[Woche 124 – Montag bis Mittwoch] Montagmorgen von Null auf Hundert. Mecklenburger. Arno & Etsch.




Den vergangenen Samstag haben wir im Endeffekt mit rumstehen und warten auf die Fähre verdüst. Wir hatten uns in ein kleines Hotel nahe dem Fährhafen eingemietet und die Zeit genutzt uns ein wenig die Stadt am Fuße des Vesuv anzusehen. Am Abend ging es dann mit einer Fahrzeitunterbrechung auf meiner Fahrerkarte aufs Schiff. Zehneinhalb Stunden Überfahrt die wir, da es ja eine Nachtüberfahrt war, überwiegend aneinander gekuschelt schlafend verbrachten. Mit dem zweiten Teil der Fahrzeitunterbrechung steuerte ich dann am Sonntagmorgen noch den Hauber zum Flughafen Palermo – da das Sonntagsfahrverbot hier in den Wintermonaten grundsätzlich erst ab 09:00 Uhr greift war das kein Problem. Vor Montagmittag sollte auch von der Rückladung noch nix da sein. Den Zug konnten wir an der Rampe stehen lassen. Für die folgende Übernachtung nahmen wir uns dann wieder Hotelzimmer in der Nähe. Wir schauten uns ein wenig die Gegend an und kehrten in einer Pizzeria ein. Am Abend machten wir uns dann noch ein wenig an die Büroarbeit – zu zweit und mit Espresso ließ sich das aber recht entspannt abarbeiten.


Montag, Palermo.
Es ist kurz nach 07:00 Uhr als uns das Klingeln eines eingehenden Anrufs von Sandras Telefon aus dem Schlaf reißt.

Sandra stellt auf Freisprechen und nimmt den Anruf entgegen. „hansekontor. Sandra Dansör.“ „Es ist ja wohl echt ne Frechheit. … …. …“ „Zuersteinmal wäre eine Begrüßung angebracht bevor Sie hier lospoltern. Dann wäre es auch hilfreich, wenn ich überhaupt wüsste, mit wem ich da kommuniziere.“ Ich fahre inzwischen bereits den
Laptop hoch, denn bei aufgebrachten Kunden würde Sandra sicher gleich Fakten auf dem Bildschirm brauchen. „Entschuldigen Sie. Bastian Flock. LmG Transporte. Aber… Ich finde es eine Frechheit wie das bei Ihnen so läuft. Ihre Kollegin wollte wegen den Trailerplanen und den Fahrzeugbeschriftungen schon lange zurückgerufen haben…“ „Herr Flock, entspannen Sie sich mal eben nen Moment. Ich hab Ihren Auftrag hier auf dem Computer vor mir. Sie haben mit Frau Lau gesprochen. Und laut meinen Unterlagen ist das Material, sprich die Beschriftungssätze und die Trailerplanen, fertig in unserer Servicewerkstatt in Hamburg. Die Info darüber wurde bereits am vergangenen Donnerstag per eMail von Frau Lau an Sie raus geschickt. Aus meinen Unterlagen geht auch hervor, dass Sie ihre Fahrer nach Hamburg schicken wollen und wir die Fahrzeuge dann spontan zwischen unseren anderen Aufträgen mit einbauen, wir lediglich etwa eine Stunde Vorlaufzeit dann brauchen. Ich verstehe jetzt nicht wo ihr Problem ist.“ „Ähm hmm ja. Die Infos die Sie mir jetzt gerade genannt haben hab ich gar nicht. Ich glaube da hat meine Frau dann gepennt.“ „Das kann ich jetzt nicht beurteilen. Wie gesagt… wir sind da recht flexibel. Geben Sie bitte bei meinen Kollegen in Hamburg dann kurz Bescheid, wann wir mit welchem Ihrer Fahrer rechnen können.“ „Ok. Wird so gemacht. Und tut mir leid, dass der Einstieg ins Gespräch eben so holperig war. Darf ich Sie dann wenn ich in Hamburg bin auf einen Kaffee an den Landungsbrücken einladen?“ „Nej. Jag är på Sicilien med min man just nu.” ”Außer dem neeee und Sizilien hab ich Sie gerade nicht verstanden.” ”Das reicht auch, tut mir leid.” Gut, dass der Anrufer Sandras Grinsen und den angedeuteten Scheibenwischer nicht sehen kann. Sandra beendet das Gespräch und schaut mich an. ”God morgon älskling. Was war dass denn gerade für ein Vogel. Kunden können schon merkwürdig sein, oder?” ”Aber hallo. Wieso kam der Anruf eigentlich auf dein Handy rein?” ”Rufumleitung. In Hamburg war wohl noch keiner im Büro. Und übers Wochenende ist dann immer einer auf dem Weg greifbar.” ”Achso.”

