Freitag, den 18. Dezember 2020, 3:30 am, PST, Sacramento, CA:
Mein Reset war leider schon wieder beendet. Daher klingelte mein Wecker schon wieder um halb Vier. Dieses Mal stand ich aber mit dem Bewusstsein auf, dass nach der jetzt beginnenden Woche zwei Wochen Urlaub anstanden. Ich machte den Wecker aus und ging leise ins Bad. Nach der Morgenroutine, die ich komplett mit Dusche und Rasur durchführte, zog ich mir leise die Fahreruniform an. Ich nahm meine Tasche mit der Frischen Wäsche und ging in die Küche. Dort setzte ich den Kaffee auf und machte mir ein Frühstück fertig. Anschließend füllte ich den frischen Kaffee in die Thermoskanne. Der Rest aus der Kaffeemaschine reichte aus, um meine erste Tasse noch zu Hause zu trinken. Anschließend machte ich mich auf den Weg zum Zentrallager.
Auf der kurzen Fahrt wurde mir bewusst, dass es vermutlich das letzte Mal war, dass ich zu diesem Zentrallager zur Arbeit fuhr. Am neuen Lager, am Auburn Boulevard, in der Nähe des McCellan Airports, wurde bereits fleißig eingelagert. Warenlieferungen, deren Ausgang zu den Märkten erst 2021 erfolgen sollten, wurden inzwischen auch bereits dort angenommen. Der Umzug lief genau nach Plan.
Ich kam am alten Zentrallager an und fand meinen Truck auf dem Platz für die kompletten Züge vor. Ich räumte meine Sachen ein und stellte anschließend den Focus auf den Parkplatz. Pünktlich um Fünf begann ich mit der PTI, bei der ich feststellte, dass der Trailer wieder mal leer war. Der Springer hatte laut dem Verlauf im ORBCOMM aber auch so genug zu tun gehabt. Nach der Entladung in San Francisco musste er dort einmal quer durch die Stadt und bei einem 7Eleven Markt Reklamationen für Sacramento laden. Diese gingen zum Außenlager. Anschließend durfte er noch Umlagerungen vom alten zum neuen Zentrallager fahren. Wenigstens liefen die Umlagerungen per Drop and Hook. Jetzt war „mein“ Reefer wieder angesattelt. Den Auftrag für mich sah ich mir nun im ORBCOMM an:
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PRIORITY: URGENT
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Lange Jahre hatten wir nichts mit dem Union Pacific Standort in Sacramento zu tun gehabt. Der Yard der Bahngesellschaft in West Sacramento war nicht für die Lagerung von Lebensmitteln und Stückgütern geeignet. Auch der Standort der Southern Pacific, welcher in Sacramento der größere war, hatte keine Möglichkeiten dafür. Die Union Pacific hatte aber reagiert und nahe dem alten Sacramento Executive Airport, der nur noch als Sportflugplatz diente, Lagerflächen angemietet. Diese hatten zwar nicht einmal einen Bahnanschluss, es gab aber einen Pendelverkehr von West Sacramento zu dem Lager. Es gab zwar noch eine Bahntrasse auf der linken Seite des Sacramento Rivers. Diese war inzwischen aber nur noch eine Museumsbahn.
Ich machte mich auf den Weg zum Lager der Union Pacific. Über die 47th Avenue fuhr ich zur 24th Street. Nun musste ich den alten Flughafen einmal umfahren. Ich bog rechts ab und fuhr bis zur Fruitridge Road, die ab kommendem Jahr mein Weg zur Arbeit sein würde. Ich fuhr bis zum Freeport Boulevard. An diesem lag nicht nur der alte Flughafen, sondern weiter nördlich auch die Werkstatt, wo mein Truck demnächst stationiert sein würde. Außerdem ging von diesem die Zufahrt zu dem Lager der Union Pacific ab. Dort fuhr ich nun hin. In der Einfahrt gab es ein kleines Bürogebäude mit Drive-In-Schaltern. Dort musste man sich anmelden. Man wies mir einen Ladeplatz zu. Dort fuhr ich hin und öffnete die Türen des Trailers. Kurz darauf kam der Ladetrupp. Die Ladung wurde direkt aus einem Kühlcontainer in meinen Reefer umgeladen. Um viertel nach Sechs war alles geladen und ich konnte los. Vor der Abfahrt stellte ich den Reefer richtig ein und verschob die Achsen. Nun konnte ich nach Oxnard fahren.
Auf dem Weg zur Interstate kam ich aber erstmal in den beginnenden Berufsverkehr. Auf dem Freeport Boulevard herrschte bereits reger Verkehr. Nachdem ich mich in diesen Eingefädelt hatte, fuhr ich wieder bis zur Fruitridge Road zurück. Hier fuhr ich jetzt aber nicht in Richtung Lemon Hills, sondern nach Westen in Richtung Sacramento River.

Kurz vor der Interstate wurde die Straße noch zur Seamas Avenue. Von dieser ging es dann aber direkt auf die Interstate 5. Hier fuhr ich südlich in Richtung Los Angeles auf. Eine halbe Stunde später passierte ich Stockton.
Ich folgte immer weiter der I-5 S, bis ich bei Santa Nella, an der Ausfahrt 407, auf die CA-33 S in Richtung Gilroy wechselte. Nach drei Meilen bog ich auf die CA-152 W und hielt mich weiter in Richtung Gilroy. Nach 26 Meilen nahm ich dann die CA-156 W in Richtung Hollister. Weitere 18 Meilen später wechselte ich auf die US-101 S in Richtung Salinas. Hier lief es richtig gut. Der Verkehr lief flüssig, das Wetter war gut, außerdem hatte ich richtig guten Classic Rock im Radio. Der Vormittag lief dann fast ohne nennenswerte Ereignisse dahin. Das Skurrilste an diesem Tag war dann ein alter Peterbilt in Rat Rod Optik, der eine Ladung Teslas zog. Irgendwie passten Image von Truck und Ladung überhaupt nicht zusammen.

Es lief so gut, dass ich glatt vergaß rechtzeitig nach einem Parkplatz für die Pause zu suchen. Ich wurde erst darauf aufmerksam, als ich vom E-Log darauf hingewiesen wurde.
Das Ergebnis war ein Pausenplatz im Industriegebiet in der Nähe vom Santa Barbara Airport. Dort saß ich dann auch wirklich nur meine vorgeschriebene halbe Stunde ab, in der ich noch eine Kleinigkeit aß. Anschließend sollte der Endspurt nach Oxnard folgen.
Ich startete den Kenworth und fuhr zurück zur US-101. Dort nahm ich die südliche Trasse in Richtung Ventura. Die Strecke führte nun an der Pazifikküste entlang. Selbst vom Highway konnte man immer wieder schöne Blicke auf den Ozean bekommen. Die Namen auf den Schildern der Abfahrten waren jetzt immer wieder die von bekannten Badeorten. Arbeiten, wo andere Leute Urlaub machen. Ich beschloss dabei, dass ich in den kommenden Wochen ebenfalls mit Pam und Tim zum Strand fahren wollte. In San Diego ging das ja auch problemlos im Winter.
Schließlich erreichte ich Ventura. Dort nahm ich weiter die US-101 S in Richtung Los Angeles. Lange blieb ich aber nicht mehr auf dem Highway. An der Ausfahrt 62B tauschte ich den Highway gegen den Oxnard Boulevard, über den ich nun Stadteinwärts fuhr. Es ging an Zahlreichen Firmen und Händlern entlang. Nach etwa zweieinhalb Meilen bog ich rechts in die W 2nd Street und fuhr somit auf den Oxnard Airport zu. Im Gewerbegebiet am Flughafen lag auch das hiesige Walmart Lager. Ich musste nur noch links in die S Ventura Rd abbiegen, dann war das Lager erreicht. Genau um 2:45 pm hatte ich mein Ziel erreicht. ORBCOMM hatte mir inzwischen nicht nur die Nummer des Docks mitgeteilt, an welches ich musste, ich wurde dort auch direkt wieder geladen:
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Ich bekam also wieder mal die Lektion, dass Logistik nicht unbedingt mit Logik zu tun hatte. Ich lieferte hier 39,000 Pfund Joghurt an und bekam wieder 39,000 Pfund Joghurt mit. Ich ging jetzt einfach mal davon aus, dass es nicht die gleichen Sorten waren. Andererseits hatte Joghurt auch nur eine vergleichsweise kurze Haltbarkeit, weswegen solche Artikel im Fi-Fo verfahren gelagert wurden. (first in – first out) Also selbst bei genau der gleichen Ware würde dann erst die bereits länger im Lager befindliche Ware, die nicht mehr so lange haltbar war, wie die gerade gelieferte, an die Händler verteilt. Außerdem bekam der 7Eleven sicher keine komplette Ladung Joghurt, sondern eher eine Ladung mit verschiedenen Kühlprodukten.
Tor 23 war zwar eines der Tore, wo das Andocken am schwierigsten war. Heute störte mich das aber nicht. Inzwischen hatte ich genug Routine darin. Außerdem war der Reefer nur 48 Fuß lang. Problematisch war das meist nur mit den 53 Fuß langen Trailern.
Nachdem ich angedockt hatte, blieb mir wieder nichts anderes übrig, als zu warten. Selbst, wenn alles bereit war, würde ich sicher eineinhalb Stunden am Dock stehen, bis der Trailer komplett entladen und wieder beladen war. Ich hatte also Zeit. Diese nutzte ich zuerst, um in aller Ruhe zur Toilette zu gehen. Als ich wieder im Truck war, entschloss ich mich die Scheiben zu putzen. Das war eine ungeliebte Aufgabe, für die ich gerne mal Ausreden fand, um sie vor mir herzuschieben. Heute stand der Truck auf der Ostseite des Gebäudes. jetzt, am Nachmittag also im Schatten. Optimale Voraussetzungen für die Arbeit. Schließlich waren die Scheiben wieder sauber und ohne Streifen. Pünktlich dazu ging die Dezembersonne auch langsam unter.
Wenige Minuten vor 5 pm hörte ich, wie die Rampe des Docks vom Trailer genommen wurde. Die Ampel am Dock schaltete auf grün. Ich durfte also wieder los. Zuerst setzte ich vom Dock ab und schloss die Türen des Reefers. Tatsächlich war nun eine gemischte Ladung im Trailer. Laut den Papieren konnten sowohl Kühlaggregat, als auch Achsen ihre Einstellung behalten. Also auf nach Reno.

Über die S Ventura Rd und die W 2nd Street ging es zurück zum Oxnard Boulevard. Mit dem Berufsverkehr, der um diese Zeit zugange war, fuhr ich durch Oxnard zur US-101. Hier nahm ich die nördliche Trasse in Richtung Ventura. Während meinem Aufenthalt am Lager hatte ich das Radio an. Dort hatte ich bereits gehört, dass am Tejon Pass ein schwerer Unfall war, durch den dort zwei Fahrspuren in Richtung Norden gesperrt waren. Das musste ich mir ja nicht antun. Ich entschied mich also dazu, wie auf dem Hinweg die US-101 zu nehmen. So fuhr ich in Ventura geradeaus. Während der weiteren Fahrt an der Küste entlang hatte ich nun auch genug Gelegenheit, den schönen Sonnenuntergang über dem Pazifik zu sehen.

