Kapitel 51 – Bourbon auf der Veranda

Montag, 13.07.2020

Ich stellte mir den Wecker aber dennoch auf 5:30 und ging in Jeffreys Schicht frühstücken. Anschließend sah ich mich ein Bisschen auf Youtube um. Der deutsche Trucker in Kanada hatte ja sonntags immer ein Video, das ich noch nicht gesehen hatte. Auch bei anderen Kollegen gab es etwas zu sehen und ich hatte auch noch genug Explorer und Freerunner abonniert, die es wert waren. Schließlich war die von Brian vorgegebene Zeit und ich war abfahrbereit.

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Immerhin, wenn der Kunde den gleichen Code wie die Stadt hatte, konnte man sich fast sicher sein, dass man zum Flughafen sollte. Die genaue Adresse entpuppte sich als Logistikzentrum des Flughafens und war nach einer halben Stunde erreicht.

Mit allem durchfragen und beladen war ich um genau 9 AM wieder unterwegs. Es ging eine Viertelumdrehung um Charlotte und dann auf die Straße nach Süden. Und südlich von North Carolina war logischerweise South Carolina. Nach viereinhalb Stunden erreichte ich das Ziel, eine kleine Logistikfirma in Florence (SC). Die Pushnachricht schon vor der Einfahrt sagte mir, dass es von hier gleich weitergehen sollte.

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Das Ziel lag im Kreuzfahrtterminal von Key West. Und die Fernseher waren wohl die teuersten, die ich je gesehen hatte. Zumindest die Endmontage hatte hier in einer Manufaktur stattgefunden. Weil die Kartons aber scheinbar dreimal so viel Styropor enthielten wie Fernseher, konnte ich erst mal das Fahrwerk verschieben.
Florence lag auf meiner früheren, persönlichen Rennbahn und so fühlte ich mich gleich wieder 21, als ich das erste Mal hier mit einem Truck runter geballert war. Damals war es zwar ein T680 von Costco, aber es war die I-95 in South Carolina Richtung Georgia.

Um fast genau 6 PM überquerte ich den Savannah River und war in Georgia. Auch wenn mir noch über 3 Stunden Fahrzeit blieben, nutzte ich nicht mal 2 davon aus. Florida war nicht unbedingt mit Truck Stops gesegnet und schon gar nicht mit guten. Deshalb fuhr ich in Kingsland (GA) kurz vor der Grenze ab und an Südstaatenarchitektur vorbei zum Petro-Center.

Dort bekam erst mal der LoneStar sein Futter und dann holte ich mir welches. Vor lauter Videodreh hatte ich am Wochenende natürlich nicht eingekauft. Also Restaurant. Anschließend setzte ich mich hin und schnitt das erste Video mit dem Rooftop in Downtown Charlotte vor.


Dienstag, 14.07.2020

Durch meinen frühen Feierabend konnte ich dann früh aufbrechen und war ein paar Minuten später in Florida. Das interessierte auch die Behörden, aber mit 68,179 Pfund ließen sie mich ungeschoren von der Waage. So kam ich vor dem Berufsverkehr, von dem ich keine Ahnung hatte, wie schlimm er aktuell war, um Jacksonville herum.
Florida war nicht wirklich für seine Landschaft bekannt. Die einzige Abwechslung zwischen Feuchtwäldern und Seen waren Städte. Und weil es so gleich war, einen keine Berge aufhielten und der Verkehr gut lief, rollte ich nach 6 Stunden, in denen ich das Zeitgefühl etwas verloren hatte, auf den Florida 595 in Davie zu meiner Mittagspause. Bei den aufgerufenen Preisen für Konserven und anderes Fertigfutter, beschloss ich, es beim Diner zu belassen und keine Vorräte aufzustocken.

Nachdem ich schließlich Miami hinter mir gelassen hatte, erreichte ich Neuland. Für Everglades und Keys hatte es früher nie gereicht. Die I-95 wurde mitten in der Stadt zur US-1 und hatte Kreuzungen mit Querstraßen.

Schließlich hatte ich Brians Geburtsstadt Key Largo passiert, dabei mal kurz die Hupe betätigt und die Szene auch für mein Tourvideo auf die Kamera gebracht. Dann war ich auf dem Overseas Highway.