Da wir eh schon wach sind verschwinden wir zu zweit unter die Dusche.







Gegen Mittag checken wir aus unserem Hotel aus. Der Rezeptionist reicht mir einen Hut. „Hier, für Sie.“ „Danke. Aber ich hatte bei der Ankunft aber gar keinen abgegeben.“ „Ein Geschenk des Hauses zum heutigen National Hat Day. Ich nehme den Hut entgegen und wir machen uns zu Fuß auf den Weg zum Cargocenter. „Feiertage gibt das… Aber der Hut steht dir.“ „Hut tut gut.“ Wir müssen beide lachen und Sandra hakt sich bei mir ein.

Wir kommen am Cargocenter an und melden uns im Büro.
Unser Trailer ist fertig beladen – Rom und München stehen im Auftrag von Lufthansa an – und wir bekommen die entsprechenden Papiere. Ich ziehe den Zug von der Rampe ab und schließe die Türen des Aufliegers.







Dienstag, Neapel.
Wir lassen den Fährhafen hinter uns und bahnen uns den Weg durch den Bereich um die Universität. Ich steuere den Hauber auf die Autostrada del Sole – sprich die A1. Aber im morgendlichen Verkehr ist an flüssiges fahren nicht zu denken. Ich nehme es mit der Gelassenheit, die mir als gebürtiger Mecklenburger im Blut liegt… Es geht vorbei an Caserta, Frosinone und Valmontone.


Der V8 blubbert bei 80 km/h vor sich hin. „Während der Mecklenburger wat am wandern is, ist der Ostfriese am Wattwandern.“ murmele ich vor mich hin. „Wie, wo, was?“ Sandra guckt mich fragend an. „Nix. Nix. Ich habe gerade nur son blödes Wortspiel in den Kopf bekommen.“ Sandra schüttelt nur den Kopf. „Du bist süß.“
Im Radio stimmen Volbeat ihr Lola Montez an an und wir erreichen die ersten Vororte von Rom.

Blinker rechts. Von der A1 geht es auf die E821, einen Abzweig der A1 in Richtung A90 auf die ich kurz darauf südwärts auffahre.

In Sichtweite des IKEA Rom bremst uns eine Tagesbaustelle ein wenig aus, was das Spaghettigeknote das vor uns liegt nicht eben übersichtlicher macht. Ich vertraue unserem guten Navi und fahre an der Abfahrt 30 in Richtung Civitavecchia / Aeroporto Fiumicino zur A91. Ein paar Minuten später, der digitale Wächter zeigt 11:11 Uhr und knapp unter viereinhalb Fahrstunden, erreichen wir die Leonardo da Vinci Intl. Airport Cargo City.
Das übliche Spiel folgt. Paletten runter. Für die nächste Station noch was dazupacken. Papiere abfertigen und dann den Zug wieder von der Rampe abziehen.


Es ist 12:00 Uhr und wir sind wieder auf dem Weg zur Autobahn. Bis zur nächsten Ladestation stehen knapp eintausend Kilometer vor uns.
Sandra steuert den Hauber auf die A91 und kurz darauf am nächsten Autobahnkreuz auf die A90 in Richtung Firenze. Wir fahren westlich um Rom herum und wechseln auf die A1. Tempomat rein und laufen lassen.






16:08 Uhr. Auf Höhe San Giovanni Valdarno fährt Sandra auf den Rastplatz. Zwei Minuten später verstummt der V8. „Ich habe Hunger. Lass uns eben was Essen gehen.“ Wir klettern aus dem Fahrerhaus. Ich gehe ums Fahrerhaus herum und sehe wie Sandra einen grimmigen Gesichtsausdruck annimmt. „Was ist los? Hunger macht böse?“ „Neee, so schlimm noch nicht. Aber guck mal… da hat gerade ne Taube auf meinen Hauber gekackt. Blödes Vieh.“ Sie geht ans Staufach und holt ein Tuch und den Wasserkanister um den Vogelkot wegzuwischen. Als sie damit fertig ist guckt sie mich wieder mit strahlenden Augen an. Ich gebe ihr einen Kuss und sie erwidert diesen.