Den Rest meiner Fahrzeit blieb ich nun auf der US-101 N. Über diese kam ich zu meinem Ende von Lenk- und Schichtzeit nach Santa Maria. Ich erinnerte mich an den kleinen Truckstop, der dort direkt neben dem Highway lag. An der Ausfahrt 169, Betteravia Rd verließ ich den Highway und fuhr auf das Gelände. An sich war es nur eine größere Chevron Tankstelle mit ein paar Truck Parkplätzen und direkt daneben Pappy’s Restaurant. Das Lokal hatte gute Rezessionen und ich meine, dort selbst bereits gut gegessen zu haben. Da dort um acht Uhr Feierabend gemacht wurde, musste ich aber direkt, nachdem ich geparkt hatte, zum Essen gehen. Das Essen war mal wieder sehr gut. Leider wurde es zum Schluss etwas ungemütlich. Ich wurde zwar nicht rausgeworfen, man merkte aber, dass man wollte, dass ich mich nicht länger aufhielt, als eben nötig.
Zurück im Truck folgte das abendliche Telefonat mit Pam. Da Tim bereits im Bett war, konnte ich ihn aber nicht mehr sprechen. Pam berichtete mir noch, dass sie am morgigen Samstag nach Downtown Sacramento fahren wollte. „Ich möchte mal in die Stadt fahren und schauen, ob ich noch was zu Weihnachten für meine Eltern finde.“ „Ich weiß nicht, wie viele Geschäfte in Downtown überhaupt geöffnet haben.“, erwiderte ich. „Ich auch nicht. Ich möchte aber wenigstens mal gucken.“ „Gut, dass wir die Geschenke für Tim direkt zu deiner Mom geschickt haben.“ „Hier würde er sie sicher schon vorher finden. Im Moment ist er so neugierig, dass er überall reinguckt, wo er dran kommt.“ „Von wem hat er das wohl?“ Pam musste lachen. „Warst du als Kind etwa nicht neugierig?“ „Bestimmt nicht. Ich bin nur an die Schränke gegangen, an die ich durfte.“ „Ich glaube, da muss ich mal Mary nach fragen.“ „Meinst du denn, Tim sucht nach Geschenken?“ „Eher nicht. Im Moment glaubt er noch an Santa Claus. Er will einfach so wissen, was in den Schränken ist.“
Wir sprachen noch eine ganze Weile über dies und das. Schließlich legten wir auf. Kurz darauf ging ich in die Koje und schaltete den Fernseher an. Den Sleep Timer stellte ich auf eine halbe Stunde. Das Ausschalten des Fernsehers bekam ich aber schon gar nicht mehr mit.
Samstag, den 19. Dezember 2020, 4:30 am, PST, Santa Maria, CA:
Meine Nachtruhe war um halb Fünf schon wieder zu Ende. So kurz vor Weihnachten war einfach alles eilig. Ich stand auf und zog mich an. Danach wollte ich eigentlich zu der Tankstelle gehen, um die Toilette und den Waschraum zu nutzen. Dort war aber noch alles zu. Auf einem Schild stand aber, dass ab fünf Uhr geöffnet war. Dann musste ich die Planung eben ändern. Zum Zähneputzen und für eine Katzenwäsche musste also mal wieder der Wasserkanister herhalten. Danach setzte ich die Kaffeemaschine in Gang.
Um fünf Uhr ging ich schließlich zur Tankstelle, um wenigstens noch die Toilette zu benutzen. Nach der morgendlichen Sitzung begann ich mit der PTI. Im Anschluss machte ich mich auf den Weg nach Nevada.
Es ging zurück auf die US-101, die ich in Richtung Norden nahm. Für die nächsten drei Stunden blieb ich auf diesem Highway.
Mit dem anbrechenden Morgen verließ ich die US-101 an der Anschlussstelle 345 und tauschte sie gegen die CA-156 E in Richtung Hollister. Ab Hollister ging es in Richtung Los Banos weiter über die CA-156 E. Östlich von Gilroy wechselte ich auf die CA-152 E in Richtung Interstate 5. Nach einer halben Stunde war die Interstate erreicht. Nun ging es auf der I-5 N in Richtung Sacramento weiter.
Etwa zweieinhalb Stunden später hatte ich meine Heimatstadt erreicht. Ich überlegte kurz, ob ich hier irgendwo meine Pause machen und Pam anrufen sollte, entschied mich aber dagegen. Sie wollte ja heute nach Downtown, da wollte ich ihre Planung nicht unnötig durcheinander bringen. Dass es vielleicht besser gewesen wäre, wussten weder Pam, noch ich zu diesem Zeitpunkt.

Stattdessen entschied ich, erstmal weiterzufahren und den Raum Sacramento wieder zu verlassen. An der Anschlussstelle 522 verließ ich die Interstate 5 und wechselte auf die I-80 E in Richtung Reno. Über den Freeway ging es quasi am Außenlager vorbei. Danach war ich auf der Interstate 80, über die ich den Raum Sacramento verließ und mich anschließend auf den Weg in die Sierra Nevada und damit auf den Anstieg zum Donner Pass machte.

Mit 39,000 lb im Trailer musste der Cummins ISX 12 wieder kräftig kämpfen, um den Zug halbwegs anständig die Berge hinauf zu bekommen. An den steilsten Passagen musste ich mal wieder bis zum siebten Gang zurückschalten.
Gegen zwölf Uhr mittags hatte ich den Donner Pass erreicht und gönnte sowohl dem Kenworth, als auch mir die verdiente Mittagspause. Hier war ich auch inzwischen wieder in einer weißen Winterlandschaft angekommen.
Nach einer kurzen Toilettenpause machte ich mir aus meinen Vorräten einen netten, kleinen Lunch zurecht. Diesen genoss ich mit der Aussicht auf die verschneiten Berge.
Plötzlich klingelte mein Telefon. Pam rief an. „Hey Sweetheart. Woher wusstest du, dass ich gerade Pause mache?“, sagte ich zur Begrüßung. Als Antwort vernahm ich erstmal nur ein Schluchzen und merkwürdige Hintergrundgeräusche. Es waren Sirenen von Polizei oder Rettungsdiensten. Außerdem klang es, als würde Pam mitten auf einem Highway stehen. „Sweetheart… hörst du mich?“, rief ich in mein Smartphone. „Steve…“, schluchzte Pam. „Ja, Süße. Ich bin hier…“, rief ich wieder ins Handy. „Es gab einen Unfall…“, schluchzte Pam. Der Rest war wieder unverständlich. „Geht es dir und Tim gut?“, rief ich wieder ins Handy. Es kam erstmal wieder nur Pams Weinen. Auf einmal hörte ich eine männliche Stimme: „Hallo Mr. Murdock…“ „Ja, der bin ich. Wer sind Sie?“ „Mein Name ist Sergeant Anthony Harris von der California Highway Patrol. Sie sind als Notfallkontakt für Ihre Frau hinterlegt.“ „Ja, das ist korrekt. Können Sie mir schildern, was hier überhaupt los ist?“ Mein jahrelanges Training hatte mich auf den Erhalt schlimmer Nachrichten vorbereitet. Der Marine in mir hatte instinktiv übernommen und erwartete einen klaren Bericht des Sergeants.
„Ihre Frau war mit Ihrem Fahrzeug in einen Verkehrsunfall verwickelt. Offenbar ist sie aktuell nicht in der Lage, Ihnen das selbst mitzuteilen.“ „Was ist mit meiner Frau und meinem Sohn?“, fragte ich. Nach außen klang meine Stimme klar und fest. Innerlich war alles zum Zerreißen angespannt. „Ihre Frau und Ihr Sohn sind mit leichten Verletzungen oder Blessuren davongekommen. Glücklicherweise waren beide angeschnallt und Ihr Sohn war im geeigneten Kindersitz. Sonst wäre es sicher schlimmer ausgegangen. Ihr Sohn ist auch putzmunter. Nur Ihre Frau hat den Unfall wohl mental nicht gut verkraftet. Sie hat einen Weinkrampf oder Ähnliches. Ich bin kein Mediziner und kann das nicht beurteilen.“ „Meine Frau ist psychisch etwas labil und normal in psychiatrischer Behandlung, die aufgrund der Covid19 Problematik pausiert.“ „Verstehe. Das erklärt manches. Wissen Sie den Namen ihres Psychiaters?“ Ich nannte ihn dem Beamten. „Ich werde versuchen ihn zu erreichen. Vielleicht braucht Ihre Frau eine Krisenintervention.“ „Können Sie mir noch irgednwas zum Unfallhergang sagen?“ „Ihre Frau war mit Ihrem Fahrzeug auf dem South Sacramento Freeway unterwegs. Sie wollte dann wohl auf die US-50 West in Richtung Downtown wechseln, als sie mit einem Truck kollidierte, der in östliche Richtung auf die US-50 wollte. Nach unseren bisherigen Ermittlungen hat sich Ihre Frau richtig verhalten, der Fahrer des Trucks war aber wohl erst auf der falschen Spur und hat die Spur verkehrswidrig gewechselt und den Wagen Ihrer Frau dabei übersehen. Dieser ist dabei unter den Trailer geraten.“ Ich musste erstmal schlucken. Ich hatte schreckliche Bilder vor Augen. Glücklicherweise wusste ich schon, dass es Pam und Tim soweit gut ging. „Danke für die Informationen.“, sagte ich zu dem Beamten. „Ich kümmere mich um alles Weitere. Ich gebe Ihnen nochmal Ihre Frau.“ Kurz darauf vernahm ich wieder Pams leises Schluchzen. „Hey Sweetheart“, sagte ich sanft. „Geht es dir gut?“ „Ich… ich weiß nicht…“, stammelte Pam. Dabei weinte sie immer noch. „Das muss schrecklich gewesen sein.“, sagte ich mitfühlend. „Der… der war so groß… und kam auf einmal immer näher… ich… hab gehupt, aber… der kam weiter… immer näher…“, sie begann wieder zu weinen. „Sweetheart.“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Der Cop hat gesagt, dass du nichts falsch gemacht hast.“ „Ja, aber… warum?…“, sie weinte wieder. „Der Truckdriver hat alles falsch gemacht.“ „Das Auto ist total kaputt…“ „Das ist nicht schlimm. Hauptsache dir und Tim geht es gut.“ „Ich… weiß nicht…“ „Beruhige dich. Alles wird gut.“ „Sicher?“ „Ganz sicher.“ „Okay… ich versuch’s…“, sie brach ab und begann wieder zu schluchzen. „Ich rufe jetzt Mom an. Sie kümmert sich um euch.“ „Okay… Danke.“ „Ich liebe dich. Dich und Tim.“
Mit einem flauen Gefühl im Magen legte ich auf. Danach rief ich Mom an. „Hallo Steven. Bist du nicht arbeiten?“, fragte mich Mom. „Hallo Mom. Ich brauche deine Hilfe.“, begann ich ohne Umschweife. „Was kann ich tun?“ „Pam hatte einen Verkehrsunfall. Kannst du dich um sie und Tim kümmern?“ „Natürlich.“, sagte Mom nach eine Schrecksekunde. „Wie geht es den beiden?“ „Beide haben zum Glück nur leichte Verletzungen. Ansonsten soll Tim wohl munter sein. Pam ist aber völlig mit den Nerven runter. Sie hat wohl einen Nervenzusammenbruch. Sie ist nur am Weinen und kann sich kaum beruhigen.“ „Pamela ist ja auch vorbelastet.“, sagte Mom. „Vermutlich geht das bei ihr schneller.“ „Kann schon sein.“ Ich schilderte Mom kurz, was ich wusste und gab ihr den Namen von Sergeant Harris und auch von Pams Therapeuten. „In Ordnung, Steven. Ich kümmere mich um alles.“, sagte Mom. „Ich weiß ja, was kurz vor Weihnachten bei euch in der Firma los ist.“ Ich bedankte mich bei ihr und legte auf. Ob ich wollte oder nicht, ich musste weiterarbeiten. Mein restliches Essen entsorgte ich. Mir war sowieso der Appetit vergangen.
Ich startete den Kenworth und fuhr zurück auf die I-80 E in Richtung Reno. Die schöne Winterlandschaft, durch die ich fuhr, war mir jetzt egal. Meine Gedanken waren mehr bei Pam und Tim, als bei der Sache. Außerdem ertappte ich mich bei der Frage, ob der Unfall nicht passiert wäre, wenn ich doch in Sacramento Pause gemacht hätte und mich mit Pam und Tim getroffen hätte. Zu Ändern wäre es jetzt sowieso nicht mehr, trotzdem beschäftigte mich das.
Als ich die Grenze zu Nevada passierte, konzentrierte ich mich aber doch wieder mehr auf das Hier und Jetzt. Den 7Eleven, den ich beliefern musste, kannte ich noch nicht. Daher musste ich mich konzentrieren. An der Ausfahrt 10, Mc Carran Boulevard West, sollte ich die Interstate verlassen. Danach sollte ich links auf den N Mc Carran Blvd fahren. Dort gab es mehrere Zentren mit Geschäften. Der 7Eleven lag aber direkt rechterhand beim ersten Zentrum, welches sofort neben der Interstate lag. Außer dem 7Eleven gab es hier noch einen Reifenhändler und diverse Filialen von Fast Food Ketten. Der Markt selbst war eine Mischung aus Tankstelle und kleinem Lebensmittelmarkt. Vermutlich bekam er nicht so oft Ware. Trotzdem ging dort, vielleicht wegen dem Weihnachtsgeschäft, eine komplette Ladung Frischware hin. Aufgrund des mangelnden Platzes beeilte man sich aber, meinen Truck zu entladen. Die ungeliebte Werbung auf meinem Truck trug das Ihre dazu bei, damit die Entladung schnell vonstatten ging.
Während der 45 Minuten, die ich hier stand, schrieb ich immer wieder mit Mom. Sie hatte Pam und Tim inzwischen abgeholt und nach Hause gebracht. Tim war wirklich putzmunter und erzählte seiner Granny in allen Einzelheiten vom Crash. Währenddessen bekam Pam Besuch von ihrem Psychiater, der sie nicht nur beruhigte, sondern ihr auch was gab, damit sie erstmal schlafen konnte. Mom würde sich in der Zeit um Tim kümmern.
Bei dem kleinen Laden bekam ich keinen Anschluss, daher schaute ich im ORBCOMM, wie es für mich weitergehen sollte:
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REMARKS: UNLOAD AT „NEW“ CENTRAL STORAGE
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Wir arbeiteten offensichtlich wieder mehr mit der Bahn zusammen. Es gab schon wieder eine Ladung von der Union Pacific. Dieses Mal vom Intermodal Hub in Sparks, was vom Ortskürzel mit Reno zusammen unter RNO geführt wurde. Mom hatte Jessy sicher über den Unfall informiert. Ob Jessy mich deshalb nach Sacramento holte, wusste ich aber nicht. Bis zurück nach Hause reichte meine Fahrzeit sowieso nicht. Zuerst musste ich aber noch ein Stück weiter nach Osten.
Ich fuhr zurück auf den N Mc Carran Blvd und dann links auf die I-80 E in Richtung Sparks. Nach fünf Meilen erreichte ich die Ausfahrt 17, Rock Blvd / Nugget Ave. Über die Nugget Avenue kam ich zum Yard der Union Pacific, an dem normal Container von der Straße auf die Schiene und umgekehrt umgeladen wurden. Solche Sachen erledigten aber üblicherweise Subunternehmer oder Spediteure für Walmart. Wir machten das nur in Ausnahmefällen und hatten normal keine Containerchassis. Inzwischen bot man uns aber auch an, die Waren aus einem Container umzuladen. Heute wurde eben das Tiefkühlgemüse aus einem Kühlcontainer in meinen Trailer umgeladen.
Ich meldete mich an und mir wurde ein Platz zugewiesen, wo umgeladen wurde. Um die Unterbrechung der Kühlkette so gering wie möglich zu halten, wurde sogar mit zwei Staplern gearbeitet. Trotzdem stand ich hier eine dreiviertel Stunde. Ich war auch in dieser Wartezeit wieder mit Mom in Kontakt. Sie spielte bei uns zu Hause mit Tim. Dieser hatte den Unfall gut überstanden. Für ihn war das alles nur ein großes Abenteuer. Ihn belasteten aber auch weder Schuldgefühle, noch die Sorge um die Kosten. Pam schlief und ich hatte die Hoffnung, dass es ihr danach besser gehen würde.
Als alles aufgeladen war, erledigte ich noch schnell den Papierkrieg, danach konnte ich mich auf den Weg zurück nach Kalifornien machen.
Zuerst schob ich die Achsen des Trailers an die richtige Position, dann warf ich einen Blick auf die Tankuhr. Es machte Sinn, auch noch tanken zu fahren. Also fuhr ich ostwärts auf die Nugget Avenue zurück. Nach einer Meile erreichte ich den Mc Carran Boulevard. Dieses Mal den in Sparks. Nun fuhr ich auf die Nordseite der Interstate 80, wo ein Truckstop der Travelcenters of America lag. Hier füllte ich die Tanks des Trucks wieder auf. Für den Feierabend war es mir noch zu früh. Also verließ ich den Truckstop wieder und fuhr auf die I-80 W in Richtung Sacramento. Eine Weile später war ich wieder zurück in Kalifornien.
Schließlich hatte ich die CDFA Inspection Station, Truckee erreicht. Die Weigh Station gab mir einen Bypass. Die DFA Kontrolle blieb mir aber nicht erspart. Die Kontrollen galten zwar nur für frisches Obst und Gemüse, aber auch bei industriell verarbeiteten Lebensmitteln wurden zumindest gerne mal die Dokumente genau geprüft. Gegen viertel vor Sieben war dann alles erledigt. Nun hatte ich aber auch keine Lust mehr, weiter zu fahren. Also blieb ich auf den Parkplätzen der Kontrollstelle für meine Ruhepause stehen.

