15. Arizona Touren und ein Unfall

Samstag, den 23. September 2017, abends:

Ich hatte wieder gut und lange geschlafen. Was Anderes konnte man auf einer einfachen Rest Area sowieso nicht machen. Nachdem ich ausgeschlafen hatte, nutzte ich erstmal die Sanitäranlagen. Nach dem Toilettengang und der Wäsche kochte ich mir einen Kaffee. Dann versuchte ich, ob ich Keela erreichte. Sie war dann gerade dabei, sich für den Abend fertigzumachen. Ihre Freunde hatte wohl eine spontane Geburtstagsparty für Keela organisiert, die dann am Abend stattfinden sollte. Wir bedauerten beide, dass ich da nicht dran teilnehmen konnte. „Meine Freunde glauben schon, dass du mich gar nicht wirklich liebst.“, sagte mir Keela. „Hast du denen mal gesagt, welchen Job ich habe und dass du mich ja selbst weit weggeschickt hast?“ „Nicht wirklich.“ „Dann solltest du das mal machen. Ich habe keine Lust, wenn ich dich das nächste Mal nach Pacifica begleite, zusammengeschlagen zu werden.“ „Ach, du spielst auf die Drohung von Jeff an. Okay. Ich werde das aufklären. Sonst traust du dich hinterher nicht mehr hier hin.“ „Manchmal frage ich mich, ob ich den Job auch machen würde, wenn ich dich vorher kennengelernt hätte.“ „Keine Ahnung. Wenn ich das so höre bekomme ich aber ein schlechtes Gewissen.“ „Brauchst du nicht. Ich mache ja schließlich den Job. Wir müssen halt das Beste draus machen.“ „Was wir auf jeden Fall machen müssen, ist dass wir deine Resets vom Montag auf das Wochenende bekommen. Dann hast du wenigstens einen freien Tag mit mir zusammen.“ „Stimmt. Nur wie bekommen wir das hin?“ „Weiß ich noch nicht. Ich werde aber mal mit Charlie darüber reden.“ „Okay. Dann wünsche ich dir einen schönen Abend.“ Wir legten auf und ich machte mich startklar.

Um viertel vor Acht begann ich mit meiner PTI, die heute wieder umfangreicher war. Ich hatte ja neben der Zugmaschine zwei Trailer und ein Dolly zu überprüfen. Um acht Uhr ging es aber wieder los. Ich fuhr zurück auf die I-40 und beschleunigte wieder auf 55. Dann legte ich den Tempomat ein und ließ mich rollen. Dabei fuhr ich der untergehenden Sonne entgegen.
Etwa eine Stunde später durfte ich, wie erwartet, mit meinem Zug über die Waage. Mit 78.505 Pfund hatte ich aber keine Probleme. Mit den Achslasten hatte man dabei sowieso keine Probleme. Dann ging es weiter über die I-40.
Bei Barstow kam schließlich der Wechsel erst auf die I-15 und etwas später auf die CA-58. Nun ging es in der Nacht Bakersfield entgegen. Auch die Fahrt durch die Stadt war unspektakulär. Schließlich wechselte ich auf die CA-99. Das Einzige, was mir im Moment Sorgen machte, waren meine Zeiten. Mir lief nämlich meine Wochenarbeitszeit davon. Es sah im Moment beinahe so aus, als müsste ich in Fresno stehen bleiben. Ich rechnete auch nicht damit, dass sich da noch jemand Gedanken drum machte. Es war aber so.

Auf einmal klingelte mitten in der Nacht mein Handy. Seitdem ich den Kenny fuhr war das aber kein Problem. Es verband sich ja automatisch mit der Bluetooth-Freisprecheinrichtung des Trucks. Laut meinem Display rief mich das Bereitschaftshandy der Dispatch an. „Hier Truck 3761, was kann ich für sie tun?“, meldete ich mich mit einem Grinsen, was mein Gegenüber ja nicht sehen konnte. „Hallo Marc, Danny hier.“ „Danny. Ich hatte dich eher im Bett vermutet.“ „Da war ich auch bis eben noch. Dann musste ich einen Kollegen verarzten, der gestern vergessen hatte, sich mit mir abzusprechen.“ „Ich hoffe du meinst nicht mich.“ „Eigentlich nicht. Wobei wir uns auch nicht abgesprochen haben. Lass uns mal eben deine Zeiten abgleichen. Meine Elektronik sagt mir was von 66 Stunden.“ „Das passt.“ „Dann muss ich dich mal was fragen. Ich habe in Fresno einen Anschluss nach Hause für dich stehen. Das schaffst du aber nicht in den 70 Stunden. Willst du ein, zwei Stunden überziehen, oder lieber in Fresno stehen bleiben?“ „Das ist eine gute Frage. Normal möchte ich meinen Reset lieber zu Hause machen. Beim letzten Mal hat mich auch keiner erwischt. Ich weiß nur nicht, wie lange die Logbuchsoftware die Angaben speichert.“ „Welche Software hast du denn?“ Ich nannte Danny den Namen. „Bei der musst du dein Tablet regelmäßig mit deinem Firmencomputer verbinden, um die Daten zu überspielen. Dabei werden dann die Daten, die du nicht mehr nachweisen musst, überschrieben. Also wenn du diese Woche überziehst, solltest du ein, zwei Wochen später mal wieder überspielen.“ „Okay. Dann nehme ich die Ladung. Ich habe aber Hunger. Bevor ich zum Lager fahre, werde ich erst was essen gehen.“ „Mach das. Wo du hinterher stehen bleibst, ist ja auch egal. Bis nach Sacramento wirst du in der Zeit sowieso nicht mehr kommen.“ „Stimmt.“ „Dann teile ich das jetzt so ein. Du übernimmst dann in Fresno die Ladung nach Hause und machst dann im Anschluss deinen Reset in Sacramento.“ „Okay. Dann leg dich wieder hin.“ „Du wirst lachen. Das mach ich auch.“ „Ciao Danny.“ Wir legten auf.

Es dauerte nicht mehr allzu lange, bis ich in Fresno ankam. Dort fuhr ich zuerst zum Truckstop. Dort ging ich was essen. Da ich hier ja öfter stand traf ich hier jetzt auch ein paar Bekannte, die ebenfalls öfter hier waren. Wir setzten uns dann zusammen. So wurde es fünf Uhr, bis ich mich auf den kurzen Weg zum Zentrallager machte.
Dannys Anweisung für meinen Anschluss war auch schon im System:

