Am nächsten Morgen, als ich gerade den Frühstückstisch abräumte, klingelte Julians Handy. „Guten Morgen.“ – „Ja, in Bochum.“ – „Nein, Ricky hat eine neue Halle mit Nebengebäude und genug Platz.“ – „Schon schlechter als auf seinem Sofa.“ – „Nein, bedeckt und um die 7 Grad. So weihnachtlich leider auch nicht.“ – „Mal die LKW-Händler im Umland abklappern und dann auf einen Weihnachtsmarkt.“– „So lange ich nicht da war, weiß ich es ja nicht.“ – „Doch, ich ziehe das durch.“ – „Dann tu mir einen von zwei Gefallen. Komm nur hier her, wenn Du akzeptierst, dass ich, ob mit oder ohne Dich, Fernfahrer bleibe! Oder komm gar nicht!“
Ich dachte mir meinen Teil, bis Julian mir plötzlich sein Handy entgegen streckte: „Mein Bruder für Dich.“ Ich nahm ihm das Telefon ab: „Hallo Marlon, Ricky hier. Wie geht es Dir?“ „Hallo Ricky. Mir geht es täglich besser. Die Flüssigkeit in der Lunge wird weniger, nachdem das Löschpulver sich mittlerweile zersetzt hat, jetzt muss ich hoffen, dass die leicht reizenden Rückstände vom Pulver keinen Schaden hinterlassen, während sie abgebaut werden. So eine Lunge kann man ja schlecht spülen. Ich hoffe, Julian und Du kommt miteinander klar.“ „Ja, er ist doch pflegeleicht.“ Julian konnte ahnen, dass ich ihm gerade dieses Wäscheetikett zuordnete und stützte gespielt entrüstet die Fäuste in die Seite.
„Ich darf Heilig Abend nach der Morgenvisite wohl hier raus, wenn es bis da hin keine Komplikationen gibt. Ich weiß, dass ich zu Dir jetzt nicht nett war und auch mit Julian noch Streit habe. Aber ich würde schon ganz gerne kommen. Darf ich?“ „Von mir aus ja. Aber bitte keinen Streit unter Brüdern. Eure Familiensachen gehen mich zwar nichts an, aber wenn Ihr sie auf meinem Grund und Boden austragt, tun sie es doch.“
„Seine Ansage war ja deutlich genug. Ich dachte, ich könnte ihn zu einem besseren Leben überreden, wenn ich schon nix vernünftiges gelernt habe.“ „Was machst Du denn unseren Job jetzt so schlecht?“ „Die ewige Unsicherheit, reich wird man davon auch nicht und mal irgendwann eine Familie gründen wird auch schwer. Jetzt stehen wir vor dem Nichts, da dachte ich, Julian wäre in einem geregelten Leben besser aufgehoben.“ „Ich stand schon drei mal in meinem Leben vor dem Nichts, weil ich aus einer Firma geschmissen wurde. Beim ersten bin ich Trucker geworden, nachdem ich in meinem ‚sicheren’ Beruf als gelernter Landmaschinenschlosser gearbeitet hatte. Das zweite war eine Firmenpleite und brachte mich nach Wales, eine Erfahrung, die ich für nichts auf der Welt zurückgeben möchte und wo ich – nachher ist man immer schlauer – die schönste Zeit in meinem Leben hatte. Und als drittes bin ich Selbstständig geworden, nachdem mich eine Entlassungswelle rausgespült hat. Ich würde um nichts der Welt den Truck gegen die Werkbank, an der ich gelernt habe, zurücktauschen wollen. Julian kann ich deshalb schon gut verstehen. Aber um darauf zurück zu kommen. Wenn Du willst, komm her, bist gerne eingeladen über Weihnachten.“
Danach machte ich mich mit Julian auf den Weg zu den LKW-Händlern der Region. Wir fingen an bei MAN. Die Preise waren ihm viel zu hoch, also fuhren wir weiter nach Recklinghausen zu Iveco. Ich hielt mich bei Mario im Hintergrund und telefonierte mit einem Interessenten für die Büroräume, bekam aber trotzdem mit, dass er auch nichts für Julian tun konnte.
