Kapitel 40 – Home sweet pile of shit

Montag, 24.02.2020

Nach diesen zwei Wochen musste ich mal wieder dafür sorgen, dass Geld rein kam. Also hieß es wieder zur Arbeit zu fahren. Ich kam auf den Hof und sah das Elend schon in der Ecke stehen. Erst mal allerdings ging ich zu Brian ins Büro. „Hallo Brandon. So wie Du strahlst, war es wohl ein schöner Urlaub.“ Richtig, da war ja was. Mein Chef war Follower auf dem Explorerkanal.
Immerhin nahm er es gelassen. Unsere Vereinbarung war, dass es mein Problem war und nicht das der Firma, wenn ich dabei meine Gesundheit riskierte. Er hatte zwar als Anreiz für uns Fahrer eine Versicherung für Arbeitsunfähigkeit und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf die Firma abgeschlossen, auf die er einzahlte. Das war auch insofern sinnvoll, weil besonders die Arbeit mit Flatbed- und Stakespine-Trailern und ihre Ladungssicherung nicht ganz ungefährlich waren und das Risiko von Arbeitsunfällen boten. Aber wenn ich mir beim Exploren die Haxen brach, konnte er die dafür nicht beanspruchen.

„Deinen Traum auf 10 Rädern hast Du schon gesehen? Gibt ein Bisschen Papierkram für die Vermietung.“ Also gingen wir die Dokumente durch und ich unterschrieb die Einweisung. Dann bekam ich mein neues Tablet, durfte erst mal beim Starten ein neues Passwort festlegen und bekam noch hier oben den Marschbefehl. Außerdem drückte mir Brian die gedruckten Unterlagen in die Hand, Fertighausteile nach Elko (NV).

Ich ging runter, holte meine Sachen aus dem Pickup und fand erst mal im Truck auch noch Kram vor. Insbesondere einen Drucker, ein Paket Papier und eine Schachtel Bürokram. Außerdem hatte Brian seine Kontakte in die Vergangenheit spielen lassen, denn in einem Pappkarton war ein neuer dieser CAT Plüschbagger. Eine Karte klebte auch drauf:

Hallo Brandon,
Brian hat mir erzählt, was mit Deinem Truck passiert ist. Gut, dass Dir nichts passiert ist.
Du magst wohl unseren lustigen Plüschbagger aus Deinem damaligen Begrüßungspaket als Subunternehmer so gerne, meinte Brian. Deshalb habe ich Dir einen neuen geschickt.
Alex Custer
P.S.: Wenn Du mal über Nacht in Boston sein solltest, melde Dich und wir können uns auf einen Burger treffen.

Also richtete ich sowohl „Schreibtisch“, als auch „Kleiderschrank“ und „Küchenschrank“ ein, brachte das Tablet und meine Deko an. Dann sah ich mir mein Werk an. So eine Krampe war ich das letzte Mal bei Costco gefahren. Da blieb mir nur übrig, Marius zu zitieren: „Home, sweet pile of shit!“ Ich ließ mich auf den Fahrersitz plumpsen und startete den Motor.

9:41 AM verließ ich den Hof der Firma Heartwood mit einem Häuserbausatz auf dem Trailer. Der Truck hatte ein Automatikgetriebe, meine schlimmsten Erinnerungen wurden wach. Allerdings war es doch nicht so schlimm wie ich es in Erinnerung hatte. Vielleicht lag das an den 510 PS, die Kisten bei Costco hatten 420 oder 450 – und ja, wenn man 450 hatte, musste man damit Turnpike Doubles ziehen. Heute war das nicht viel, aber mein Mck Superliner mit nicht mal 400 PS war auch eine Turnpike-Konfiguration gewesen. Von meiner Mittagspause auf einem Parkplatz kurz vor Lakeview (OR) rief ich mal Christian an.