Inzwischen hatte ich doch wieder Hunger. Ich machte mir den Inhalt einer Dose Tomatensuppe in der Mikrowelle heiß und machte mir dazu noch ein paar Sandwiches.
Nach dem Essen bekam ich noch einen Anruf. Es war aber nicht, wie erwartet Mom, sondern Pam. Sie klang immer noch nicht so, wie gestern, aber immerhin wesentlich besser, als vorhin.
„Hallo Darling.“, begrüßte sie mich. „Hey Sweetheart. Wie geht es dir?“ „Etwas besser als vorhin. Ich habe aber Kopfschmerzen. Außerdem tun mir die Verletzungen weh.“ „Hast du viel abbekommen?“ „Wenn man bedenkt, dass der Truck von links kam, habe ich wohl Glück gehabt. Glücklicherweise ist Tims Kindersitz auf der rechten Seite.“ „Wie konnte er dich denn übersehen?“ „Frag mich was leichteres. Ich hatte sogar Licht an.“ „Das sollte auch kein Vorwurf sein.“ „Weiß ich. Ich frage mich selbst schon die ganze Zeit, ob ich was falsch gemacht habe. Ich finde nichts.“ „Laut dem Cop, mit dem ich gesprochen habe, hast du nichts falsch gemacht. Du warst nur im falschen Moment neben dem Truck.“ „Der kam aber auch nicht von hier. Das waren keine Kennzeichen aus Kalifornien.“ „Mach dir mal keinen Kopf.“ „Wie sollen wir den jetzt nach San Diego kommen? Wir wollten doch mit dem Auto fahren?“ „Keine Ahnung. Momentan haben wir kein Geld für ein neues Auto. Damit du momentan mobil bist, kannst du dir meinen Wagen am Zentrallager abholen. Ich weiß aber nicht, ob der alte Focus die Fahrt nach San Diego noch mitmacht.“ „Das bezweifele ich.“ In dem Moment sagte Mom was im Hintergrund. „Das können wir nicht annehmen.“, sagte Pam zu ihr. „Was können wir nicht annehmen?“, fragte ich. „Deine Mom will uns Geld für ein neues Auto geben.“ „Das können wir wirklich nicht annehmen. Wir haben auch unseren Stolz.“ „Was?“, fragte Pam in Richtung Mom. „Gib sie mir mal.“, bat ich Pam. „Hallo Steven.“, sagte Mom wieder. „Mom, wir können doch kein Geld für ein Auto von dir bekommen. Ich könnte dir und Dad nie wieder in die Augen sehen.“ „Das klingt so, als ob ich euch ein Auto schenken wollte.“, sagte Mom. „So habe ich das verstanden.“ „Nein.“, sagte sie fest. „Ich spreche nur davon, euch das Geld vorzustrecken, bis die Versicherung von dem Unmensch für den Schaden aufkommt, den er verursacht hat.“ „Wie meinst du das?“ „Ihr wollt in ein paar Tagen nach San Diego fahren. Bis die Versicherung zahlt, ist es vermutlich Ostern und nicht Weihnachten. Außerdem hätte ich kein gutes Gefühl, wenn ihr mit deinem alten Auto so eine lange Strecke fahrt.“ „In Ordnung. Das ist was anderes.“ „Gut. Dann machen wir das so. Soll ich heute Nacht hier schlafen?“ „Da fragst du besser Pam. Ich weiß nicht, womit sie sich besser fühlt.“ „Na gut. Dein Vater und ich sind jedenfalls jederzeit für euch da.“
Pam entschied sich dafür, dass Mom nach Hause fahren sollte. Sie versprach aber, sich zu melden, wenn irgendwas ist. Wir telefonierten auch nicht mehr allzu lange, weil die beiden Tim ins Bett bringen wollten.
Nach dem Telefonat blieb ich auch nicht mehr lange auf. Als ich mich hinlegte, behielt ich das Telefon aber in greifbarer Nähe.
Sonntag, den 20. Dezember 2020, 4:30 am, PST, Truckee, CA:
Nach einer unruhigen Nacht klingelte um halb Fünf mein Wecker. Die Unruhe hatte nichts mit dem Verkehr zu tun. Hier mussten sowieso alle langsam die Kontrollstelle passieren. Es lag eher daran, dass ich mir Sorgen machte. Ich machte mir keine Sorgen um die materiellen Schäden. Diese waren schließlich versichert. Auch die körperlichen Blessuren von Pam und Tim waren zu vernachlässigen. Die Sicherheitssysteme des Ford hatten beide entsprechend gut geschützt, so dass sie nur leichte Blessuren hatten. Was mir Sorgen machte, war Pams mentaler Zustand. In den letzten Wochen war ich so glücklich, weil Pam wieder beinahe so war, wie ich sie kennengelernt hatte. Hoffentlich machte ihre Angststörung nicht wieder was mit ihr, wie es vor einem Jahr noch war. Wenn sie nun Ängste bekam, Auto zu fahren oder gar das Haus zu verlassen, wusste ich nicht, was ich dann tun würde.
Diese Gedanken gingen mir die halbe Nacht nicht aus dem Kopf. Dadurch schlief ich wirklich sehr unruhig. Trotzdem musste ich nun wieder aufstehen. Die Ladung war eilig und wurde am frühen Morgen in Sacramento erwartet.
Ich stand auf und setzte als erstes die Kaffeemaschine in Gang. Kaffee sollte heute für mich immens wichtig sein, um den Tag nach der Nacht zu überstehen.
Nachdem ich meine Fahreruniform angezogen hatte, suchte ich die Sanitäranlagen der Kontrollstelle auf. Der Vorteil war hier, dass diese wenigstens hygienisch sauber waren. Darauf wurde Wert gelegt. Hier erledigte ich meine Morgentoilette und eine schnelle Wäsche.
Gegen viertel nach Fünf war die Pause um und ich begann mit der PTI. Unweit des Donner Passes war es hier natürlich entsprechend frisch. Wenigstens war die Kontrollstelle gut ausgeleuchtet, so dass ich die Kotrollpunkte trotz des dunklen Wintermorgens gut erkennen konnte. Schließlich war die Kontrolle beendet und ich konnte losfahren.
Es ging zurück auf die I-80 W, über die nun erst der Anstieg zum Donner Pass erfolgte. Als dieser erreicht war, folgte die Strecke mit überwiegend mehr oder weniger starken Gefällstrecken, über die es in meine Heimatstadt ging. Am frühen Sonntagmorgen war nichts los und ich kam gut voran. So war ich schnell in Sacramento.
In der Nähe des McCellan Airports hielt ich mich ganz rechts, um auf den Capital City Freeway zu wechseln. Dort kam ich aber gar nicht richtig drauf. An der Ausfahrt 14B verließ ich nämlich den Freeway und wechselte auf die Watt Avenue. Nun ging es erst über die Interstate 80 hinweg, danach am Abzweig zu unserem Außenlager vorbei. Ich folgte der Watt Avenue bis zur Kreuzung mit dem Auburn Boulevard. Hier bog ich nun rechts ab. Etwa nach einer halben Meile lag nun linkerhand das „neue“ Zentrallager. 3000, Auburn Boulevard. Eine Adresse, die man sich gut merken konnte.

