uns auf der Josephine County 5560 an die Breite der restlichen Straßen gewöhnen und dann begann auf der Josephine County 5828, auch als Greyback Road bekannt, der Spaß richtig.
Durch die Verschiedenheit unserer Maschinen fuhren wir mit 100 bis 200 Yards Abstand, denn Isaac fuhr seine Buell X-City natürlich Streetfighter Style mit brachialen Brems- und Beschleunigungsmanövern, letztere gerne auch nur auf dem Hinterrad. Dafür war sie gebaut. Meine MT-03 war für nichts so richtig gebaut, aber dafür konnte sie alles etwas und war nirgends richtig schlecht. Ich hatte, nachdem es ein Sportrahmen mit dem Antriebsstrang einer Enduro war, für mich einen aus Sport und Supermoto zusammengemischten Fahrstil als beste Lösung angenommen und auch entsprechende Bereifung drauf gemacht. Auch wenn ich auf den Geraden mit der Hälfte PS nicht Isaacs Endgeschwindigkeit erreichte, so konnte ich doch durch das wesentlich höhere Kurventempo und in Kehren einen flotten Supermoto-Drift gut mithalten. Das ging auch mit den kurzen Federwegen brauchbar.
Nach 20 Meilen Kehren und engen Kurven mit Verbindungsgeraden ging es noch auf weitere 10 Meilen mit eher länger gezogenen und direkt aneinander anschließenden Kurven. Während hier Isaac sein nervöses Hinterrad eher aus Spaß zum Driften brachte, fuhr ich nun Supersportstil mit hängendem Körper und viel Schräglage. Nach dieser Nummer waren wir reif für eine Mittagspause. In der Siedlung mit dem lustigen Namen „Happy Camp“ fanden wir eine Pizzeria und stellten die Motorräder ab. Als die Tür hinter uns zufiel, hörten wir noch einen Einzylindermotor ausgehen.
Wir waren gerade an den letzten freien Tisch gesetzt worden, als ein weiterer Motorradfahrer rein kam. Er war wohl eher noch etwas jünger als wir. Der Kellner wollte ihn weg schicken, aber seine Kollegin kam von hinter der Theke zu uns. Hier waren noch 2 Stühle frei, auch wenn ich Schwierigkeiten hatte, mir vorzustellen, wie man auf diesem Tisch vier Pizzen unterbringen wollte. „Würdet Ihr noch einen Gast an den Tisch nehmen?“ „Ihn?“ Isaac zeigte auf den Neuankömmling. „Ja.“ „Natürlich, so unter Motorradfahrern.“ Also waren wir zu dritt am Tisch, er stellte sich als Danny vor und war von McKinleyville an der Küste hier rauf gekommen.
„Weiter will ich nach Medford über Applegate Lake.“ „Echt? Da wollten wir auch lang!“ „Nicht Euer Ernst. Zumindest nicht Euer beider. Der Yamaha würde ich es noch zutrauen, aber die Buell sollte auf einer Schotterstraße nicht so weit kommen.“ „Ach, das ist Schotter?! Dann müssen wir wohl über Hornbrook.“ „Schade, auf die Strecke hatte ich mich so gefreut.“ „Dann fahr Du doch mit ihm über Applegate Lake und ich gebe über Hornbrook mal der ganzen Pferdeherde Auslauf.“
Nachdem die Pizzen verputzt waren, ging es noch einmal in die gekachelten Räumlichkeiten, wir setzten uns wieder die Helme auf und machten uns auf den Weg. Danny fuhr eine recht neue Suzuki DR650S, allerdings mit etwas kleineren und ähnlich zu meinen nur schwach stollenprofilierten Supermoto-Reifen. Original wurde die als Hardcrosser mit großen Stollenreifen verkauft.