PICKUP: CS-CAFR
TRAILER: UPS48443
FREIGHT: FRUIT
WEIGHT: 28,500 LB
TO: NM-CASA
GATE: 12
REMARKS: —–

CASA-DSN

Es gab also eine Ladung Früchte zum Neighborhood Market in Sacramento im Anschluss. Eine Viertelstunde später war ich am Zentrallager. Dort wusste man auch schon Bescheid. Ich erledigte den Papierkram und stellte anschließend die Trailer auf die Seite. Der Shunter sollte das Double auseinandernehmen.
An Tor 12 konnte ich anschließend den braunen 48 Fuß Reefer aufnehmen. Dann folgte die PTI. Dabei überlegte ich auch, wie weit ich dann jetzt noch fahren wollte. Es reichte ja schon, dass ich die Wochenfahrzeit um ein paar Stunden überzog. Das musste ich ja nicht auch mit der Tagesfahrzeit machen. Ich hatte heute schon wieder fast acht Stunden gefahren. Somit kam ich nicht mehr bis nach Sacramento. Auf dem Weg gab es auch nur noch zwei vernünftige Alternativen zum Stehenbleiben. Entweder die Rest Area in Oakdale, die aber ein Stück von der 99 entfernt war, oder eben der Truckstop in Fresno, wo ich gerade erst zum Essen war. Das war definitiv die bessere Alternative. Dann machte ich heute halt ein wenig früher Feierabend.
Ich fuhr also nur noch wieder bis zum Truckstop zurück und reservierte mir dort eine Dusche. Essen gehen brauchte ich anschließend nicht mehr. Das war ja schon erledigt. Als ich zurück im Truck war, schrieb ich dann Keela eine WhatsApp, dass ich schon Feierabend hatte und auf ihren Anruf wartete. Anschließend machte ich es mir im Sleeper gemütlich und schrieb mit meinem Laptop erstmal ein paar Rechnungen. Dann machte ich den Fernseher an und wartete auf Keelas Anruf.

Als der kam, wurde ich mal wieder Keela typisch begrüßt. „Die ganze Woche muss ich immer darauf warten, dass du dich meldest. Am Sonntag schreibst du mir dann um Sieben, dass du auf meinen Anruf wartest.“ „Ist schon verrückt, oder?“ „Vielleicht möchtest du mich auch nur ärgern.“ „Na klar. Was sonst?“ Ich berichtete von dem nächtlichen Telefonat mit Danny. „Das sind ja ganz neue Sitten. Der Kollege stimmt sich mit dem Fahrer ab, bevor er sowas einteilt. Normal heißt es bei Danny immer hinterher, ich dachte, du wolltest das so.“ „Wahrscheinlich hat er inzwischen doch Angst, dass ich mich bei Dad beschwere. Es hat ja in letzter Zeit öfter mal geknallt.“ „Auch möglich. Ein Murdock Effekt.“, sagte Keela lachend. „Auf jeden Fall bin ich morgen früh zu Hause.“ „Dann kannst du erst schlafen gehen. Ich habe ja Frühschicht. Wir können uns ja treffen, wenn ich Feierabend habe.“ „Soll ich dich abholen?“ „Damit Sheila Miller was zu tratschen hat? Lass mal. Wir treffen uns nach meiner Schicht an deinem Platz.“ „Auch gut.“ Wir telefonierten noch etwas weiter. Dann wollte Keela aber noch mal aufs Board. Am Abend musste sie ja schon wieder nach Hause fahren. Nachdem wir aufgelegt hatten, schaltete ich auch den Fernseher aus und legte mich schlafen.

Sonntag, den 24. September 2017, nachmittags:

Heute ließ ich mich mal wieder vom Wecker wecken, da ich genau nach zehn Stunden Pause wieder fahren wollte. Da ich um sechs Uhr hier gestanden hatte, hieß das für mich, dass ich um vier Uhr am Nachmittag mit meiner PTI wieder beginnen konnte. So stand ich um kurz nach Drei am Nachmittag auf und reservierte mir eine Dusche. Auf das Rasieren verzichtete ich dann, weil ich Keela den Gefallen tun wollte und mit Dreitagebart zu ihr wollte. Nachdem ich geduscht und wieder frisch war, holte ich mir noch einen Kaffee, den ich mir aber mit zum Truck nahm. Pünktlich um vier Uhr begann ich mit der PTI. Danach ging es dann los auf den Weg nach Hause.

Ich fuhr wieder auf die CA-99 in Richtung Norden und rollte mit Tempo 55 dem Abend entgegen. Die Fahrt verlief ohne Probleme. So erreichte ich gegen sieben Uhr Stockton. Dort wechselte ich via CA-4 auf die I-5 und nahm dann die letzten Meilen nach Sacramento in Angriff. Gegen acht Uhr erreichte ich den Neighborhood Market.

Dort waren sogar noch ein paar wenige Leute am Einkaufen. Mein spezieller Freund, der stellvertretende Marktleiter war an diesem Sonntagabend wieder mal im Dienst. Daher war mir schon klar, dass ich an Tor 1 ansetzen musste. Ich hätte gar nicht erst fragen brauchen. Aber er musste ja leider meine Papiere quittieren. Im Gegensatz dazu sagte er auch gar nichts, als ich seine Altverpackungen nicht abforderte. Wir würden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr werden.
Ich rangierte danach den Trailer vor Tor 1 und sattelte ihn ab. Dabei meinte ich im Augenwinkel Keelas Savana zu entdecken, der gerade an dem Markt vorbeifuhr. Es war auch durchaus möglich, dass sie jetzt schon wieder in Sacramento war, da sie am nächsten Morgen bereits um viertel vor Sechs wieder ihren Dienst antreten musste. Ich stieg wieder in den Kenny und fuhr mit der Zugmaschine zum Platz, wo ich sie in die Halle stellte. Dort stellte ich die Systeme auf Reset. Ich hatte nun auch 72,75 Stunden diese Woche gefahren. Die knapp drei Stunden konnte ich aber verschmerzen. Mit etwas Glück bekam ich in nächster Zeit keine Logbuchkontrolle. Das System gab mir auch vor, dass ich jetzt bis Dienstag um halb acht am Morgen Ruhezeit machen sollte. Das war eine gute Zeit zum Losfahren. So kam ich wenigstens nicht wieder in die ganzen Nachtfahrten.
Ich packte meine Schmutzwäsche in den Ford und machte mich anschließend auf den Weg nach Hause. Dort setzte ich mich noch mit meinen Eltern zusammen. Nebenher schrieb ich aber noch einige Zeit mit Keela ein paar WhatsApp hin und her. Gegen Mitternacht ging ich in mein Zimmer und legte mich schlafen.

Montag, den 25. September 2017:

An diesem Montag konnte ich erstmal ausschlafen. Danach setzte ich mich mit Mom zum Frühstücken zusammen. Mom hatte zwar schon gefrühstückt, freute sich aber, dass ich mal zu Hause war und setzte sich schon deshalb dazu. Ich genoss die Vorteile, die es hatte, noch zu Hause zu wohnen. So brauchte ich mich zum Beispiel nicht um meine Wäsche kümmern. Ich brachte nur die Schmutzwäsche nach der Tour mit nach Hause und packte mir saubere Wäsche wieder ein. Den Rest erledigte Mom. Ich wusste auch, dass es ihr nicht gefallen würde, sagte ihr dann aber trotzdem schon mal Bescheid, dass ich wahrscheinlich die kommende Nacht bei Keela bleiben würde. Andererseits gönnte sie mir natürlich die Zeit, die ich mit ihr zusammen hatte. Sie konnte sich auch noch daran erinnern, wie es war, als sie frisch verliebt war.