ORBCOMM wies mir nun Tor 20 zu, an welchem mein Trailer entladen werden sollte. Also fuhr ich zu dem Tor und dockte an. Nun hatte ich wieder Zeit zum Warten und in diesem Fall zum Frühstücken.
Auf einmal klingelte mein Handy. Ein Anruf der Dispatch wurde angezeigt. „Wer stört?“, meldete ich mich. „Guten Morgen Steve. Jessy hier.“ „Hallo Schwesterchen. Was gibt’s?“ „Zuerst wollte ich fragen, wie es dir nach den Ereignissen von gestern geht.“ Das waren ja ganz neue Töne von Prinzessin Jessy. So kannte ich sie gar nicht. „Besonders gut habe ich nicht geschlafen. Ich mache mir Sorgen, wie Pam die ganze Sache verkraftet hat.“ „Klar. Das ist verständlich. Grüße sie und Tim von mir. Sie sollen die Ohren steif halten.“ „Werde ich machen.“ „Muss ich dich denn jetzt aus der Planung nehmen, oder kannst du noch weiterfahren?“ „Viel kann ich ja am Sonntag sowieso nicht machen. Wenn du mich brauchst, fahre ich noch eine Tour.“ „Das wäre gut, sonst gehe ich hier unter. Du kennst das sicher. Bis Weihnachten muss noch so viel wie möglich in die Geschäfte.“ „Schicke mich aber nicht allzu weit weg.“ Jessy überlegte einen Moment. „Wie wäre es mit Yosemite Valley? Ich habe eine Ladung Non-Food Ware, die dorthin muss.“ „In den Nationalpark? Darf ich da mit einem Truck überhaupt rein?“ „Sonst würde ich dir das nicht geben.“, sagte Jessy spitz. „Irgendwie müssen die Anwohner ja schließlich auch versorgt werden. Du darfst nur nicht über den Tioga Pass ins Great Bassin.“ „Okay. Dann her mit der Tour.“ „Kommt gleich übers ORBCOMM. Übrigens, Mom hat gerade gesagt, dass sie nach dem Frühstück wieder zu euch rüberfährt, um sich um Pam und Tim zu kümmern.“ „Klingt gut. Sie kann sich ja gleich mal bei mir melden.“ „Sage ich ihr. So. Ich muss mich noch um ein paar andere Fahrer kümmern.“ Wir beendeten das Telefonat.
Kurz darauf meldete ORBCOMM: „Neuer Auftrag eingegangen.“ Ich sah ihn mir dann auf dem Display an:
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Im Großen und Ganzen war so nichts Besonderes bei dem Auftrag. Dass sicher keine komplette Ladung Fernseher zu dem Laden ging, war klar. Es war eben wieder mal die erste Position auf der Liste. Der Empfängercode war etwas ungewöhnlich. XXX stand für diverse Kunden, OYS war der IATA Code für den Yosemite Park. Beim Klick auf die Zeile erschien die Adresse: Village Store, 9011, Village Dr, Yosemite Valley, CA, 95389. Offensichtlich ein Supermarkt, der keiner Kette angehörte. Dann gibt es wenigstens kein Theater mt der Werbung auf dem Truck, dachte ich. Zuerst musste aber der Trailer entladen sein. Ich stieg aber schonmal aus und schaltete das Kühlaggregat aus. Zum Trocknen und Lüften reichte die Zeit aber nicht aus. Zu feucht sollte es im Trailer aber trotzdem nicht sein.
Um viertel nach Sieben war der Trailer entladen und ich konnte zum Außenlager fahren. Der Vorteil dabei war, dass es vom neuen Zentrallager nur ein paar Minuten bis dorthin war. Früher musste man mit einer halben Stunde Fahrt rechnen. Ich setzte den Truck vom Dock ab und schloss die Türen. Anschließend verließ ich das Zentrallager.
Es ging wieder rechts auf den Auburn Boulevard. Nach einer halben Meile bog ich wieder links in die Watt Avenue. Es ging also erstmal genau in die Richtung, aus der ich gekommen war. Bevor ich aber die Interstate 80 erreichte, bog ich links in den Longview Drive, an dem das Außenlager war. Es waren keine Zehn Minuten vergangen, seit ich das Zentrallager verlassen hatte, schon war ich am Außenlager. Dort setzte ich den Truck an Dock Nummer 2. Nun wurde die Ladung für das Yosemite Valley verladen.
Während der Beladung rief mich Mom an. „Guten Morgen Mom. Jessy hat mir schon gesagt, dass du gleich wieder zu Pam und Tim fährst.“ „Es ist vermutlich besser, wenn die beiden nicht ganz alleine sind.“ „Du hast vermutlich recht. Ich habe schon schlecht geschlafen. Ich möchte nicht wissen, was Pam nun wieder für Albträume hatte.“ „Hoffentlich wird Pamela nicht wieder krank.“, sagte nun auch Mom. „Wobei ja, rational betrachtet, nichts Schlimmes passiert ist.“ „Na ja. Ich habe euren Wagen gesehen. Der ist nicht mehr reparabel.“ „Alles Materielle kann man ersetzen. Außerdem ist das versichert. Ich meinte eben nichts Schlimmes für Leben und Gesundheit.“ „Natürlich, Steven.“ „Pam sollte aber so schnell, wie möglich wieder Auto fahren. Sonst könnte sich dabei ein Trauma bilden.“ „Dazu braucht sie erstmal ein Auto.“, stellte Mom fest. „Nehmt gleich den Zweitschlüssel und holt mein Auto am alten Zentrallager weg. So sind Pam und Tim wieder mobil und sie muss wohl oder übel ans Steuer.“ „Das kann funktionieren.“, überlegte Mom. „Was mache ich, wenn Pamela nicht will?“ „Dann musst du sie leider zu ihrem Glück zwingen. Man sagt immer, wer vom Pferd fällt, muss sofort wieder aufsteigen.“ „Ich werde es versuchen.“ „Sonst rufst du mich an.“ „Gut.“
Wir beendeten das Telefonat und ich schaute zur Uhr. Es war bereits nach Acht. Wenn Tim so munter war, wie immer, sollte er Pam bereits aus dem Bett geholt haben. Ich versuchte mein Glück und rief zu Hause an. „Guten Morgen, Darling.“, meldete sich Pam. Dabei klang sie besser, als ich vermutet hatte. „Schön, dass du anrufst.“ „Hallo Sweetheart. Ich wollte mal hören, wie es dir heute geht.“ „Es könnte schlimmer sein.“, sagte Pam. „Die Nacht war zwar nicht toll, wie du dir denken kannst, aber es muss ja irgendwie weitergehen.“ Ich war angenehm überrascht. Pam hatte den Unfall wirklich gut weggesteckt. „Hast du noch Schmerzen?“, fragte ich nun. „Klar habe ich noch Schmerzen.“, sagte Pam. „Ich habe den Kampf gegen einen 18Wheeler verloren. Mir sind die Airbags um die Ohren geflogen, genau wie die Splitter der Scheiben.“ Ich schluckte einmal kräftig. „Ich bin froh, dass du nicht mehr abbekommen hast.“ „Mit ein paar Schnittwunden und jeder Menge blauer Flecken musst du mich aber ertragen.“, sagte Pam ironisch. „Hauptsache du bist sonst in Ordnung. Ich hatte schon befürchtet…“ „Was? Dass ich mich wieder in mein Schneckenhaus zurückziehe? Keine Chance. Dazu hätte es mich oder Tim schlimmer erwischen müssen.“ „Gott sei Dank.“, sagte ich erleichtert. „Unfälle passieren. Das weiß ich. Ansonsten müsste ich uns drei vollends in Watte packen. Mit dem Thema habe ich mich schon befassen müssen, als wir entschieden haben, dass du Truckdriver wirst. Da habe ich das mit meinem Therapeuten alles schon durch.“ „Das wusste ich nicht.“ „Das war doch naheliegend. Wenn ich vorher Angst davor hatte, dich durch eine Schussverletzung zu verlieren, war es nur klar, mich mit Risiken zu befassen, die dein neuer Job mit sich bringt.“ „Verstehe.“ „Schwere Verkehrsunfälle standen da recht weit oben auf der Liste.“ „Natürlich.“ „Nun hat es uns erwischt und nicht dich.“ „Als ich dich gestern gehört habe, wo du nicht aufhören konntest zu weinen…“ „Da stand ich auch noch unter Schock.“ „Natürlich.“ „Ich frage mich eher, wie das jetzt weitergeht. Ich kann ja nicht für jede Fahrt zum Einkaufen ein Uber rufen.“ „Ihr nehmt gleich den Zweitschlüssel vom Focus und dann nimmst du den erstmal.“ „Okay. Damit fahre ich aber nicht bis nach San Diego.“ „Mom streckt uns doch Geld vor. Sobald ich frei habe, suche ich ein anderes Auto für uns.“ „Meinst du, das klappt noch vor Weihnachten?“ „Wenn wir nicht zu wählerisch sind.“ „Ich verlasse mich auf dich. Wo bist du denn gerade?“ „In Sacramento am Außenlager.“ „Echt jetzt?“ „Ich werde gerade für eine Tour ins Yosemite Valley geladen.“ „Da würde ich gerne mitfahren.“ „Da fahren wir mal privat hin.“ „Gute Idee.“ „Ich hoffe mal, dass ich morgen aus der Planung genommen werde. Normal hab ich ja ab morgen zwei Wochen Urlaub.“ „Gut. Dann komm schnell wieder nach Hause.“ „Ich liebe dich, Sweetheart.“ „Ich dich auch, Darling.“ Wir legten auf und ich setzte mein Frühstück fort.
Gegen viertel vor Neun war die Beladung beendet. Nachdem ich vom Dock abgesetzt hatte, schloss ich die Türen des Trailers. Die Achsen brauchte ich nicht verschieben. Es war ja nicht mal 400 Pfund Unterschied zur vorherigen Ladung. Anschließend fuhr ich zurück auf den Longview Drive und weiter zur Watt Avenue. Jetzt fuhr ich hier aber nur bis zur Auffahrt auf den Capital City Freeway, den ich in Richtung Süden nahm. Über den Elvas Freeway ging es weiter zum S Sacramento Freeway, die CA-99 S. Nun kam ich fast zu Hause vorbei. Ich blieb auf dem Highway und passierte Stockton. Bei Salida wechselte ich an der Anschlussstelle 233 auf die CA-219. Hier ging es in Richtung Osten weiter. Im Norden von Modesto bog ich dann links auf die CA-108 E. Es ging durch Riverbank und Oakdale. Erst durch das Tal des Stanislaus Rivers und danach weiter in die Berge der Sierra Nevada. Ab Oakdale nahmen die CA-108 und CA-120 die gleiche Trasse. Bei Yosemite Junction trennten sich die Highways wieder. Hier bog ich rechts in die CA-120 E, die in den Nationalpark führen sollte. Es ging zum Woods Creek, dessen Ausläufer ich über die James E. Roberts Memorial Bridge überquerte.

Ab dem Ort Moccasin ging es richtig in die Wälder und Berge. Zusätzlich zu den Steigungen und den zahlreichen Serpentinen kam nun auch noch Verkehr durch Ausflügler und auch andere Lieferanten. Speziell ein Kollege mit einem untermotorisierten Double hielt mich eine lange Zeit auf. Wenn wir mit unseren Walmart Trucks, mit gut 400 PS und gerade mal 10 Gängen schon auf andere Trucks aufliefen, dann sollte das schon was heißen. Dieser Kollege brachte mich sogar dazu, dass ich bergauf noch bremsen musste.

Ich passierte Big Oak Flat und Groveland. Dort wurde ich wenigstens den langsamen Truck vor mir los. Danach ging es erstmal störungsfrei weiter. Es ging weiter auf und ab und durch zahlreiche Kurven. Die Zeit, die ich durch den langsamen Kollegen verloren hatte, würde ich aber sicher nicht mehr aufholen. Wenigstens sollte ich nicht so hoch kommen, dass ich wieder in die winterlicheren Bereiche kam. Schließlich erreichte ich die Einfahrt in den Nationalpark.

Zuerst begrüßte mich das bekannte Schild, kurz darauf die Mautstation, die hier auch die Einfahrt in den Nationalpark reglementierte. „Guten Tag.“, begrüßte mich der Beamte pikiert. „Sie sollten eigentlich wissen, dass Trucks und gewerbliche Transporte nicht in den Nationalpark einfahren dürfen.“ „Guten Tag.“, erwiderte ich. „Ich bin Anlieger und soll im Nationalpark anliefern.“ „Ihre Lieferpapiere bitte.“, sagte der Beamte. Ich reichte ihm die Papiere, die ich aus diesem Grund absichtlich nicht, wie sonst, an der Ware hatte. Der Beamte vertiefte sich regelrecht in die Papiere und überprüfte die gesamte Ladeliste. „Wo sollen Sie dieses ganze Zeug anliefern?“, fragte er trotzdem. „Wie es auf den Papieren steht, beim Village Store in Yosemite Valley.“ Er vertiefte sich abermals in die Papiere. Offensichtlich glaubte er das nicht. „Da fahren sonst immer kleinere Trucks hin.“, sagte er eine ganze Weile später. „Vielleicht hat man vor Weihnachten mal etwas mehr bestellt.“ Zum Glück gab es zur Einfahrt drei Spuren. Ansonsten hätte ich einen längeren Stau verursacht. Es kamen nämlich einige Fahrzeuge hier an, die vielleicht die Weihnachtsferien hier im Nationalpark verbringen wollten. „Ich notiere mir Ihre Nummer. Falls das fingierte Papiere sind, um per Transit durch den Nationalpark zu kommen, finden wir das raus. Der Verdacht kommt mir nämlich.“ „Das ist doch lächerlich.“, sagte ich. Inzwischen war ich nämlich selbst etwas sauer. Er nahm sich einen Zettel und notierte sich Kennzeichen, die Walmart Nummer und die DOT Nummer. Anschließend durfte ich endlich weiterfahren.

Ich folgte weiter der CA-120 E. Dort, wo die CA-120 über die Tioga Road zum gleichnamigen Pass führte, blieb ich auf der Big Oak Flat Road und hielt mich in Richtung Yosemite Valley. Nach zehn Meilen erreichte ich das Tal des Merced Rivers. Hier bog ich links in die El Portal Road. Es ging weiter in Richtung Yosemite Valley und zur CA-41 in Richtung Fresno. Kurz darauf gabelte sich die Straße und führte jeweils als Einbahnstraße auf beiden Seiten des Flusses entlang. Über den Southside Drive ging es weiter auf mein Ziel zu. Nach fünf Meilen hatte ich das Dorf erreicht. Hier konnte ich den Merced River wieder überqueren und über den Northside Drive ein Stück zurück fahren. Danach konnte ich in den Village Drive abbiegen, an dem der Laden war. Hier gab es neben Lebensmitteln und Andenken eben auch allerhand Nonfood Artikel, von denen ich nun einige in meiner Ladung hatte.

