Dienstag,10.07.2018, Uppsala.
Punkt 05:00 Uhr. Dong. Dong. Dong. Die Hells Bells beenden unsere Nacht.
Nach der SMS von Keela gestern Abend – sie hat uns berichtet dass sie mit ihrem Freund Marc unterwegs gewesen war und dieser ihr spontan einen Antrag gemacht hatte – haben wir bestimmt noch eine Stunde an unsere Beziehungsanfänge zurück gedacht und auch ein wenig drüber gelacht. Gelacht darüber, da es bei uns anfangs doch ein wenig holprig war – aber damals ging es nicht anders, da ich ja zu der Zeit noch als angestellter Fahrer in Deutschland unterwegs war.
”Kom igen älskling. Få upp. Duschar. Ta frukost och sedan väntar en lång dag på oss.” ”Der Part mit der Dusche gefällt mir am besten.” ”Na dann beeil dich, sonst musst du doch alleine drunter.” Sandra hat den Satz noch nicht ausgesprochen als sie schon aus dem Schlafzimmer ist.
…
Wir sind fertig mit Frühstück und gehen rüber in den Bürotrakt. Sandra holt sich nur fix ein paar Papiere und den Schlüssel von Mejas DAF. Sie umarmt mich und bekommt von mir einen Kuss. Irgendwie bekomme ich den Blick nicht von ihren Augen losgelöst. ”Ich liebe dich.” ”Ich dich auch. Bis später.” Ich gehe in mein Büro und fahre den Computer hoch. Ich muss einen Spezialtransport für nächste Woche vorbereiten. Dafür müsste ich noch mit Martin in Hamburg telefonieren; aber ich erreiche weder ihn noch Simone.
Kurz vor 10:00 Uhr erscheint Sandras Vater. ”Hej Chris.” ”Hej Rasmus. Sandra müsste gleich wieder da sein.” ”Alles klar.” ”Brauchst du einen Kaffee?” ”Du kannst Fragen stellen…” Das freche Grinsen das ihm bei dem Satz über das Gesicht läuft kommt mir irgendwie bekannt vor. Er kann seine Tochter jedenfalls schlecht leugnen. Ich gieße uns einen Kaffee ein. ”Wenn wir die Busse nachher hier haben muss ich noch wieder los und kann dir erst einmal nicht beim folieren helfen. Hat Tania dir schon erzählt was wir da machen?” ”Ja. Zwei im Flixbusoutfit für Berlin und zwei bekommen das neongelbe Dekor vom Reisebüro.” ”Genau.” ”Das Material ist vorhin auch schon gekommen. Die Vorlagen fürs plotten hat Janina gestern auch schon fertig gemacht.” ”Ist Janina nicht sonst im Lager bei euch?” ”Meistens schon. Aber meine Angestellten sind flexibel. Bei Janina hat sich irgendwann mal rausgestellt, dass sie von den Vorbereitungen für die Folierungen gut Plan hat.”
Sandra betritt das Büro und begrüßt ihren Vater. ”Von mir aus können wir los. Din Suzuki stannar här, pappa.” ”Wieso das? Gefällt der dir etwa nicht?” ”Naja, mein Geschmack ist der nun wirklich nicht. Aber ich brauche eh den Sprinter. Wir haben da so einige Paletten von Ikea die von Uppsala nach Stockholm und umgekehrt müssen. Normalerweise würde ich das heute Abend in einem Rutsch fahren. Ich hab aber mit den Jungs abgesprochen dass ich das jetzt auf mehrere Sprinter-Touren aufsplitte. Die kommissionieren das jetzt entsprechend.” ”Klingt nach nem strukturiertem Plan. Låt oss gå, dotter.” Sandra gibt mir noch schnell einen Kuss, dann schiebt sie ihren Vater aus meinem Büro.
Mein Telefon klingelt. ”hansekontor i Uppsala. Christian Dansör här. Hallå.” ”…” ”Hej Martin.” ”…”
…
Der erste von vier Scania Touring ist inzwischen bei uns auf dem Hof. Besser gesagt hat Rasmus ihn am kleinen Lagergebäude quer auf die PKW-Stellflächen geparkt.

Er und Sandra sind dann direkt wieder los nach Stockholm. Bevor ich mich um das dreiachsige Monstrum für Lebendfracht kümmern kann habe ich aber noch ein bisschen Papierkram vor mir. Und ohne Kaffee brauche ich damit gar nicht erst anfangen – also ab in die Küche. Auf dem Weg dorthin fällt mir ein, dass ich ja noch den dekorierten Stein aus Goldbeach für Sandras Büro habe. Ich setze eine Kanne Kaffee an und hole dann den Stein um ihn als Dekoelement auf ihrem Schreibtisch zu platzieren.
