Das Wochenende war sehr erholsam. Dank des guten Wetters machte ich mir erst mal meine Yamaha fertig und brummte dann ein Bisschen durch die Eifel. Abends dann gab es die Eifel noch auf DVD, in der genialen Krimiserie „Mord mit Aussicht“. Immer wieder musste ich mit Blick ins Sauerland feststellen, dass „Hengasch im Kreis Liebernich“ überall war, wo in Deutschlands Mittelgebirgslagen die Anzahl des Nutzviehs die der Einwohner überstieg. Ein weiterer Grund für mich, wenigstens hierzulande die Städte zu bevorzugen.
Auf die Serie war ich bei einem Familienbesuch durch meine Mutter gestoßen. Auch meine Schwester liebte sie, mein Schwager dagegen verließ den Lästereien meiner Schwester nach immer das Wohnzimmer, wenn die Serie kam. Sie war ihm wohl zu nah am echten Leben
Am Montag begann die Arbeitswoche dann mit einer gewissen Leere. Die erste teilte mir die Druckluftanzeige meines Trucks mit und es bedurfte kurzer Orgelei im Leerlauf, bis die Bremsbacken die Güte hatten, die Scheiben loszulassen.
Danach ging es leer nach Düsseldorf, wo ich eine Fuhre Elektronikteile in Richtung Sheffield abholte. Die Plane war im Zusammenhang mit meiner Zugmaschine witzig, mit dem Spruch „Iveco – wir bringen zuverlässig die Ersatzteile, damit die angeblich besten Trucks Europas wieder fahren können!“ stieg ich in das Fahrerhaus.

Um die Uhrzeit war es noch voll im Landeshauptdorf und so brauchte ich eine Zeit bis zur Autobahn. Dass ich auf der roten Welle unterwegs war, half auch nicht gerade. Als auch in meinem Zielland so langsam mal aus Aufstehen gedacht werden konnte, tippte ich mich durchs Adressbuch in meinem Handy, aber ich war wohl doch zur falschen Zeit dran. In unserem Beruf konnte das vorkommen:
„Wer stöööööört?“ Es war mehr Gähnen als Melden. „Guten Morgen Keith. In Deutschland ist man um die Zeit schon das erste Mal müde!“ „Ricky…“ „Und wenn man schlafen will: Handy ausmachen.“ „War ja aus. Ich habe schon dreimal den Wecker weggedrückt. Bin gestern aus Polen gekommen und hatte danach noch viel Bürokram.“ „Oh, Du fährst Kontinent?“
Ich musste über mich selbst lachen. Kaum sprach ich englisch mit einem Briten, schon bestand mein Weltbild wieder aus „Großbritannien“ „Irland und äußere Inseln“ und „dem Kontinent“. Fog in Channel – Continent cut off!
„Ich fahre auch Übersee. Morgen Mittag muss ich nach Afrika starten.“ Mit Übersee bezeichneten die Briten jeden anderen Kontinent als Europa. Selbst wenn es Asien war, wo es genug Landwege hin gab, wenn man erst mal das Festland erreicht hatte. Die eine oder andere Zeitschrift ließ „den Kontinent“ Europa gleich weg und das Abo kostete im Überseetarif nach Calais in Frankreich mit Blick auf die englische Südküste – dichter an Großbritannien und besser erreichbar als die preiswerteren Kanalinseln – das gleiche wie nach Masilamea auf Tonga.
„Das heißt, dass Du gerade zu Hause sitzt?“ „Ja.“ „Und jetzt rate mal, wohin ich gerade auf dem Weg bin.“ „Sag jetzt nicht in Richtung Yorkshire.“ „Doch, genauer gesagt vor Deine Haustüre nach Sheffield.“ „Wann bist Du da? Heute Abend?“
„Nein, habe die Nachtfähre nach Hull. Morgen gegen 11 sollte ich durch sein. Wann musst Du dann los?“ „Um 1 bei mir vom Hof. Na ja, zwei Stunden Wiedersehen sind besser als gar nichts. Kannst mir noch beim Essensreste vertilgen helfen. Ich freue mich. Bye.“ „Ich mich auch. Bye!“
Nachmittags kam ich im Hafen an. Am nächsten Tag fuhr ich nach Sheffield, lieferte meine Ladung ab und machte mich dann auf den Weg zu Keith Adresse.