Nach dem Frühstück druckte ich die Rechnungen aus und machte sie fertig. Irgendwie hatte ich immer noch nicht gefragt, ob ich die Rechnungen auch mailen konnte. Dann packte ich mir schon mal eine Tasche mit frischer Wäsche zusammen und noch eine kleine Tasche für eine Übernachtung, die ich mit zu Keela nehmen wollte. Anschließend fuhr ich zu meinem Lieblings Neighborhood Market und kaufte ein bisschen auf Vorrat ein, was ich noch im Truck deponieren wollte. Diesmal nahm ich auch unsere Rabattkarte mit, die ich mir von Mom geben ließ. Dann brachte ich die Sachen in den Truck und räumte alles ein.
Damit Mom noch ein bisschen was von mir hatte, fuhr ich zum Mittagessen wieder nach Hause. Inzwischen merkte ich aber auch, dass sie sich nicht nur mit meiner Berufswahl abgefunden hatte, sondern dass sie sogar etwas stolz auf ihren Sohn war. In Ihren Augen war ich aber auch eher Fuhrunternehmer, als LKW-Fahrer. Nach dem Essen machte ich mich so auf den Weg, dass ich pünktlich um zwei Uhr an meinem Platz war, um mich dort mit Keela zu treffen.

Dort merkte ich wieder, dass es diese Frau schaffte, mich immer wieder zu überraschen. Da ich nicht in der Sonne stehen wollte, hatte ich mich in meine Halle zurückgezogen und wartete auf das typische Geräusch der Harley. Das blieb aber aus. Ich hörte zwar kurz das Geräusch eines V8, dachte mir da aber nichts bei. Plötzlich hörte ich die Stimme, in die ich mich vor ein paar Wochen verliebt hatte: „Willst du mich denn gar nicht begrüßen?“ Ich drehte mich um und Keela stand vor mir. Dabei musste ich aber erstmal ein zweites Mal hinschauen. Sie trug ein enges, schwarzes Kleid, was ihre sportliche Figur gut zur Geltung brachte. Dazu trug sie schwarze Nylons und elegante, wenn auch flache Schuhe. Ihre Wuschelhaare hatte sie dann auch durch Gel oder Schaum zu bändigen versucht. Außerdem trug sie heute dezentes Makeup, was sie sonst auch nicht tat.
„Hat es dir die Sprache verschlagen?“, fragte Keela mit einem Lächeln. „Allerdings. Wer sind sie? Und wo haben Sie meine Freundin gelassen?“, fragte ich mit einem Lachen. „Die hat heute keine Zeit und hat mich an ihrer Stelle geschickt.“ Sie fiel mir um den Hals und gab mir einen langen Kuss. Dabei roch ich dann auch noch ihr dezentes Parfum, was sie trug. Außerdem hatte sie den Schmuck, den sie zum Geburtstag bekommen hatte, angelegt. „Wow.“, sagte ich nur. „Wenn ich nicht schon in dich verliebt wäre, würde das jetzt passieren. Da soll noch mal wer sagen, du sähest nicht gut aus.“ Sie errötete leicht. „Danke. Ich muss mich aber jetzt nicht immer so aufbrezeln.“ „Quatsch. Du siehst auch so klasse aus. Aber das ist der Hammer.“ Ich holte mein Handy aus der Tasche und machte erstmal Fotos von Keela. Sie stand ja auch vor dem passenden Hintergrund. Meinem Kenworth.

Wir verließen anschließend meine Halle und jetzt war mir auch klar, warum ich die Harley nicht gehört hatte. Vor der Tür stand der Savana. „Ich konnte ja schlecht so auf das Motorrad steigen.“, sagte sie lachend. „Außerdem hätte der Helm meine Frisur wieder kaputtgemacht.“ „Irgendwie komme ich mir jetzt in Jeans und T-Shirt etwas unpassend gekleidet vor.“, sagte ich. „Ich habe auch noch ein Hemd im Truck. Soll ich mich eben umziehen?“ „Bloß nicht. So gefällst du mir besser. Ich finde es auch gut, dass du dich nicht rasiert hast.“ „Meine Mom wollte mich heute Morgen schon wieder ins Bad schicken, damit ich mich rasiere. Ich musste ihr dann erst erklären, dass dir das so besser gefällt. Dann habe ich ihr noch ein paar Fotos gezeigt, wer inzwischen alles mit Dreitagebart rumläuft. Danach war das okay.“ „Ich sag ja. Nachdem ich deine Eltern und deine Wohngegend gesehen hatte, wunderte ich mich auch über gar nichts mehr bei deinem Image.“ „Ich dafür umso mehr. Mit solchen Klamotten hätte ich bei dir gar nicht gerechnet.“ „Das sind die Sachen, die ich mit deiner Schwester zusammen gekauft habe, wo ich dir immer noch die Überraschung schuldig war.“ „Ach die Sachen, wo ich auf Dessous getippt hatte?“ „Genau. Ich sagte ja, dass ich sowas lange nicht mehr getragen habe. Damit meinte ich ein Kleid oder Rock generell. Meine Brüder würden sich wahrscheinlich kaputtlachen, wenn sie mich so sehen würden.“ „Dabei steht dir das wirklich gut.“ „Ich finde das trotzdem unpraktisch. Ich bin halt auch eher der Jeanshosen Typ. Das fing ja schon damit an, dass ich so nie auf die Harley gestiegen wäre.“ Ich holte noch schnell meine kleine Tasche aus dem Ford und wir stiegen in ihren Savana. „Bei dem Auto bin ich ja immer genauso weit von dir weg, wie in meinem Truck.“ „Stimmt. Zum Kuscheln ist das vorne gar nichts. Da muss man es sich schon hinten bequem machen.“ Sie startete den Motor und der V8 machte sich wieder bemerkbar.

Dann fuhren wir nach Downtown, wo wir gemütlich durch die Stadt spazierten. Nachdem wir keine Geschäfte und Schaufenster mehr sehen wollten, gingen wir in den State Capitol Park. Als wir dann hinterher immer noch Lust hatten was zu unternehmen, gingen wir noch nach Old Sacramento und schauten uns die historischen Gebäude an. Am Abend aßen wir noch in einem Restaurant in der Stadt, wobei Keela mich wieder beruhigen musste, dass ich nicht unpassend aussah, so unrasiert und dann noch in Jeans und T-Shirt.
Der Nachmittag war wirklich herrlich und wir genossen die Zeit zusammen. Der Abend mit dem schönen Essen im Restaurant war wirklich romantisch. Anschließend gingen wir Hand in Hand zurück zum Savana. Dabei mussten wir immer wieder anhalten und uns küssen. Nun fuhren wir zu Keela nach Hause. Dort angekommen flüsterte sie mir noch was ins Ohr: „Du brauchst dich jetzt nicht mehr zurückhalten. Ich war inzwischen beim Gynäkologen und bekomme die Pille. Es kann nicht mehr so schnell was passieren.“ So kam es dann an diesem Abend dazu, dass wir dann zum ersten Mal miteinander schliefen.