Ich warf einen Blick auf die Uhr und bekam einen Schreck. Es war inzwischen halb vier. „In der Zeit hätte ich auch bis nach Oregon fahren können.“, sagte ich zu mir selbst. Ich meldete mich an und sollte an Tor 1 andocken. Nachdem ich das getan hatte, durfte ich wieder warten. Der Filialleiter musste erstmal Leute zum Abladen verdonnern.
Die Wartezeit nahm ich zum Anlass und rief zu Hause an. „Hallo.“, meldete sich eine Kinderstimme. „Wer ist denn da?“, fragte ich. „Ich bin da.“, sagte die Stimme. „Wer ist denn ich?“, fragte ich weiter. „Ich glaube Daddy.“, bekam ich als Antwort. „Und wer bist du?“ „Ich natürlich.“ „Gib mir mal das Telefon.“, sagte Pam nun im Hintergrund. „Aber ich will mit Daddy sprechen.“, sagte Tim. „Du hast ihm ja noch nicht mal gesagt, wer du bist.“, sagte Pam streng. „Daddy weiß doch wer ich bin.“ „Dann sprich jetzt vernünftig mit ihm.“ „Daddy.“, sagte Tim jetzt wieder zu mir. „Ja, mein Großer.“ „Mami hat das Auto kaputt gemacht.“, sagte er. „Wie ist das denn passiert?“ „Ähm… Erst ist Mami gefahren, dann kam ein lautes Bäämm und alles hat gewackelt. Dann war Auto kaputt.“ „So war das?“, fragte ich nach. „Jaha.“, sagte Tim. „Beim Bäämm hat mir das auch aua gemacht.“ „Oh, das ist aber schlimm.“ „Ist schon wieder gut. Tut nicht mehr aua. Aber Auto ist immer noch kaputt.“ „Und jetzt?“ „Heute hat Mami Daddys Auto geklaut. Da wo immer Daddys Truck steht.“ „Echt?“ „Ja. Granny hat uns hingebracht und dann hat Mami Daddys Auto geklaut.“ „Na sowas.“ „Du hast jetzt genug Unsinn erzählt.“, sagte Pam im Hintergrund. „Jetzt spreche ich mit Daddy.“ „Bin noch nicht fertig.“, sagte Tim trotzig. „Und wie du jetzt fertig bist.“, sagte Pam. Kurz darauf hatte ich sie am Hörer. „Manchmal ist dein Sohn unmöglich.“, sagte sie mit einem leichten lachen. „Ach, dann ist er nur mein Sohn?“, fragte ich lachend. „Na von mir kann er das nicht haben.“, sagte Pam amüsiert. „Du hast also nicht nur unser Auto kaputtgemacht, sondern auch noch meins geklaut.“ „Offensichtlich.“ „Wie war das Fahren nach dem Unfall?“ „Erst ein wenig komisch. Zumal ich mich in dem kleinen Auto nicht so sicher fühle, wie in dem anderen vorher.“ „Das bedeutet was?“ „Mit dem Ding fahre ich sicher nicht auf den Freeway. Und wenn ich eine Stunde bis nach Downtown brauche.“ „Der ist ja auch nur für die Fahrt zur Arbeit gedacht.“ „Ich weiß. Aber Hauptsache ich habe erstmal was, um zum Einkaufen zu fahren.“ „Na gut. Ist Mom noch bei euch?“ „Inzwischen nicht mehr. Nachdem sie gesehen hat, dass es Tim und mir gutgeht, ist sie heute Nachmittag wieder beruhigt nach Hause gefahren.“ „Gibt es sonst was neues?“ „Nicht wirklich. Keela und Marc sind gerade vorbeigekommen. Deshalb war Tim auch zuerst am Telefon. Zu den beiden hatte sich auch schon herumgesprochen, was gestern passiert ist.“ „Klar. Dadurch dass Jessy Bereitschaft hat, weiß gleich die ganze Familie und die halbe Firma Bescheid.“ „Marc wollte uns leihweise den Pickup geben. Die hätten ja noch den Van und die Motorräder. Ich hab aber dankend abgelehnt. Schließlich haben wir ja noch dein Auto.“ „Ist vielleicht besser so. Außerdem will ich kurzfristig Ersatz haben.“ „Ich auch.“ „Wenn wir noch Besuch haben, dann kümmere dich um die Gäste. Wir telefonieren heute Abend nochmal.“ „Okay, Darling. Ich liebe dich.“, danach legte sie auf.
Ich machte mir was zu Essen fertig. Währenddessen kam auch der nächste Auftrag aufs ORBCOMM:
PICKUP: XXX-CAOYS
GATE: 01
TRAILER: RELOAD RE127289
FREIGHT: USED PACKAGING
WEIGHT: 38,830 LB
UNLOAD: EST-CASAC
PRIORITY: STANDARD
WAT-CASAC-JMU
Was mich an dem Auftrag stutzig machte, war die Tatsache, dass die Altverpackungen 10.000 Pfund schwerer sein sollten, als die angelieferte Ware. Nach dem Essen ging ich also in den Markt und fragte nach. „Sie bekommen nicht nur Altverpackungen.“, erklärte mir der Marktleiter. „Der Trailer wird Rappelvoll. Das gibt eine Mischung aus Altverpackungen, leeren Paletten und reklamierter Ware. So kommen wir auf das Gewicht.“ „Na gut. Aber bitte vernünftig laden. Nicht, dass ich hinterher den Trailer in einer Kurve auf die Seite lege.“ „Wir machen das auch nicht erst seit gestern.“, sagte er pikiert. „Das will ich hoffen.“
Ich ging zurück zum Truck und wartete darauf, dass die Leute die Ent- und Beladung beendeten.
Um halb Sechs war es endlich soweit. Es war alles verladen und ich konnte fahren. Ich setzte vom Dock ab und hielt an, um die Türen zu schließen. Dabei sah ich dass der Trailer wirklich bis hintenhin voll war. Es sah aber so aus, als wäre wirklich alles ordentlich gepackt. Ich schloss die Türen und fuhr wieder zum Village Drive zurück. Über diesen fuhr ich zum Northside Drive und dann in Richtung Westen aus dem Dorf. Über die El Portal Road ging es zuerst noch durch das Tal des Merced Rivers. Dann bog ich aber wieder rechts auf die Big Oak Flat Road in Richtung Tioga Rd / Manteca.
Nach knapp zehn Meilen war ich schließlich wieder auf der CA-120 W, die nun in Richtung San Francisco beschildert war. Nun dauerte es nicht mehr allzu lange, bis ich wieder an der Mautstelle war. Ich hatte keine Ahnung, ob der argwöhnische Beamte immer noch Dienst hatte. Das war mir aber egal. Ich zahlte die Gebühren und verließ den Nationalpark wieder. Nun war es nur noch ein „normaler“ State Highway, der sich hier durch die Berge und Wälder schlängelte.

Irgendwann passierte ich wieder Groveland und Big Oak Flat. Leider lief mir inzwischen die Fahrzeit weg. Weit würde ich nicht mehr kommen. Hinter Priest fiel mir die Beschilderung auf, dass die Old Priest Grade nur für Fahrgemeinschaften geöffnet war. Ich hatte aber sowieso vor, die New Priest Grade zu nehmen, über die es zwar weiter nach Moccasin war, die aber eben die CA-120 war. Weniger als einen State Highway wollte ich mit einem Truck auch nicht ausprobieren. Bis nach Moccasin kam ich heute so oder so nicht mehr. Ich fuhr noch bis kurz nach Sieben. Dann machte ich am Rand einer der zahlreichen Kehren auf einem Schotterplatz Feierabend. Fahrzeit hätte ich sicher noch gehabt. Meine Schicht dauerte aber inzwischen 14 Stunden an. So überzog ich wenigstens nichts.
Ich machte es mir nun im Sleeper gemütlich. Dort telefonierte ich nochmal eine ganze Weile mit Pam. Danach ließ ich den Sonntag vor dem Fernseher ausklingen.
Montag, den 21. Dezember 2020, 4:30 am, PST, Priest, CA:
Um halb Fünf klingelte mein Wecker. Mit diesem Montagmorgen begann meine Weihnachtswoche. Allerdings hatte ich sie mir etwas anders vorgestellt. Pams Unfall hat uns natürlich die ganze Planung versaut. Wenigstens war eines klar. Wenn ich den heutigen Tag hinter mir hatte, begann mein Urlaub. Der erste, seitdem ich bei Walmart angefangen hatte.
Ich stand auf und setzte meine Kaffeemaschine in Gang. Danach stieg ich aus. In der Dunkelheit auf dem Schotterplatz ging ich vorsichtig an den Rand. Dort entleerte ich meine Blase in die Botanik. Anschließend folgte mal wieder die Zahn- und Körperpflege mit Wasser aus dem Kanister. Außerdem erfolgte diese auch noch fast im Dunkeln. Nur der Schein der Innenleuchte und der Beleuchtung des Einstiegs gab ein wenig Licht.
Gegen viertel nach Fünf begann ich schließlich mit der PTI. Diese erfolgte im Schein meiner Stablampe. Nach dem Ausfüllen des Inspection Reports machte ich ,ich auf den Weg nach Sacramento.
Dazu fuhr ich auf die CA-120 W in Richtung Oakdale. Anfangs lief das ganz gut. Etwas später begann aber auch hier der Berfusverkehr. Es war halt Montagmorgen. Ab Moccasin hatte ich eine ganze Weile einen Streifenwagen der „Chips“ vor der Nase, der zusätzlich noch langsamer fuhr, als es erlaubt war. Die Cops hatten alle Zeit der Welt. Vorweihnachtsstress hatten sie offenichtlich keinen. Vielleicht legten sie es darauf an, dass sie überholt wurden, um dann einen Grund für eine Kontrolle zu haben. Den Gefallen tat ich ihnen jedenfalls nicht.
Bei Yosemite Junction bog ich links auf die CA-108 W ab. Ab hier wurde der Verkehr abermals dichter. Schließlich kamen die Pendler aus dem Raum Sonora auch noch dazu. Erst in Oakdale trennten sich die Highways 108 und 120 wieder voneinander. Nun blieb ich weiter auf der CA-108 W, die via Riverbank nach Modesto führte.
Im Norden der Hauptstatdt des Stanislaus Countys und dem Herkunftsort von George Lucas, der durch Star Wars weltbekannt wurde, bog ich rechts auf die CA-219 in Richtung Salida. Nach weiteren knapp fünf Meilen konnte ich dort auf die CA-99 N, den Golden State Highway, wechseln.
Die 20 Meilen bis nach Stockton blieb ich auf diesem Highway. Nun hörte ich aber auf meine Erfahrung. Der Golden State Highway war Montagmorgens meist ziemlich voll. Um zum Außenlager zu gelangen, musste ich ja auch an Downtown Sacramento vorbei. Das funktionierte erfahrugsgemäß auf der Interstate 5 besser. Also wechselte ich an der Ausfahrt 254A auf die CA-4 W in Richtung Downtown Stockton / I-5. Nach drei Meilen wechselte ich an der Ausfahrt 65 auf die I-5 N in Richtung Sacramento.
Nach 50 Meilen auf der Interstate 5 hatte ich meine Heimatstadt erreicht. Hier wechselte ich noch kurz an der Anschlussstelle 522 auf die I-80 E in Richtung Reno. In diesem Moment klingelte mein Handy. „Dispatch“ stand im Display. Ich überlegte kurz, wer Dienst hatte und meldete mich dann mit: „Guten Morgen, Danny.“ „Hallo Steve. Ich sehe, du bist gleich am Außenlager?“ „Das siehst du völlig richtig.“ „Jessy hat mir heute früh, bei der Übergabe erzählt, dass deine Frau am Wochenende einen Autounfall hatte?“ „Ja, leider.“ „Sind Frau und Kind okay?“ „Den beiden geht es den Umständen entsprechend gut. Nur unser Auto ist Schrott.“ „Musst du denn nun heute Vormittag nach Hause, oder kannst du heute noch weiter fahren?“ „Wo willst du mich denn noch hinschicken?“ „Keine Panik. Du bleibst in Sacramento. Wir haben aber noch so viel zu tun, dass ich alles brauche, was Räder hat. Wenn du keine Zeit hast, muss ich eine Aushilfe besorgen.“ „Die Schicht ist ja sowieso schon angefangen. Hauptsache ich komme heute noch nach Hause.“ „Okay. Du wirst Sacramento heute nicht mehr verlassen. Das wird aber trotzdem ein kompletter Tag als City Trucker.“ „Okay. Einen Tag kann man das ja machen.“, sagte ich lachend. „Gut. Du bekommst gleich am Außenlager direkt wieder eine Stadtfahrt. Wir müssen aber trotzdem ab- und aufladen.“ „In Ordnung.“ „Falls wir uns nicht mehr sprechen, wünsche ich dir einen schönen Urlaub und schöne Feiertage.“ „Danke, gleichfalls.“

Während des Telefonats kam ich noch an einer Unfallstelle vorbei, an der ein Holztruck seinen Trailer auf die Seite gelegt hatte. Besser der als ich, ging mir durch den Kopf.
Inzwischen war ich am Longview Drive von der Interstate gefahren und hatte das dort gelegene Außenlager erreicht. Natürlich musste ich wieder hinten in die Ecke mit meinem Lastzug. Als ich dort angedockt hatte, schaute ich mir den nächsten Auftrag an:
PICKUP: EST-CASAC
GATE: 19
TRAILER: RELOAD RE127289
FREIGHT: HOUSEHOLD APPLIANCES
WEIGHT: 22,572 LB
UNLOAD: CASAC
MARKET: SUC2464
GATE: 02
PRIORITY: IMPORTANT
WAT-CASAC-DSN
Nach dem Telefonat war das keine große Überraschung. Der einzige Haken war, dass sowohl hier, als auch am Supercenter be- und entladen werden musste. Umsatteln würde schneller gehen. Aber gerade dieses Jahr hatten wir gefühlt zu wenig Trailer. Das lag daran, dass zusätzlich zum Weihnachtsgeschäft auch der Umzug des Zentrallagers anstand.
Während der Zeit, wo ab- und aufgeladen wurde, hatte ich genug Zeit in aller Ruhe zu frühstücken. Dabei achtete ich darauf, vor allem die verderblichen Lebensmittel zu verbrauchen. Die haltbaren Sachen konnten während meinem Urlaub in meinem Focus bleiben. Genau, wie alles andere, was nicht gebraucht wurde, oder gewaschen werden musste.
Gegen halb Zwölf war die alte Ladung eingelagert, bzw. entsorgt und die neue Ladung auf dem Trailer. Ich konnte also los.
Über den Longview Drive fuhr ich zur Watt Avenue und von dieser auf die I-80 BUS in Richtung Süden. Das Supercenter lag im Süden der Stadt, in der Nähe des Freeport Boulevards. Capital City Freeway, Elvas Freeway und wieder auf den Golden State Highway. In der Nähe meines Wohngebiets in Lemnon Hills, verließ ich den Highway und fuhr über die Fruitridge Road zum Freeport Boulevard.