Am Hafen von Key West wurde es dann auch nichts mit Einkaufen. Hier gab es, ausgerichtet auf die Klientel von gutsituierten Vollpensions-Kreuzfahrern im gesetzteren Alter, vor allem Souvenirs, Handtaschen, Hüte und Schmuck. Immerhin, danach hatte ich Zeit zum Einkaufen. Die Fernseher sollten auf einem hier mangels Nachfrage und Hygienekonzept festsitzenden Kreuzfahrtschiff verbaut werden, bei dem man aus der Not der Epidemie die Tugend einer Kabinenmodernisierung machte.

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Nun war Key West auf einige Sorten Besucher eingestellt. Trucker gehörten jedenfalls nicht dazu. Nächster Truckstop war das Pilot Travel Center an der Kreuzung von US-41 und FL-997 im Westen von Miami auf dem Festland. So blieb mir nur, einen Stellplatz in einem Gewerbegebiet zu suchen.

An einem normalen Abend in dieser Stadt wäre ich jetzt in die lebendige LGBT-Szene eingetaucht, aber was war im Jahre Corona schon normal? Neben meinem Stellplatz im Einkaufszentrum gab es immerhin einen Publix Food Market, so dass ich meine Vorräte aufstocken konnte. Dann lief ich mit Inlinern einmal um die halbe Insel an der fast leeren Promenade entlang.

Zurück am Truck ging ich in ein Restaurant. Nun hatte ich zwar Vorräte, konnte sie aber nicht nutzen, weil ich die sanitären Einrichtungen der Restaurants brauchte. Ganz wohl war mir zwar nicht, in Restaurants zu gehen, denn Florida wurde langsam aber sicher zu einem Corona-Hotspot, weshalb mir Takeaway lieber gewesen wäre, aber die Zwangslage war nun mal so. Und wenigstens war der Burger gut.

Anschließend schnitt ich das Video von unserem Rooftop zu Ende, besserte bei ein paar üblen Szenen den Weißabgleich in der Software nach und lud es hoch. In der Zeit fing ich an, das Truckingvideo von letzter Woche zu schneiden. YouTube-Stress.


Mittwoch, 15.07.2020

Das Frühstück musste ich natürlich auch wieder in ein Restaurant verlegen, um Zugang zu WC und Waschbecken zu bekommen. Zwar hätte ich lieber bei Goldman’s gefrühstückt und bei Denny’s zu Abend gegessen, aber weil Denny’s 24 Stunden offen war und Goldman’s erst 15 Minuten nach Brians Bereitmeldungszeitpunkt überhaupt öffnete, war es nun anders rum gekommen. Um kurz nach halb 7 war ich satt und genauso bereit für den Tag wie mein Truck, der gerade seine frische PTI hinter sich hatte. 

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Ein solcher Fernauftrag von hier bis Gulfport überraschte mich etwas, unter Einzelhandels-Fahrern war das Walmart-Außenlager von Key-West eigentlich als Start und Ziel für Aufträge bekannt, die irgendwo direkt in Florida wieder endeten. Aber so war halt Logistik, vielleicht mal wieder was falsch geleitet oder eine Reklamation.
Ich fuhr zu dem Außenlager, das nicht so weit von hier war, ließ mich beladen, schob hinterher noch die Achsen nach Augenmaß und Taschenrechner passend und war viertel vor acht auf dem Weg zum Festland.

Es dauerte aber bis fast 11, bevor ich mich auf den Florida Turnpike durchgeschlagen hatte. Und so kam ich bis zur Mittagspause gerade mal nach Yeehaw Junction. Auch wenn sich die Standklimaanlage gestern Abend und in der Nacht wacker geschlagen hatte, nutzte ich die Gelegenheit, am Pilot Travel Center zum Duschen. Das Mittagessen war dafür dank Einkauf eine im Truck aus frischen Tomaten und Basilikum mit einem Paket Mini-Mozzarellakugeln zubereitete Insalata Caprese.
Florida zog sich wie immer. So lange man nicht zum Strandurlaub da war, würde ich es als einen der am meisten überschätzten Staaten betrachten. Aber auch wenn wir beide heute in Oregon wohnten, würde aus welchen Gründen auch immer der in Florida geborene Brian das vermutlich über meinen Geburtsstaat Kalifornien sagen.
Gegen 4 PM passierte ich Orlando, eine Stunde später mit einer kleinen Kontrollwiegung von 73,306 Pfund die mir von früher noch recht gut bekannte Marion County Weigh Station und noch vor 6 PM war die Fahrt für heute auf dem Petro in Reddick (FL) zu Ende.