Nachdem es bei Renault in Düsseldorf auch nicht besser aussah, brach Julian die Aktion traurig ab: „Wie soll man denn ein Unternehmen gründen, wenn einem keiner eine Chance gibt? Wie hast Du das denn geschafft?“ „Auf Kredit, aber mit der alten Halle und dem riesigen Grundstück mitten im Ruhrgebiet im Rücken. Sogar das war aber noch schwierig.“
„Oh Mann, ich liebe einfach die Renaults, muss dran liegen, was ich mit unserem R385 alles erlebt habe.“ „Kenne ich. Auch wenn ich in Wales ERF, also technisch MAN gefahren bin, liebe ich Ivecos. Einfach wegen meinen ersten Jahren und dem TurboStar. Was man da erlebt, vergisst man nicht.“
„Für so einen Magnum würde ich morden.“ „Mach mir keine Angst.“ Wir lachten. „Dich doch nicht. Und ein Premium wäre auch schon ein Traum. Ich hätte auch jeden anderen genommen, wenn ich nur weiter machen kann. Aber das Leasing müsste einfach 15 bis 20 Prozent günstiger sein. Dann muss ich wohl doch Bewerbungen schreiben. Lass uns auf den Weihnachtsmarkt gehen.“
„Tut mir leid, aber ich habe eine Menge zu erledigen. Darf ich Dich alleine lassen?“ Er war sichtlich enttäuscht. „Na gut. Wann bist Du wieder da?“ „Keine Ahnung, aber ich habe einen Zweitschlüssel einstecken. Nimm den und fahr mit dem Zug. Langendreer West mit der S-Bahn, den Ausgang an der Westseite und an der Treppe links, nächste Straße rechts, da am Ende wieder rechts in die Coloniastraße, und dann ist die Halle schon hinter der Linkskurve.“

Julian trottete die Straße runter zur Straßenbahnhaltestelle und ich stieg in mein Auto. Na da hatte ich mir mal wieder was vorgenommen. Den Rest des Tages und den Samstag düste ich von einer Stelle zur nächsten. Hat eigentlich mal jemand versucht, einen kurzfristigen Termin beim Rechtsanwalt zu bekommen?
Endlich, am Sonntag kam auch bei mir weihnachtliche Stimmung auf. Gemeinsam mit Julian schlenderte ich durch die Bochumer Innenstadt. Der Montag war auch ruhig und Julian fuhr noch mal alleine los. Auch ich musste wohl noch ein paar Geschenke für verschiedene Leute organisieren und machte mich auf den Weg.
Heilig Abend meldete sich am Nachmittag Marlon vom Flughafen in Düsseldorf. Julian sagte, er sollte den Zug nach Langendreer nehmen und beschrieb ihm den Weg vom Bahnhof. Nach über einer Stunde klingelte es. Kurz danach war er oben bei uns in der Wohnung. Zwar stritten sich die Brüder den ganzen Nachmittag nicht, aber ich merkte wohl, dass die Sache noch nicht ausgestanden war. Ich hatte mich entschieden, für den Abend very British Truthahnbraten mit Yorkshire Pudding und Gemüse zuzubereiten.
Irgendwann gegen Sechs Uhr, als der Bratenduft sich langsam in der Wohnung breit machte, ergriff Julian das Wort: „Ricky, ich bin Dir unglaublich dankbar, dass Du mich hier über die Tage aufgenommen hast und auch Marlon eingeladen hast. Während Du in den letzten Tagen so viel unterwegs warst, habe ich Dir daher ein kleines oder auch nicht so kleines Geschenk organisiert. Jetzt sieht Marlon wohl etwas blöd aus ohne Geschenk und auch Du bist vielleicht nicht vorbereitet, aber ich konnte nach den letzten Tagen nicht mit leeren Händen hier stehen. Ich hoffe, es gefällt Dir – oder besser er gefällt Dir.“
Er ging nach nebenan, ich tippte schnell „5 Minuten!“ in mein Handy und verschickte die Nachricht über Whatsapp. Julian holte aus dem leer stehenden Zimmer nebenan ein riesiges, viereckiges Geschenkpaket hervor. Ich packte es auf und mich glänzte ein 1:18 Modell eines Iveco TurboStar im klassischen Silber mit rot-gelb-blauer Werksbemalung an. „Werde ich zwar in der Einmann-Firma leider selten genug sehen, aber der bekommt seinen Ehrenplatz im Büro. Danke!“ Noch als ich mich bei Julian bedankte, klingelte es an der Tür.