High Noon erreichte ich das Supercenter. Tor 2 war ja schon bekannt. Dort fuhr ich hin und stellte den Trailer ans Dock. Prompt poppte auch der Nächste Auftrag auf dem Display auf:
PICKUP: CASAC
MARKET: SUC2464
GATE: 02
TRAILER: RELOAD RE127289
FREIGHT: EMPTY PALLETS
WEIGHT: 36,807 LB
UNLOAD: EST-CASAC
GATE: 11
PRIORITY: STANDARD
WAT-CASAC-DSN
Wenigstens bekam ich gleich am Außenlager ein besseres Tor und musste kein zweites Mal in die Ecke. Ansonsten hatte ich nun wieder etwas länger Wartezeit.
Jetzt nutzte ich diese, um schonmal meine Sachen zusammenzupacken. So brauchte ich das später nicht mehr machen. Saubermachen brauchte ich nicht mehr viel. Ich hielt meinen Truck eigentlich permanent sauber. Schließlich lebte ich die ganze Woche darin. So hatte ich auch alles erledigt, als gegen halb Zwei die Rampe abgehoben wurde und die Ampel am Dock auf Grün sprang. Nun ging es wieder zurück zum Außenlager.
In diese Richtung nahm ich wieder die Strecke über die Interstates 5 und 80. Wenn man von hier kam, konnte man so direkt am Longview Drive abfahren und musste nicht über die Watt Avenue. Um zwei Uhr stand ich schließlich wieder beim Außenlager am Dock. Hier brauchte jetzt aber nur abgeladen werden. Am Außenlager bekam ich jetzt nichts. In den Feierabend entließ mich Keela aber jetzt auch noch nicht:
PICKUP: COW-CASAC
GATE: 07
TRAILER: RELOAD RE127289
FREIGHT: FURNITURE
WEIGHT: 29,493 LB
UNLOAD: CASAC
MARKET: SUC2464
GATE: 02
PRIORITY: IMPORTANT
WAT-CASAC-KMU
Ich musste also gleich zu Costco, Sacramento. Ja, Costco hatte inzwischen ebenfalls ein Lager in Sacramento. Die günstige Lage am Kreuz der Interstates 5 und 80 zog allerhand Handelsketten und Logistiker an. Es gab halt wenige Orte in Kalifornien, von denen man so gut in sämtliche Himmelsrichtungen kam, wie von hier. Das Costco Lager lag, genau wie unser neues Zentrallager, am Auburn Boulevard. Allerdings ein Stück weiter nordöstlich, dort wo die CA-244 auf die Interstate 80 führte.
Durch den Schichtwechsel dauerte es ein paar Minuten länger, bis die Paletten vom Trailer geholt waren. Gegen viertel vor Drei war der Trailer aber leer und ich konnte zu Costco fahren. Dort kam ich gegen drei Uhr an. Ich war bereits angemeldet und konnte sofort an Tor 7 setzen, wo auch meine Ware bereits bereit stand. Gegen viertel vor Vier war alles geladen und gesichert.

