Samstag, 07.09.2019, Neapel.
„hansekontor, Christian Dansör.“ „Maia-Flink. I hoff i störe grod ned?!“ Ich verdrehe gespielt die Augen und Luca guckt mich verdutzt an. „Nööö. Kunde is Könich. Was kann ich für Sie tun?“ „Jo, ähm, wia soi i song… Sie hom doch ‚etz in Neapl a Niederlassung, oda?“ „Wir befinden uns aktuell noch im Aufbau, aber grundsätzlich ja.“ „Narrisch guad. I häd do a neis Projekt mid regelmäßign Tourn vo Neapl noch Minga und zrugg. I hod do an Sie dachd. Aa fia de Logaung in Neapl… „ „Sollte umsetzbar sein. Machen Sie Montag einen Termin mit Vivien Müller in der Niederlassung München.“ „Werd gemacht. Scheens Wochenend.“
Ich lege das Telefon zur Seite und atme einmal durch. „Was war das jetzt?“ „Um ehrlich zu sein: ein schwieriger Kunde. In der Anfangszeit war seine Zahlungsmoral ziemlich unterirdisch. Inzwischen passt das. Er hat aber die Eigenschaft manchmal seeehr kurzfristig Touren reinzuhauen. Jetzt hat er wohl ein neues Projekt für München – Neapel – München. Naja, Vivien wird da schon die Fakten mit ihm aushandeln.“ „Oh, das klingt nach Arbeit.“
Der Kellner tritt an unseren Tisch. „Signori, una volta pizza salame e una volta pizza quattro formaggi.” “Grazie. E per favore, prendi altre due birre.” “Mi piace molto.”
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Der Heimflug am Sonntag verlief unkompliziert. Sandra hatte mich dann in Arlanda vom Flughafen abgeholt und wir sind noch gemeinsam nach Forsmark zu ihren Eltern gefahren.
Montag, 09.09.2019, Uppsala.
Es ist kurz vor 06:00 Uhr. Unser Wecker klingelt. “Hej älskling, dags att stiga upp.” Sandra beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss. Sie will gerade aufstehen da ziehe ich sie liebevoll zurück. “En mer, tack.” Wir albern noch ein bisschen herum. Ein Blick auf die Uhr mahnt uns dann aber doch die Füße aus dem Bett zu schwingen.
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09:00 Uhr. Sandra ist inzwischen mit dem Hauber auf Tour und ich habe mit Vivien in München telefoniert. Ich greife zu meiner Kaffeetasse. Leer. “Entweder ist die Tasse zu klein oder sie hat ein Loch.” brubbel ich vor mich hin. Ich gehe in die Küche und setze mir eine neue Kanne auf. Anschließend verziehe ich mich wieder an den Schreibtisch. Ein Blick ins Firmensystem zeigt mir, dass die Auftragslage ausgezeichnet ist. Auch für die Niederlassung in London. Über dieser schwebt jedoch seit einiger Zeit ein ziemlich großes Fragezeichen ob des Theaters um den Brexit.
Ich greife zum Telefon. Nach dem zweiten Klingeln wird abgehoben: “hansekontor London. James King speaking.” “Hej James, Christian hier.” “Hi. Was gibt’s?” “Ich wollte mal horchen wie es bei dir in der Dispo so ausschaut. Der Kindergarten um den Brexit ist schon nervig.” “Da sagst du was… An sich gibt es hier reichlich zu tun, sowohl national als auch von der Insel aufs Festland. Und es ist so viel, dass ich eigentlich noch einen weiteren Fahrer einstellen könnte. Aber ich weiß noch nicht ob das richtig wäre, auch wenn ich noch nicht an ein Ende des Theaters für Ende Oktober glaube.” “Ok, da glaube ich auch noch nicht so wirklich dran. Haben Ida und Kim schon was gesagt weil wir die Neuanschaffung für die beiden verschoben haben?” “Nein, die verstehen die Problematik. Sie würden beide gerne weiterhin international fahren.” “Das glaube ich sofort. Wie stehen sie dazu im Zweifel nur national zu bedienen?” “Du kennst die Mädels doch… ganz klar ja. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass wir noch im Jahr 2041 jährlich den Premier nach Brüssel reisen sehen wo er um eine Verschiebung des Brexit bittet. Niemand wird dann mehr wissen woher die Tradition kommt; aber es bringt Tourismus nach Brüssel.” Ich muss lachen. “Alleine die Vorstellung… Aber nungut…” Plötzlich höre ich James leise fluchen. “Was ist los?” “Zum einen ist der Kaffee alle. Zum anderen ist gerade der Computer abgestürzt. Beides aber kein Drama – lässt sich schnell beheben.” “OK. Apropos Computer… die Rechner bei dir in London laufen inzwischen auf Windows 10?” “Ja, wenn sie nicht abstürzen.” “Kommt das häufig vor?” “Jain. Nur fast so häufig wie der leere Kaffee.” “OK, dann in dem Sinne: Kaffee kochen und weitermachen.” “Bye.”
