Die Entscheidung wurde mir von anderen Leuten abgenommen. Als erstes rief mich mal wieder ein Interessent für das immer noch nicht vermietete Erdgeschoss an, mit dem ich für Samstagvormittag einen Termin ausmachte.
Hoffentlich kam ich mit dem endlich mal zu einer Einigung. Die anderen hatten alle entweder mir nicht gefallen, etwas an den Räumlichkeiten, vor allem dem Zuschnitt, auszusetzen oder abgesagt, weil sie etwas noch besseres gefunden hatten.
Pünktlich um halb 10 fuhr dann ein Skoda Octavia auf den Hof, kurz danach klingelte es. Ich öffnete die Tür und lief die Treppen runter, wo mich ein für einen Geschäftsführer recht ungewöhnliches Wesen erwartete, nämlich ein Mittzwanziger mit Kinnbart, einem relativ großen Ohrring, in Jeans und einem weißen Pullover mit schwarzem Tribal-Muster. Wobei ich kleidungsmäßig jetzt auch nicht viel anders aussah und zwar kein Geschäftsführer war, aber als Einzelunternehmer rechtlich nicht so viel was anderes darstellte.
Ich stellte mich vor: „Hallo. Ich bin Ricky, der Vermieter.“ „Benjamin, aber sag ruhig Benny.“ Während wir durch die Büros im Erdgeschoss gingen, erzählte er kurz von seiner Firma: „Wir sind ein Softwareunternehmen mit vier Programmierern und zwei Hardwarespezialisten im Innendienst, verstärkt durch zwei Kaufleute. Dazu kommen dann noch scheinbar viel wirkende 15 Mitarbeiter im Außendienst. Die sind aber Verkäufer, Hardware- und Softwaretechniker in einem, daher können sie nur relativ kleine Gebiete betreuen. Wir machen übrigens ein Rundum-Sorglos-Paket für die Logistikbranche als Hauptprodukt. Fahrzeug- und Fahrerdisposition, Umschlaglagerverwaltung, Fuhrparkverwaltung, Buchhaltung und CRM komplett integriert.“
Aha, von da wehte der Wind, den ich gleich aus den Segeln nehmen konnte: „Die Synergieeffekte sind aber zu vernachlässigen. Mein Fuhrpark besteht aus einer Zugmaschine und die IT aus einem altersschwachen PC mit Office und einem Billig-Tablet für unterwegs, was bei der Fahrzeugflotte aber ausreicht.“ „Okay, das glaube ich dann mal, auch wenn wir schon Kleinunternehmen mit 2 Trucks ausgerüstet haben. Sobald die Dispo nicht mehr vom Fahrer unterwegs gemacht wird, vereinfacht es die Abläufe. Ab ich sage mal spätestens 4 oder 5 Trucks rechnet es sich dann, kommt auch drauf an, was man wie weit transportiert. Aber die Räume gefallen mir und die Lage auch. Schnelle Anbindung an alle wichtigen Autobahnen. Bezugsfertig wäre ab wann?“
„Von mir aus sofort zum 1. Februar.“ „Etwas zu schnell, würde der 15. auch gehen?“ „Klar.“ Benny unterschrieb, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich keine Ahnung hatte, wann ich wieder da sein würde, den sowieso vorbereitet herumliegenden Vertrag. Seine Firma hatte ich schon vor dem Besuch übers Internet geprüft, sein Bonitätsranking hätte ich auch gerne… „Unser bisheriger Vermieter hat Eigenbedarf angemeldet, deshalb müssen wir da bis Ende Februar raus.“
„Okay, melde Dich einige Tage vorher noch mal per Handy bei mir. Dann disponiere ich mich für die Schlüsselübergabe schnell nach Hause. Wenn ich sehe, dass ich um den 15. auf keinen Fall da bin, dann melde ich mich auch vorher. Habe leider noch keinen echten Hausmeister, über den wir das laufen lassen könnten. Nur eine Reinigungsfirma für das Außengelände, aber die kann man für so was nicht in Anspruch nehmen. Zur Not gebe ich den Schlüssel bei meinem Anwalt ab oder bei zwei guten Freunden, die um die Ecke eine LKW-Werkstatt betreiben.“
Und spätestens als dann noch eine Textnachricht auf meinem Handy eintrudelte, war auch klar, dass ich auch den Sonntag nicht vor einem Lebensmitteltransport verbringen würde. Sie war von Marco: „Habe zwei Karten Haie gegen DEG. Willst Du mit oder soll ich einen Schulfreund fragen?“
Auf diese Frage konnte es nur eine Antwort geben und so war ich am Sonntag auf dem Weg zur Arena nach Köln.
Das heiße Derby war noch keine 10 Minuten alt, als ein Torkeltor die Feinde aus dem „großen Dorf im Norden“ in Führung brachte. Zur ersten Pausensirene leuchtete es unheilvoll 0:2 vom Videowürfel. Marco und ich holten uns eine Frustwaffel an einem Verkaufsstand in der Eingangshalle.
Endlich, im zweiten Drittel fiel der Anschlusstreffer. Jubeln, Abklatschen mit den Umstehenden, der Hallensprecher und das Publikum wechseln sich ab, die Akteure zu benennen: „In der 26. Minute TOOOOOOOR für die Kölner…“ „HAIE!!!!!!“ „Die Assistenten mit der Nummer 71 Andreas…“ „FALK!!!!“ „Und mit der Nummer 21 John…“ „TRIPP!!!!!“ „Unitymedia präsentiert den Torschützen, mit der Nummer 87 Philipp…“
Der Nachname blieb dem Publikum im Hals stecken. Gerade einmal 10 Sekunden nachdem der Puck wieder auf dem Eis war, hieß es „In der 26. Spielminute Tor für die Gäste aus Düsseldorf. Der neue Spielstand 1:3.“ „Lasst uns doch wenigstens mal Zeit zum Jubeln!“ Marco schrie raus, was alle dachten.
Der Frustwaffel folgte eine Frustcurrywurst in der nächsten Pause und deprimiert schlichen wir zum letzten Drittel. Aber der Puck ist flach und das Spiel dauert 60 Minuten – netto versteht sich. Nach Anschluss und Ausgleich früh im Drittel und einem Treffer, bei dem sich nie würde final klären lassen, ob er dem richtigen Torschützen zugeschrieben worden war, 7 Minuten vor Schluss hieß es Nägelkauen, während unten verzweifelt angreifende Düsseldorfer gegen ebenso verzweifelt verteidigende Kölner anliefen. Endlich die erlösende Fanfare (gab es genau dieses Ding eigentlich auch für LKW?) und zum „Trömmelche“ drehte die Mannschaft nach einer kleinen Rangelei mit den frustrierten Dorfbewohnern ihre verdiente Ehrenrunde.
Ich brachte Marco nach Hause und wir diskutierten noch auf der Fahrt das Spiel, bevor ich die am Sonntagabend zum Glück leeren Straßen nach Bochum zurückpreschte.
Am Montag fuhr ich dann wieder bei feuchtem Wetter mit meinem Truck los und holte bei Eni in Essen 19 Tonnen Aluminiumalkyl für Sirte ab. Erst bei Frankfurt hörte der Regen auf.
Mit der üblichen Mittagsrast in Gräfenhausen fuhr ich zum genauso üblichen Nachtruheplatz an der Grenze zur Schweiz.
Die Fähre legte erst am Dienstag um 18 Uhr in Genua ab, also gab es keinen Grund zur Eile. Reichlich ausgeruht brach ich um 7 Uhr auf zur Alpenüberquerung, das Morgenrot ließ zumindest bis zum Gotthard schönes Wetter erwarten. Aber das Schweizer Radio kündigte auch für die Südseite Sonne an.
Auch der Rastplatz Lario ovest zwischen Como und Mailand war inzwischen zu einem Standardhalt für die Mittagspause geworden.