Am Applegate Lake machten wir eine Pause. „Ich habe Euch irgendwie noch nie gesehen. So groß ist die Multisportmotorrad-Szene in Medford ja nicht. Die meisten fahren eher Cruiser, Tourer oder reinrassige Supersportler. Die Supermotos und Streetfighter kann man an einer Hand abzählen, eine Yamaha MT habe ich sowieso noch nie in freier Wildbahn gesehen.“ „Wir sind vor ein paar Monaten erst hier her gekommen.“
„Und wie gehört Ihr zusammen?“ 
„Als zufällige Freunde. Isaac hat in Philadelphia meinen Truck und meine Autos als Mechaniker in einer benachbarten Werkstatt gewartet. Dann hat sich hier sein Onkel auf dem Truck Stop zur Ruhe gesetzt. Ich habe gleichzeitig durch längere Krankheit meine Firma verloren und der Dispatcher meines damaligen Kunden hat hier die Firma seines Großvaters geerbt und ist von Boston hier rüber, hat mir den Neuanfang als Angestellter ermöglicht.“ „Dafür sprichst Du aber ziemlich Westküste.“ „Gebürtig bin ich auch Kalifornier, aber die letzten 6 Jahre eben Pennsylvania. Du bist aber auch nicht von hier?“
„Nein, aus Houston, Texas. Meine Eltern sind nach dem Studium bei der NASA gelandet. Zum Studieren reicht es bei mir nicht und die Astronautenprüfung habe ich auch nicht geschafft. Für den Berufspilotenschein hat es gereicht und weil man mit damals 18 kaum Stellen kriegt, musste ich nehmen, was ging und bin vor 3 Jahren mit dem druckfrischen Schein in Medford bei Mercy Flights untergekommen. Wir machen Krankentransporte auf Charitybasis, finanziert durch private Mitgliedschaften des Fördervereins und durch Spenden. Damals war mir die flache Bezahlung egal und ich war froh, irgendwas fliegen zu dürfen. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass es wichtiger ist, Gutes zu tun als reich zu werden. Und wenn es mal ein paar Dollar extra braucht, dann helfe ich irgendwo als Bannerschlepper, Cropduster, Flugtaxi oder für Luftaufnahmen aus.“ 
„Ich dachte, Berufspiloten dürfen immer nur ein Modell.“ „Ob eine kleine Cessna 152 oder unsere Raytheon King Air C90GT ist in der Klasse und mit dem Schein egal. Erst mit der Airline Transport Pilot License wird das Flugzeugmodell festgelegt. Das ist der Flugschein für die Maschinen mit zwingend zwei Piloten. Wir fliegen zwar auch zu zweit bei Mercy, aber dürften das Modell theoretisch auch alleine.“

In Medford ordnete ich mich auf der East Main Street links ein in mein Wohngebiet, Danny rauschte mit der Hand zum Gruß geradeaus an mir vorbei. Zu Hause sah ich, dass mir Isaac schon vor einer halben Stunde über WhatsApp geschrieben hatte, dass er zurück war. Seine Strecke war zwar viel weiter gewesen, aber eben auch viel besser ausgebaut. Ich war aber positiv überrascht, wie gut mein Motorrad mit den Dunlop Sportmax Mutant Supermoto-Reifen auch in einem Straßenrahmen auf Schotter funktioniert hatte.

Montag, 08.07.2019

Ich war früh dran, Brian war noch nicht mal im Büro. Evan war mir gerade mit seiner ersten STAA-Double-Tour entgegen gekommen, Caseys Freightliner stand noch geparkt neben meinem International. Ich holte meine Papiere und startete den Laptop. Er empfing einen Auftrag, also konnte ich auf Arbeit stellen und die PTI machen.

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Also koppelte ich die große Kiste an. Die Achsen standen weit vorne, das dürfte bei der Last auch so bleiben können. Es ging also vom Home Depot Lager hier nach Spokane zu einem ihrer Märkte.

Einen neuen Staat sollte es also auch geben. Und so war ich nun mit 16 Rädern mehr als am Wochenende nach dem Ende der Großbaustelle schließlich mal auf der OR-140 unterwegs, fuhr sie durch bis Klamath Falls und dann auf die bekannte Route der US-97.

Hinter Klamath Falls sollte ich auf die Waage. Mit 65,804 lb ließen sie mich aber gleich wieder ziehen. An einem Supermarkt in North Bend (OR) machte ich Mittagspause. Anschließend ging es weiter nach Norden, bis ich den Columbia River und die Staatsgrenze in leichtem Nieselregen passierte.

Auf dem Flying J in Pasco (WA) endete der Tag um kurz vor 7 PM. Ich ging duschen und essen.


Dienstag, 09.07.2019

Die Nächte kühlten zum Glück immer auf mittlere 10er-Temperaturen ab, so dass die Standklimaanlage irgendwann abschalten konnte, wenn die Hitze des über 30° warmen Tages aus der Kabine und den Materialien der Verkleidungen und Polster raus war und es dann kühl genug blieb.

Die restliche Fahrt nach Spokane zog sich in die Länge. Die Interstate war voll, ein Unfall mit Teilsperrung hatte einen ordentlichen Stau gebildet und dann musste ich auch noch durch die ganze Stadt an den nördlichen Rand. Wie gewohnt gab es beim Entladen den Folgeauftrag.