…
18:00 Uhr. Ich sitze noch im Büro. Die restliche Belegschaft hat sich schon in den Feierabend verabschiedet und ich bekomme langsam Hunger. Aber alleine Abendessen wenn ich mal zu Hause bin? Ich greife zum Telefon und wähle Sandras Mobilfunknummer. „Sandra här. Vad är min älskling?” ”Ich wollte fragen wann du wieder zu Hause bist und ob du Lust hast zum Chinesen essen zu gehen.” Sandra kichert. ”Aaalso… ich bin in etwa einer halben Stunde zu Hause. Aber Chinese fällt aus. Was hälst du von Texaslonghorn?” ”Keine Einwände.” ”Det är bra. Då ses snart. Jag älskar dig.” ”Ich dich auch. Bis gleich.”
Dienstag, 10.09.2019, Uppsala.
Das Abendessen im Texaslonghorn war gemütlich und lecker. Zudem haben wir ziemlich lange über die vergangenen Monate reden können. Am Ende des Abends war zu merken, dass bei Sandra einiges der angesammelten Anspannung weg war.
Diese Woche ist für mich keine Tour eingeplant, so sitze ich also wieder im Büro. Ich schaue mir gerade an was für die Tour nach Zypern so ansteht um zu entscheiden welchen Trailer ich nehme.
Sandra kommt herein und gibt mir einen Kuss. Sie wirft einen Blick auf den Bildschirm. ”Ich wäre die Tour nach Zypern gerne mitgefahren.” ”Ich weiß. Aber deine Eltern brauchen dich auch.” ”Mhm. Mama hat mich am
Sonntag ja noch zur Seite genommen und mich gefragt ob bei uns alles in Ordnung ist. Ich habe ihr dann erzählt wie stressig die letzten Monate waren.” ”Ich glaube diese Situation kennt sie mit Rasmus auch sehr gut.” ”Oh ja. Wir sollen uns übrigens ab Mitte Dezember für vier Wochen nichts vornehmen.” ”OK… Der Maier-Flink hat sich was neues ausgedacht.” ”Lass mich raten… Neapel?” ”Jo. Am Samstagabend als ich gerade mit Luca in der Pizzeria saß rief er an. Hab ihn dann direkt an Vivien für die Absprachen verwiesen.” ”Richtig gemacht. Die Kleine hat Durchsetzungsvermögen und wir müssen nicht alles selbst organisieren. Zumal Vivi dem Maier-Flink in München eh schneller mal auf die Füße treten kann.” Ich wollte gerade am Kaffee nippen; stelle die Tasse aber doch lieber wieder ab bevor ich loslache. ”Ich stelle mir das gerade bildlich vor.”
Wir albern noch eine Weile herum und es tut gut meinen Schatz Lachen zu sehen.
„So, ich muss los. Wäre prima wenn du heute Nachmittag noch Einkaufen gehst.“ „Das bekomme ich hin.“ Ich ziehe Sandra zu mir und gebe ihr einen Kuss. „Mhhh… en mer, tack.“ Den bekommt sie natürlich…
„Jetzt muss ich aber wirklich los.“