Nach der Begrüßung fragte er: „Und, was fährst Du jetzt?“ „Automatik…“ „International? Haben die eigentlich eine von Scania drin?“ „Nein, Kenworth T680. Freundlich zur Verfügung gestellt von Ryder.“ „Oha, also wenn schon Mietschlampe, dann gleich richtig? Aber das neue Eaton, das Paccar verbaut, ist auch nicht schlecht. Habe ich jetzt auch seit ein paar Wochen in meinem neuen T680. W990 wollte der Chef nicht riskieren, der könnte Walmart zu unaerodynamisch sein“ „Na ja. Ich schalte lieber.“ „Habe ich auch gesagt mit dem selber schalten. Aber man gewöhnt sich schnell dran. Und sollte International mal Scania-Getriebe verbauen, aber Du nimmst einen Handschalter, dann kann ich nur sagen, dass kein Knüppel auf dieser Welt groß genug sein kann, dass er die Prügel austeilen könnte, die Du dafür verdient hättest!“
Im PKW kriegten die Europäer keine Automatikgetriebe auf die Kette. Ich dachte mit Grausen an den Audi seiner Mutter zurück, den sogar mein billiger Chevy Sonic dreimal in die Tasche gesteckt hatte, was das Getriebe anging. Bei den Trucks war es scheinbar genau anders rum. Drüben wurden wohl so gut wie keine schweren Trucks mehr mit Schaltgetriebe verkauft. Auf den Websites der Hersteller wurden keine mehr damit angepriesen, man konnte sie aber wohl noch auf besonderen Wunsch bestellen.

Der Warner Highway (OR-140), auf dem es weiter ging, gehörte auf jeden Fall zu den beeindruckenden Abschnitten im Straßennetz von Oregon. Es war zwar eine trockene Gegend und dadurch nicht sonderlich schön, weil es nach wenigen Höhenmetern keine Bäume mehr gab und nur noch Sand, Fels und Flechten. Aber die schroffen Formen und das tiefe Tal zeigten einem mal wieder, wie klein die Natur einen aussehen lassen konnte.

Kurz vor Winnemucca (NV) hatte dann ein Kollege mit seinem Kipplaster die Ausfahrt etwas zu rasant genommen – und dann hatte sein Truck genau das gemacht, was sein Name schon andeutete – kippen. Immerhin hatte er sich auf die Abbiegespur beschränkt, so dass ich einfach nur links um die Verkehrsinsel fahren musste und dann scharf rechts abbiegen.

In Winnemucca machte ich auf einem Parkplatz Schluss für heute, machte mir eine Dosensuppe auf und in der Mikrowelle warm, die mir schon vor 4 Jahren in dem T680 am anderen Ende der USA gute Dienste getan hatte.


Dienstag, 25.02.2020

Immerhin hatte ich das Frühstücksangebot in Form einer Donutbude gleich vor der Tür. Ich nahm einen Frischkäsebagel und einen Vanilledonut, dazu Tee.

Knapp 2 Stunden waren es noch bis zum Ziel, das das Union Pacific Depot war. Das Haus ging aber nicht mit der Bahn auf Reisen sondern die boten einfach nur Zwischenlagerung von Sperrgut an. Die Baufirma holte das Haus dann morgen oder übermorgen hier ab, wenn das Fundament fertig vorbereitet war. Und das nächste Sperrgut lagerte auch schon hier auf dem Gelände.

PICKUP: NVEKO-UPR
DESTIN: AZPAG-XYZ
TRAILER: FLT45
LOAD: JET ENGINES
WEIGHT: 11,904
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Zum Glück musste ich mir keine Sorgen machen, wie man die Dinger sichern sollte. Sie waren in Gestelle eingebaut, die man einfach mit Ketten festzurren konnte, ohne Kraft auf die falsche Stelle der Triebwerke aufzubringen.

Die Osino Weigh Station war geöffnet. Ich wurde auch raus gezogen. Wollte sowieso nicht wissen, was diese Mietschleuder für einen Score beim DOT hatte. Mit 45,539 lbs durfte ich aber direkt weiter.

Zwar war ich nur etwas über 3 Stunden gefahren, aber hatte dazu auch die Ladung gelöst und neue gesichert. Also hatte ich mir die Mittagspause auf dem Pilot in West Wendover verdient. Das reichhaltige Frühstück war also nicht so verkehrt gewesen. Ich nahm mir dafür jetzt mal lieber einen Salat mit gebratenen Pilzen. Direkt an der Auffahrt ging es weiter nach Utah, ich durfte zu meiner Überraschung die Waage passieren.

Salt Lake City war zum Glück keine so schlimme Stadt in Sachen Feierabendverkehr. Also konnte ich noch ein paar Meilen machen. Mit dem Doppel-Ladevorgang in den Knochen zog ich aber 2 Stunden vor Ende der Fahrzeit in Scipio am Flying J raus.


