[KW 39/2019, KW 40/2019] Herr mit Schnauzbart. Wo bitte? Uuuwaaaaa.

Donnerstag, 26.09.2019, Adana.
Die Fährüberfahrt und die anschließende kurze Fahrt nach Nikosia auf Zypern habe ich gestern mit Marc zusammen hinter mich gebracht. Dann trennten sich die Wege wieder. Beim Kunden angekommen stand für mich nur noch die Entladung im Programm. Zwischendrin kam von Sandra noch die Info, dass ich von dort zehn Paletten aufnehmen sollte die dann heute in Adana zugestellt werden müssen.

Ich gucke auf die Uhr. 20:15 Uhr… Noch fünfundvierzig Minuten um im Termin zu bleiben. Aber das sollte zu schaffen sein.
Vierzehn Minuten später setze ich den Blinker und stoppe vor der Schranke des Pförtnerhauses. Ich steige aus dem rovfågel und klopfe an der Scheibe. Ein älterer Herr mit Schnauzbart öffnet die kleine Luke in der Scheibe. „Kim rahatsız ediyor?” Ich verstehe kein Wort. “hansekontor. I have to unload ten pallets.” Jetzt schaut er mich an wie ein Auto. Ich zeige auf meinen Trailer und signalisiere ihm mit den Händen eine zehn. Zusätzlich reiche ich ihm den Frachtbrief. Er greift zum Telefon und führt ein kurzes Gespräch. “Beşinci kapıya sür.” Mit den Händen zeichnet er ein Tor und signalisiert eine fünf. Ich nicke und er öffnet die Schranke.
Der Lagerist der mich an Tor 5 in Empfang nimmt spricht dann zum Glück fließend Englisch. Wir unterhalten uns über meine Tour und er ist von meinem Scania begeistert.
Nach der Entladung gehen wir gemeinsam ins Lagerbüro um die Papiere fertig zu machen. “Ich sehe hier, dass du bei uns was für Denizli bekommen sollst. Das ist aber erst morgen früh um 08:00 Uhr fertig.” Ich schaue ihn fragend an. “Kann sein. Ich habe von meiner Dispo noch nichts gehört. Ich gucke mal eben.” Ich stelle fest das ich mein Telefon in den Flugmodus gestellt hatte und diesen Zustand seit der Fähre heute Mittag nicht geändert habe. Ich stelle auf Anwesend um und wähle Sandras Rufnummer. Es klingelt zwei mal, dann nimmt sie ab. “Hej, Sandra här. Du lebst also doch noch.” “Hi mein Schatz. Ja. Sorry… ich hatte vergessen den Flugmodus wieder  rauszunehmen.” Sandra kichert. “OK, genehmigt. Bist du in Adana angekommen?” “Ja. Inzwischen auch abgeladen. Der Lagerist sagte mir, dass ich hier was für Denizli bekomme.” “Ist richtig. Für die Firma Ryan in Aydin. Morgen früh um 08:00 Uhr Beladung.” “Passt zur Aussage des Lageristen.” “In Denizli bekommst du bei Ryan dann den Zug voll für DHL in Aydin. Ab Aydin haben wir dann wieder diversen Kram vom Maier-Flink an Bord. Ein Teil für München und ein Teil für Pesaro.” “Wo bitte?” “Pesaro, Italien. Das ist ein Stück unterhalb Rimini.“ “Ne halbe Weltreise… Die Fährverbindungen aus der Türkei nach Italien wurden ja eingestellt” “Ansatzweise. Tania hat über einen Bekannten bei einer Reederei einen Platz auf nem Frachter hingedreht der nach Ancona fährt. Du musst Montagabend in Izmir sein.” “Ihr überrascht mich immer wieder. Auf so was wäre ich jetzt nicht gekommen. Ich muss zwischendrin zwar noch Wochenruhezeit machen, aber es sollte hinzubekommen sein. Wie schaut es bei dir derzeit aus?” “Eigentlich das übliche Chaos. Magnus hat für uns derzeit richtig viel weil ihm einer seiner anderen Vertragsfrachtführer wegen Betriebsaufgabe infolge Insolvenz abhanden gekommen ist. Dazu hab ich dann aktuell eine Anfrage zu einem Windradflügeltransport ab Trelleborg für Mitte Oktober. Felicia organisiert da gerade die Planung. Wird wahrscheinlich ne Tour für dich. Ab 02.10. bin ich dann in München.” “Mit’m Hauber?” “Nein. Ich soll für eine Geschäftsfreundin von Mama einen Volvo 9700 von Göteborg nach München überführen. Das ist ein dreiachsiger Reisebus.” “Fahren wir dann zusammen zurück nach Uppsala?” “Bis jetzt habe ich das so vor.” “Finde ich gut. Bevor ich’s vergesse… Das letzte Wochenende im Oktober sind wir in Hamburg.” “Was gibt’s da?” “Paddeln, Langstrecke im Drachenboot auf der Dove-Elbe.” “Da wo wir vor zwei Jahren so viel Wind hatten und du gesteuert hattest?” “Genau da. Nur das Jörg mich dieses Mal am Paddel einplant. Michael wird steuern.” “Bin ich auf jeden Fall dabei…. Duuuu, Schatz…. Ich werd mich jetzt ins Bett verkrümeln, morgen geht’s früh wieder raus.” “Sov sedan bra och dröm om något vackert. Jag älskar dig om allt.” “Jag älskar dig också. Bara lite mer …” Ich schicke Sandra einen Kuss durch die Leitung, dann legen wir auf.

