Kapitel 10 – Theo wir fahrn nach Lodz

Ich verließ an einem typischen Regentag in diesem Winter, der der längste Herbst meines Lebens war, meine Garage in Bochum am Morgen. Schnee hatte ich nach den paar Tagen im Alpenraum nicht wieder gesehen.
Meine Ladestelle war Bayer Leverkusen, es war im Berufsverkehr einiges los auf den Straßen. Nicht ganz 2 Stunden nach meiner Abfahrt in Bochum war ich aus Leverkusen und auf dem Weg durch Köln in Richtung Autobahn nach Holland. Man konnte nicht von einer Rheinseite die andere sehen.

Erst weit in den Niederlanden änderte sich das Wetter und kurz vor der Rheinbrücke war es plötzlich sonnig. Dabei blieb es auch bis zum Hafen in Ijmuiden.

Die Nachtüberfahrt nach Newcastle war ruhig und am nächsten Morgen fuhr ich mit meinen zwei Druckbehältern ebenso bei schönem Wetter aus dem Tyneside Fährhafen auf die Straßen mit dem Linksverkehr. Das Ziel lag in Newcastle bei Strabag.
Die Inselhasser hätten sich so einen Trip gewünscht, wenn sie schon hier her mussten. Ich dagegen fand ihn grausam. Bei einer No-Name Logistikfirma schräg gegenüber kuppelte ich einen Curtainsider mit 20 Tonnen Mehl an und war auf dem Rückweg nach Köln.

Ich wollte nicht in die Richtung, als ich bei strahlender Sonne Newcastle verließ, aber es half nichts. Anschlussfrachten waren keine wirtschaftlich sinnvollen zu bekommen außer dieser. Und sogar hier fraß die Fähre fast den halben Erlös auf.
Im Abendrot verließ die gleiche Fähre, mit der ich heute Morgen gekommen war, den Hafen. Die alten Schwedenfähren Nils Holgersson IV und Peter Pan III der TT-Line, die jetzt für DFDS Seaways als King Seaways und Princess Seaways zwischen Ijmuiden und Newcastle fuhren, waren ein Lottospiel.
Leider hatte ich verloren und die King Seaways erwischt. Ihre Modernisierung war schon 20 Jahre her und das merkte man. Die Princess, ex „Peter Pan“ war lange in Australien gelaufen und erst bei der Rückkehr nach Europa modernisiert worden, das war 10 Jahre her und deshalb war sie viel besser ausgestattet und die Einrichtung besser in Schuss. Aber ich musste nun auch die Rückfahrt mit der schon wieder recht heruntergewirtschafteten und spärlich ausgestatteten King Seaways fahren. Das Feuer vor zweieinhalb Wochen hatte sie nur ein paar Tage aus dem Dienst geworfen.

In Ijmuiden erwartete mich dann mal wieder Regen. Daran änderte sich auch bis Köln nichts, wo ich meine Ladung bei Hellmann abstellte und stattdessen wieder zwei Druckkessel aufsattelte. Sie sollten nach Sparta, hoffentlich war das Wetter in Griechenland besser.

Das Navi hatte mich auf die Eifelroute und durch den Elsass geschickt. An der Grenze nach Frankreich machte ich Feierabend und zum Glück war das Wetter auch am nächsten Morgen gut.


Bis zur Mittagspause fuhr ich der Sonne entgegen bis zum Gotthard. Die Berge zeigten sehr deutlich, warum der Tunnel ein Segen für uns Trucker war. Da drüber fahren? Dann doch lieber unten durch. Drüber war ich auch schon mal, aber mit zwei Rädern und die Rückfahrt mit dem Zug, aber das unrühmliche Ende meiner altehrwürdigen Yamaha XT600Z 1VJ war eine andere Geschichte. Kenner der Yamaha-Enduros und ihrer Technik werden sowieso schon anhand der Modellbezeichnung wissen, was passiert ist.

Es dauerte nach der Raststätte Gotthard, die sich weit unten im Tal hinter Altdorf befand, immer noch eine Ewigkeit, bis man die Nordrampe zum Tunnel hochgefahren war.

Da Italien das günstigste Land auf meiner Route war und der Tank leer, füllte ich direkt hinter der Grenze auf. Um Mailand holte mich dann das schlechte Wetter auch wieder ein. Erst regnete es, dann wurde es durch die hohe Luftfeuchtigkeit auch noch dunstig und die Sicht ging runter.
Bei Piacenza steuerte ich für die Nacht einen Rastplatz an und weil das Wetter sowieso keinen Spaß machte, legte ich mich mit Ohrstöpseln gegen das Regengeräusch auf dem Kabinendach und die vorbeirasenden Züge der Schnellfahrstrecke schon gegen 21 Uhr in die Koje.
Am nächsten Morgen war es sonnig. Gut ausgeschlafen und nach einem stressfreien Frühstück startete ich den Truck. Die Fähre in Ancona zu kriegen war kein Problem, mir blieb noch ein Bisschen Zeit auf dem Warteplatz, bevor an Bord gefahren werden durfte.

