[KW 40/2018] Wochenende am Schwarzen Meer. Mulmiges Gefühl. Feierabendzeit in München.


Über meine Wochenendpause kann ich mich nicht beschweren – unser Kunde Maier-Flink hatte für mich auf seine Kosten im Voraus im Moon Aparthotel ein Zimmer reserviert. Küche mit Mikrowelle, Satellitenfernseher, WLAN und Badewanne auf dem Zimmer und ein Whirlpool im Außenbereich. Dazu gab es einen Wäscheservice. Den ebenfalls angebotenen hoteleigenen Fahrdienst habe ich ebenso in Anspruch genommen um mir die Burg Kurul anzusehen. Zudem war der Strand fußläufig gut zu erreichen.




Montag, 01.10.2018, Altinordu.

Es ist 08:00 Uhr. Das Frühstück habe ich entspannt hinter mich gebracht und checke aus. Der Fahrdienst bringt mich zu der Spedition am Atatürk Boulevard wo ich den rovfågel am Freitag für die Ent- und Beladung habe stehen lassen. Wie besprochen ist bei meiner Ankunft alles fertig, sodass ich jetzt nur noch von der Rampe abziehe und meine Abfahrtskontrolle durchführe. Ein Blick in die Papiere – Ware für München, Berlin, Stockholm und Umea (wobei ich alles jeweils nur an meinen Niederlassungen München, Berlin und Uppsala zu entladen habe und von dort aus verteilen es meine Fahrer regional an die Kunden von Maier-Flink.)

Mit einer Tasse Kaffee starte ich dann und verlasse den Speditionshof in Richtung Westen. Über die E70 geht es nach Samsun, weiter über die E95 und E80 vorbei an Merzifon, Tosya und Bolu nach Sakarya. Trotz der teilweise ziemlich kurvenreichen Strecke komme ich zügig voran.



Dienstag, 02.10.2018, Sakarya.
Es ist 06:00 Uhr. Mein Wecker ist hellwach und bimmelt munter vor sich hin.
Wie üblich mache ich mich in Ruhe fertig und frühstücke bevor ich mich an die Abfahrtskontrolle mache. Eine kurze Nachricht von Sandra flattert auf mein Telefon und lässt mich schmunzeln. Schade, dass meine Süße so weit weg ist.

Kurz nach 07:00 Uhr fülle ich meine Thermotasse ein weiteres Mal mit Kaffee, dann kann es losgehen. Es geht wieder über die E80 weiter in Richtung Istanbul. Auch danach bleibe ich auf der E80.
An der Grenze zu Bulgarien herrscht dann ziemlich zäher Verkehr. Ein Zöllner – es ist der selbe, der mich in der letzten Woche bei der Einreise schon kontrolliert hat – winkt den vor mir fahrenden türkischen Kleintransporter heraus und wirft einen Blick auf mein Kennzeichen. Dann deutet er mir dass ich durchfahren soll.

Ich passiere Plowdiw und Sofia.

Inzwischen ist es kurz vor 17:00 Uhr und mein Tachograph blinkt mahnend vor sich hin. In Bozhurishte stelle ich meinen Zug dann vor einem Obst- und Gemüsehandel ab. Der V8 verstummt. Wenig später steht die halbe Dorfjugend vor meinem Truck und beobachtet mich dabei wie ich mir am Gaskocher mein Abendessen zubereite.






Es ist 21:30 Uhr. Ich lege meine Mobiltelefon zur Seite. Das Telefonat mit Sandra hat auf der einen Seite gut getan. Leider gab es auch ein erschreckende Nachricht: unsere Fahrerin Felicia hatte am Mittag mit dem Malmöer Schwerlast-MAN auf dem Weg vom Kunden nach Hause unverschuldet einen schweren Unfall; zwar ohne Personenschaden aber unser Vierachser ist Schrott.
Mit einem mulmigen Gefühl putze ich meine Zähne und lege mich dann in die Koje zum Schlafen.



Mittwoch, 03.10.2018, Bozurishte.
Wie in den vergangenen Tagen war 06:00 Uhr die Zeit dem Weckton zu lauschen. Mein Stellplatz vor dem Obst- und Gemüsehandel ist noch dunkel und ich verschwinde einmal kurz am nächsten Busch. Anschließend folgt eine schnelle Wäsche aus dem Wasserkanister sowie das übliche Frühstück.
Gegen 07:00 Uhr bin ich dann mit der Abfahrtskontrolle durch. Vierzehn Stunden Pause stehen auf meiner Karte. Da ich mich letztens schon einmal mit der Fahrzeit innerhalb eines 24h-Zeitraums verrechnet habe ziehe ich diese Woche meine Pausen dann doch lieber etwas in die Länge. Weiter als bis zur Niederlassung in München komme ich mit der Wochenfahrzeit eh nicht, wenn ich die neunzig Stunden für die Doppelwoche nicht überschreiten will. Und selbst das dürfte sich nur knapp ausgehen. Ich starte den rovfågel und rolle mit nur wenig Gas auf die Straße.

Über die E80 geht es in Richtung Serbien. An der Grenze herrscht dann wie erwartet Stau. Auf serbischem Boden angekommen beschleunige ich wieder auf 84 km/h und setze den Tempomaten. Im Radio habe ich mir wie meistens einen Radiosender mit Rockmusik gesucht. Aus den Lautsprechern ertönt Papa Roach mit Who Do You Trust. Innerlich kann ich mir diese Frage ziemlich gut beantworten.