Ich wende mich sodann wieder an den Lageristen: ”Ich leg mich dann hier auf dem Hof schlafen. Laden morgen früh um 08:00 Uhr.” ”Genau. Das macht dann mein Kollege aus der Frühschicht. Gute Nacht.”



Freitag, 27.09.2019, irgendwo auf der D330.
Am Morgen war die Ware wie besprochen um 08:00 Uhr bereit und eine Stunde später war ich vom Hof. Es ist 11:14 Uhr. Meine Blase drückt seit einer ganzen Weile schon. Ich setze den Blinker und fahre rechts ran. Da die heutige Fahrstrecke vermutlich eh eine Zehner Fahrzeit braucht dehne ich meine Pinkelpause auf eine anrechenbare Zeit aus.








Inzwischen ist es kurz nach 18:00 Uhr. Meine zweite Pause liegt hinter mir und am Himmel ziehen sich schwarze Wolken zusammen.


Ich folge einem anderen LKW mit gut Abstand. Im Rückspiegel sehe ich wie ein Bus zum
Überholen ansetzt und einen Augenblick später an mir vorbeifliegt. Er schert vor mir ein. Plötzlich bremst er ziemlich hart, er hatte beim Einscheren noch zu viel Geschwindigkeit drauf und ist auf den Vordermann aufgelaufen, aber nicht aufgefahren. Na super… Ochse du…



Samstag, 28.09.2019, Denizli.

Kurz nach 09:30 Uhr erreiche ich die Firma Ryan. In den letzten vier Stunden seit dem Start war ich zwischendrin immer wieder froh, dass der rovfågel mit Leistung absolut nicht geizt… in den Bergen bin ich ziemlich gut und konstant vorangekommen.

Nach der Anmeldung werde ich noch zügig entladen. Anschließend ist es Zeit für die Wochenruhezeit. Dafür habe ich mir in einer kleinen Pension in der Nähe ein Zimmer gebucht. Das werde ich aber nur zum Schlafen und Duschen bis brauchen, denn ich will mir ein wenig die Stadt und die Kalksinterterrassen von Pamukkale ansschauen.




Montag, 30.09.2019, Denizli.
Mit frischer Ladung für den gelben Riesen fahre ich frohen Mutes vom Hof. Ich habe gute Laune, denn das Wochenende war interessant und erholsam gewesen. Nur das Sandra nicht dabei sein konnte stört mich ein wenig. Die nächste Tour auf solch einer Langstrecke sollten wir wieder gemeinsam fahren. Ich setze den Blinker und bin noch ein wenig in Gedanken. In dem Moment wo ich auf der Kreuzung nach links abbiege bemerke ich, dass ich eine Kreuzung zu früh bin. *grml*






Im Radio habe ich via Internet meinen Lieblingssender laufen. Es wird ein Titel von Disturbed gespielt. Mit dem uuuwaaaaa in dem Titel geht die gelbe Warnleuchte der Tankanzeige an.

An der nächsten Tankstelle fülle ich dann eben fünfhundertachtundvierzig Liter nach bevor ich die letzten Kilometer bis nach Izmir zum Hafen hinter mich bringe.







Es ist 21:00 Uhr. Ich stehe an Deck eines Frachtschiffes und genieße das leichte Schaukeln während wir in Richtung Italien auslaufen. Kilometer machen, ohne selbst zu fahren…


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