Gegen 2 Uhr mittags rollte ich schließlich durch Genua in Richtung Hafen. Direkt hinter der Einfahrt fing mich ein dicker Mann in Warnweste ab. Er sah irgendwie aus wie eine laufende Apfelsine. „What ship take and where go then?“ Sein Englisch war grausam, also bot ich ihm erst mal mein inzwischen brauchbares Italienisch an und beantwortete dann die Frage: „A Sirte via Tripoli.“ Damit hatte ich mich dann für die große Ausfuhrkontrolle qualifiziert, besonders mit Gefahrgut, aber das war mir auch vorher schon klar.
Zwischen drei Scanias und hinter drei Volvos reihte ich mich auf den Parkplätzen ein. Schräg vor mir stand noch ein weiterer Rebell gegen die Eroberung durch die Schweden, nämlich ein weißer Actros mit einem Curtainsider und Innsbrucker Kennzeichen. Bei einsetzendem Regen durfte ich schließlich auf das Schiff, nachdem sie meine Papiere wohl 40 Minuten lang Buchstabe für Buchstabe geprüft hatten. Der Actros-Fahrer meinte dazu nur: „Sei froh, dass man an einem Tanktainer nicht viel prüfen kann und bei ADR Klasse 4.2 auch keiner riskieren will, dass der Bottich beim Probe ziehen mit ihm in die Luft fliegt. Mich haben sie fast 2 Stunden gefilzt, wegen Türklinken und Wandhaken!“
Das Schiff war ein Klapperkasten und gehörte einer libyschen Reederei, die vermutlich erst wieder Fuß fassen musste, nachdem das jahrelange Embargo gegen Gaddafi und der anschließende Bürgerkrieg jeden direkten Fährverkehr nach Libyen effektiv verhindert hatten. Die Kabine war eng, das Bett durchgelegen.
Aber immerhin war die Crew um ihre Passagiere, die sich eigentlich ausschließlich aus Fernfahrern und Libyern auf der Reise von oder zu Verwandten zusammensetzten, sehr bemüht. Die einzigen Flecken an Bord waren die Rostflecken, aber ansonsten war alles sauber und das Essen gut. Das Schiff legte am späten Mittwochabend, nach einer ruhigen, aber wegen der fehlenden Ausstattung auch langweiligen Überfahrt an und nun war erst einmal wieder Zoll angesagt.
Endlich, um 3 Uhr nachts, wurde mir die Fahrt freigegeben. Ich dachte an Pascals Warnung auf meinem ersten Afrika-Trip zurück, aber wenigstens war die Strecke nach Sirte eine Autobahn. Zwar war sie das laut Karte und Schildern, aber am Ende entpuppte sie sich als je Richtung zweispurige Straße mit einem Grasstreifen dazwischen. Keine Spur von einer Leitplanke oder Trennmauer. Mit einem unguten Gefühl fuhr ich weiter und vermied so weit wie möglich Überholmanöver, um so weit wie möglich vom Gegenverkehr entfernt zu sein, auch wenn einem der eine oder andere Kollege mit einem überforderten Truck um die 300 bis 350 PS keine andere Wahl ließ.