Ich passiere Belgrad. Kurze Zeit später wechselt die Beschilderung und weist mir die E-70 aus. Mein Telefon klingelt. Im Display eine Rufnummer meiner Malmöer Niederlassung. „Christian här. Hallå.“Hej älskling. Ich bin’s.“ „Na Süße. Wie ich sehe bist du in Malmö.“ „Mhm. Ich habe Felicia erst einmal bis Ende der Woche frei gegeben. Auch wenn ihr beim Unfall nichts passiert ist soll sie sich lieber ein paar Tage Auszeit nehmen. Außerdem kann ich so hier vor Ort alles mit der Versicherung und den Behörden abklären.“ “Mhm. Gut so. Hätte ich nicht anders entschieden.“ „Jag vet.“ ”Du sagtest ja gestern schon, dass der MAN Schrott ist. Hat der Auflieger auch was abbekommen?” ”Nein. Den hatte Felicia schon auf dem Gelände in der Strömgatan abgestellt und war solo unterwegs. Mir reicht schon, dass die Zugmaschine jetzt fehlt. Nächste Woche stehen noch zwei Aufträge drin wo wir die eigentlich brauchen.” ”Na super.” ”Zerbrich dir jetzt bitte nicht den Kopf. Josy bringt heute Abend den Actros aus Hamburg hoch.” ”Das ist gut.” ”Ich hab auch schon mit Adrian Palsson von der Scania Niederlassung Stockholm gesprochen. Er könnte uns zu Ende der Kalenderwoche neunundvierzig einen Vierachs-R650 bereit stellen.” ”Wie schaut es mit den Alternativen bei Mercedes und MAN aus?” ”Keine Ahnung. Die habe ich nicht in Betracht gezogen.” ”Warum nicht?” ”Wir haben in den letzten achtzehn Monaten bei Scania schon so viele neue Zugmaschinen geordert, dass Adrian mir für den Vierachser dreißig Prozent Rabatt eingeräumt hat. Mal was anderes… wo bist du jetzt gerade?” ”Schon an Belgrad vorbei. Ich rechne damit, dass ich nachher an der Grenze zu Kroatien Feierabend mache und am Freitag in München bin.” ”Ich freu mich schon drauf, wenn du wieder zu Hause bist; auch wenn es noch etliche Tage dauert. Jag saknar dig. ”Ich dich auch, min älskling.”




Donnerstag, 04.10.2018, kroatische Grenze.
Am gestrigen Nachmittag habe ich mich noch mit den Formalitäten zum Grenzübertritt nach Kroatien auseinander gesetzt und dann auf der kroatischen Seite Feierabend gemacht.

Am Morgen dann die selbe Prozedur wie an den vorherigen Tagen. Leider auch heute wieder ohne Dusche. Mein Weg geht weiter über die E70; vorbei an Slavonski Brod und Ivanic-Grad. Bei Jezevo ist es dann Zeit für die Pause – der Scania braucht Diesel und ich einen Kaffee.








Ich stoppe an der Mautstation und bezahle die fällige Gebühr. Kurz darauf passiere ich dann die Grenze zu Slowenien.
Krska Vas. Drnovo. Novo mesto. Visnja Gora. Der Verkehr auf der E70 fließt gleichmäßig vor sich hin. Ich passiere Ljubljana; dann geht es über die E61 weiter gen Norden.
Ich erreiche die Grenze zu Österreich und tauche kurze Zeit später im Karawankentunnel ab.
Am Knoten Villach vorbei geht es über die A10 weiter in Richtung Salzburg bis ich am ASFINAG Rastplatz Weissenstein den Blinker in Richtung Feierabend setze. Diesen genieße ich mit einer Dusche, einem selbstgekochten Abendessen und dem üblichen Telefonat mit Sandra.


Freitag, 05.10.2018, München.

Es ist früher Nachmittag als ich meinen Zug an der Niederlassung abstelle. Auf dem Weg zum Büro gucke ich noch kurz im Lager vorbei und gebe Sepp den Auftrag die Paletten die für München bestimmt sind von meinem Auflieger zu pflücken.







In den Büros herrscht noch reges Treiben und die Fahrer und Fahrerinnen, die übers Wochenende nicht draußen sind, kommen nach und nach auf den Hof.
Gegen 16:00 Uhr wird es ruhiger. Ich sitze inzwischen im Büro und mache noch ein bisschen Papierkram. Vivien und Franziska gucken rein. ”Na Mädels. Läuft alles?” ”Klar. Aber ich freu mich auch drüber, dass jetzt Wochenende ist.” ”Schafft Tom es zum Wochenende nach Hause?” ”Bin schon da, Chef.” Tom gibt Vivien einen Kuss. ”Wenn man vom Teufel spricht… Und bei dir Franzi – bist du am Wochenende unterwegs?” ”Nicht wirklich. Ich helfe Papa beim zusammenpacken. Nicht mehr lange, dann geht sein Weg ja über den großen Teich. Wie ist das eigentlich bei dir… du siehst deine Eltern ja auch selten. Wie ist das? Gewöhnt man sich da irgendwie dran?” ”Puh… schwer zu beschreiben. Als ich damals nach Schweden hoch gegangen bin war es schon komisch und auch heute noch ist es nicht selbstverständlich, zumal ich selbst wenn ich an Wismar vorbei komme nie wirklich Zeit habe bei meinen Eltern anzuhalten. Man nimmt es irgendwann hin, dass es so ist. Umso mehr freut man sich dann auf Weihnachten.” ”Das klingt so, als wenn du zu Weihnachten immer in Wismar bist. Feiert Sandras Familie das gar nicht?” ”Doch, schon. Aber Weihnachten sind wir eigentlich immer in Wismar. Sandras Eltern sehen wir ja öfter, da sie nicht so weit weg wohnen und wir ja auch hin und wieder mit Tarjas Busunternehmen und Reisebüro zusammenarbeiten.” ”Wer ist Tarja?” ”Sandras Mutti.”

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