In Griechenland sollte es nach Patras wieder auf die steile Straße in die großen Berge gehen.
Bis zu einer regulären Pausenmöglichkeit kam ich nicht mehr. Direkt hinter der Passhöhe war die Baustelle für eine neue Autobahn, die diesen Pass irgendwann ablösen sollte. Ich quetschte meinen Truck einfach in eine bereits gebaute Auffahrt zur Autobahn und bummelte dort meine 45 Minuten ab.

Die Fahrt ging weiter, an meinem vorherigen Griechenlandziel Tripoli vorbei und immer weiter das Gebirge hinauf. Immer höher führte die Straße ins Gebirge und irgendwann müsste es doch mal wieder bergab gehen, denn Sparta lag nicht im Gebirge.
Nach einer schmalen Schlucht öffnete sich die Landschaft und gab den Blick frei auf eine Passabfahrt, an deren unterem Ende Sparta lag.

Eine halbe Stunde vor Lenkzeitende steuerte ich meinen Lastzug auf die Parkposition beim Empfänger.

Im dichten Berufsverkehr brauchte ich danach für die kurze Strecke zum Hotel 12 Minuten. Ich checkte ein und verbrachte ein sonniges und leicht verschobenes Wochenende mit meiner Ruhezeit. So hatte ich zum Beispiel die Gelegenheit, das antike Sparta zu besichtigen, auch wenn es keine allzu beeindruckende Ruinenanlage war.

Am Dienstagmorgen war meine Wochenruhe um und ich startete meinen Truck bei sonnigem Wetter. Meine Ladestelle war eine freie Spedition, die sich ganz hinten in einem Gewerbegebiet versteckte. Mein Navi lotste mich über mit Trailern zugestellte Straßen und an finsteren Hallen in der Krise gescheiterter Fabriken vorbei, bis ich endlich ein paar ordentlich an Laderampen geparkte Trailer sah.


Mein Trailer war ein klassischer roter Ladebordauflieger mit Spriegel und gelber Plane. Darauf befanden sich 8 Tonnen Elektronikbauteile für Airbus in Toulouse.


Im dicken Verkehr rollte ich durch Sparta in Richtung Bergstraße. Das Wetter tat mir über den ganzen Tag während meiner Fahrt durch die Berge den Gefallen, trocken und sonnig zu bleiben. Hier in Griechenland konnte man sogar die Heizung auslassen und statt im Fleecepulli saß ich im Baumwollhemd am Steuer.

Erst kurz vor Patras setzt doch noch Regen ein. Am Nachmittag kam ich gut durch die Stadt und war um 20 vor 4 an der Fähre. Ich fuhr nach der Anmeldung aufs Schiff und ging auf meine Kabine. Es war wieder das moderne Schiff, also hatte ich reichlich Freizeitangebote, auch unter Deck, denn die ganze Überfahrt war verregnet.

Auf italienischer Seite am nächsten Tag ging es ebenso nass weiter. Mit einer kurzen Kaffeepause bei Mailand und wieder ohne Regen ab der Grenze nach Frankreich ging mir aber dann auch noch lange vor Ende der Lenkzeit das letzte Bisschen Abendrot aus.
Als ich den Rastplatz hinter Nizza endlich erreicht hatte, war es schon stockdunkel. Ich holte mir ein Abendessen im Restaurant und ging dann schlafen.


Erst um 8:30 Uhr durfte ich weiter fahren. Und natürlich war es wieder am Regnen, als ich zum Frühstück ging, oder was auch immer man in Frankreich für eine Zahnfüllung so bezeichnete. Das Croissant bestand sogar für Blätterteig aus ungewöhnlich viel Luft, die Konfitüre war knapp bemessen und der Kaffee miserabel. Das Frühstück war definitiv nicht des Franzosen beste Mahlzeit, generell hielt ich die französische Küche für überschätzt.
Nach einiger Zeit kam ich auf die A9 und an Montpellier vorbei. Kurz nach meiner Mittagspause erreichte ich immer noch im Regen Toulouse und quälte mich durch die Stadt an mein Ziel. Nachdem ich den Trailer abgekoppelt hatte, war ich pitschnass.

Eigentlich wollte ich nun mit dem Rest meiner Wochenlenkzeit nach Hause, weil bis Ende Januar der Jahresabschluss fertig werden musste. Nach einer kurzen Fahrt hatte ich bei Strabag aber als einzig sinnvolle Fracht einen Raupenbagger auf Tieflader auf der Platte und das nächste Ziel hieß Lodz. Also rief ich den Steuerberater an und verschob meinen Termin von Montag auf Mittwoch.

Die Bauarbeiten bei Albi waren endlich vorbei und so probierte ich die direkte Strecke über die N88 aus. Als ich das letzte Mal in Toulouse war, musste man dort noch mit so langen Staus rechnen, dass die Fahrt über Montpellier schneller war. Auch das Wetter spielte inzwischen mit, so konnte ich die Landschaft bewundern.

Allerdings meinte ich in der mir eigentlich unbekannten Landessprache Wortfetzen aufgeschnappt zu haben, dass wohl im Alpenraum Schnee fallen sollte.