Etwas über 100 Kilometer zum Ziel blieben dann doch noch, als mich ein dringendes Bedürfnis auf einen Rastplatz drängte. Nachdem ich Flüssigkeit weggebracht hatte, konnte man ja welche nachgießen, also holte ich mir im Restaurantbereich noch eben einen Kaffee, der sich als geeignet erwies, Tote aufzuwecken. Das war auch so ziemlich der einzige Grund, warum ich so ein Gebräu überhaupt freiwillig trank.
Die weitere Strecke ging entlang der Küste, aber die Wüste zeigte sich gleich auf der anderen Seite mit Sand und trockenem Gesträuch.

Schließlich erreichte ich Sirte. Oberflächlich schien die Stadt auch wieder hergerichtet, aber an allen Ecken sah man noch, dass hier der Bürgerkrieg am längsten und stärksten getobt hatte. Zwischen frisch gestrichenen Fassaden blitzte dann doch das eine oder andere Haus mit Brandschäden hervor, auf etlichen Gewerbegrundstücken lag Bauschutt und wartete auf seine Entsorgung. Ich fand die Linde-Niederlassung schnell und schob den Trailer auf den zugewiesenen Stellplatz.

Da ich keine Lust hatte, meine Wochenruhe in Sirte zu verbringen, auch wenn es hier besser aussah, als ich dachte, hatte ich mich noch mal in den Frachtbörsen umgesehen. Leider gab es keine Frachten in Afrika, die ich noch bis zum eigentlichen Zeitpunkt für die Wochenpause geschafft hätte. Nach Europa ging es auch nicht, weil ich dann noch einen Tag im Hafen gestanden hätte und keine der Frachten das vom Liefertermin zugelassen hätte. Eigentlich wollte ich für die Wochenruhe wieder in Europa oder wenigstens in Tunesien oder Algerien sein.
Also machte ich gute Mine zum bösen Spiel und hatte mir einen Kühlkoffer nach Misrata gesichert. Die Stadt versuchte sich als erste in Libyen im Tourismus zu etablieren und so fand man da wenigstens ein Bisschen Programm für die zwei Tage.Die DHL-Niederlassung war eine Straße weiter. Der Stadtverkehr war kurz vor 9 noch dicht, ich kam nur in die Straße, weil mich ein freundlicher Kollege mit seinem MAN TGX durchließ. Auch bei DHL fiel mir der dichte Verkehr auf, dazu die vielen alten LKW aus der UdSSR, die hier noch unterwegs waren.