„Marlon, mach mal auf. Ist vielleicht der Weihnachtsmann.“ Er guckte blöd aber ging in den Flur. Als ich ein „Hohoho!“ hörte, war mir klar, dass die zwei den Blödsinn mit dem Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht durchgezogen hatten, auch wenn ich es nicht ernst gemeint hatte, als ich es gesagt hatte. Egal wie rum sie es machten, es war auf jeden Fall ein Bild für die Götter, der Stimme nach gab es nun also einen kleinen und unterernährten Weihnachtsmann.
Der sichtlich verblüffte Marlon kam nun also gefolgt von einem ziemlich kümmerlichen Santa Claus-Vinni mit Wattebart und einem roten Bademantel, in dem er fast absoff, ins Zimmer zurück. Knecht Mahad-Ruprecht überragte seinen Gebieter um mehr als einen halben Kopf, steckte in einer schwarzen Jeans und einer olivgrünen Bundeswehrjacke mit Kapuze und schleppte einen Sack mit Geschenken und eine Rute. Ich hätte schreien können vor Lachen, blieb aber mit viel Anstrengung ernst.
Julian guckte, als ob er mich fragen sollte, was das Schauspiel zu bedeuten hatte. Vinni kramte umständlich ein Notizbuch raus. Dann sah er mich an: „Du bist Erik?“ Ich nickte. „Und Du warst auch immer artig?“ „Ich denke schon.“ „Ja, so steht es hier auch. Du warst immer fleißig, immer freundlich und hast kurz vor Weihnachten noch Kollegen in Not geholfen. Das ist löblich.“
Er blickte wieder in das Notizbuch, dann zu Julian. „Dann soll hier noch jemand namens Julian sein? Bist Du das?“ Der hatte sich wohl entschieden, das blöde Spielchen mitzumachen und nickte. „Und wie war Dein Betragen im letzten Jahr?“ „Ich hoffe doch gut.“ Vinni blätterte skeptisch in dem Buch: „Na ob ich das so glauben soll? Immerhin steht hier, Du bist ohne Führerschein Lastwagen gefahren. Stimmt das so?“
Julian wurde blass vor Überraschung, obwohl ihm klar sein musste, dass ich ihnen das gesteckt hatte und die zwei bestimmt keine bösen Absichten mit der Information hatten. Marlon war richtig erschrocken. Offenbar fing er mit 29 an, wieder an den Weihnachtsmann zu glauben, nachdem er vor gut 20 Jahren erfahren haben dürfte, dass es den gar nicht gab. „Auch wenn es mit guten Absichten war, sollst Du nichts Verbotenes machen. Aber ich denke, dass ich Knecht Ruprecht trotzdem nicht befehlen muss, die Rute auszupacken.“ Es wurde immer schwerer für mich, nicht laut loszulachen.
Vinni blickte wieder in sein Notizbuch und dann sah er Marlon an. Nun wurde es spannend, wie er reagierte. „Dann musst Du Marlon sein?“ Er nickte überraschend eingeschüchtert. „Und bist Du im letzten Jahr artig gewesen?“ Julian wusste zwar immer noch nicht, was hinter der Sache steckte, aber er sah dennoch zu seinem Bruder, wie er reagierte. Und offenbar verbreitete roter Bademantel eine ziemliche Autorität, denn obwohl auch Marlon klar sein musste, dass die zwei nun absolut irdischen – bei Vinnis leicht moselfränkischem Akzent als Andenken an sein Elternhaus genauer gesagt Trierer – Ursprungs waren, schielte er kurz zu seinem Bruder, der ihn gespannt anschaute und schüttelte kleinlaut den Kopf.
„Wieso? Was hast Du getan?“ „Ich habe in den letzten Tagen meinen zwar jüngeren, aber erwachsenen und ein gutes Stück größeren Bruder behandelt wie ein kleines Kind. Ich wollte ihm vorschreiben, was er machen soll und wir haben uns deshalb ziemlich gestritten.“ „Ja, es ist nicht immer leicht, wenn einem die Brüder über den Kopf wachsen.“
Ich prustete einmal kurz. Der Spruch war dann doch zu viel. „Ja, ich bin nun mal der kleinste aus der Familie Weihnachtsmann, was gibt es da zu lachen?“ Vinni versuchte, mich möglichst grimmig anzuschauen. „Und was machen wir jetzt mit Dir, Marlon?“ „Ich weiß auf jeden Fall, was ich mache. Kannst Du mir verzeihen, Julian?“ Dem standen die Tränen sofort in den Augen und die Brüder fielen sich um den Hals.