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Das hieß Achse verschieben, so viel war sicher. Die BNSF war gegenüber, aber ich musste warten, die Ladungsübernahme an Güterbahnhöfen war selten schnell. Dann fuhr ich am Truck Stop tanken und dann auf die Waage. Das Gesamtgewicht musste bei der Zuladung in Ordnung sein, aber natürlich war jetzt das Trailerachsaggregat zu schwer. Ich rechnete die Position aus, verschob die Achsen nach hinten und machte eine Kontrollwiegung.

Schon ziemlich am Nachmittag verließ ich endlich Spokane in Richtung Wenatchee. Gut dass ich gewogen hatte, denn unterwegs wollten sie das Gewicht prüfen. Natürlich war ich sauber und durfte wieder raus in die trockene Landschaft der Hochebene im Regenschatten der Cascadian Mountains.

Schließlich setzte doch mal Regen ein und um 5:24 PM hatte ich mich über die zuletzt unbefestigte Straße zur Cascadian Farm in Wenatchee durchgeschlagen. Nach dem Abladen war der Tag zu Ende.

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Nun musste ich bis zum nächsten Stellplatz aber noch 30 Minuten fahren, das war ein Truck Stop in der Stadt.


Mittwoch, 10.07.2019

Die 10 Stunden waren um 5 AM rum, also hieß es früh aufstehen, frühstücken und den Tagesbefehl abwarten.

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LOAD: TV SETS
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Also mal wieder einer dieser Einzelhandels-Jobs, von denen der Normalverbraucher nicht erfahren durfte, dass sie existierten. Fernsehgeräte von Best Buy zu Walmart. Das Best Buy Lager war um die Ecke, aber mit einigem Warten auf ein freies Dock dauerte es dann doch bis 6:50 AM, also fast 2 Stunden nach Beginn der PTI, bevor ich das Gewerbegebiet verlassen konnte.

Und schon ein paar Meilen weiter bei Cashmere wurde ich schon wieder auf eine Waage gezogen. Washington hatte auch einen ziemlich kräftigen Wiegefetisch. 73,536 Pfund, aber trotzdem musste ich raus. Es war aber nur eine Routineprüfung der Papiere. Dass Walmart von Best Buy beliefert wurde, schien die Polizisten auch nicht mehr sonderlich zu überraschen.
Die US-97 kämpfte sich langsam aber stetig über die Berge. Deshalb wurde ich auch stetig langsamer und irgendwann musste der Warnblinker an, weil ich unter 40 Meilen den Berg rauf kroch.

Und hinter Ellensburg sollte ich gleich wieder auf die Waage. Immerhin wusste ich nun, dass mich die Fahrt den Berg rauf 120 Pfund Diesel gekostet hatte. Aber hier durfte ich wenigstens gleich weiter.

Das Walmart Supercenter lag gar nicht in Seattle sondern ein gutes Stück südöstlich in Renton und am Sunset Boulevard, der allerdings nicht ganz so sehenswert war wie sein berühmtes Gegenstück in L.A. Und wieder kam der nächste Auftrag an der Rampe.

PICKUP: WASEA-POR
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TRAILER: DRY53
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TERMINAL: 18
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW


Also gab es erst einmal eine Leerfahrt nach Seattle. Der Hafen war hier, anders als seinerzeit in Philadelphia, deutlich besser gesichert. Bei der Einfahrt wurde der komplette Truck geröntgt.

Danach folgte eine Waage und dann erst war man im Frachtterminal. Nach dem Beladen folgte die ganze Prozedur wieder in umgekehrter Reihenfolge. Und natürlich musste ich in Federal Way wieder über die Waage. Habt Ihr Langeweile oder was gegen mich persönlich? Eigentlich sollte sich über den Datenabgleich langsam im Bundesstaat herumgesprochen haben, dass ich sauber bin. Interstate war das so eine Sache. Sie konnten es wohl aktiv abrufen und die Punkte wurden bundesweit berechnet, aber das war es dann auch über die Staatsgrenzen hinaus. Innerhalb der Staaten wurden die Daten aber meines Wissens jeweils zentral verwaltet.
Dann wurde auch noch das Wetter schlecht und besserte sich erst wieder, als ich auf der Lewis & Clark Bridge in meinen Heimatstaat zurückkehrte.

Leider war das nur von kurzer Dauer, denn vor Astoria kam der nächste Wolkenbruch und so konnte ich von der New Youngs Bay Bridge kaum das andere Ende sehen, als ich zu meinem Ziel, schon in Warrenton westlich der Brücke, fuhr.