Er machte gerade Checks an einem, wie das Kennzeichen verriet, 3 Jahre alten und gebraucht in Wales gekauften Volvo FH16.

Als er meinen Truck auf den Hof rollen sah, kletterte er aus der Kabine. Wir fielen uns um den Hals. Auch wenn wir den Kontakt übers Internet gehalten hatten und bestimmt oft genug ohne es zu wissen umeinander her gefahren waren, hatten wir uns doch seit meiner Rückkehr nach Deutschland vor fast 7 Jahren nicht mehr persönlich gesehen.
„Immer noch Italienfan?“ Nach der Begrüßung zeigte er auf meinen Truck. „Ja. Mein erster hat mit kleiner Maschine und flacher Kabine die Liebe ein Bisschen strapaziert. Aber seit ich den hier habe, will ich eigentlich keine andere Marke mehr.“ „Was bist Du denn nach den ERF überhaupt gefahren?“ „Actros MP3 und meine beiden Ivecos als Arbeitsgerät und nur für Probefahrten Renault Premium und den neuen Volvo FH.“
„Für mich gibt es nur noch Schweden. Scania war leider zu teuer, die wollte ich eigentlich lieber. Also habe ich jetzt hier zwei Volvos rum stehen. Wobei nur einer steht, aber lass uns hoch gehen.“
Auch Keith hatte seine Wohnung neben seiner Halle und den Türschildern nach an einen Handelsvertreter für Maschinenteile und ein Konstruktionsbüro für Belüftungssysteme vermietete Büroräume im zu großen Verwaltungsgebäude.
In der Küche tischte er die Reste von einem Roastbeef, Weißbrot und Gurkensalat auf. Bald gesellte sich eine dickbäuchige Teekanne dazu. Bei Worcestershire Sandwiches und Tee erzählte er, warum ein Truck herumstand: „Ich hatte vor 2 Wochen richtig Ärger. Meinen angestellten Fahrer hat die Polizei in Schottland mit 1,6 Promille aus dem Führerhaus gezogen.“ „Oh, das nenne ich mal gut geeicht.“ „Habe ihn natürlich sofort rausgeschmissen, durfte erst mal meine Tour umplanen nach Hause, mit dem Zug nach Aberdeen fahren und den Truck hier runter holen. Seitdem steht der dumm rum. Hätte ich doch besser vor einem Jahr Dich angestellt?“ „Damals hätte ich es gemacht, aber jetzt ist es zu spät. Ich habe meine eigene Firma mit einem Truck, eine Kooperation mit einer zweiten unterm gleichen Dach und eine nette Hypothek auf die Firmenhalle.“ „Vernünftige Fahrer zu kriegen ist nicht so leicht derzeit. Die guten fahren meistens in grün-weiß-roten Trucks herum und sind so zufrieden, dass sie nicht wechseln wollen.“
Es wurde schließlich Zeit, dass wir losfuhren. Immerhin mussten wir an der gleichen Stelle laden. Auf Keith warteten zwei Druckbehälter für Redeyef und mein Kurztrip sollte dieses Mal einen JCB zum Endkunden nach Hamburg bringen anstatt immer nur Leasingrückläufer hier her zu schaffen.
Also fuhren wir Solo hintereinander her und immer wieder merkte ich beim Beschleunigen, dass der 600er Volvo meinen auf 483 PS ausgequetschten 420er Iveco stehen ließ. Andererseits wollte ich nicht wissen, was sein 16-Liter dabei soff.
Auf dem Weg vom Papiere abholen zu unseren Trucks verabschiedeten wir uns herzlich, denn am Tor trennten sich unsere Wege. Er musste nun über die Landstraße nach Süden zur M1 und dann über London aufs Festland. Ich musste die Fähre von Hull nach Esbjerg bekommen.
Ich schaffte es erst auf die Hauptstraße, als mich ein Trucker mit einem Muldenkipper raus ließ.