Nun konnte ich wieder zu dem Supercenter fahren, wo ich vorhin bereits war. Da auf dem Capital City Freeway die Kombination aus Berufsverkehr und einem Unfall zugeschlagen hatte und so einen langen Stau in Richtung Süden verursachte, beschloss ich, erstmal über den Auburn Boulevard zu fahren. Kaum war ich unterwegs, klingelte wieder mein Handy. Wieder war die Dispatch dran. „Nee!“, sagte ich beim Abheben. „Nicht noch mehr. Langsam reicht’s.“ „Dir auch einen schönen guten Tag, Steve.“ Ich konnte mir förmlich vorstellen, wie Keela die Augen verdrehte. „Tut mir leid, Keela. Ich bin seit heute Vormittag nur noch als City Trucker unterwegs. Ich habe keine Lust mehr.“ „Habe ich da was von gesagt?“, fragte mich Keela nun. „Was möchtest du denn dann?“ „Ich wollte dich lediglich darauf hinweisen, dass du besser alles aus dem Truck räumst, was nicht wegkommen soll.“ „Das hatte ich sowieso vor.“ „Wenn wenig zu tun ist, bleibt eine Maschine ja schonmal stehen. Wir brauchen den aber für die Umlagerungen. Ab morgen sitzt ein Springer auf dem Truck.“ „Da bin ich von ausgegangen.“ „Kannst du den Truck komplett an der neuen Werkstatt abstellen? Ich weiß nur nicht, wie du dann zu deinem Auto kommen sollst.“ „Da soll er doch in Zukunft sowieso stehen.“ „Schon. Aber dein Auto steht doch sicher am alten Zentrallager.“ „Tut es nicht. Seit Pam’s Unfall hat sie mein Auto.“ „Wenn ihr Hilfe braucht…“ „Die hat uns Mom schon finanziell angeboten.“ „Okay… wolltet ihr nicht mit dem Auto nach San Diego?“ „Hatte Pam nicht gestern schon dankend abgelehnt?“ „Eigentlich schon. Wir wollten da trotzdem noch mit dir drüber sprechen. Wir wussten nicht, dass Pam das mit dir abgesprochen hatte.“ „Falls ich nichts finde, komme ich darauf zurück. Mit dem Focus wollte ich nicht mehr bis nach San Diego fahren.“ „Kann ich verstehen.“, sagte Keela lachend. „Der ist älter als mein Savana und lange nicht so gepflegt.“ „Na gut. Was kommt denn heute noch für mich?“ „Fahr zum Supercenter. Dort abladen und anschließend zur Werkstatt. Dort deine Sachen ausräumen und dann ab in den Urlaub.„ „Okay. Danke, Keela.“ „Vielleicht findest du ja ein Auto. Dann brauchst du unseres nicht.“ Wir beendeten das Telefonat.
Am neuen Zentrallager war ich bereits vorbei. Nun kam ich am Autohaus der Voltison Gruppe vorbei, was sich ebenfalls am Auburn Boulevard befindet. Aus dem Augenwinkel entdeckte ich dort was. Konnte von hier aus aber keinen Preis oder andere Detais sehen. Da sollte ich morgen einen Blick drauf werfen.
Ich fuhr weiter zum Supercenter. Dort kam ich gegen halb Fünf an. Zum zweiten Mal an diesem Tag setzte ich nun an Tor 2 an und wartete darauf, dass der Trailer entladen wurde. Gegen viertel nach Fünf war er entladen. Nun rief ich Pam an, damit sie mich an der Werkstatt abholen sollte. Anschließend fuhr ich den kurzen Weg zur besagten Werkstatt, die ich gegen halb Sechs erreichte.
Kurz Darauf kamen Pam und Tim mit meinem alten Focus an. „Was ist das bloß für eine Karre.“, schimpfte Pam laut beim Aussteigen. Ihr mexikanisches Blut war wohl am Kochen. „Du hättest den anderen Wagen ja nicht kaputt fahren brauchen.“, sagte ich grinsend. Bevor Pam was erwidern konnte, schloss ich ihren Mund mit einem langen Kuss. „Tonto.“, schimpfte sie anschließend. „Du weißt, dass ich keine Schuld hatte.“ „Unser Sohn hat doch gesagt, dass du den Unfall gebaut hast.“ Pam wollte gerade ihrem Temperament freien Lauf lassen, als sie mein Grinsen sah. „Kannst du mir mal sagen, warum ich dich geheiratet habe?“, fragte Pam und funkelte mich aus ihren schwarzen Augen an. „Weil wir uns lieben.“, sagte ich sanft und nahm sie in den Arm. Langsam entspannte sich Pam wieder. Anschließend holte sie Tim aus dem Auto.
Wir holten meine Sachen aus dem Truck und räumten sie in den Kofferraum des Focus. Auch Tim wollte helfen. So bekam er ein paar kleine und leichte Sachen, die er umpacken konnte. Schließlich war alles im Kofferraum und wir fuhren nach Hause. Pam wollte nicht mehr mit dem Focus fahren, also übernahm ich das Steuer. „Du weißt doch, dass der Wagen nicht viel kosten sollte und für die Fahrt zur Arbeit reicht die alte Kiste.“ Tim kicherte auf dem Rücksitz. „Alte Kiste.“, wiederholte er kichernd. „Ist ja okay.“, antwortete Pam. „Hoffentlich finden wir auf die Schnelle einen neuen Wagen.„, sagte sie seufzend. „Falls nicht, hat mir Keela den Firmenwagen auch nochmal angeboten.“, sagte ich. „Warum das denn? Ich habe doch schon abgelehnt.“ „Sie wusste nicht, dass wir das schon besprochen hatten. Sie wusste auch nicht, ob du das nur aus Stolz abgelehnt hast.“ „Das möchte ich trotzdem ungern annehmen.“, sagte Pam. „Keine Sorge. Ich meine, ich habe vorhin was gesehen. Da sollten wir morgen hinfahren.“ „Okay.“
Zuhause angekommen, stellten wir den Wagen in die Garage. Ausräumen konnten wir die Sachen auch morgen noch. Während ich auf die Schnelle unter die Dusche ging, machte Pam das Abendessen für uns fertig. Nach dem Essen machte ich Tim bettfertig und las ihm auch seine Gutenachtgeschichte vor.
Als der Kleine eingeschlafen war, ging ich zu Pam ins Wohnzimmer. Wir kuschelten noch auf der Couch vor dem Fernseher, bis wir schließlich ins Bett gingen.
Dienstag, den 22. Dezember 2020, 7:30 am, PST, Sacramento, CA:
„Daddy, wach werden.“, war wieder mal das erste, was ich an diesem Morgen hörte. Wie immer, wenn ich zu Hause war, kam Tim an und versuchte mich zu wecken. Der Kleine rüttelte an mir und versuchte meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Als ich mich weiter schlafend stellte, wurden seine Versuche hartnäckiger. Nach ein paar Minuten kletterte er mal wieder auf mich und patschte mit seinen kleinen Händen in meinem Gesicht rum. „Guten Morgen, du Quälgeist.“, sagte ich irgendwann verschlafen. „Komm, aufstehen.“, forderte Tim nun. „Ich möchte aber noch ein wenig schlafen.“, startete ich einen halbherzigen Versuch. „Nein.“, sagte Tim. Der Blick, den er mir aus seinen dunklen Augen zuwarf, war mir von seiner Mutter bekannt. Mit diesem konnte er mich genauso um den Finger wickeln, wie Pam. „Mir ist langweilig. Komm doch spielen.“ Als ich immer noch keine Anstalten machte, aufzustehen, versuchte der Kleine eine neue Taktik. Er schlang die Arme um meinen Hals und kuschelte sich an mich. Nun sah er mich mit einem Blick an, den seine Mutter benutzte, wenn sie was von mir wollte und dem ich nie widerstehen konnte. „Bitte, bitte.“, sagte er nun. „Okay. Du hast gewonnen. Ich stehe auf.“ Schon war die Kuscheltaktik beendet und Tim sprang aus dem Bett. „Was spielen wir denn?“, fragte er mich. „Such du dir was aus.“ „Mach ich.“, rief er erfreut und rannte in sein Zimmer.
Nachdem ich kurz das Bad besuchte, folgte ich Tim in sein Zimmer. Für die nächste Zeit lag es an mir, den Kleinen zu bespaßen.
Eine Stunde später stand Pam in der Tür und sah uns beim Spielen zu. „Guten Morgen, Boys.“, sagte sie zur Begrüßung. Danach kam sie rein und gab uns beiden einen Kuss. „Morgen Mami. Willst du mitspielen?“, fragte Tim. „Ich mache besser Frühstück für uns.“, antwortete sie. „Gut geschlafen, Sweetheart?“, fragte ich sie nun. „Hab ich. Wird wieder jede Nacht besser.“, sagte sie knapp. „Vermutlich, weil ihr heile aus der Situtation gekommen seid.“ Pam strich über die noch gut sichtbaren Schnittwunden und Hämatome, die sie vom Unfall hatte. „Na ja. Bei einem Schönheitswettbewerb sollte ich so nicht mitmachen.“ „In meinen Augen würdest du trotzdem gewinnen.“, sagte ich. „Mami ist doch schön.“, meinte auch Tim. „Wenn ich euch beide nicht hätte…“, sagte Pam glücklich. Sie gab uns noch einen Kuss und ging danach in die Küche um Frühstück zu machen.
Etwas später saßen wir zusammen in der Küche am Tisch. Tim löffelte seine Cheerios mit Milch, während Pam für uns Bagels aufgebacken hatte. „Wie machen wir das denn gleich?“, fragte mich Pam. „Ich würde sagen, wir bringen Tim zu meiner Mom und dann fahren wir los und gucken nach einem Wagen für dich.“ Pam nickte zustimmend. „Ich will aber mit, Auto gucken.“, protestierte Tim. „Sei lieb.“, sagte Pam mahnend. „Sonst hört Santa Claus das und bringt die Geschenke für dich zu Kindern, die lieber sind.“ Ich fuhr unbeirrt fort. „Was hättest du denn gerne für ein Auto?“, fragte ich Pam. „Hmmm.“, überlegte Pam. „Vielleicht etwas solider, als der Edge, aber auch nicht so riesig wie der Hummer. Ein Mittelding halt. Hauptsache ich fühle mich sicher darin.“ „Also einen Pickup?“ „Finde ich unpraktisch.“, sagte Pam. „Mit so einem Aufbau hinten, wie der von Marc geht das zwar halbwegs, aber auch da hast du immer die Heckklappe im Weg, um an den Kofferraum zu kommen.“ „Was wäre mit einem Kombi?“ Pam schüttelte den Kopf. „Ist ja noch zierlicher als der Edge. Außerdem mag ich die höhere Sitzposition von einem SUV.“ „Also wieder einen SUV. Irgendwelche Wünsche?“ „Was Amerikanisches. Keinen Import.“ „In Ordnung. Sicher und mit Platz und made in USA.“ „Ganz genau.“, sagte Pam. „Das sollte zu finden sein.“
Nach dem Frühstück ging Pam ins Bad und machte sich fertig. Momentan brauchte sie etwas länger als sonst, da sie Makeup benutzte, um die Blessuren des Unfalls zu verstecken. Sonst nahm sie nur etwas Makeup, wenn wir ausgingen.
Anschließend holte sie Tim, damit er sich ebenfalls fertigmachte. In der Zeit ging ich auf eine kurze Laufrunde, um mich wenigstens etwas zu bewegen. Als ich wieder zurück war, ging ich ins Bad und machte mich ebenfalls fertig. Danach zog ich mich an. Pam hatte mir eine Blue Jeans und ein tailliertes Hemd rausgelegt. Dazu gab es elegante Schuhe und ein Sakko. Pam trug einen engen Rock, der eine Handbreit über dem Knie endete, dazu eine, ebenfalls taillierte Bluse und einen passenden Blazer. Dazu trug sie Heels. Die langen, schwarzen Haare trug sie heute mal offen. Sie sah wieder mal einfach umwerfend aus. Da Tim nicht mit uns unterwegs war, sondern bei seiner Granny blieb, war er nicht so elegant angezogen.
Als wir in die Garage kamen, stellte ich fest, dass wir gar nicht zu dem 20 Jahre alten Focus passten, in den wir nun einstiegen. Ich setzte mich ans Steuer und wir fuhren zuerst zu meinem Elternhaus. Tim wollte nochmal protestieren, weil er lieber mitwollte, statt bei seiner Granny zu bleiben. Pam fand aber wieder die passenden Worte um ihn auch schnell wieder zu beruhigen. Danach stiegen wir aus und gingen zur Haustür.
Eine Weile nach dem Klingeln öffnete uns Mom die Tür. Sie musterte uns von oben bis unten. „Hallo ihr drei. Gut seht ihr aus. Kommt doch kurz rein.“ Ich umarmte meine Mutter und gab ihr einen Kuss. „Hallo Mom. Bist du alleine zu Hause?“ Mom begrüßte Pam und Tim, danach antwortete sie. „Es sieht fast so aus, nicht wahr?“ Sie schüttelte den Kopf. „Jessica ist da. Sie schläft aber. Sie hat doch Nachtschicht.“ „Stimmt.“, sagte ich zustimmend. „Frank kommt momentan nur zum Schlafen nach Hause. Er glaubt wohl, dass der Umzug des Zentrallagers nicht läuft, wenn er nicht alles selbst überwacht.“ „So ist er halt.“, seufzte ich. „Keela und Marc sehe ich noch seltener als euch. Vermutlich, weil die beiden keine Kinder haben.“ „Marc fährt aber auch weitere Strecken, als ich.“ „Ich weiß.“, seufzte Mom. Wir gingen ins Wohnzimmer. Dort ging Mom an ihren Sekretär und holte einen Umschlag heraus. „Ich war gestern bei der Bank und habe schonmal das Geld für euch geholt. Gebt es mir wieder, wann und wie ihr könnt.“ Ich schaute in den Umschlag und fand 20.000 Dollar. „Mom, das ist viel zu viel. Soviel war der Ford doch gar nicht mehr wert.“ „Papperlapapp. Ihr nehmt das mit. Dann kauft ihr wenigstens was Vernünftiges.“ Tim kicherte. „Papperlapapp.“, wiederholte er und lachte sich kaputt. „Das Wort kennt er nicht.“, sagte Pam und lächelte verlegen. „Der Kleine kann auch ruhig bis morgen bleiben. Vielleicht spielt Jessica gleich auch etwas mit Timothy.“ „Ich dachte, Jessy spielt nur mit größeren Jungs.„, entfuhr es mir. Mom schüttelte traurig den Kopf. „Seitdem sie und David auseinander sind, ist da nichts mehr.“, seufzte sie. „Dank Corona kann sie aber auch schlecht jemanden kennenlernen.“ „Das Internet funktioniert aber noch.“, sagte Pam. „Meine Freunde aus San Diego treffe ich ja auch nur im Netz.“ „Wäre das für dich auch so einfach, wenn du Timothy nicht hättest?“, fragte Mom. Pam schlug kurz die Augen nieder. Dann schüttelte sie den Kopf. „Vermutlich nicht.“ „Der Freundeskreis von Jessica und David war auch ein Gemeinsamer. Viele haben sich auf Davids Seite gestellt.“ „Das liegt aber auch viel an Jessy.“, stellte ich fest. „Du weißt, wie sie sein kann.“ Mom nickte. „Da bin ich nicht unschuldig dran.“, sagte sie. „Ich habe sie, als Jüngste von euch dreien und einziges Mädchen sicher ein wenig Verwöhnt.“ „Ein wenig?“, fragte ich vorwurfsvoll. Pam schaute mich an und schüttelte fast unmerklich den Kopf. „Ich gebe zu, dass es zum Teil falsch war.“, sagte Mom. „David war der Richtige für Jessica. Er hat eigentlich die richtige Mischung aus Verwöhnen und verwöhnt werden gehabt. Mit seiner ruhigen Art hat er sie auch nicht nur einmal auf den Boden zurück geholt.“ „Leider hat sie es auch geschafft, ihn zu vergraulen.“ „Die Augen sind ihr erst danach aufgegangen. Sie hat erst gemerkt, wie gut sie es mit David hatte, als es zu spät war.“ „Irgendwann wird sie auch den Richtigen finden.“, sagte Pam zuversichtlich. „Bei Miguel war ich auch im goldenen Käfig. Er hätte alles für mich gekauft. Aber er wollte mich auch besitzen. Wir waren nie auf Augenhöhe. Mit Steve habe ich einen gleichberechtigten Partner.“, sie warf mir einen verliebten Blick zu. „Wir gehören uns gegenseitig.“, sagte ich grinsend. „Und ich?“, fragte Tim. „Du gehörst uns.“, sagte ich grinsend. „Du bist unser Kind.“ Ich nahm ihn auf den Arm. „Heeyy.“, rief Tim, dem das nicht passte. „Darfst du nicht.“ „Dooch.„, sagte ich und drückte dem Kleinen einen Kuss auf den Mund. Dann ließ ich den strampelnden Tim wieder runter. „Granny, kann ich spielen gehen?“, fragte Tim nun. „Aber natürlich, Timothy.“, sagte Mom und Tim lief in das, von unseren ehemaligen Kinderzimmern, welches Mom und Dad für Tim umgebaut hatten. „Wollt ihr noch was essen?“, fragte Mom nun. Pam schüttelte den Kopf. „Wir haben spät gefrühstückt. Wir fahren jetzt besser los, so lange Tim abgelenkt ist.“ „Dann macht das. Viel Erfolg.“ Wir umarmten Mom zum Abschied, dann fuhren wir los.
Wir durchkreuzten erstmal den Süden von Scaramento. Schließlich waren wir gerade im Süden. Autohändler gab es in Sacramento schließlich wie Sand am Meer. Selbst, wenn man die Händler für Ausländische Fabrikate und die, mit dubiosem Ruf wegließ, gab es noch einige. Wir fanden auch passende Fahrzeuge. Aber meist gab es eine Kleinigkeit, die störte. Zu alt, zu jung, zu teuer, schlechter Zustand, zu viele Meilen auf dem Tacho.
Schließlich hatten wir vier Fahrzeuge gefunden. Einen Ford Expedition, einen Ford Flex, einen Dodge Durango und einen Jeep Grand Cherokee. Wir saßen zusammen im Auto. „Welchen sollen wir jetzt probefahren?“, fragte ich Pam. „Ich weiß nicht…“, überlegte Pam. „Bei Ford haben wir zwei.“, war meine Überlegung. „Der Flex hat auch das beste Preis-Leistungsverhältnis.“ „Nein!!!“, sagte Pam bestimmt. „Wie? Nein?“, fragte ich überrascht zurück. „Der ist potthässlich.“, sagte Pam. „Ist das ein Argument?“, fragte ich zurück. „Natürlich ist das ein Argument. Schließlich muss ich mich damit sehen lassen.“ „Frauen!“, schimpfte ich kurz. „Okay. Was ist mit dem Expedition?“ „Den lasse ich mir zur Not noch gefallen. Aber eigentlich möchte ich keinen Ford mehr.“ „Warum?“ „Weil ich in einem Ford den Unfall hatte.“ „Den du aber recht gut überstanden hast.“ „Aber irgendwie fühle ich mich in einem Ford trotzdem nicht mehr sicher.“ Ich stöhnte auf. „Darf ich dich dran erinnern, dass du gerade in einem 2000er Ford Focus Sedan sitzt?“ „Höchst ungern.“, sagte Pam und verdrehte die Augen. „Okay.“, stöhnte ich. „Bleiben noch zwei.“ „Der Durango ist schick.“, meinte Pam. „Aber auch der Teuerste, den wir gefunden haben.“ Nun stöhnte Pam auf. „Sag doch gleich, dass du den Grand Cherokee willst.“ „Eigentlich möchte ich den auch nicht.“ „Wie jetzt?“ „Ach ich weiß auch nicht.“ In dem Moment fiel mir noch was ein. „Ich habe da noch eine Idee.“, sagte ich und startete den Focus. „Wo willst du hin?“, fragte Pam. „Zum Auburn Boulevard. Da habe ich gestern was gesehen.“ „Da bin ich aber gespannt.“
Wir fuhren zum Auburn Boulevard zu Voltison. Dort angekommen, übersah Pam auf den ersten Blick das Auto, was mir bereits gestern aus dem Augenwinkel aufgefallen war. Ich fuhr auf den Kundenparkplatz und parkte den Focus. „Auf der einen Seite standen nur Pickups und auf der anderen Seite nur Teslas.“, sagte Pam verwirrt. „Einen Pickup wollen wir nicht und einen Tesla können wir uns noch weniger leisten, als einen Durango.“ „Warte mal ab.“, sagte ich nur. Wir gingen auch nicht zur Tesla Seite, sondern dorthin, wo die Pickups standen. Dort stand er dann zwischen den gebrauchten Pickups. „Im Vorbeifahren habe ich gedacht, da steht ein Silverado.“, gab Pam ihren Fehler zu. „Nicht wirklich. Ich bin gestern aber auch von der anderen Seite gekommen und hab im Kenworth auch höher gesessen.