Ich ging duschen, machte mir heute das Abendessen auf dem Gaskocher neben dem Truck aus dem gekauften Vorrat warm, es gab Nudeln mit Hähnchenfleisch und Gemüse. Die Woche war bisher teuer genug durchs auswärts essen. Danach schnitt ich das Truckervideo zu Ende und lud es hoch.

Dafür gab es ein Video vom Lonesome Hawk, der diesmal auf einer Skaterbahn Freerunning mit einem zweiten Maskierten trainierte. Auf unserer Bahn in Medford ging das leider nicht, denn wir hatten eine Betontrogbahn, die aussah wie ein riesiger Gartenteich ohne Wasser. Diese im Video war eine, die Treppen, Podeste, Rampen und Geländerattrappen aus Beton hatte. Da hatte man Punkte zum an- und abspringen. Es waren auch Skater auf der Bahn und es war überraschend, wie sie immer wieder sich mit denen abwechselten. Dafür, dass es oft genug Stunk zwischen den eigentlichen Nutzern, also BMXern, Boardern und Inlinern gab, hatte ich nicht mit so viel Toleranz gegenüber zwei „Fußgängern“ gerechnet.
Die Landschaft war allerdings alles außer Portland. Das war viel weiter südlich, Eugene bis Redding, was natürlich meine Heimat im Rogue Valley einschloss. Vielleicht die Heimat des anderen, der definitiv keiner seiner beiden üblichen Kumpels sein konnte, da er keine schwarzen Haare hatte wie Mick und Nico. Aber wann immer sie ins Bild kamen, hatten sie ein Tuch vorm Gesicht. Okay, kein Thema, das hatte ich auch und war auch sehr empfehlenswert, wenn man sich gelegentlich rumtrieb, wo man an sich nichts zu suchen hatte und der Eigentümer Anzeige erstatten konnte.
Mir waren bisher leider noch keine Freerunner in Medford aufgefallen. Die größte Szene im fraglichen Gebiet hatte Eugene. Als die Sonne schon tief stand, hielt er sich selbst zurück und filmte nur noch die Skater und den anderen, echt guten Freerunner, von der Seite des Platzes. Die Schuhspitzen am unteren Bildrand erweckten den Eindruck, dass er die Füße hochgelegt hatte.


Donnerstag, 16.07.2020

Auch heute hatte sich die Standklima wieder einigermaßen wacker geschlagen und ich hatte gut geschlafen. Im Truckstop machte ich mich frisch, dann gab es Mini-Wheats und ich machte mich auf den weiteren Weg. Nach Medford würde ich zum Wochenende auch nicht kommen, aber das war mir egal.
Unterwegs schien dann der Anflug zu einem Truppenübungsplatz über die Interstate zu verlaufen. Jedenfalls ballerten alle halbe Minute Kampfjets quer über die Straße.

Nicht mal zur Mittagspause hatte ich es geschafft, Florida zu verlassen, aber ich musste ja auch den längsten im Staat möglichen Weg fahren. Von Key West die ganze Halbinsel rauf und dann auf der I-10 die ganze Panhandle raus. Und nachdem er letzte Woche ausgefallen war mangels Masse, gab es nun auch wieder einen Zug der Woche.

Nach 1 PM, und das inzwischen in CDT, war schließlich Alabama erreicht. Ich passierte Mobile. Der Streifen Alabama hier unten war schmal und so kam ich schnell nach Mississippi. Die Waage durfte ich passieren und um 4 PM war ich bei Costco in Gulfport. Da sollte ich scheinbar gleich wieder was mitnehmen, denn Isotrak meldete sich schon an der Ampel vor dem Gelände.

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Nun gab es vermutlich billige Fernseher, die vom Costco Zentrallager hier zu Walmart nach Washington DC sollten. Das könnte dann auch ziemlich sicher das Wochenende bei alten Freunden geben, das mir letzte Woche entgangen war.

Ich ließ umladen und schob die Achsen nach Faustformel zurecht. Dann ging es noch tanken und erst mal wieder den gleichen Weg zurück. In dieser Richtung wollten sie mich wiegen, ließen mich aber mit 68,171 Pfund wieder ziehen.