Unterwegs sah ich in der Seitenstraße einen deutschen Kollegen mit Dresdner Zulassung an der Ampel warten und mit einem Schlag waren alle Wünsche einer Sonderlackierung wieder verflogen, die ich kürzlich mal hatte. So was ging einfach nicht, wenn man Fremdtrailer zog. Der Volvo FH war dunkelblau und ein Cowboy blickte bedrohlich von der Beifahrerseite. Auf dem Unterfahrschutz und der Frontblende machte sich der Grand Canyon breit. Und da hinter hing ein Trailer im Kotzgiftiggrün von Luis Simoes, so dass sich vom Gesamtbild des Zuges die Fußnägel aufrollten und der Trailer die wirklich tolle Wirkung der Zugmaschine ad Absurdum führte. Diesen Anblick musste ich noch mal ertragen, als er auf der Autobahn Richung Osten an mir vorbei zog. Die Lady am Steuer schien einen schweren Fuß zu haben.
Die Nachtüberfahrt mit der Fähre war ein Klacks. Auf der dänischen Speisekarte fand sich zwischen viel Fisch auch Rinderfilet mit Sauce Bordelaise, Röstkartoffeln und Gemüse. Nicht eben preiswert, aber dafür lecker. Fisch mochte ich nur in wenigen Varianten.
Ebenso ereignislos ging es nach Hamburg zum Abladen. Und direkt daneben stand schon meine Anschlussfracht. Als ich die Papiere studierte, musste ich grinsen. Zwar war die Lieferanschrift Linde in Glasgow, aber der Bauleiter saß in Sheffield an einer Adresse, die noch in meiner Liste der letzten Ziele im Navi stand. Es war das Ingenieurbüro bei Keith auf der mittleren Etage.

Das Teil stand nirgends über, also konnte ich das Schild für Übergröße wieder abbauen. Auf dem Weg zurück nach Dänemark füllte ich lieber noch einmal die Tanks.

In Esbjerg ließ ich meinen Truck auf dem Hafengelände stehen und fuhr in die Stadt. Die Fähre nach Newcastle fuhr nur zweimal die Woche und das nächste Mal morgen Nachmittag.
Nach kurzem Blick auf die Speisekarte eines Restaurants bestellte ich mir ein Steak, denn das ging immer. Außerdem waren wohl gerade „Rinderfilet a la Bordelaise-Wochen“ in ganz Dänemark und der Rest der Speisekarte bestand aus Fisch.
Am nächsten Tag schlenderte ich noch durch Esbjerg, als Judith anrief: „Hallo Judith. Alles klar in der Heimat?“ „Hallo Ricky! Ja, alles im Griff. Ich habe aber noch ein kleines Attentat auf Dich vor.“ „Was willst Du denn attentaten?“
„Würdest Du es noch von Glasgow nach Cardiff schaffen?“ Nach Cardiff würde ich es immer schaffen, so viel war klar. Es funktionierte aber sogar ohne schwarze Magie. „Dürfte klappen. Ich komme morgen um die Mittagszeit in Glasgow an und wenn ich den Tag noch zu Ende fahre und früh genug aufbreche, bin ich in Cardiff, bevor mir um 10 Uhr die Wochenarbeitszeit ausgeht.“ „Okay, dann schicke ich Dir den Autrag. Tschö!“ „Ciao!“
Auf dem Weg mit dem Taxi zum Hafen sah ich mir die Tour an, es war nur ein leerer Vorratstank mit 6 Tonnen, also noch einfacher, ein anständiges Tempo zu fahren.
Zur Überfahrt mit der Fähre und der Fahrt nach Glasgow war nicht viel zu sagen. Wie erwartet war ich mittags bei Linde, wurde meine Ladung schnell los und sammelte direkt nebenan bei Bayer den Tank ein.

Kurz hinter Liverpool steuerte ich einen Rasthof an und begab mich nach dem Abendessen in die Koje. Ich musste schon gegen halb 6 wieder los, wenn ich rechtzeitig ankommen wollte.
Es war erstaunlich, wie früh es schon wieder hell wurde. Trotzdem entfiel das Frühstück, dazu war ich einfach zu früh dran und musste mich mit einem Becher Tee und süßem Gebäck zufrieden geben.
Mit 45 Minuten Zeitreserve auf Lieferung wie Lenkzeit kam ich bei Dachser an und lieferte die Eilfuhre ab. Dann stellte ich den Truck ab und schlenderte erst einmal durch Cardiffs Einkaufsstraßen in der Innenstadt, bis ich am frühen Nachmittag im Hotel einchecken durfte.
