Montag, 02.12.2019, München.
In dieser Niederlassung hat es sich eingebürgert das die Fahrer vor dem Start in die Woche am Montagmorgen gemeinsam Frühstücken. Meine Uhr zeigt 06:00 Uhr und meine Fahrer und Fahrerinnen sind inzwischen alle ausgeflogen. In den Büros herrscht noch Ruhe. Ich räume die Spülmaschine ein und den Tisch im Aufenthaltsraum auf. Ich höre eine Tür ins Schloss fallen und Schritte kommen näher. Auf Höhe vom Aufenthaltsraum hören sie auf. Ich drehe mich um. „Christian! Schön dich zu sehen.“ „Hej Franziska. Du schon hier? Wie geht’s dir?“ „Na klar. Einer von uns in der Dispo fängt immer früh an um zu schauen ob alles schon läuft. Besonders am Montag. Mir geht es prima. Nur Papa vermisse ich ziemlich seit er nach Kalifornien gegangen ist.“ „Das kann ich mir vorstellen. Telefoniert ihr öfter miteinander?“ „Ja, meistens Videotelefonie. Oder er schickt mir Nachrichten per WhatsApp. Er sagt er ist froh, dass er nach der Trennung von Mama den Schritt nach drüben gemacht hat. Nur die Entfernung zu mir schmerzt ihn. Aber das sagt er nie. Ich sehe es nur in seinem Gesicht bei der Videotelefonie.“ Franziska seufzt. „Noch ein bisschen über einen Monat dann sehe ich Papa endlich wieder. Er hat versprochen zu meinem Achtzehnten nach München zu kommen.“ „Das finde ich gut.“ „Wie geht es eigentlich Sandra und dir? Vivien hatte mir erzählt dass ihr dieses Jahr ganz viel Stress hattet und nicht mal im Urlaub wart.“ „Oh ja. Das Jahr war ziemlich heftig und wir hatten viel zu wenig Zeit gemeinsam. Umso mehr freue ich mich drauf dass wir demnächst vier oder fünf Wochen in die Staaten verschwinden.“ „Nur ihr beide? Und wohin dort?“ „Sandras Eltern fliegen auch mit rüber. Aber Tarja und Rasmus haben dann ihr eigenes Mietwohnmobil. Wohin genau es uns verschlägt weiß ich noch nicht. Erstmal geht es wieder nach San Francisco und von dort aus noch nach Sacramento ein Spediteurspärchen besuchen das wir letztes Jahr kennen gelernt haben. Von dort aus lassen wir uns dann treiben.“ „Das ist die Ecke wo Papa fährt. Vielleicht seht ihr ihn in dem weißen Kenworth T680 den er jetzt fährt. Mal was anderes… wann musst du wieder los? Und womit eigentlich? Ich hatte dich in der Planung nirgends gesehen.“ „Nachher gegen 08:00 Uhr mit dem silbernen Benz nach Marseille.“ „Du meinst den Bus der vorm Gebäude steht?“ „Genau der. Ist ne Fahrzeugüberführung aus St.Petersburg.“
Franziska greift die Thermoskanne um sich einen Kaffee einzugießen – aber die ist leer. Kaffeekannen sind irgendwie komischerweise immer leer. „Na toll… Ebbe.“ „Ich ändere das und dich scheuch ich jetzt ins Büro.“ Sie grinst frech und ähnelt damit Sandra. „Alles klaro, Chef. Bringst du mir den Kaffee dann rum?“ „Aber sicher doch.“ Im Dispobüro läutet ein Telefon und meine Azubine flitzt los.
…
Kurz vor 08:00 Uhr. Ich habe gerade den Bus gestartet und bin schon am fluchen. Am Samstag war noch alles in Ordnung und nun meldet mir der Bordcomputer einen Defekt in der Bremsanlage. Ich stelle den Motor wieder ab und greife zum Telefon. Nach dem zweiten klingeln wird abgenommen. ”Goedemorgen. Uriah Dagobeert.” “Dansör; Moin.” “Was kann ich für Sie tun?” “Ich bin mit dem Travego aus St.Petersburg in München. Der Bordcomputer meldet einen Defekt in der Bremsanlage.” “Oh oh. Einfach so während der Fahrt?” “Nein. Ich bin an meiner Niederlassung und hatte meine Wochenruhezeit gemacht. Samstag ohne Probleme abgestellt. Ich wollte jetzt eigentlich wieder starten.” “Hm ok. Ich kümmere mich. Wäre schön wenn der Travego am Dienstagmittag in Marseille ist.”
…

Es ist kurz vor 11:00 Uhr. Der Mechaniker vom Truckservice hat einen undichten Schlauch ausgetauscht und der Travego ist wieder einsatzbereit. Ich löse die Feststellbremse und rolle los. Allzu weit komme ich nicht – wie üblich herrscht in München dichter Verkehr (natürlich nur in die Richtung in die ich muss…) und ich muss erst einmal warten bis ich überhaupt vom Hof komme. Ich nehme einen Schluck Kaffee.

Über die A99 fahre ich gen Süden und wechsele am Dreieck München-Süd-West auf die A96. Die Bahn ist erstaunlich frei. Trotzdem muss ich meine Geschwindigkeit kurz vor 12:00 Uhr reduzieren… auf der linken Spur schleicht ein PKW mit Anhänger vor sich hin obwohl die rechte Spur meilenweit frei ist. Ich habe aber auch nicht das Bedürfniss rechts zu überholen. Aus Versehen klemmt da irgendwie plötzlich der Hupknopf.


Am Grenzübergang Hörbranz geht es rüber nach Österreich. Im Radio läuft The Police mit Every Breath You Take.

An der Abfahrt Wollfurt setze ich den Blinker und fahre auf die L41. Kurz darauf fahre ich über die Holzbrücke über den Fluss ‚Dornbirner Ach‘.
St.Gallen. Winterthur. Bern. Lausanne. Genf.

Ich passiere Bardonnex und bin dann in Frankreich.
Auf Höhe Lyon fahre ich auf einen Parkplatz ab. 20:36 Uhr. Feierabend. Ich muss gähnen und habe Hunger. Bevor es jedoch Abendessen gibt telefoniere ich kurz mit Sandra.
Dienstag, 03.12.2019, nahe Lyon auf der A43.
Es ist kurz nach 07:00 Uhr. Ich trinke meinen Kaffee, beiße in ein Brötchen und verschlucke mich fast als ich auf meinem Tablet in einem Forum lese, dass TEAM LIMETEC (ein Aufbauten- und Trailerbauer aus Kokkola in Finnland) Insolvenz angemeldet hat. Den hansekontor betrifft das nicht wirklich, da wir von LIMETEC wenn überhaupt nur mal Trailer zur Reperatur in Hamburg hatten. Trotzdem ist es keine erfreuliche Nachricht.
Ich gucke in meinen Thermobecher. Kein Kaffee mehr drin. Thermobecher und Kaffeekannen sind halt immer… wie auch immer.
Ich beginne mit der Abfahrtkontrolle und Punkt 08:00 Uhr rollt der Travego wieder.

Valence. Avignon….
Kurz vor 11:00 Uhr erreiche ich die Zieladresse. Ich stelle den Warnblinker an, denn ich muss noch rückwärts in die kleine Gasse stoßen und den Bus dort einparken.


…
Den Nachmittag kann ich als Tourist in Marseille verbringen, denn mein Flug nach Stockholm via München geht erst morgen früh.