Am Pilot Travel Center in Theodore (AL) war Schluss. Ich ging duschen und machte mir dann wieder was zu Essen im Truck. Es gab Grilled Cheese. Grilled Cheese war auch so ein falscher Freund auf den beiden Seiten des Atlantiks. In Europa hatte ich damals in Deutschland gelernt, wurde wirklich Käse direkt gegrillt oder gebraten. Entweder festen Käse aus dem Mittelmeerraum, der das aushielt oder sehr beliebt war panierter Weichkäse.
Amerikanischer Grilled Cheese wurde in Brot zubereitet. Man legte Käse zwischen zwei Scheiben Brot, das von beiden Seiten in einer Pfanne mit Butter langsam und bei geringer Hitze gebraten wurde, wodurch der Käse zu schmelzen anfing und das Brot geröstet wurde.

Heute begann ich, das Video aus dem verfallenen Erziehungsheim zu schneiden.


Freitag, 17.07.2020

Nach Mini-Wheats und PTI ging es los und wieder an der Skyline von Mobile vorbei.

Als die Sonne es geschafft hatte, passierte ich auf einer ewig langen Brücke das Mobile River Delta.

Heute hieß es vor allem Meilen zu fressen, um morgen möglichst früh am Ziel zu sein. Die Weite in der Westhälfte Alabamas wich mehr und mehr bewaldeten Hügeln und schließlich erreichte ich Georgia und wieder die Eastern Time. Mit 6:42 bis zu Pattys Truck Stop in Adairsville (GA) hinter Atlanta war ich rekordverdächtig lange unterwegs.
Am Nachmittag durchquerte ich noch Tennessee, das vor allem aus Wald bestand. Hier war es im Herbst sehr schön. Zum Abend hin wurde gebirgig, als ich den Osten des Staates erreichte.

Ich steuerte das Virginia Welcome Center an. Es war heute mal Grillzeit, zum Steak gab es aber natürlich nur Nudelsalat aus dem Becher. Die letzten Reste frisches Gemüse hatte ich gestern Abend als Salat zum Grilled Cheese gegessen.

Anschließend nutzte ich die bei so wenig Reisenden leeren Sitzecken. Die waren von Abstand und Bauweise nämlich ein Paradies für Freerunner. Zuerst probierte ich aus, welche Übungen gut gingen, dann wurde ich kreativ und lief Folgen. Also los. Jetzt mal Anlauf übers Dach, Weitsprung von dieser Mauer aufs die vom nächsten Dach, Sideflip auf den Blumenkasten und Backflip auf die Kiesfläche.

Nach einer gründlichen Wäsche am Waschbecken der Toiletten wurde noch das Video aus dem Heim fertig und ich lud es hoch. In der Zeit klingelte mein Handy, Alex war dran. „Hallo Alex.“ „Hallo Brandon. Kommst Du am Wochenende nach Hause?“ „Nein, ich bin an der Ostküste.“ „Oh. Ich wollte Dein Auto leihen. Dann muss ich wohl doch einen Van mieten.“ „Warum das denn?“ „Mein altes Bett hat den Geist aufgegeben und die Schrauben, die den Rahmen zusammenhalten sind ausgerissen. Und ein neues Queensize-Bett mit Matratze und Lattenrost werde ich in meinen Jetta kaum reinkriegen. Brian hat vor lauter Wohnzimmer in seinem Van keinen Platz und Paul muss arbeiten, darf seinen top restauriertes 1970er Jeep Wagoneer Surfermobil aber nur selbst fahren.“
„Isaac hat doch den Ram Pickup.“ 
„Da sind aber die Einbauschränke mit Werkzeug und Sicherungsmitteln drauf.“ Das stimmte, er hatte bei meinem Umzug vor allem lange, schmale Sachen gefahren, die dazwischen passten. Sperriges Zeug wie Bett und Sofa hatte ich gefahren. „Also gut. Dann schreibe ich Isaac, der hat einen Schlüssel für mein Haus. Soll er Dir den Zweitschlüssel für den Silverado geben.“ „Danke Dir.“


Samstag, 18.07.2020

So früh wie möglich ging es los. Heute war ein eher ereignisloser Arbeitstag. Ich fuhr fünfeinhalb Stunden bis DC und lieferte ab. Während hinten entladen wurde, belegte ich mir vorne ein Sandwich mit Käse und Schinken. Während ich das verspeiste, kam die ersehnte Meldung über Isotrak.