Dienstag, den 26. September 2017, morgens früh:

Gegen halb Fünf stand Keela auf und ging ins Bad. Ich stand dann auch schon mal auf und kochte etwas Kaffee für uns. Als Keela aus dem Bad kam, war sie überrascht. „Willst du auch schon aufstehen? Warum denn? Du kannst doch erst um halb acht anfangen.“ „Erstens habe ich keinen Schlüssel für deine Wohnung und zweitens habe ich kein Auto hier.“ „Für erstens bin ich ja der Meinung, dass du ruhig einen Schlüssel bekommen kannst. Außerdem kannst du auch gerne ein paar Sachen hier deponieren. An zweitens habe ich auch nicht gedacht.“ Ich ging ins Bad und sprang schnell unter die Dusche. Anschließend machte ich mich auch fertig und zog mich an. Dann ging ich zu Keela, die heute wieder normal in Jeans und T-Shirt rumlief und nahm sie in den Arm. „Der gestrige Tag war wirklich schön.“ „Fand ich auch.“ „Das sollten wir öfter machen.“ „Was denn davon?“ „Alles. Sowohl der Nachmittag, als auch der Abend waren wirklich schön.“ Sie drückte mir auf einmal ein kleines Schlüsselbund in die Hand. „Hier sind meine Zweitschlüssel. Jetzt hast du auch Schlüssel von meiner Wohnung.“ Ich nahm sie wieder in den Arm und küsste sie. „Danke für die Schlüssel und das Vertrauen.“ „Da nicht für, mein Süßer. Willst du Harley fahren, oder Savana?“ „Das kannst du dir aussuchen.“ „Dann nimm dir deinen Helm. Wir fahren mit der Harley.“ Keela brachte mich noch schnell zu meinem Platz, dann fuhr sie rüber ins Büro.

Ich fuhr mit dem Ford noch mal nach Hause, wo ich mit meiner Mom zusammen frühstückte. Mom war eigentlich immer früh auf, so war das kein Problem. Nach dem Frühstück machte ich mich wieder auf den Weg zum Platz. Dabei bekam ich mal wieder eine WhatsApp von Keela, dass ich bei ihr Papiere abholen sollte. Meine Ladung lag wohl mal wieder beim Außenlager. Heute fuhr ich aber wieder mit dem Ford am Zentrallager vorbei.
Wie schon fast vermutet, hatte Keela mal wieder eine Ladung Feuerwerk für mich. „Warum bekomme ich eigentlich so viele Ladungen mit Feuerwerkskörpern?“, fragte ich sie, nachdem ich sie nochmal mit einem Kuss begrüßt hatte. „Ich kann natürlich nur für mich sprechen. Von mir bekommst du die Ladungen, weil sie für dich aufgrund der Gefahrgutzuschläge lukrativer sind. Ich denke ja auch dran, dass du deine Maschine noch abbezahlen musst.“ „Verstehe. Das macht natürlich Sinn. Ist das denn dann keine Bevorzugung?“ „Natürlich nicht. Den Zuschlag gibt es ja einerseits, weil das Gefahrgut Endorsement auch Geld kostet und andererseits wegen dem erhöhten Risiko.“ „Okay.“ Ich unterschrieb meine Papiere und verabschiedete mich wieder mit einem Kuss von Keela. Anschließend fuhr ich zum Platz, wo ich um halb Acht mit meiner PTI begann.

Eine Viertelstunde später fuhr ich zum Außenlager. Dort bekam ich meine Ladung Feuerwerk, die zum Supercenter in Bakersfield sollte. Also mal wieder eine altbekannte Tour. Um viertel nach Acht hatte ich alles erledigt und konnte mich auf den Weg machen. Es ging mal wieder zur I-5, auf die ich in südlicher Richtung auffuhr. Es gab aber um diese Zeit viel Verkehr, so dass ich eine ganze Zeit brauchte, bis ich Sacramento verlassen hatte.
Nun folgte wieder die übliche Fahrt bis nach Stockton über die I-5 und anschließend weiter über die CA-99 in Richtung Bakersfield. Es war eine übliche Fahrt, die auch, wie sonst verlief.
Genauso üblich war es für mich inzwischen, dass ich auf dieser Route am Truckstop in Fresno meine Pause machte. Ich hatte auch inzwischen meine Rabattkarte für diesen Truckstop. So war es auch heute. Gegen halb Eins erreichte ich den Truckstop und blieb bis zwei Uhr zum Essen und Meinungsaustausch dort. Dann machte ich mich wieder auf den Weg.

Es ging für die restliche Strecke wieder zurück auf die CA-99, die ich Downtown Bakersfield verließ. Das Walmart Supercenter lag direkt neben dem Highway und war somit schnell erreicht. Gegen viertel vor Vier kam ich dort an. Da es immer einen Moment dauerte, bis ich meine nächste Anweisung auf dem Display hatte, rief ich mal eben im Büro an. „Hallo Marc, gibt es was Besonderes?“, wurde ich dann von Charlie begrüßt. „Eigentlich nicht. Ich wollte nur nicht zweimal ins Centerbüro gehen. Daher wollte ich schon mal eben fragen, ob ich hier was abfordern soll.“ „Eigentlich hätte ich das gerne vermieden, aber in Bakersfield haben wir ja immer das Problem, dass wir nicht viel im Angebot haben. Daher werden wir die Altverpackungen wohl oder übel nehmen müssen.“ „Klingt nicht so gut.“ „Du weißt ja, dass ich bei den Altverpackungen einen nicht so hohen Satz zahlen kann. Dann geht die Ladung auch noch zum Arsch der Welt.“ „Wieso? Wo geht das denn hin?“ „Zum FedEx in Show Low, Arizona.“ „Von dem Kaff habe ich ja noch nie gehört.“ „Ist auch nicht sonderlich groß. Außerdem abseits der Interstates.“ „Mit dem Kürzel hätte ich dann auch im Leben nichts anfangen können.“ „Eben.“ „Also fordere ich die Ladung ab?“ „Mach das.“ „Okay.“ Ich ging in das Büro des Center Managements und erledigte den Papierkram. Dabei forderte ich auch die Ladung ab. Danach fuhr ich auf den Hof und stellte den Trailer mit den Feuerwerkskörpern an Tor 2 und sattelte den nächsten Trailer an Tor 4 wieder auf.
Danach holte ich erstmal eine Karte raus und suchte mir raus, wo sich mein Bestimmungsort überhaupt befand. So brauchte ich eine halbe Stunde von der Ankunft am Supercenter bis zur Abfahrt. Um viertel nach Vier ging es weiter.