Nach der Autobahn hinter Albi wurde die Strecke etwas nervig. Kaum hatte man von der Mautstelle auf der Schnellstraße beschleunigt kam ein Kreisverkehr, der auch noch ausgesprochen eng war. Und danach hatte man gerade das in Frankreich auf Nationalstraßen recht großzügige Landstraßentempo erreicht, schon musste man wieder für eine Ortsdurchfahrt bremsen.
In einem kleinen Dorf an der Landstraße hielt ich für die Nacht. Der Tank war leer und der Diesel bei Jet für französische Verhältnisse recht günstig. Also tankte ich voll und parkte dann den Lastzug für die Nacht.

Noch immer herrschte die Schlussphase vom morgendlichen Berufsverkehr, als ich in Lyon ankam. Und so hing ich mal wieder Ewigkeiten im Verkehr fest. Das Thermometer fiel immer näher an den Gefrierpunkt. Und in der Nähe der Grenze zur Schweiz ging der Regen dann in Schnee über. Trotz der Witterungsverhältnisse kam ich aber noch relativ gut voran und hinter Genf hörte der Schneefall auf. Nun hatte ich mein Winterwunderland.

Ich legte also eine weitere Rast ein und beschloss, eine verlängerte Lenkzeit zu nehmen, um den Zeitverlust durch den Schnee auszugleichen. So kam ich noch bis an die deutsche Grenze.

Die Ruhezeit endete schon mitten in der Nacht, denn mir wurde es mal wieder knapp mit der Ablieferung. Außerdem musste ich heute durch Deutschland, um dem Sonntagsfahrverbot zu entkommen. Zu allem Überfluss hatte wieder Schneefall eingesetzt, als ich um kurz nach 4 den Motor startete und damit vermutlich einige Kollegen ärgerte.

Die Fahrt war ein Gewaltmarsch und nur weil ich auf die A4 und an Dresden vorbei gefahren war, schaffte ich es auch wieder rechtzeitig aus Deutschland raus. Auf dem eigentlichen Weg über Berlin wäre ich auf einem Rastplatz gestrandet und der Liefertermin wäre geplatzt.


So fuhr ich aber am Sonntagmorgen nach einer weiteren Nachtruhe schließlich durch Wroclaw und hinter der Stadt bei interessantem Morgenlicht der Sonne entgegen auf mein Ziel zu. In Polen gab es nur ein Fahrverbot an Feiertagen und Sonntagen während der Sommerferien, sonst aber nicht an normalen Sonntagen.

Um Halb 10 morgens lieferte ich die Raupe in Lodz ab und gönnte mir für die etwas längere Pause ein Hotel, gerade noch rechtzeitig bevor meine Wochenlenkzeit um war.
Wenigstens hatte ich für morgen eine Fracht nach Hause bekommen. Ich verkürzte die fällige Wochenruhe auf 24 Stunden, den zweiten Tag würde ich schon nachholen und mit den erforderlichen zwei weiteren über meiner Jahresbilanz verbringen.

Natürlich hatte wieder Schneefall eingesetzt und so holte ich mir erst einmal weiße Haare, als ich ankuppelte und den Zug von der Laderampe vorzog, um die Rückleuchten des Trailers zu prüfen.

Mit einem Schnitt von gerade mal 47 km/h ging es über die polnische A2 in Richtung Deutschland. Um die Mittagszeit besserte sich das Wetter und so kam ich dann auch ab Poznan etwas schneller voran. Bis zum Abend war ich im Raum Berlin.

Allerdings erwartete mich nach der Schlafpause wieder Neuschnee, der aber bis Hannover in Schneeregen und schließlich komplett in Regen umschlug, dabei wurde es auch wieder wärmer.
Bei Bielefeld hörte auch der Regen auf und in der Abendsonne lieferte ich die Textilien bei Edeka in Dortmund ab. Der Parkplatz war am Dienstagabend recht leer und so hatte ich keine Probleme an die Rampe zu kommen und den Trailer dort stehen zu lassen.

Kurz vor Sonnenuntergang tauchte vor mir das Kraftwerk in Bochum auf, diese markante Silhouette verband ich inzwischen mit „gleich bist Du zu Hause“.

Am Mittwoch und Donnerstag durfte ich mich dann dem unglaublich spannenden Thema „Jahresabschluss“ widmen, auch wenn mit meinem Steuerberater, tatkräftige Unterstützung vor Ort war.
Als wir unter Einsatz von viel Arbeitskraft, Kaffee für ihn und Tee für mich fast fertig waren, fiel ihm der noch recht dünne Ordner mit der Aufschrift „Renault Premium – BO XF 47“ in die Hände. „Leasinggeber bist Du auch noch? Kaum denkt man, man hat es geschafft, machst Du es wieder kompliziert?“ Aber auch damit wurden wir noch fertig.
Der Freitag war auf jeden Fall noch Ruhetag, damit ich das nachzuholende Drei-Tage-Wochenende weg hatte und so durfte ich mich nun entscheiden, ob ich am Samstag noch schnell das Land vor dem Fahrverbot verlassen oder bis Montag warten wollte. Vielleicht bekam ich auch einen Lebensmitteltransport und durfte sonntags fahren.

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