Am immer noch nicht allzu späten Nachmittag machte ich mich auf den Weg zu einer der wenigen Kneipen, die Cardiff City im Fernsehen Fußball spielen zeigten, auch wenn Wales gerade parallel ein Rugby-Länderspiel bestritt. Da ich eine solche aber vorhin schon gefunden hatte, war das kein Problem. Ich knotete mir meinen Cardiff-Schal ums Handgelenk und machte mich auf den Weg.
Es ging auswärts gegen Everton, zu denen ich sonst hielt, aber heute war ich neutral. Spannend war, wer versagen würde, denn beides waren Teams, die dazu neigten, ihre Saisonziele in der Hinrunde zu erfüllen, um sie dann in der Rückrunde aus den Augen zu verlieren.
Für Everton ging es Jahr für Jahr um die Euro-League und für Cardiff nach Jahrzehnten vergebener Aufstiegskämpfe dieses Jahr um nicht mehr und nicht weniger als den Klassenerhalt in der nach über 50 Jahren endlich wieder erreichten, höchsten Spielklasse. Mir war beides recht, aber irgendwie doch einen Hauch wichtiger, dass Cardiff in der ersten Liga blieb. Das war außerdem das entferntere Ziel, Everton war dichter dran.
Die erste Halbzeit blieb torlos. In der zweiten ging erst Everton in Führung, dann glich Cardiff unter großem Jubel der Leute im Pub aus. Ein Punkt war wenig, aber mehr als keiner, also starrten alle gebannt auf die Videowand. Mit einem kollektiven Schmerzensschrei ging in der 90. Minute ein erneuter Führungstreffer für Everton in die Maschen.
In der Nachspielzeit gelang natürlich nichts mehr. Ich hatte heute nicht gewinnen können, aber auch nicht verlieren. Everton hatte seine Chancen auf Europa verbessert, dafür stand Cardiff dichter am Abgrund.
Ich holte mir noch ein Bier an der Theke. Mit dem Getränk in der Hand drehte ich mich gerade um, als mir fast das Glas aus der Hand fiel. Auch meinem Gegenüber rutschte mangels Glas in der Hand zumindest die Farbe aus dem Gesicht, als er stammelte: „Ricky? Ricky Kaiser?“ „Ja. Luke Leighton?“ Er nickte. Auch ihn hatte ich nun seit 7 Jahren nicht mehr gesehen. Ich war mir nicht sicher, ob ich das bedauern sollte oder mir wünschen sollte, ihn sowieso nie gesehen zu haben. Ich wollte, frisches Bier hin oder her, gehen, aber er bettelte zu meiner Überraschung geradezu: „Bitte bleib hier.“
Schließlich setzten wir uns an einen Tisch auf der Terrasse: „Hat sich Dein Abgang nach Deutschland zurück wenigstens gelohnt?“ Ich schüttelte nur verschämt den Kopf.
Am Nebentisch drehte dafür jemand seinen Kopf betont unauffällig zu uns. Die Chancen, so nicht weiter belauscht zu werden, standen in Cardiff und bei jemandem mit (deutschem) Reiseführer auf dem Tisch bestens: „Cymraeg!“ „Pam?“ Also machten wir auf Walisisch weiter: „Weil am Nachbartisch jemand meint, sich für anderer Leute Kram interessieren zu müssen.“ Wie erwartet wandte sich die Person am Nebentisch wieder den eigenen Angelegenheiten zu.
„Und was willst Du nun noch von mir?“ „Eigentlich wollte ich nur diese Frage beantwortet haben.“ Eine Zeit lang umgab eisiges Schweigen unseren Tisch. Also ergriff ich wieder das Wort:
„In Köln, wo ich in Deutschland zuerst gelebt habe, sagt man ‚Was fort ist, ist fort’! Keiner von uns kann die Zeit zurückdrehen Also lass uns lieber über was anderes reden. Bist Du noch bei BP?“ Er sah so aus, als würde er die Zeit auch weiterhin gerne zurückdrehen. „Nein. Vor 2 Jahren wegrationalisiert worden. Bin dann hergezogen und für eine Spedition aus den Valleys gefahren. Die ist aber seit November pleite. Jetzt wohne ich in Pontypridd auf 330 Quadratfuß Dreckloch und lebe von Sozialhilfe.“ Das waren 31 Quadratmeter, alles andere als ein Palast. Vermutlich eine Etage in einem alten Bergbausiedlungs-Reihenhaus, mit Pech auch eine halbe mit Gemeinschaftsbad und Gemeinschaftsküche oder wahlweise Herd im Zimmer, das konnte unspaßig sein.