Ich fuhr direkt in Richtung Barstow auf die CA-58. Auch eine Strecke, die ich inzwischen zur Genüge kannte. Nachdem ich aus Bakersfield raus war, lief es auch wieder genauso ruhig, wie immer. Bei Barstow kam mal wieder der Wechsel von der CA-58 auf die I-15 und etwas später dann auf die I-40 in Richtung Osten. Hier verbrachte ich den Rest meiner Schicht. Mit ach und krach kam ich in meiner Fahrzeit noch wieder bis zur Rest Area Essex, die ich noch von der letzten Woche her kannte. Dort war am Abend um Neun Feierabend.
Ich bereitete mir eine Kleinigkeit zu Essen und telefonierte beim Essen mit Keela. Auch sie war überrascht, dass mich Charlie mit Altverpackungen so weit wegschickte. Aber wenn es mit dem Lieferanten einen Vertrag über die Entsorgung der Verpackungsmaterialien gab, kam das leider schon mal vor. Wir telefonierten noch eine gute Stunde, wobei sich die Themen weniger um die Arbeit drehten. Gegen zehn legten wir auf, da wir uns beide hinlegen wollten.

Mittwoch, den 27. September 2017, 7:00 am Pacific Daylight Time:

Was ich genau falsch gemacht hatte, weiß ich auch nicht. Auf jeden Fall klingelte mein Wecker eine Stunde später, als er eigentlich sollte. Da ich auch beim ersten Klingeln nur auf das Nachwecken drückte, ohne auf die Zeit zu schauen, merkte ich es da noch gar nicht. Zehn Minuten später, als der Wecker wieder anging, merkte ich, wie spät es wirklich war. Trotzdem musste ich noch die üblichen Sachen im Sanitärbereich erledigen. Ohne Morgentoilette und wenigstens etwas Wasser im Gesicht wollte ich auch nicht losfahren. Zurück im Truck begann ich erstmal damit, mir einen Kaffee zu kochen, dann folgte die PTI. So war es schon viertel nach Acht, als ich mich wieder in Bewegung setzte. Zum Glück waren Altverpackungen ja nicht sonderlich eilig.
Eine knappe Stunde später ging es über den Colorado River und somit hatte ich Arizona erreicht. Das war auch gut so, denn ich hatte zuletzt bei meinem letzten Besuch in diesem Staat getankt. Entsprechend leer waren die Tanks schon wieder. Ich fuhr also in Kingman von der Interstate und machte mich auf den Weg zu der gleichen Tankstelle, an der ich eben diese letzte Betankung vorgenommen hatte. Der Kenny bekam Diesel und DEF und ich bekam noch einen frischen Kaffee.
Dabei merkte ich langsam, dass es bereits Ende September war. Es war am Morgen schon etwas kühler, als in den Wochen zuvor. Gerade hier in der Wüste, wo es in der Nacht meistens stark abkühlte, wurden die Nächte schon sehr frisch. Somit dürfte Keela dieses Jahr auch nicht mehr allzu viele Surfwochenenden bekommen. Mal sehen, wie wir unsere Wochenenden dann gestalteten. Zurück im Truck machte ich mich wieder auf den Weg.

Über einen Teil der ehemaligen Route 66 ging es zur Interstate 40 zurück. Auch dort ging es wieder in Richtung Osten weiter. Auf der I-40 verbrachte ich auch den ganzen Vormittag. In den Hügeln hatte ich doch Mühe den Kenny auf Tempo 70 zu halten. Berghoch merkte ich, dass ich immerhin 36.000 Pfund auf dem Trailer hatte. Bergab lief es ganz gut.
Ich war mit der Jake Brake, den ich gekauft hatte, sehr zufrieden.

Es war schon ein Uhr am Mittag durch, als ich mich entschloss für eine Pause anzuhalten. Es war jetzt nicht mehr weit, bis nach Holbrook, wo ich von der I-40 runter musste. Was danach an Pausenmöglichkeiten an der AZ-77 auf mich warten würde, wusste ich ja nicht. Daher war es so garantiert besser. An der Ausfahrt Joseph City war dann ein Love’s Travel Center, das ich für meine Pause nutzte. Gegen viertel nach Eins hatte ich dort den Lastzug geparkt und ging in den Truckstop zum Toilettengang und zum Essen.

Nach dem Essen ging ich gemütlich zurück zum Truck. Dort angekommen schrieb ich eine WhatsApp an Keela, dass ich gerade Pause machte. Da sie gerade zu Hause angekommen war, nahm sie natürlich die Gelegenheit wahr und rief mich zurück. Wir telefonierten eine ganze Weile, bis ich mich entschloss, mal wieder weiterzufahren. Gegen Drei machte ich mich wieder auf den Weg.

Es dauerte nur noch wenige Minuten, bis ich die Ausfahrt 285 erreicht hatte, die mich durch Holbrook zur AZ-77 führen sollte. Nun ging es durch die kleine Stadt. Danach konnte ich wieder auf 65 beschleunigen und weiter in Richtung Süden fahren. Ich musste jetzt noch ungefähr eine Stunde fahren, bis ich Show Low erreicht hatte. Gegen halb Fünf erreichte ich dort die FedEx Niederlassung.
Ich gab das in mein Tablet ein und meldete mich erstmal an. Den Trailer konnte ich sofort ans Tor andocken, wo die Verpackungen vermutlich in einer Müllpresse landeten. Als ich angedockt hatte, war auch die nächste Einteilung von Charlie auf dem Display:

PICKUP: SC-AZSL
TRAILER: CT53802
FREIGHT: EMPTY PALLETS
WEIGHT: 43,500 LB
TO: ES-AZPH
GATE: 04
REMARKS: —–

CASA-CSA

Offensichtlich gab es hier ein Supercenter, wo ich eine Ladung Leerpaletten für das Außenlager in Phoenix übernehmen konnte. Da ich bisher in der kleinen Stadt noch nichts von einem Walmart Supercenter gesehen hatte, ließ ich mir die Adresse anzeigen. Das System zeigte mir folgende Adresse an: 5401 S White Mountain Rd., Show Low, AZ 85901. Nachdem ich die Adresse ins Navi übernommen hatte, sah ich, dass das Supercenter ein Stück außerhalb der Stadt an der AZ-260 lag. Ich musste also den Ort schon in Richtung Süden verlassen. Entsprechend war es auch schon zehn Minuten nach Fünf, als ich das Supercenter erreichte.
Dort war man natürlich erfreut, dass ich denen das Leergut schon mal von der Rampe wegholte. Nach dem Aufsatteln und der PTI war es schon halb Sechs.
Da ich aber in eine andere Richtung musste, fuhr ich zuerst wieder zurück nach Show Low. Dann ging es über die US Route 60 in Richtung Süden weiter. Nachdem ich den Ort wieder verlassen hatte, kam ich nach und nach immer mehr in eine recht beeindruckende Landschaft. Da die Strecke auch relativ hügelig war, hatte ich auch einige schöne Aussichtspunkte.