LOCATION: ORAST
ACTION: 11H BREAK
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Nach dem Abladen musste ich feststellen, dass dieser Walmart seinen Parkplatz gegen Trucks gesichert hatte. Also stellte ich mich ins Gewerbegebiet und lebte aus dem Vorrat. Kein Parkplatz, kein Umsatz – so einfach war das.


Donnerstag 11.07.2019

Ich riskierte es, PTI zu machen ohne vorher zu frühstücken, immerhin war ich leer und es gab hier sowieso nichts, was es nicht gleich auch aus dem gleichen Kühlschrank beim Kunden an der Rampe geben würde. Es war wieder gegen 5 AM. Der neue Auftrag kam rein.

PICKUP: ORAST-FEX
DESTIN: ORNPO-HOM-MA
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DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Also fuhr ich über die Brücke zurück nach Astoria, nutzte die Ladezeit bei FedEx zum Frühstücken und war dann auf meinem Weg die Küste runter. Die Ladung war mal eine Ansage, das ging sich mit vollen Tanks wohl nicht mehr unbedingt aus, zum Glück waren sie das nicht und zum Glück gab es auf der Strecke auch keine Waage. Ich wollte aber demnächst mal Leerwiegungen machen.
Der Weg die Küste runter wurde allerdings schnell unterbrochen, denn auf dem Rückweg war die Brücke offen, weil ein kleines Fischerboot drunter durch fuhr, bei dem es maximal an 2‘ Masthöhe gescheitert sein konnte.

Der Trip dauerte keine 3 Stunden. Danach sollte es dahin zurückgehen, wo ich gestern her gekommen war.

PICKUP: ORNPO-WAL-ES
DESTIN: WASEA-POR
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LOAD: TOYS
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DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW


Bei Walmart hatte ich während der Ladezeit ein Sandwich gegessen und war noch mal auf der Fahrertoilette gewesen. Nun war ich gerüstet für die über 5 Stunden Nonstop-Trip.

Und natürlich, wieder sollte ich auf der Waage in Federal Way wieder runter. Leute! Vor nicht mal 36 Stunden habe ich genau da drüben Southbound auf der Waage gestanden, um auf meiner ersten Tour durch Washington zum gefühlt 20. Mal gewogen zu werden. Immerhin durfte ich mit 70,592 lb. sofort wieder raus, der Kontrollplatz war auch sonst voll genug.

Im Hafen durchlief ich wieder den kompletten Spaß mit allen Kontrollen. Danach war von der Schichtzeit nicht mehr viel übrig und ich nahm dankbar die Tankstelle an der Ausfahrt. Leider war das auch nur eine Parkmöglichkeit. Das Time Out Cafe war ein schäbiger Container mit einer ebenso schäbigen Kaffeemaschine und erst recht schäbiger Toilette.


Freitag, 12.07.2019

Ich war also nicht besonders traurig, dass ich um 5 AM schon wieder fahren durfte und holte mir den neuen Auftrag zum Frühstück.

PICKUP: WASEA-BNS
DESTIN: ORBND-CCF
TRAILER: DRY53
LOAD: KALIUM
WEIGHT: 42,734
REMARKS: HAZMAT 010OX/UN5-1486
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Na da war aber was im wahrsten Sinne des Wortes gefährlich falsch im System eingegeben worden. Denn Kalium würde man elementar weder auf einem Bauernhof brauchen, noch war das ein Oxidanz, noch wäre das beim Reaktivitätshinweis im NFPA-Diamanten 0, denn das hieß „reagiert nicht mit Wasser“ und das machte Kalium sehr heftig. Eine kurze Suche ergab, dass UN-1486 für Kaliumnitrat stand, ein Dünger.

Ich prüfte natürlich Ladung und Papiere gründlich, aber bis auf den Wareneintrag im System schien alles zu passen.

Es war kaum zu glauben, aber bei Federal Way bekam ich tatsächlich eine Bypass Ampel an der Waage. Gerade mit dem Gefahrgutsymbol hatte ich mit Vollkontrolle gerechnet. Also wechselte ich ungestört beim immer für eine Verwechslung mit der bekannten kanadischen Metropole guten Vancouver (WA) auf die WA-14 nach Osten, um Downtown Portland zu umfahren. Dabei hatte ich einen guten Blick auf die Brücke der I-5.

Eigentlich war mir für eine Pause noch zu früh, aber ich musste sowieso tanken und im weiteren Verlauf gab es keine guten Möglichkeiten mehr. Also nutzte ich den Aufenthalt auf dem Love’s Travel Stop in Troutdale (OR) für eine Dusche nach zwei Nächten mit mehr oder weniger intensiver Katzenwäsche.