Mein Handy verlangt nach Aufmerksamkeit. Im Display eine deutsche Mobilfunknummer, die ich nicht eingespeichert habe. ”Christian Dansör.” ”Jüggr. Stephan Jüggr.” Den Nachnamen habe ich gerade erst vor kurzem gehört. War das nicht der selbe wie bei einer unser künftigen Auszubildenden? ”Was kann ich für Sie tun?” ”Kannst du dich noch an Anfang Januar an den Stellplatznachbarn vom Ludwigsluster Kanal – A14 – erinnern? Du hattest damasl einen Auflieger von TSU Bode am Haken.” ”Ja, da kann ich mich noch dran erinnern. Wenn mich nicht alles täuscht, warst du der Stellplatznachbar, der mir Löcher in den Bauch gefragt hat.” Ich höre ein unterdrücktes Lachen im Hörer. ”Ja, die Beschreibung passt.” ”Alles klar. Dann streiche ich SIE und setze DU. Du rufst sicher nicht ohne Grund an?! Alles in Ordnung, oder drückt irgendwo der Schuh?” ”Wie man es nimmt. Meine Frau, besser gesagt Ex-Frau würde ich gerne zum Mond schießen.” ”Tut mir leid, Raketen hab ich noch nicht im Fuhrpark.” ”War mir klar. Aber demnächst hast du eine in deiner Münchener Niederlassung.” ”In wiefern?” ”Meine Tochter Franzsika war zum Vorstellungsgespräch bei Frau Berga und Frau Müller.” ”Annyka und Vivien, mhm.” ”Und ab August ist sie damit deine Auszubildende. Für mich ein Lichtblick. Wenn das mit Amerika jetzt noch klappt bin ich wieder im Reinen mit mir.” ”Was gibt’s in Amerika? Ich war gerade erst vier Wochen drüben in Kalifornien mit meiner Frau.” ”Wenn alles klappt werde ich ab Anfang 2019 drüben als angestellter Longhauler unterwegs sein.” ”Schon einen Arbeitgeber in Aussicht?” ”Es könnte die C.T. transportation company werden. Eine kleine Firma. Containertrucking und Trailertrucking quer durch die Staaten und Kanada. Wie gesagt… meine Ex ist hopp und meine Tochter ist in einem Alter, wo sie ihren eigenen Weg gehen wird. Ergo alles auf Anfang.” ”Ich drücke dir die Daumen. Und deine Tochter wird ihren Weg machen – wenn sie keinen Blödsinn anstellt.” Das Gespräch geht noch ein paar Minuten weiter, dann muss ich auflegen weil das Telefon in Sandras Büro Radau macht. Chefin nicht anwesend, also muss der Chef sich kümmern. Nebenbei schaue ich aus dem Fenster und sehe, dass inzwischen der zweite Scania Touring auf dem Hof steht.
…
Es ist 22:00 Uhr. Ein arbeitsreicher und teilweise chaotischer Tag neigt sich dem Ende zu. Sandra schließt die Schlafzimmertür und kommt zu mir ins Bett. ”Alles in Ordnung bei dir, älskling?” ”Bei mir schon. Mir kreisen nur die Gedanken gerade über den Unfall von heute Abend.” ”Wer? Schlimm? Was ist passiert?” ”Marian aus Dresden.” ”Unser DieselPassion-Kollege mit dem Wielton-Auflieger?” ”Mhm. Er war auf der A14 von Halle Richtung Magdeburg unterwegs. Kurz vor der Saalebrücke ist einem vor ihm fahrendem PKW der Reifen geplatzt. Aus dem ihm nachfolgendem Verkehr sind ihm mehrere PKW aufgefahren. Türen am Auflieger lassen sich wohl nicht mehr öffnen. Ihm selbst ist nichts passiert. Ich hab dann vorhin noch schnell mit Antonio in Hamburg telefoniert – er macht mit Sebastian zusammen alles fertig, sodass Marian morgen wieder mit einem Wielton durchstarten kann. Der Unfaller geht über Versicherung. Da macht Antonio den notwendigen Papierkram mit Marian dann fertig.” ”Ok. Hat Marian sonst noch was erzählt?” ”War wohl ne ziemlich böse Massenkarambolage mit einigen Verletzten. Aber er konnte wohl noch so reagieren, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Und dann war da noch ein weiterer Anruf. Am Nachmittag.” ”Erzähl.” ”Der Vater von Franziska unserer künftigen Auszubildenden in München…” ”…hat Theater gemacht?” ”Nej, im Gegenteil. Der hat sich tausend mal bedankt, dass wir seiner Tochter die Chance geben. Ich habe ihn übrigens Anfang des Jahres mal bei einer Tour in Mecklenburg-Vorpommern kennengelernt und er hat erzählt, dass er jetzt Anfang kommenden Jahres nach Amerika gehen wird. Dein Bürotelefon hat dann auch noch das ein oder andere Mal geklingelt.” ”Das wird die nächsten Tage so weiter gehen. Nur dass du dann nebenbei noch an den Bussen zu tun hast.” ”Wird schon irgendwie zu schaffen sein.” Ich gebe Sandra einen Kuss. ”God natt. Jag älskar dig.” ”Jag också.”
Freitag, 13.07.2018, Uppsala.
Die vergangenen Tage waren vom Ablauf her ziemlich gleich. Frühs um 05:00 Uhr aufstehen. Duschen. Frühstücken und dann ins Büro bzw. Sandra mit Mejas DAF raus auf die Piste. Nach dem Papierkram habe ich dann den Telefondienst an Tania abgegeben und mich zusammen mit Janina an die Busse von Sandras Eltern gemacht.
Ich gieße mir gerade einen Kaffee ein. „Ich nehme auch einen.“ „Hej Rasmus. Klar, bekommst du.“ „Är min dotter på väg?” ”Ja. Sie hat die ganze Woche Mejas Touren übernommen. Aber damit müsste sie für heute bald durch sein.” ”Gut gut. Tarja kommt nachher auch noch. Sie ist neugierig wie weit ihr mit den Bussen seit.” ”Sieht schon ganz gut aus. Heute noch ein bisschen und morgen. Dann sollten die vier fertig sein.” ”Gut gut. Ich pack heute noch bisschen mit an. Morgen früh fahre ich mit Tarja von hier aus zu einer Rallye bei Stockholm. Und wenn die Mädels nachher da sind schmeißen wir den Grill an.” ”Klingt nach einem Plan.”