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Ich durfte also noch so weit fahren, wie ich wollte, so lange es mir meine Pausenzeiten erlaubten, am Montag um 7 Uhr East Coast Zeit abfahrbereit zu sein. Da konnte ich doch gleich mal telefonieren. Tristan hatte noch keine Zeit, weil er eine Woche bei seinen Eltern in Kentucky gewesen war und erst morgen zurückkam. Er wollte mich aber morgen Abend treffen. Caleb hatte aber dafür ein Gästebett frei.

Also fuhr ich noch zweieinhalb Stunden bis Philadelphia und stellte meinen Truck am Lego Truck Parking ab. Woher auch immer der Name kam, mit genoppten dänischen Bausteinen hatte er nichts zu tun. Wie war die Woche denn gelaufen?

WEEK START: MO:04:22 AM +3
WEEK END: SA:12:13 PM +3
WEEK DRIVE: 58:19 HRS
WEEK WORK: 59:39 HRS
WEEK FRAME: 5D:07H:51M
WEEK MILES: 3,046
REVENUE MILES: 2,903
PERFORMANCE: 95.3 %
WEEK PAYLOAD: 146,044
SH TON MILES: 50,926
WEEK FUEL ECO: 6.0
WEEK AVG SPEED: 52.2 MPH

Caleb erwartete mich schon. Ohne einen Mercury kurz vorm Auseinanderfallen würde er im Straßenverkehr irgendwie verkleidet wirken. Nachdem sein altehrwürdiger 1995er Tracer LTS inzwischen wohl entweder den Geist aufgegeben hatte oder beim PennDOT-Test dann doch mal durchgefallen war, war er auf einen kaum vertrauenswürdiger aussehenden und vom Modell her maximal 5 Jahre jüngeren Mystique umgestiegen. Ein- bis zweimal würde er das Spielchen noch treiben können, dann dürfte ihm langsam der Nachschub an Verbrauchtwagen dieser Marke ausgehen.

Wir fuhren zu seiner Wohnung, immer noch die gleiche im Südwesten der Stadt, wo so ein Auto in den meisten Gegenden auch nicht unpassend war. Allerdings musste man fairerweise sagen, dass seine Wohnanlage so weit in Ordnung war. Nicht wirklich modern, aber zumindest sauber und sicher. Nach der doch recht stressigen Woche saßen wir einfach zusammen bei Keksen und Kaffee beziehungsweise Tee, den er immer da hatte, weil sein junger Freund Connor oft genug hier war und der auch keinen Kaffee mochte.
„Ich hoffe, es macht Dir nichts aus, wenn Du morgen auf David triffst?“ „David? David Lavergne?“ „Ja, genau der.“ „Der lebt noch? Von allen aus der alten Truppe ist er jedenfalls der, mit dem ich wohl die wenigsten Probleme habe.“ „Um Haaresbreite lebt er noch, ja. Der wäre bei einem schiefgegangenen Sprung von Dach zu Dach beinahe abgestürzt, macht seitdem kaum noch Rooftoping, ist wieder mehr als Freerunner auf Bodenniveau und Explorer in verlassenen Gebäuden unterwegs und hat sich vom Geldbeutel seiner Eltern losgesagt. Ist seit Anfang des Jahres ein Kollege von Dir und fährt meistens nachts einen Truck mit zwei dieser drolligen kleinen Trailer für den US Postal Service.“ „Und der Rest?“ „Hayden studiert in Atlanta, ist aber derzeit hier. Der kommt morgen aber nicht.“ „Gut, den hätte ich nicht unbedingt gebraucht.“ „Und Jamie lebt noch in Philadelphia, aber es hat keiner mehr Kontakt zu ihm.“