Das schlechte Gewissen meldete sich doch ein Bisschen bei mir. Und fahren konnte er wie der Teufel. „Erinnerst Du Dich an Keith?“ „Wie könnte ich das nicht? Immerhin war er Dein bester Kumpel.“ „Er ist jetzt selbstständig in Sheffield und sucht einen Fahrer für seinen zweiten Truck.“ „Und den soll ich jetzt so einfach anrufen? Der erklärt mich doch für verrückt und legt auf.“ „Dann musst Du nur schnell genug meinen Namen nennen.“ Sein bitteres Lachen war berechtigt: „Dann erst recht.“ „Oder ich kündige Dich an.“ „Nee, lass mal. Das muss ich überdenken. Immerhin würde er als Boss mich dauernd irgendwie an damals erinnern.“
„Warum machst Du das für mich? Ich kämpfe mich schon durch. Außerdem wäre ich so oder so heutzutage in dieser Lage.“ Zerknirscht brachte ich eine andere Version an: „Oder wir würden heute so oder so beide bei Keith fahren. Außerdem weiß ich inzwischen, wie es Dir damals ergangen ist. Der Grund für meinen damaligen Abgang hat sich nämlich auf die gleiche Weise nach München abgesetzt.“ „Tja.“ Ein Bisschen Schadenfreude konnte er doch nicht aus der Stimme verbannen – und ich konnte es ihm nicht mal verdenken.
„Bist Du wieder in UK und fährst Du für Keith?“ „Nein, ich habe meine eigene Firma in Bochum und habe nur zufällig gerade britische Woche mit Treffen von Leuten aus Milford Haven. Erst Sheffield und jetzt Cardiff.“
„Das ist jetzt 7 Jahre her. Ich applaudiere Dir bis heute nicht dafür, was Du mir angetan hast. Aber ich behaupte mal, ich führe wieder ein stabiles Leben, auch wenn es gerade auf dem Konto besser aussehen könnte. Wo treibt Keith sich denn rum?“ „Im Moment vermutlich auf einer Mittelmeerfähre zwischen Marseille und Algiers.“ „Er fährt nach Nordafrika?“ „Manchmal Nordafrika und ständig ganz Europa.“ Luke sah mich verblüfft an. Dass es unser Freund regelmäßig von der Insel runter schaffte, schien auch ihn zu überraschen.
Unsere Gläser waren leer, also standen wir auf und gingen schweigend zum Bahnhof Cardiff Central, wo wir uns wortlos und mit Blicken voneinander verabschiedeten und in Züge mit Ziel in entgegengesetzter Richtung stiegen.
Meinen MP3-Player konnte mich zwar manchmal durch seine Situationskomik zum Lachen bringen, dieses mal schaffte er aber mit Situationstragik das Gegenteil. Was fiel dem Ding ein, ausgerechnet zum gegenüber Richtung Pontypridd ausfahrenden Zug „Dedication to my Ex“ von Lloyd zu spielen? Beinahe hätte ich meinen eigenen Zug nach Grangetown verpasst.
Am Abend war ich dermaßen durch den Wind, dass mich nicht einmal Top Gear so richtig aufheitern konnte. Hätte, wollte, wäre, wenn…
Ich verbrachte den folgenden Sonntag auch im Zentrum von Cardiff. Der Ping eines Sonar auf einem U-Boot aus Richtung meiner Hosentasche wollte mir mitteilen, dass ich eine Nachricht über SMS oder Whatsapp bekommen hatte. Ich zog das Gerät aus der Tasche und blickte ungläubig drauf. Meine Nummer musste Keith herausgerückt haben, den er scheinbar doch angerufen hatte. Und dieses eine Wort musste für den Absender der Kampf seines Lebens gewesen sein. Auf dem Display stand: „Danke!“ und der Name des Whatsapp-Chatfensters dazu lautete „Lucas L.“