Als sie sich nach einem Moment wieder los ließen, machte Vinni die Show weiter: „Knecht Ruprecht, was haben wir denn an Geschenken?“ Der setzte den Sack ab und holte drei Geschenkpakete raus. Eins war knapp anderthalb Meter lang und schmal, die beiden anderen waren kürzer, breiter und eher rechteckig. „Da steht auf allen der Name Erik drauf.“ „Na dann müssen sie auch für den sein.“ Ich nahm die Pakete in Empfang, was drin war wusste ich sowieso, dachte ich zumindest. In dem langen war in der Tat der Lampenbügel. Aber als ich die kleinen auspackte, war ich überrascht. Denn statt der einfachen Bosch-Fernlichttöpfe, die ich ganz normal in ihrem Tuning-Shop gekauft und bezahlt hatte, waren es teure Hella-Einheiten mit Angle-Eye Standlicht. „Julian, Marlon, es tut mir leid. Aber Euer Geschenk konnte ich unmöglich hier rauf schaffen. Am besten werft Ihr mal einen Blick auf den Hof.“
Julian benahm sich nun doch nicht wie 21, sondern eher wie 11, als er in den Flur rannte und dann in das Zimmer auf der Gebäudevorderseite. „Was ist das?“ Man konnte in der Dunkelheit ein paar Lichtpunkte ausmachen, die aber schon eindeutig verrieten, was es sein musste. Julian wollte es wohl nur nicht glauben, was ich aber gut verstehen konnte.

„Du wirst wohl nach unten gehen müssen, um es herauszufinden.“ Er rannte wieder wie ein 11-Jähriger die Treppen runter und aus der Tür. Ich drückte unterwegs mal die Lichtschalter, damit er einerseits nicht die Treppe runter rasselte und dann auf dem Hof auch sah, was da auf ihn wartete. Der Jubelschrei war deutlich zu hören, jetzt fing auch Marlon an zu rennen. Als wir unten ankamen, saß Julian heulend auf der Seitenverkleidung und Marlon hielt ihn im Arm.
Marlon sah mich an: „Du bist entweder nicht der arme Kleinunternehmer, für den Du Dich ausgibst, ein echter Engel mit dem echten Weihnachtsmann oder einfach nur verrückt.“ „Keins von allem. Am Ende auch nur Geschäftsmann, aber mit Helfersyndrom. Der Haken an der Sache ist hier in diesem Umschlag, aber sollte kein wirkliches Problem sein.“ Julian schnappte sich den Briefumschlag und zog die Papiere raus. Es war ein Leasingvertrag, in dem meine Firma als Leasinggeber auftrat.
Sie lasen den Vertrag und ein paar Wortfetzen kamen durch: „Ganz schön teuer.“ „Quatsch. Steuer und Versicherung sind doch mit drin. Wenn Du das rechnest, ist es ein Schnäppchen.“ Dann fiel Julian mir um den Hals: „Danke, ich unterschreibe das auf jeden Fall.“ Marlon bedankte sich nicht ganz so kontaktfreudig, aber drückte mir doch sehr lange die Hand: „Vielen Dank. Das bedeutet uns sehr viel. Ich habe gemerkt, dass Julian in dem Job bleiben will und ich hoffe, ich darf bei ihm bleiben.“ „Was soll das denn? Klar bleibst Du!“
„Und was, außer dieser dämlichen Maskerade, habt Ihr damit zu tun?“ Marlon schaute zu Mahad und Vinni: „Überführung, Zulassung und Klebefolie. Der stand bis gestern um 8 Uhr früh noch ziemlich langweilig hellsilber in Düsseldorf beim Händler rum. Wir haben eine Straße weiter eine LKW-Werkstatt. Und die dämliche Maskerade ist jetzt auch zu Ende.“ Mahad stellte die Rute ins Treppenhaus und hing den leeren Jutesack drüber. Vinni zog sich den Bart ab und stopfte ihn in die Mülltonne im Treppenhaus, ein paar Fransen blieben auf dem Sprüh-Heftpflaster kleben und sahen witzig aus. Also verkrümelte er sich oben ins Bad, um den Kram endgültig abzuwaschen.