Auch die Waage bei Cascade Locks durfte ich auf der Leerspur passieren. So war das größte Hindernis auf der Strecke der Anstieg aus The Dalles, den ich bei der schweren Ladung mit 20 mph nehmen musste.
Die Zufahrt zur Farm war dann wieder mal einer der Punkte, bei denen ich mich über die 6×4 freute. Casey hatte sich mit seinem 6×2 Freightliner kürzlich auf losem Untergrund festgefahren und musste mit einer Forstmaschine wieder in Fahrt gebracht werden. Ich hatte es mir natürlich nicht nehmen lassen, ihn und sein Fahrzeug dafür gehörig hochzunehmen, wusste aber auch, dass auch Evan und ich nicht davor sicher waren trotz zwei Antriebsachsen. Auf einem festgefahrenen Feldweg ging es zur Farm.

LOCATION: SSCCC
ACTION: 10H BREAK
DISPATCH: ORMED-PCT-BRW

Nach dem Abladen fuhr ich zurück nach Bend und stellte mich am nördlichen Stadtrand beim Supermarkt auf den Parkplatz. In der Tankstelle nebenan hatte ich Toilette und Waschbecken, geduscht war ich ja zum Glück, denn hier gab es auch wieder keine. Mitten in der Nacht ging es weiter, sonst hätte Brian mich nicht nur für 10 Stunden ins Bett geschickt.


Samstag, 13.07.2019

Entsprechend war die Pause mitten in der Nacht rum. Ich machte die PTI und ließ den Marschbefehl in der Zeit rein kommen.

PICKUP: ORBND-HOM-WH
DESTIN: OREUG-XYZ
TRAILER: DRY53
LOAD: HOUSEHOLD ACCESSORIES
WEIGHT: 42,000
DISPATCH: ORMED-PCT-BRW

Also gab es Haushaltswaren zu einem kleinen Laden in Eugene. Ich fuhr los zum Home Depot Lager und ließ mich beladen. Kurz nach 5 AM verließ ich Bend. Auch hier gab es leider so ein Potemkinsches Dorf, wo man versuchte, hinter den Kulissen alter Holzhütten Durchreisenden etwas anzudrehen. Bisher hatte ich allerdings keine Energie darein verschwendet, Details herauszufinden und das blieb auch heute so, als ich die Bretterwände passierte, kurz bevor die Sonne über den Horizont kam.

Am frühen Vormittag erreichte ich Eugene und während ich vom Ladenpersonal abgeladen wurde, sagte ich erst einmal die eine oder andere Anfrage fürs Wochenende über WhatsApp ab. Alex wollte wieder schwimmen, Danny Motorrad fahren und Casey mit Evan und ein paar mir unbekannten Freunden bowlen. Ich entschied mich, stattdessen Isaacs Einladung zum Grillen anzunehmen.

Der letzte Auftrag war schon rein gekommen, als ich hier an die schmale Rampe rangiert hatte. Jetzt sah ich ihn mir mal an.

PICKUP: OREUG-EVR
DESTIN: ORMFR-HAW
TRAILER: DRY53
LOAD: EMPTY PALLETS
WEIGHT: 42,161
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Auf ging es zur letzten Etappe für diese Woche, Heimatschuss. Was wohl Heartwood als Möbelfabrik mit alten Paletten wollte? Upcycling hieß das glaube ich, wenn man daraus Gartenmöbel baute. Endlich kam in Medford das Wochenende.

LOCATION: ORMFR
ACTION: 39H BREAK
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Also fuhr ich schnell rüber, sattelte den Trailer ab und stellte die Zugmaschine weg.

WEEK START: MO:06:40 AM
WEEK END: SA:17:23 PM
WEEK DRIVE: 59:54 HRS
WEEK WORK: 61:55 HRS
WEEK FRAME: 5D:10H:43M
WEEK MILES: 2,269
REVENUE MILES: 2,123
PERFORMANCE: 93.6%
WEEK PAYLOAD: 355,763
SH TON MILES: 39,671
WEEK FUEL ECO: N/A
WEEK AVG SPEED: 37.8 MPH

Das Durchschnittstempo hier war verdammt niedrig, das musste ich immer wieder feststellen. Diese Woche allerdings war auch wieder sehr wenig Interstate und sehr viel Rangieren gewesen. Egal, jetzt ab nach Hause und morgen ab zum Grillen.

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