Mittwoch, 26.02.2020

Diese 2 Stunden ging es dann eben früher los. Wollte das Navi gestern noch die I-15 weiter fahren, als ich dann eigenmächtig auf die Ausfahrt abgebogen war, so wollte es heute nicht darauf zurückkehren. Keine Ahnung, was der Grund war, vielleicht eine Sperrung. Bevor ich mich für schlauer hielt und am Ende im Wortsinne dumm da stand, folgte ich der Stimme aus dem Off und nahm US-50, I-70 und US-89. Zumindest landschaftlich war das keine schlechte Wahl. Und von einem Motel mit alten Eisenbahnwaggons als Zimmer hatte ich zuvor auch noch nie etwas gehört.

Meine Befürchtungen zum Score der Zugmaschine schienen nicht ganz unberechtigt zu sein, denn der Point of Entry in Utah funktioniert auch als Point of Exit. Und wieder sollte ich raus ziehen. Dritte Kontrolle während diesem Auftrag an der vierten Waage. Nur der Point of Entry nach Utah an der I-80 hatte mich durchgelassen. Bis auf volltanken und wieder was raus fahren hatte sich nichts getan, insofern war ich jetzt bei 46,040 lbs und durfte weiter fahren.

Kurz danach in Kanab (UT) zog ich aber freiwillig raus und machte Mittagspause in einer Burgerbude. Ein Kollege aus Kanada von Day & Ross stieg auch gerade aus, so gab es was zu sprechen, während wir unsere Burger verdrückten. In Kanada lag laut ihm noch reichlich Schnee.

Nach Page war es nicht mehr weit. Aber natürlich, da war ja noch der Point of Entry nach Arizona. Bitte einmal raus, 45,965 lbs, weiterfahren! Auch meinen Burger-Buddy aus Kanada hatten sie raus gezogen. Vor der Kulisse des Staudamms ging es über den Glen Canyon.

Am Flughafen fand ich schnell die Wartungsfirma. Ich löste die Ketten, sie hoben mit dem Schwerlaststapler die Gestelle mit den Triebwerken runter und dann durfte ich die Inspektion der Fracht abwarten. In der Luftfahrt ging es eben etwas genauer zu. Alles war in Ordnung und so durfte ich zum nächsten Kunden.

PICKUP: AZPAG-JDE-DE
DESTIN: NVWMC-DOL
TRAILER: FLT45
LOAD: PLOUGHS
WEIGHT: 6,613
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Das war mal leichte Ladung, Pflüge. Ich fuhr zur John Deere Niederlassung und ließ mir die zwei Dinger aufladen. Mir blieben noch über viereinhalb Stunden, also los. Bis Kanab ging es den gleichen Weg, aber dann wollte das Navi doch wieder wie gestern vor meiner Übernachtungspause via AZ-389 und UT-59 nach Hurricane und da auf die I-15. Die Waage vor Fredonia (AZ) war geschlossen.

Nun gingen mir die Parkmöglichkeiten aber aus. So wurde es eine Haltebucht am Anfang des Hurricane Valley, das allerdings auch eine freiwillige Brake Check Area war und somit laut werden konnte. Mit vier Restminuten gingen mir aber die guten Ideen leider aus.

Donnerstag, 27.02.2020

Es ging, so viele Trucks waren in der Nacht nicht unterwegs gewesen. Ich fuhr den Berg runter zur Interstate und dann nach Norden bis Salt Lake City. Dort waren dann auch schon fast 6 Stunden rum, bis auf eine Schüssel Mini-Wheats hatte es kein Frühstück gegeben, also steuerte ich einen Truckstop in einem Logistik-Gewerbegebiet an der UT-172, etwas abseits der Interstate für eine Mittagspause an.

Durch die Salzwüste und am Tree of Utah vorbei war die Landschaft ziemlich uninspiriert.

Und so kam ich bis vor Wendover, als mich der Transponder mal wieder auf die Waage bitten wollte. 40,127 lbs, also alles in Ordnung. Und dennoch wollte mich der Officer mit allen Papieren im Büro sehen. „Es liegt nichts gegen Sie persönlich vor, aber bei Mietfahrzeugen sehen wir gerne genauer hin.“ Das konnten ja lustige Wochen werden.

Einschließlich Wartezeit für die Überprüfung meines E-Log und einer Fahrzeugkontrolle einschließlich der Ladungssicherung war ich aber nach 18 Minuten wieder unterwegs. Die Abenddämmerung tauchte die Berge in ein merkwürdiges Lila.

Wieder recht knapp musste ich mir in Elko (NV) einen Stellplatz im Industriegebiet suchen. 8 Minuten hatte ich noch, als der Motor ausging. Also eine Nacht wild campen zwischen Zäunen und Mauern. Ich hatte schon für Außenstehende schlechtere Übernachtungsmöglichkeiten genutzt in den letzten Wochen.