Ich musste mir aber langsam darüber Gedanken machen, wo ich denn Feierabend machen konnte. An einer Interstate hatte man immer viele Truckstops an den Ausfahrten. Auf den Nebenstrecken sah das ja nicht immer so aus. Auch, wenn die Route 60 eine beliebte Touristenstrecke war.
Gegen acht Uhr erreichte ich den Salt River Canyon. Nach der Brücke, die über den Fluss führte, war eine kleine Rest Station, die auch in erster Linie für Touristen gedacht war. Da ich aber nur über Nacht stehen bleiben wollte und mich am nächsten Morgen wieder auf den Weg machte, hatte man kein Problem damit, dass ich hier stehenblieb. In der Nacht kam ja kaum jemand.
Ich gönnte mir in dem Lokal der Rest Station auch noch ein, zwei Feierabendbierchen. Dann ging ich zum Schlafen in den Truck zurück. Dort telefonierte ich nochmal mit Keela, bevor ich mich in die Koje zurückzog.

Donnerstag, den 28. September 2017, 5:30 am Mountain Standard Time:

Um halb Sechs klingelte mein Wecker und holte mich aus meinen schönen Träumen. Leider neigte sich meine Pause schon wieder dem Ende zu. Ich nutzte den Sanitärbereich der Rest Station und machte mich anschließend startklar. Um viertel nach Sechs folgte die PTI und um halb Sieben machte ich mich wieder auf den Weg.
Dazu bekam dann der Kenny erstmal gut was zu tun. Ich musste aus dem Canyon Tal wieder hinausfahren. Dazu ging es in Serpentinen den Berg hinauf. Das war hier bestimmt auch eine wunderbare Biker Strecke.
Schließlich war ich oben und erreichte nach einiger Zeit den Ort Globe. Dort folgte ich dann weiter der Route 60 in Richtung Phoenix. Die Straße führte mich auch direkt in die Stadt.

Mit dem Berufsverkehr kam ich nun in Phoenix an. Gegen halb Zehn erreichte ich das Außenlager. Ich meldete meine Ankunft im ORBCOMM und meldete mich an. Dann konnte ich den Trailer beim Paletten Lager andocken. Inzwischen hatte ich auch die nächste Ladung im System stehen:

PICKUP: ES-AZPH
TRAILER: DV28376, DV2828525
FREIGHT: DOMESTIC APPLIANCES
WEIGHT: 28,000 LB
TO: BB-CALA
GATE: 03
REMARKS: STAA-DOUBLE, DOLLY R46290(AZ)

CASA-KRY

Ich hatte also von Keela den Auftrag bekommen, hier ein Double mit Haushaltsgeräten für den Best Buy in Los Angeles zu übernehmen. Ich meldete mich also noch mal im Bürocontainer und bekam dort meine Papiere. Dann sattelte ich mein Double auf und erledigte die PTI. Nun konnte ich mich auf den Weg nach LA machen. Bevor ich aber an die I-10 kam, musste ich mich durch den immer noch andauernden Berufsverkehr in Phoenix quälen. Der war nämlich auch um zehn Uhr noch in vollem Gange.

So dauerte es einige Zeit, bis ich die Interstate erreichte und somit den Raum Phoenix verlassen konnte. Für den Rest des Tages sollte nun wohl die Interstate 10 meine Rennstrecke sein. Im Moment passte das auch ganz gut mit dem Thema Rennstrecke. Der Truck lief mit dem relativ leichten Double gut und mit Tempomat 70 kam ich auch gut voran.
Ich suchte mir einen Sender mit Rockmusik und drehte die Lautstärke hoch. Dabei hatte ich richtig Spaß an der Arbeit. Der Truck lief dabei so gut, dass ich auch ab und zu überholen durfte. Ein Kollege, den ich dabei überholte, hatte es aber auch etwas schwerer, als ich er musste nämlich gleich drei Welpen mit sich herumschleppen. Dabei war der Peterbilt wahrscheinlich ähnlich motorisiert, wie mein Kenworth.

Das lief auch alles eine ganze Zeit sehr gut. Ich machte nun langsam Pläne für meine Mittagspause.

Zwischen Quartzsite und Ehrenberg passierte es aber dann. Etwa eine halbe Meile vor mir fuhr ein Kollege mit einem Double von Kraft Heinz. Dann platzte dem Fahrer ein Vorderreifen und der Kollege, der wohl auch nicht ganz aufmerksam gewesen war, bekam sein Welpen Rudel nicht mehr unter Kontrolle. Der ganze Lastzug schleuderte kreuz und quer über die Fahrbahnen. Schließlich schlug er so in die Mittelleitplanke ein, dass die Zugmaschine mit dem ersten Pup dort einknickte. Der Dolly mit dem zweiten Pup riss ab und kam aber zum Glück gerade zum Stehen. Das Resultat war dann natürlich eine Vollsperrung. Zum Glück waren gerade keine anderen Verkehrsteilnehmer in der Nähe gewesen, die in den Unfall hineingezogen wurden. Das nächste Glück war eine Autobahnstreife, die auch gerade auf diesem Teilstück unterwegs war.

Die Cops konnten sich sofort um alles kümmern. Während sich der eine Beamte um den Fahrer kümmerte, der mit leichten Blessuren davongekommen war, sorgte der zweite Beamte dafür, dass die Sperrung sofort gemeldet wurde und die nötigen Einsatzfahrzeuge angefordert wurden. Trotzdem gab ich im Tablet für mein Logbuch eine Pause ein.
Da ich aber nicht genau wusste, wie ich die Meldung jetzt im ORBCOMM eingeben sollte, nahm ich mein Handy und rief erstmal Keela an. „Hallo Schatz. Was gibt es denn so wichtiges, dass du mich im Dienst anrufst?“, war ihre Reaktion. „Ich wollte dir den Grund für meinen Stillstand besser telefonisch durchgeben, damit es keine Missverständnisse gibt.“ Keela gab was in ihrem Computer ein. „Wenn ich das richtig sehe, stehst du mitten auf der I-10 in Arizona. Ist das richtig?“ „Das stimmt so. Nur wenn ich jetzt Unfall oder Vollsperrung eingebe, dann glaubst du vielleicht, dass ich den Unfall habe.“ „Hast du aber nicht.“ „Nein. Ich stehe aber kurz hinter dem Unfallfahrzeug.“ „Gott sei Dank ist dir nichts passiert.“ „Bei mir ist alles in Ordnung. Der Truck, der den Unfall hatte, steht aber über alle Fahrspuren. Das kann dann etwas dauern, bis es weitergeht.“ „Okay. Ich gebe das ein und du meldest dich bitte, wenn es wieder läuft.“ „Mache ich.“

Nun war Warten angesagt. In der Zeit machte ich mir aus meinen Vorräten was zu Essen. Dann wartete ich beim Essen, dass es weiterging. Dadurch, dass die Polizei schon vor Ort war, ging es aber recht zügig. Es dauerte gerade mal eine halbe Stunde, bis die entsprechenden Bergungsfahrzeuge vor Ort waren. Dabei war das größte Problem, den Truck der sich in der Leitplanke verkeilt hatte, wieder freizubekommen. Zuerst wurde sich aber darum gekümmert, dass der Dolly mit dem hinteren Trailer abtransportiert wurde. Der Rest war dann komplizierter.
Ich stand mit meinem Lastzug aber, genau wie einige andere Fahrzeuge ziemlich dicht hinter der Unfallstelle. Schließlich mussten wir ja auch erstmal zum Stehen kommen. Nachdem der hintere Trailer weg war, konnte man aber langsam an dem Rest des Lastzuges vorbeifahren. Das sollten einige Fahrzeuge machen, damit zur Bergung mehr Platz war.
Ich gehörte auch noch zu denen, die langsam an der Unfallstelle vorbeidurften. Der Kollege war zwar kreidebleich an der Unfallstelle, konnte aber da rumlaufen. Offensichtlich waren seine Verletzungen nicht so Schlimm. Das Schlimmste war mit Sicherheit der Schock. Es war inzwischen zwei Uhr, als ich weiterkam.