Auf dem Rückweg nach Misrata sah ich dann erst, wie gefährlich diese Küstenautobahn in diesem Abschnitt eigentlich war. Nicht nur der Mittelstreifen war ungesichert, auch rechts ging es ohne Leitplanke die Steilküste runter geradewegs ins Mittelmeer. Aber auf der anderen Seite fuhren die Leute zwar teilweise schnell, aber dennoch diszipliniert. In Deutschland mit den von hinten mit 250 herandonnernden Luxusautos fühlte ich mich teilweise unsicherer als hier.

Die zwei freien Tage in Misrata nutzte ich die ersten touristischen Einrichtungen wie das Badehaus oder eine Fahrt mit dem Ausflugssschiff.
Der Service im Hotel war sehr gut und die Sicherheitslage in der Stadt, wie wohl auch im übrigen Land, für europäische Besucher besser als ihr Ruf und nicht viel schlechter, als in Tunesien oder Algerien auch.
Lediglich in Bengasi und Tripolis gab es als generell unsicher zu bezeichnende Gebiete, die man meiden musste. So zumindest war die Auskunft, die ich im Hotel bekam.
Nach meiner Wochenruhe machte ich mich am Samstag auf den Weg zu ND und deren nagelneuer Niederlassung. Für den Bauboom hatte JCB Baumaschinen nach Libyen verleast und die nicht mehr benötigten sollten nun zurück.
Also sattelte ich den Tieflader auf und machte mich auf den langen Weg nach Swansea, wo die Geräte überholt gesetzt werden sollten.

Weil meine Ruhe zufällig mit dem hiesigen Wochenende der islamischen Woche zusammengefallen war, hatte ich nicht als einziger vor, in Richtung Tripolis zu fahren.
Die Preise hier musste man natürlich ausnutzen, also tankte ich einmal voll. Nach um die 1000 Litern Diesel musste ich gerade einmal 106 Euro bezahlen.
Während sie in den Tank liefen, bekam ich eine Nachricht: „Unsere Afrika-Feuertaufe ist gleich vorbei. Sind nach über einer Woche gleich in Algier auf der Fähre nach Barcelona. Der Premium ist super, nachdem wir die Hängematte zu einem echten Bett modifiziert haben. Nur eine Standklima müssen wir noch nachrüsten, bevor es Sommer wird. Weil er weiß ist, kann man es aber zumindest im Winter besser aushalten als in dem roten R385. LG Julian“
Die Straße verlief auch hinter Tripolis an der Küste entlang und ich war mir sicher, dass höhere Wellen auch die Straße erreichen konnten. Meine Zeitplanung war mal wieder knapp, aber es schien keine Aufträge mehr zu geben, die man alleine in der Zeit bewältigen konnte.
Wobei die Zeit an sich ausreichte, nur musste ich dazu auf jeden Fall die Fähre nach Frankreich bekommen, und das war der schwache Punkt in der Zeitplanung. Entsprechend hatte ich Angst vor der Grenze. Aber JCB hatte die Papiere dermaßen perfekt vorbereitet, so dass ich nach nicht einmal 1 ¼ Stunde Abfertigung in Tunesien war. Kollegen in den einschlägigen Foren hatten schon von Tagen berichtet.

Trotzdem war mir auch dort nicht so ganz wohl, denn ich fuhr auf einer normalen Landstraße und die Nacht rückte näher. Pascal hatte mich damals gewarnt, Julian und Marlon hatten ihren alten Truck zur Festung ausgebaut und wollten das auch mit dem Premium. So ungefährlich konnte es also nicht sein und ich hatte nichts angebaut, was mich oder meinen Truck vor den Gefahren der Nachtfahrt schützen konnte.
Aber es war noch nicht komplett dunkel, als ich wieder auf eine autobahnartige Strecke kam und mich wenigstens ein Bisschen sicherer fühlen konnte. Trotzdem machte ich recht bald Pause.
Nach einer kurzen Nacht war ich schon früh und noch in der Dunkelheit wieder unterwegs. Es gab hier kein Tempolimit für LKW, also fuhr ich Vollgas und nahm bergab mit, was ich kriegen konnte. Mein Rekord war, dass ich bei mehr Helligkeit draußen mit 132 km/h durch eine Senke flog. Mehr gab der Antriebsstrang nicht her, der Motor bremste auch im Schiebebetrieb und ohne aktivierte Motorbremse irgendwann Aus dem Alter, in Neutral zu gehen, war ich schon lange raus.
Endlich erreichte ich Tunis. Am besten wäre es, wenn ich nun durch fahren könnte. Aber leider hatte eine Ampel was dagegen und sprang ein Fahrzeug vor mir auf Rot. Zwar konnte ich keine verdächtigen Bewegungen im Spiegel sehen, aber das musste nichts heißen. Mit knapp einer Stunde Reserve kam ich zum Hafen. Es sah merkwürdig aus, man konnte meinen, dass das Schiff in der Wüste lag.