In der Küche war inzwischen das Essen fertig, also tischte ich auf. Dabei wollte Julian wissen, wie ich das hinbekommen hatte. „Was will denn Renault? Die wollen mit den Leasingraten ordentlich Geld verdienen. Ich habe den Truck gekauft und bar bezahlt.“ „Von welchem Geld? Ich denke Du hast auch nichts.“
„Geld gibt’s auf der Bank… Ich habe einen guten Draht zu meinem Berater und ein paar Sicherheiten: Grundstück mit Immobilie in guter Lage, die Trucks selbst, auch wenn sie dafür Vollkasko brauchen… Bar auf Kralle ist so ein Truck schon mal 15 bis 20 % günstiger als auf dem Schild in der Frontscheibe. Außerdem muss man kein Mathegenie sein, um mit Hilfe von Neupreis, marktüblichen Rabatten für Barzahlung, Gebrauchtwagenpreisliste und Zinstabelle einer beinahe beliebigen Bank auszurechnen, dass ich mit der Leasingrate nicht wirklich was verdiene. Ich berechne Euch da nur den Wertverlust zwischen Restwert und meinem Einkaufspreis, die Kosten für Steuer und Versicherung und die Bankzinsen. Ein kleines Taschengeld bleibt für mich hängen. Wenn Ihr nein gesagt hättet, würde ich jemanden für den Hobel einstellen.“
Nach dem Abendessen verabschiedeten sich Mahad und Vinni. Ich war ihnen dankbar, dass sie mir diese Aktion noch ermöglicht hatten und dafür ihren Besuch bei den Eltern auch um einen Tag verschoben hatten. Aber am nächsten Morgen wollten sie früh los nach Trier.
Am ersten Feiertag sahen wir uns den Truck mal im Tageslicht an und die beiden drehten eine kleine Runde durch den Stadtteil. Zum Glück zählten Solo fahrende Zugmaschinen nicht als LKW und waren daher nicht vom Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen betroffen.

Dann wurde ich überrascht. Marlon kommentierte es, als er auf den Hof schaute, trocken mit „Hilfe, die Sauerländer kommen.“ „Was?“ „Da fahren zwei Autos mit HSK-Kennzeichen auf den Hof.“ „Zwei?“ „Ja, ein Renault Scenic und ein VW Sharan.“ Kurz danach klingelte es und meine Schwester mit ihrem Mann und den zwei Kindern sowie unsere Eltern kamen die Treppe hoch. Nach dem Motto „Wenn der Prophet nicht zum Berg will, muss der Berg zum Propheten kommen“ war also meine ganze Familie jetzt hier aufgeschlagen. Gut, dass ich noch die Geschenke für alle organisiert hatte.
Am zweiten Feiertag entschlossen sich Marlon und Julian, noch bis ins neue Jahr zu bleiben. Auch sie genossen es, mal einige Tage ein festes und vor allem nicht fahrbares Dach überm Kopf zu haben. Nachdem sie ihren Streit überwunden hatten und gemeinsam weiter machen wollten, wurde Marlon auch sympathischer. Im Krankenhaus von Cordoba hatte er sich als wehrloses Opfer einer Verschwörung gesehen und erst hier, mit ein Bisschen Hilfe vom Weihnachtsmann, hatte er endgültig begriffen, dass er in Julian langsam nicht mehr das kleine Brüderchen sehen durfte, sondern in Firmensachen einen gleichberechtigten Partner.
Den Jahreswechsel feierten wir dann mit viel Spaß bei Mahad und Vinni. Da man gegen Tradition machtlos ist, gab es ein Fondue und somit den Volkssport „Fleischstücke von anderer Leute Gabel klauen“. Danach durfte „Dinner for One“ im Fernsehen nicht fehlen und um Mitternacht gingen wir raus und schossen ein paar Euro in den Himmel, um die bösen Geister aus dem neuen Jahr zu verscheuchen. Dann nutzten wir den Neujahrsmorgen noch mal zum Ausschlafen.