Es arbeitete aber auch etwas in mir. Ich merkte wieder, wie wichtig es war, aufmerksam zu fahren und eine vernünftige Sitzposition hinter dem Steuer einzunehmen. Wenn der Kollege die gehabt hätte, wäre er vermutlich in der Lage gewesen, den Lastzug noch abzufangen. Auch wenn das gerade bei den kombinierten Zügen schon keine einfache Aufgabe war.
In Ehrenberg fuhr ich trotzdem erstmal von der Interstate. Ich brauchte jetzt zwar keine Pause mehr machen, wollte aber nochmal die Tanks füllen und mir erstmal in Ruhe einen Kaffee trinken. Um drei Uhr machte ich mich aber wieder auf den Weg nach Los Angeles. Schließlich sollte ich heute noch anliefern.

Es ging wieder zurück auf die I-10 in Richtung Westen und somit nach Kalifornien. Nun ging es mit Tempomat 55 weiter auf LA zu. Die gute Laune, die ich vor dem Unfall hatte, war einer gewissen Nachdenklichkeit gewichen. In solchen Momenten merkte man erst wieder, wie schnell es auch vorbei sein konnte. Auch wenn heute zum Glück keiner schwer verletzt war. Ich hatte auch noch nicht viel Erfahrung und im Prinzip war es der erste LKW Unfall, wo ich anwesend war, als er passierte. Das war immer noch was Anderes, als wenn man nur an einer Unfallstelle vorbeifuhr, der schon längst passiert war. Man hatte ja gesehen, was und wie es passiert war. Das hinterließ einen anderen Eindruck. Andererseits hatte es auch den Eindruck hinterlassen, dass ich mich, sobald ich zu sehr meinen Gedanken nachging, immer wieder zurückholte und meine volle Aufmerksamkeit auf den Verkehr lenkte. Je näher ich jetzt Los Angeles kam, umso wichtiger wurde das. Denn der Verkehr in LA war die Hölle. Es gab nur noch ein paar Städte an der Ostküste, wo der Verkehr noch schlimmer war.

Mit dem anbrechenden Abend kam ich nach LA. Dort fuhr ich mit voller Aufmerksamkeit auf den Verkehr und auch auf die Richtungsfahrbahnen, die ich benutzen musste. Gegen halb Acht am Abend hatte ich endlich das Best Buy Lager erreicht. Ich meldete mich an der Anmeldung und bekam die Anweisung, die Trailer nur an der Seite abzustellen. Auch hier hatte man wieder einen Shunter Trucker, der das Double auseinandernehmen würde. Die nächste Anweisung von Charlie war auch knappgehalten:

10H BREAK

CASA-CSA.

Ich sollte also meine Pause machen. Als ich hier angekommen war, hatte ich schon gesehen, dass das Best Buy Lager genau gegenüber von der Kenworth Niederlassung Los Angeles war. Dort gab es mit Sicherheit noch einen Parkplatz für mich. So war es auch. Zumal ich ja am nächsten Morgen wieder fahren würde. Zu essen gab es mal wieder was aus meinen Vorräten.
Dann telefonierte ich noch eine ganze Zeit mit Keela. Ich musste ihr auch erstmal ausführlich berichten, was denn da am Mittag passiert war. Das ich mit ihr darüber reden konnte, half mir auch, die Erlebnisse des Tages besser zu verarbeiten. Mit den Jahren würde das wahrscheinlich einfacher. Aber mit knapp 22 Jahren war das eben noch nicht so. Zumal ich ja fast den gleichen Lastzug gefahren hatte. Mir hätte das also genauso gut passieren können. Wir telefonierten auch fast zwei Stunden. Dann beschlossen wir beide schlafen zu gehen.

Freitag, den 29. September 2017, 5:00 am Pacific Daylight Time:

Nicht nur Keela musste an diesem Morgen früh aufstehen, etwa 360 Meilen weiter südlich stand mir das gleiche bevor. Ich hatte ja versprochen, dass ich nicht allzu lange auf dem Parkplatz von Kenworth stehenblieb, also machte ich nur meine zehn Stunden Pause. Ich stand gegen fünf Uhr auf und nutzte erstmal den Fahrerraum, wo ich die Toilette und die Dusche nutzen konnte. Sowas war wirklich Kundenservice.
Zur gleichen Zeit, wo Keela sich im Büro von Danny die Disposition übergeben ließ, begann ich auch mit meiner PTI. So waren wir beide gegen sechs Uhr bereit, mit unserer eigentlichen Arbeit zu beginnen. Ich bekam auch prompt meinen Einsatzbefehl von meiner Süßen:

PICKUP: FED-CALA
TRAILER: ???
FREIGHT: FIREWORKS
WEIGHT: 13,500 LB
TO: SC-AZKI
GATE: —–
REMARKS: ADR 1,4

CASA-KRY

Ich durfte also mal wieder Feuerwerkskörper fahren. Keela hatte ja inzwischen begründet, dass ich die Ladungen von ihr absichtlich bekam, um mehr Geld pro Meile zu bekommen.
Das FedEx Lager lag etwa acht Meilen von meinem aktuellen Standort entfernt. Das war schon ein ganz schönes Stück, wenn man dazu quer durch LA fahren musste. Um sechs Uhr ging das noch so halbwegs. Eine halbe Stunde später wird es wohl schon ganz anders aussehen.
Genau diese halbe Stunde brauchte ich auch, bis ich letztlich bei FedEx ankam. Dort konnte ich meine Ladung abfordern, die auch schon fertig verladen war. Ich sattelte den 53 Fuß Trailer auf und erledigte meine PTI. Nun konnte ich mich wieder auf den Weg nach Arizona machen.