Zum Abend hin stieß Ralph dazu. Wir stellten auf Bier um und ließen Pizza kommen. Alleine im Gästezimmer scrollte ich später durch die Kommentare meiner Videos. Routiniert verteilte ich Likes und Herzchen. Ich nahm dabei schon seit dem Hype um die Tschernobyl-Videos gar nicht mehr so richtig wahr, wer da alles schrieb. Wenn ich einen Kommentar von Sébastien Foucan, dem Gründervater des Freerunning persönlich, bekommen würde, standen die Chancen recht hoch, dass ich das nicht mal bemerken würde. Unter diesem Kanal war mir die Kommentiererei und Kommentarbeantworterei langsam eher lästig.
Und dann bemerkte ich doch mal einen Namen. Der „Lonesome Hawk“ hatte unterm Rooftop „Prost!“ und den fetten Grinsesmilie zusammen mit Daumen hoch hinterlassen. Ich schüttelte verständnislos den Kopf und scrollte schon eher im Halbschlaf weiter. Wobei meine Kommentare zu seinen Videos zugegebenermaßen auch nicht ausführlicher waren, sofern ich überhaupt mal einen hinterließ.
Rechner runterfahren und wegstellen, sonst wachte ich morgen mit dem Schriftzug QWERTY auf der Stirn auf. Ich machte das Licht aus und legte mich hin. 


Sonntag, 19.07.2020

Als wir morgens aufgestanden waren und Caleb gerade in der Küche die Pfannen auf den Herd packte, klingelte es. „Mach mal auf, ist bestimmt Connor.“ So war es auch, Calebs mittlerweile gefühlt kleiner Bruder stand vor der Tür. Wir schlugen uns zu dritt den Bauch mit Toastbrot, Speck, Spiegeleiern und als kleinen Nachtisch Pancakes mit Sirup voll. Die Energie brauchten wir. Dann packten wir unsere Sportsachen, ich auch noch meine Kamera und wir stiegen in den abgerockten Mercury.
Es ging zu der Sporthalle, wo damals meine Karriere im Freerunning angefangen hatte und dort wartete auch David schon auf uns. Es war recht leer hier, die Trainigshalle durfte nur mit 50% Kapazität öffnen und Caleb hatte uns alle im Vorfeld anmelden müssen, um Überbelegung zu verhindern und im schlimmsten Fall einer Infektion Rückverfolgung zu ermöglichen.
Wir trainierten knapp 2 Stunden und machten um die Mittagszeit Schluss. Es ging noch zusammen Essen. David fuhr im Job einen Mack Anthem Daycab für den staatlichen Postdienst, inzwischen meistens in der Tat STAA Doubles und manchmal normale Singletrailer. Wenn er im Februar ein Jahr dabei war und ein entsprechendes Rating hatte, würde er öfter mal Triples und, was allerdings bei USPS selten genug der Fall war, Turnpikes fahren dürfen.

David verabschiedete sich und danach fuhr Caleb nach Hause, setzte unterwegs Connor bei dessen Eltern ab. Von seiner Wohnung ging es per Uber nach Springfied zu Tristan. Es öffnete aber nicht der sondern ein Teenager, so 18 oder 19 wahrscheinlich, und begrüßte Caleb, die beiden schienen sich also zu kennen. Ich kriegte trotz meiner Verwunderung ein „Hallo!“ raus.
Tristan kam in dem Moment auch: „Hallo Brandon. Guck nicht so sparsam, Du kennst ihn und hast schon zusammen mit ihm meine Möbel getragen. Da war er 12 Jahre alt.“ „Dein Bruder?“ „Ja, mein gar nicht mehr so kleiner Bruder Douglas, er fängt nach den Ferien hier zu studieren an. Wenn ich hier schon dieses viel zu große Haus alleine habe. Die letzten anderthalb Jahre habe ich so an einen Studenten untervermietet, um jemanden dazuhaben, der aufpasst, wenn ich auf Dienstreise bin und ein Bisschen zu den Kosten beiträgt. Jetzt habe ich selbst einen Studenten in der Familie.“ Oh Sch… wie die Zeit verging. Das war doch irgendwie erst gestern gewesen.

Abends saßen wir dann auf der Veranda um den Tisch. Bei unserem Kentucky Kid konnte es da nur Bourbon on the Rocks geben. Douglas hatte Cola auf seinen Rocks, aber typisch Familie Hayes hatte sich auch da ein kleiner Schuss Whiskey ins Glas verirrt, selbst wenn er offiziell mit 19 noch gar nicht durfte. Aber schon damals hatte Tristan immer auf irgendwelchen dunklen Kanälen eine Flasche im Haus gehabt, lange bevor wir 21 waren. Nach einem langen Abend ging es mit Uber zurück.

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