Zurück auf die Autostrada del Sole. Die Fahrerkarten haben ihre Plätze getauscht und Sandra legt ihre Füße aufs Armaturenbrett vor dem Beifahrersitz. Die Schuhe hat sie natürlich vorher ausgezogen. Sie hat sich ein Buch aus der der Tasche genommen und fängt an zu lesen. Ich ziehe auf 84 km/h hoch und aktiviere den Tempomaten. Ich schaue kurz zu Sandra rüber. Hübsch anzusehen. Sie schaut übers Buch zu mir. „Guckst du mir gerade auf die Hüfte?“ „Vielleicht. Vielleicht aber auch zum Rock.“ „Du bist unmöglich.“ „Wieso? „Weil ich das sage. Gefällt dir der Anblick wenigstens?“ „Was ne Frage, Schatz. Wenn ich jetzt was falsche sage darf ich dich a) heute Abend nicht auspacken und b) muss ich dann zu Fuß gehen.“ Mein Schatz kichert. „Das war nicht die Antwort auf meine Frage, aber es könnte so sein…“ Ich werfe ihr einen Luftschmatzer zu. „Siehste. Aber um deine Frage zu beantworten: ja der Anblick gefällt mir. Immer noch so gut wie vor vierzehn Jahren, als ich mich in dich verliebt habe.“ Ihr typisches freches Grinsen wird immer gößer.






Bei Incisa in Val D’arno geht es einmal über den Arno. Danach entfernen wir uns von dem Fluss, der uns heute eine ganze Weile entlang der Autobahn begleitet hat. Weiter geht es westlich um Florenz herum und an Bologna vorbei. Kurz vor Modena überholt uns ein Trio Ferrari. Kurz darauf setze ich den Blinker rechts und ziehe mit dem Scania auf die Ausfahrt zur A22, die uns in Richtung Verona und zur Brennerautobahn führt.

21:15 Uhr. Feierabend für den heutigen Tag. Der ‚Aree di servizio Garda Est‘ ist ziemlich voll, was mich aber nicht weiter verwundert um diese Uhrzeit. Österreich ist nicht mehr allzu weit entfernt. Und das dort herrschende Nachtfahrverbot von 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr nimmt nur Fahrzeuge des Straßendienstes, des Bundesheeres und lärmarme Fahrzeuge mit angebrachter ‚L-Tafel‘ aus. Der Hauber würde diese möglicherweise bei der alle zwei Jahre notwendigen Überprüfung problemlos bekommen; aber was wir nicht haben, können wir nicht nutzen.

„Guck mal da hinten…“ ‚Riovalli Parco Acquatico‘. „Im Sommer sicher eine nette Abwechslung in der Pausenzeit.“



Mittwoch, Aree di servizio Garda Est
05:30 Uhr. Dong…. Dong… Dong… Die Gebrüder Young und ihre Bandmitglieder eröffnen mal wieder unseren Tag. Nach Zähneputzen und einer Dusche sitzen wir im rund um die Uhr geöffneten ‚hermessnack‘ und lassen uns das Frühstück schmecken.

Wir machen die Abfahrtskontrolle und Sandra startet den V8. Kurz darauf verlassen wir den Parkplatz. Der Etsch begleitet die A22 mal links, mal rechts.
Es geht immer weiter Richtung Norden, durch das Wipptal, eine der bedeutendsten Nord-Süd-Verkehrsrouten durch die Alpen. Nördlich vom Brennerpass wechselt die Beschilderung von italienisch A22 zu österreichisch A13.

Wir passieren Innsbruck und es wird langsam Zeit an den Fahrerwechsel zu denken. Zuvor geht es aber am Knoten Innsbruck von der Brenner- auf die Inntalautobahn. Knoten ist dabei ein gutes Stichwort… beschreibt es doch das Verkehrsaufkommen am Zusammentreffen der beiden Autobahnen heute früh.







Nach dem Platzwechsel in Innsbruck ist nicht viel passiert. Das Radio hat uns zuverlässig mit guter Musik versorgt. Im Verkehrsfunk gab es erstaunlicherweise keine Meldungen. Erst kurz vor dem Kreuz München-Süd muss ich den Tempomaten raus nehmen. Ich steuere den Hauber von der A8 auf die A99, die wir ein paar Minuten später am Anschluss Aschheim/Ismaning verlassen. B471. Rechts auf die B388. Kurz darauf sind wir bei Lufthansa Cargo. Sandra hat uns im Vorfeld telefonisch avisiert – uns wurde Tor 12 zugewiesen.

Es ist kurz vor 15:00 Uhr. Der Trailer leer. Sandra kommt aus dem Lufthansa-Büro zurück zum Fahrzeug und hat das Telefon am Ohr. „…“ „Auszubildende? Ja klar.“ „…“ „Vivien, Chris und ich sind nachher gleich in der Niederlasung. Lass uns dann weiter sprechen.“ „…“ „Ja, ok. Bis gleich.“


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