Freitag, 28.02.2020

Nach einer wie immer außerhalb offizieller Parkmöglichkeiten sehr genauen PTI machte ich mich die letzten zwei Stunden auf den Weg. 7:37 AM erreichte ich Dole in Winnemucca. Von hier ging es noch nicht nach Hause.

PICKUP: NVWMC-XYZ
DESTIN: CASRA-XYZ
TRAILER: FLT45
LOAD: STEEL PIPES
WEIGHT: 45,150
REMARKS: UNLOAD AT ROAD CONSTRUCTION
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Also fuhr ich zu einem eher unbedeutenden Baustoffhandel, der es irgendwie geschafft hatte, das beste Angebot für einen Straßenbau in Kalifornien abzugeben. Hinter Reno gab es Futter für Truck und Trucker. Erst mal wog ich allerdings das Gespann, um zu sehen, wie voll ich die Tanks machen durfte.
Anschließend waren noch dreieinhalb Stunden zu fahren. Und natürlich, California Point of Entry durfte ich raus. 79,450 lbs und heute mal ohne die große Inspektion des Kühlschranks.

Mir drohte anstatt der Krankheit, von der der Präsident bei unter 30 Fällen sagte, sie würde einen Bogen um die USA schlagen, eher eine gewöhnliche Erkältung, als ich in strömendem Regen die Ladung entsicherte und die Gurte aufrollte.

Brian wusste für heute nichts mehr mit mir anzufangen.

LOCATION: CASRA
ACTION: 13H BREAK
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

So eine lange Pause konnte nur eins bedeuten. Er hatte noch nichts für mich. Ansonsten würde er mir entweder von hier aus eine frühere Abfahrtzeit geben oder einen nützlichen Hinweis, wo ich die Nacht verbringen sollte. Mit einer Stunde Restzeit war ich noch einigermaßen mobil, um mich geschickt in Stellung zu bringen.
In der Nähe gab es eine Rest Area. Hier musste ich mich zwar selbst mit Mikrowellenessen versorgen, aber konnte zumindest duschen und hatte eine Toilette. Alex lud die ganze Truppe für morgen zur Party. Sein Selfie, bei dem er sich eine Warnweste mit der Rückenseite nach vorne vor die Brust hielt, deutete auf eine Beförderung hin. Stand über dem Deepgrove-Logo doch „Loading Area Supervisor“.


Samstag, 29.02.2020

Und es blieb dabei, dass Brian mit mir nichts anfangen konnte. Nun sollte ich mir die Statistik versauen, war ja auf seine Kosten.

PICKUP: CASRA
DESTIN: ORMFR-PCT
TRAILER: FLT45
LOAD: EMPTY
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Also machte ich mich wie gewünscht leer auf den Weg.

Sowohl Colusa County als auch Oregon Point of Entry zogen mich raus. Langsam wurde diese Kiste nervig. Scheinbar hatten Mietwagen einen dermaßen schlechten Ruf, dass sie an fast jeder Waage anhalten mussten.

Am Point of Entry machte ich gleich noch eine halbe Stunde Pause. Zwar sollte es auch so klappen, bis zur Firma unter 8 Stunden durch zu kommen. Aber es musste nur ein Stau sein wegen einem Pannenfahrzeug oder Unfall und schon war ich drüber. Natürlich passierte das nicht und um 03:14 PM war ich mit ungefähr 20 Minuten Restzeit, bis ich eine Pause gebraucht hätte, auf dem Betriebshof. Einmal die Wochenstatistik bitte.

WEEK START: MO:08:46 AM
WEEK END: SA:03:14 PM
WEEK DRIVE: 58:03 HRS
WEEK WORK: 66:52 HRS
WEEK FRAME: 5D:06H:28M
WEEK MILES: 2,677
REVENUE MILES: 2,282
PERFORMANCE: 85.2 %
WEEK PAYLOAD: 102,077
SH TON MILES: 24,674
WEEK AVG SPEED: 46.1 MPH

Der Truck war zu meiner Überraschung etwas schlechter vom Verbrauch als der stärkere LoneStar es gewesen war, 6.2 mpg waren es geworden. Aber die Wirtschaftlichkeit war nicht mein Problem, Vorteile des Angestelltenlebens.

Abends dann ging es mit den Freunden auf die Bowlingbahn. Und da fiel mir am Verhalten von Evan etwas auf.

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