Zuerst musste ich aber durch die Straßen von LA zur Interstate kommen. Da die Hauptstraße aber wirklich langsam immer voller wurde, gab ich in meinem Navi ein, dass ich die Stockungen umfahren wollte. Die Route, die die Elektronik wählte, führte mich erst im Zickzack an der Hauptstraße vorbei und erst in einem Vorort direkt auf die I-10. Das hatte wirklich sehr gut geklappt und ich fuhr jetzt auf der Interstate der aufgehenden Sonne entgegen.
Ich fuhr aber nur auf der I-10 aus dem Raum Greater Los Angeles heraus. Dann wechselte ich bei San Bernadino auf die I-15 in Richtung Norden beziehungsweise Barstow. Da die Ladung wieder sehr leicht war, hatte ich auch keine Probleme damit, über die Berge zu kommen.
Als ich auf Höhe des Outlet Centers von Barstow und somit auch auf Höhe des Truckstops war, auf dem ich seinerzeit den Manni getroffen hatte, war es mir für die kurze Pause aber noch viel zu früh. Also ließ ich den Truckstop rechts liegen und fuhr weiter. Nun ging es an Barstow vorbei und dann wieder auf die I-40. Über die ging es wieder nach Arizona. Auch auf der Waage wollte man mich heute nicht haben. Es lief also, nachdem ich Los Angeles hinter mir gelassen hatte, mehr als nur gut. Für meine Pause hielt ich mal wieder auf der Rest Area Essex an, die ich gegen viertel nach Zwölf erreichte.
Dort bereitete ich mir wieder mein Essen aus meinen Vorräten. Dann telefonierte ich noch eine Zeit lang mit Mom, der ich auch von den Ereignissen des Vortags berichtete. Sie war zwar einerseits besorgt, aber nachdem ich ihr versicherte, dass ich immer hochkonzentriert fahren würde, war sie wieder beruhigt. Gegen zwei Uhr machte ich mich wieder auf den Weg nach Kingman.

Es ging zurück auf die I-40 über die ich mich immer weiter Arizona näherte. Lange brauchte ich auch nicht mehr, bis ich dort ankam. Es war kurz vor halb Vier, als ich die Interstate bei Kingman verließ. An der Ampel gab ich auch schon mal ins Tablet ein, dass ich am Supercenter ankommen würde, welches nur noch ein Paar Yards von der Ampel entfernt war. Als ich gegen halb Vier auf das Walmart Gelände fuhr, kam auch der „Ping“ des Tablets. Charlie hatte mir meinen Anschluss geschickt.

PICKUP: SC-AZKI
TRAILER: CT48786
FREIGHT: EMPTY PALLETS
WEIGHT: 27,000 LB
TO: ES-CASA
GATE: 04
REMARKS: —–

CASA-CSA

Es gab also eine Ladung Leerpaletten nach Hause. Genauer gesagt zum Außenlager, Sacramento. Das war mir eigentlich ganz Recht. An diesem Wochenende war Keela zu Hause und konnte nicht nach Pacifica fahren. Sie hatte ja Bereitschaft.
Ich ging nun ins Büro vom Center Management und meldete mich an. Meine Feuerwerkskörper konnte ich an Tor 1 stellen und meine Leerpaletten standen, wie gemeldet, an Tor 4. Wir erledigten den Papierkram und ich ging zurück zum Truck. Dann fuhr ich auf den Hof der Warenannahme.
Dort musste ich aber noch einen Moment warten. Zu meiner Überraschung rangierte dort ein Walmart Shunter Truck. Ich ging zu dem Fahrer und sprach ihn an: „Hallo Herr Kollege. Was machst du denn mit einem Shunter Truck bei einem Supercenter?“ „So groß ist Kingman ja auch nicht, dass wir hier auch noch City Trucker haben. Hier gibt es ja nur dieses Supercenter, welches direkt gegenüber vom Außenlager liegt. Wenn wir was am Außenlager für dieses Supercenter haben, bringe ich das hier rüber. Es sei denn, es ist gerade einer von den Regional Drivern oder Long Hauler Drivern da.“ „Ach so. Ich dachte schon, jetzt bekommen die Supercenter schon eigene Shunter Trucks.“ „Das fehlte auch noch.“, sagte der Kollege lachend. „Für welches Lager fährst du denn?“ „Sacramento.“ „Die fahren dort klassische Kenworth?“ Jetzt musste ich lachen. „Natürlich nicht. Da werden momentan nur noch neue Freightliner Cascadia gekauft. Das ist meiner.“ „Oh. Einer der wenigen Subunternehmer, die wir noch haben.“ „Was feste Unternehmer angeht, schon. Es fahren aber immer mehr die großen, was die eigenen nicht schaffen.“ „Klar. UPS, FedEx und Konsorten.“ „Die sowieso. Mir sind aber in letzter Zeit auch in paar Mal Trucks von Swift entgegengekommen, die Walmart Trailer gezogen haben.“ „Für das Geld können unsere Fahrer auch nicht fahren. Bei Swift fahren doch sehr viele Fahranfänger.“ „Danke, das habe ich jetzt auch verstanden.“ „Gut. Du bist aber freier Owner Operator.“ „So frei, wie man mit einer Maschine sein kann. Ich arbeite quasi mit einem Exklusivvertrag für Walmart. Bisher habe ich es auch noch nicht gehabt, dass ich keine Ladung bekommen habe.“ „Das wird dir bei uns auch wahrscheinlich nicht passieren.“ „Stimmt, wir haben eigentlich immer und überall was.“ „So ist es. Es gibt in Amerika wohl nicht viele Orte, wo wir nicht wenigstens einen Markt haben.“ „Da hast du Recht.“ „So. Ich muss wieder rüber zum Lager. Außerdem brauchst du Platz zum Rangieren.“ „Stimmt.“ „Kommst du gleich rüber?“ „Nein. Ich bekomme die Leerpaletten mit.“ „Wo gehen die denn diesmal hin?“ „Zu uns.“ „Dann bekommst du ja morgen Wochenende.“ „Wir werden sehen.“ Der Shunter Fahrer machte sich auf den Weg und ich hatte jetzt Platz zum Rangieren. Dann sattelte ich um und hatte nun einen 48 Fuß Trailer dahinter. Um vier Uhr hatte ich die PTI abgeschlossen und ich machte mich auf den Weg nach Hause.

Ich verließ das Supercenter und fuhr wieder zurück auf die I-40 in Richtung Westen. Dann ging es wieder zurück nach Kalifornien. Plötzlich fiel mir auf, dass ich total vergessen hatte, die Tanks noch mal mit etwas günstigerem Diesel zu füllen. Jetzt noch mal umzudrehen und tanken zu fahren wäre aber Quatsch. Dann würde ich die Ersparnis wahrscheinlich wieder verfahren. Die Tanks waren auch noch gut halb voll. Da sollte ich zumindest mit bis nach Hause kommen.
Mit meiner Fahrzeit kam ich heute aber nicht mehr allzu weit. Bis nach Barstow würde ich mit meiner Fahrzeit nicht mehr ganz kommen, also blieb mir nichts anderes übrig, als auf der Rest Area Desert Oasis stehen zu bleiben.

Viel bot mir die Wüstenoase aber nicht. Ich hatte aber zumindest saubere Toiletten und eine Möglichkeit mich zu waschen. Die restliche Versorgung würde ich mal wieder aus meinen Vorräten vornehmen. Das war wenigstens günstiger, als im Truckstop zu essen. Am Abend telefonierte ich noch eine ganze Zeit mit Keela. Schließlich legten wir aber doch auf. Sie musste sich am Samstagmorgen die Übergabe von Danny am Telefon anhören und ich wollte schließlich nach Hause.

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