Im Hafen musste ich auf die Kontrollbrücke fahren und der Truck wurde genauestens abgesucht auf illegale Einwanderer, die sich vielleicht während meiner Ampelstopps in einem der Bagger eingeschlichen haben konnten.

Endlich konnte ich dann doch auf das Schiff fahren. Es war auf jeden Fall deutlich besser in Schuss als das libysche auf dem Hinweg. Mit Schwimmbad und Wellnessbereich gab es auch die Möglichkeit, seine Zeit irgendwo zu verbringen, wo man nicht allzu viel reden musste. Denn Bordsprache war alleine Frongßösísch und da ich mich damals an der Schule für Italienisch entschieden hatte, musste ich hier nun passen. Das Kino war französisch und es gab ein Varieté, aber auch da stand ich vor der Sprachbarriere.
Am nächsten Morgen spuckte das Schiff mich in Nizza auf europäischen Boden. Nun hieß es nach dem Zoll, den Gewaltmarsch durch Frankreich anzutreten. Das schöne Wetter währte nicht lange und meine Mittagspause vor Lyon verbrachte ich schon wieder im Regen. Kurz nach 1 Uhr mittags war es nicht ganz so schlimm, aber die Stadt ohne Ringautobahn hielt meine Reise doch wieder einmal unnötig auf.
Südlich von Dijon wechselte ich auf die Autobahn Richtung Paris und beschloss, heute die Lenkzeit zu verlängern und so noch ein Stück weiter zu kommen. Immerhin hörte der Regen auf.
Das änderte sich aber über Nacht und so fuhr ich am Dienstagvormittag wieder durch Regen und aufgewirbeltes Wasser bei miserabler Sicht in Richtung Calais. Auch das wieder mal vom bloßen Anschauen zu Staub zerfallende Croissant mit einem Hauch Konfitüre und „Café de Métro“ (also unterirdisch schlechter) hatte nicht zu besserer Laune beigetragen.
Bis ich fuhr, durfte ich allerdings erstmal den löchrigen Trailer wieder aufblasen. Das Ding war jeden Morgen komplett leer, auch wenn ich in Libyen rein optisch noch schlimmer heruntergerittene gesehen hatte. Also machte ich mir einige Feinde in den um mich herum geparkten Trucks, während ich den Motor mit leicht erhöhtem Standgas arbeiten ließ, bis die Bremse endlich löste.
Der Tunnel war mit einem Tieflader und dem Radlader drauf nicht möglich, also musste ich zum Hafen und auf die Fähre. Natürlich kam mir dabei eine Ampel in die Quere, so dass ich auch hier wieder die Frage, ob ich in der Stadt angehalten hatte, mit ja beantworten musste und deshalb eine genaue Durchsuchung bekam.
Auf der britischen Seite war es dann sonnig. Irgendwie schien mich diese Insel genauso sehr zu mögen, wie ich sie mochte.

Es reichte, sogar noch knapp vor dem Berufsverkehr um London herum und auf die M4. Allerdings hatte mich am nächsten Morgen dann doch das schlechte Wetter eingeholt. Bei dem Wetter schmeckte dafür das Full Traditional Breakfast gleich noch mal so gut. Bei dichtem Berufsverkehr quälte ich mich nach Swansea rein und duschte in einem dann doch mal über meinen Kopf hinwegziehenden Regenschauer unfreiwillig bei JCB auf dem Hof, während ich den Trailer abkuppelte.
Das war bis jetzt definitiv meine längte Tour gewesen, fast 3500 Kilometer, auch wenn ich die Fähre abziehen musste, die meine billige Software da mit rein rechnete. Und obwohl ich direkt nach der Wochenruhe losgefahren war, konnte ich auch kaum noch was schaffen, bis die nächste anstand.
Immerhin blieben mir nun noch über 5 Stunden heute und, wenn ich früh los fuhr, eine komplette Fahrtzeit am Donnerstag, bevor meine Woche voll war. Also hatte ich mir eine passende Anschlussfracht nach Hause organisiert. Und die Woche davor hatte ich auch nicht wirklich mehr geschafft. So lange die Kasse stimmte, konnte mir das aber auch egal sein.