Während ich einen Verkäufer holte, schaute sich Pam den Tahoe schonmal von außen an. Als ich mit einem Verkäufer wieder zurück war, kam ihr Kommentar: „Der Durango gefällt mir besser. Ist aber immerhin schicker, als der Grand Cherokee.“ Der Verkäufer merkte sich das schonmal für das Verkaufsgespräch. „Guten Tag, Ma’am.“, grüßte er jetzt Pam, von der er kaum den Blick lassen konnte. „Sie interessieren sich für das Fahrzeug?“ „Wir werden sehen.“, sagte Pam unverbindlich. „Was können Sie uns zu dem Fahrzeug erzählen?“, fragte ich. Der Verkäufer holte tief Luft und begann die Daten des Fahrzeugs aufzuzählen: „Chevrolet Tahoe der dritten Generation. Erstzulassung 2013. Einer der letzten dieser Baureihe. Ein sehr gepflegtes Nichtraucherfahrzeug aus erster Hand. Vortec 5300 V8 mit Active Fuel Management. Das ist, genau wie bei den Hemi Motoren von Jeep oder Dodge die Zylinderabschaltung, bei der die Hälfte der Acht Zylinder zur Kraftstoffersparnis abgeschaltet wird, ohne Laufkultur und Komfort zu beeinflussen. Allradantrieb, Automatikgetriebe, abnehmbare Anhängerkupplung, Lederausstattung und so weiter. Eine komplette Ausstattungsliste kann ich Ihnen auf Wunsch vorlegen.“ Wir nickten beide. „Möchten Sie sich mal reinsetzen?“, fragte er. „Ja bitte.“, sagte Pam. Der Verkäufer öffnete den Wagen und Pam setzte sich ans Steuer. In der Zeit betrachtete ich den Tahoe näher von außen. Der Lack war in einwandfreiem Zustand. Entweder war er mal nachlackiert worden, oder er war niemals offroad. „Ist der Wagen unfallfrei?“, fragte ich. „Ja.“, antwortete der Verkäufer. „Hat auch noch nicht soo viel gelaufen.“, stellte Pam mit einem Blick auf den Meilenzähler fest. Irgendwas fand ich merkwürdig. Ich äußerte offensichtlich meine Bedenken. „Sehr merkwürdig. Wieso hat man ein Fahrzeug mit Allrad und Anhängerkupplung, wenn man nie offroad ist und auch nicht allzu viel fährt?“ „Diese Fragen kann ich Ihnen beantworten.“, sagte der Verkäufer. „Der Vorbesitzer ist nämlich ein langjähriger Kunde unseres Hauses.“ „Da bin ich ja gespannt.“ „Der Kude ist nicht ganz unvermögend.“, begann der Verkäufer. „Er ist CEO eines bekannten Unternehmens hier aus Sacramento. Sein privater Wohnsitz liegt aber in einem Anwesen, welches in der Sierra Nevada liegt. Dieses Fahrzeug diente nur zu dem Zweck, einerseits bei schlechtem Winterwetter dort fahren zu können, daher der Allrad, andererseits einen Anhänger ziehen zu können, mit dem er sein Segelboot bewegt. Er ist Sportsegler. Sein neues Boot war jetzt so leicht, dass ihm zum Ziehen ein Tesla X reicht. Für den hat er den Tahoe in Zahlung gegeben.“ „Dann wundere ich mich, dass er keinen Tahoe Hybrid hatte.“ „Das Umdenken zum Klimaschutz hat erst richtig begonnen, nachdem er seine letzte Frau vor vier Jahren kennenlernte. Da hatte er diesen Wagen schon.“ „Verstehe.“ „Wir begutachteten den Wagen weiter. Er war in einem fast makellosen Zustand. Für das Alter und den Zustand war der Wagen ein regelrechtes Schnäppchen. „Können wir eine Probefahrt machen?“ „Selbstverständlich.“ Nachdem die Formalitäten für die Probefahrt beendet waren, standen wir vor dem Auto. Ich hielt Pam die Schlüssel hin. Sie schüttelte den Kopf. „Fahr du erstmal. Ich will hier nicht vom Hof fahren.“ „Okay, Sweetheart.“ Wir setzten uns in den Wagen und ich startete den V8. Der Sound weckte Erinnerungen an meinen alten H2 in mir. Auch von der Bedienung war mir viel vertraut. Kamen doch beide von General Motors. „Der ist ja wirklich fast wie neu.“, stellte Pam fest. „Glaubst du ihm die Story von dem Millionär als Vorbesitzer?“ „Könnte passen.“ „Würde zumindest für den Zustand sprechen.“ „Das einzige was ich am Zustand festgestellt habe, war eine leichte Korrosion am Unterboden des Fahrzeugs. Das würde für die Verwendung im Winter und als Zugfahrzeug für Boote sprechen. Eben Salzkorrosion von Streugut oder Meerwasser.“ „Wundert mich, dass der kein Navi hat.“, fuhr Pam fort. „Wenn man damit immer nur bekannte Strecken fährt.“ „Auch wahr.“ „Ist aber ein gutes Verhandlungsargument. Sonst gibt es ja kaum was zu meckern.“ „Kannst du uns aus der Stadt rausfahren?“, fragte Pam. „Außerhalb von Sacramento möchte ich dann fahren.“ „Okay. Du kannst dir in der Zeit ja mal die Unterlagen anschauen. Vielleicht findest du da was.“ „Wonach soll ich suchen?“ „Entweder nach Ungereimtheiten oder Angaben über den Vorbesitzer.“ „Mache ich.“ „Wohin soll ich denn?“ „Fahr einfach ein Stück in die Sierra.“
Ich verließ Sacramento über die US-50 E. Auf dem Highway testete ich den Wagen. Ich konnte auch nichts finden. Für die Verhandlungen schlecht, für den nächsten Besitzer gut. Pam fand auch keine Ungereimtheiten. Aber immerhin den Namen des Vorbesitzers. Wir koppelten mein Handy mit der Freisprecheinrichtung des Tahoe und ich rief dann bei meinen Eltern an. „Hallo, Jessica Murdock hier?“, meldete sich meine kleine Schwester. „Das ist sogar noch besser.“, entfuhr es mir. „Steve, bist du das?“, fragte sie zurück. „Sorry, Jessy. Natürlich bin ich das.“ „Dann melde dich anständig. Willst du Mom oder deinen Sohn?“ „Wie wäre es mit dir, Schwesterherz.“ „Das hat doch sicher einen Haken.“, murmelte Jessy. „Jessy. Du bist doch eine kleine Gossip Queen.“, fuhr ich unbeirrt fort. „Willst du mich jetzt als Tratschtante betiteln?“, fragte Jessy pikiert. „Keineswegs. Du kennst dich doch in der High Society von Sacramento aus.“ „Mehr oder weniger.“ Ich fragte sie, was sie über den Vorbesitzer wusste, dessen Namen Pam in den Unterlagen gefunden hatte. „Dass er mir zu alt ist. Der ist doch sicher schon Mitte Vierzig.“ „Okay. Was weißt du noch über ihn?“ „Mhmm… lass mich nachdenken… Unternehmer… Multimillionär… Firma sitzt in Downtown, er selbst hat aber in der Stadt nur ein Penthouse. Sonst wohnt er irgendwo in der Pampa. In einem riesigen Anwesen mitten in der Sierra Nevada… hmmm… reicht das?“ „Weißt du ob er Sport treibt?“ „Ach ja. Hatte ich vergessen. Der fährt wohl Segelregatten… mit irgendeinem High Tech Segelboot.“ „Irgendwas an Klatsch?“ „Hmmm… warte mal… da war was… Ach ja… der hat im gleichen Jahr geheiratet, wie ihr. Nur bei ihm ist es die dritte Ehe. Die Frau hat er kennengelernt, weil sie gegen was demonstriert hat, was seine Firma getan hat. Irgendeine Umweltsünde. Danach hat er vieles anders gemacht. Ihr zu Liebe. Inzwischen sind die Vorreiter im Umweltschutz. Tja, wo die Liebe hinfällt.“ „Danke Jessy. Das ist genau die Story, die man uns erzählt hat.“ „Sagst du mir auch, warum ihr das alles wissen wollt?“ „Weil wir gerade eines seiner ehemaligen Autos probefahren.“ „Wie jetzt? Wollt ihr euch einen Tesla kaufen?“ „Nee. Den, womit er vorher sein Boot gezogen hat.“ „Mooment.“ Jessy suchte wohl was am Computer. „Hmm. Ist das ein kupferfarbener SUV?“ „Yep.“, sagte Pam. „Ich schicke dir mal was.“ Kurz darauf bekam Pam einen Zeitungsartikel aufs Handy. Auf dem Bild war unter anderem das Auto zu sehen, in dem wir gerade saßen. „Der hat diese Farbe, weil er bei einer bekannten Regatta die Bronzemedaille gewonnen hat.“, sagte Pam lachend. „Dann seid froh, dass er kein Gold geholt hat.“, rief Jessy. Anschließend verabschiedete sie sich.

Nun wollte Pam auch endlich fahren. Wir hielten an und wechselten die Plätze. Pam chauffierte uns erstmal weiter durch die Sierra Nevada. Schließlich hatten wir aber genug probiert und traten wieder den Weg nach Sacramento an. „Was meinst du?“, fragte ich Pam schließlich. „Ist sehr gepflegt und lässt sich einwandfrei fahren.“ „Wie sicher fühlst du dich?“ „So, wie es sein sollte.“ „Stört dich irgendwas?“ „Allenfalls, dass der kein Navi hat. Ich kenne mich in Sacramento immer noch nicht so gut aus, wie ich es in San Diego tue.“ „Du wohnst ja auch gerade erstmal ein knappes Jahr hier.“ „Eben. Deshalb hätte ich gerne ein Navi. Falls ich mir mal unsicher bin.“ „Sonst noch was?“ „Nein. Sonst ist der klasse.“ „Besser, als der Durango?“ „Das vielleicht nicht. Der Durango war aber auch teurer.“ „Okay.“ „Was denkst du denn?“ „Ich finde den gut. Ein paar Sachen erinnern mich sogar an meinen alten Hummer.“ „Wegen dem V8?“ „Kann sein.“ „Also den?“ „Das wird dein Auto.“ „Okay. Dann den.“
Wir fuhren zu Voltison zurück. Auch in Sacramento wollte Pam jetzt weiterfahren. „Ich habe mich daran gewöhnt und muss das ja später auch.“ „Das Verhandeln überlasse aber gleich mir.“ „Okay.“
Wir fuhren bei Voltison auf den Hof und der Verkäufer begrüßte uns wieder. „Und was sagen Sie?“, fragte er „Na, ja. Ist ganz in Ordnung.“, stapelte ich tief. „Das Fahrzeug steht doch gut da. Der Wagen ist in einem Zustand, wie frisch aus dem Werk.“ „Mag sein. Trotzdem ist er schon acht Jahre alt. Das übernächste Modell ist draußen.“ „Das haben wir im Preis schon berücksichtigt.“ „Korrosion am Unterboden.“ „Aber auch nicht mehr, als bei einem acht Jahre alten Wagen zu erwarten war.“ „Meine Frau stammt aus San Diego. Sie kennt sich in Sacramento nur wenig aus. Wir hatten bei einem Fahrzeug dieser Klasse Navigation vorausgesetzt.“ „Okay. Am Preis kann und will ich nichts ändern. Wir haben aber gerade einen Sonderposten von Garmin im Zubehör Shop. Sie zahlen den Barverkaufspreis und bekommen das Navi kostenlos dazu.“ Ich warf Pam einen kurzen Blick zu. Sie stimmte zu. „In Ordnung. Wir nehmen das Fahrzeug.“ Wir gingen ins Büro und machten den Kaufvertrag fertig. Zum Abschluss meinte der Verkäufer: „Wir erledigen morgen Vormittag die Zulassung. Danach können Sie den Wagen abholen.“ „Vielen Dank.“ „Dann Gratuliere ich Ihnen zum neuen Gebrauchten.“ Wir verließen das Autohaus. Draußen sagte ich zu Pam: „Das muss aber zu Weihnachten reichen.“ Pam schaute mich an. Anschließend umarmte sie mich. Dann bekam ich einen langen Kuss. „Danke, mein Schatz.“ „Nicht enttäuscht, dass es ein langweiliger Chevy ist und kein Durango?“ „Quatsch. Weißt du wie Dad von seinem Chevy schwärmt?“ „Ich erinnere mich.“ „Sollen wir Tim bei seiner Granny lassen und heute Abend das neue Auto feiern?“ „Wenn du willst, Sweetheart.“ „Dann rufe deine Mom an.“
Ich drückte die Wahlwiederholung des Handys. Wieder meldete sich Jessy. „Und? Gekauft?“ „Yep.“ „Ich hatte noch nie ein Auto, was vorher einem Millionär gehört hat.“ „Du stehst ja auch auf Kompaktwagen.“ „Grr. Hast ja recht.“ „Gib mir bitte mal Mom.“ Kurz darauf erklang die Stimme meiner Mutter: „Hallo Steven. Ward ihr erfolgreich?“ „Waren wir.“ „Das Auto, was mir Jessica gezeigt hat?“ „Vermutlich.“ „Meinen Glückwunsch.“ „Sag mal Mom. Kann Tim heute nacht bei euch bleiben?“ „Natürlich. Ihr seid ja Weihnachten schon nicht hier.“ „Super, Mom. Pam und ich wollen noch etwas feiern.“ „Macht das.“ Wir legten auf.
„Okay, Sweetheart. Wir haben sturmfrei.“, sagte ich zu Pam. „Das klingt gut, Darling.“
Wir fuhren nach Hause. Und stellten den alten Focus in die Garage. „Ab morgen musst du wieder draußen bleiben.“, sagte Pam zu dem Auto und grinste frech. „Aber nur für eine Nacht. Übermorgen fahren wir nach San Diego.“, warf ich ein. „Okay. Wenn wir unterwegs sind, ist das erlaubt.“
Wir gingen rein. Pam zog ihren Blazer aus und warf ihn am Esstisch auf einen der Stühle. „Warte. Willst du die Sachen jetzt ausziehen?“, fragte ich Pam. „Wieso? Soll ich nicht?“, fragte sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Der Business Look steht dir. Ist echt sexy.“, antwortete ich. „Willst du Boss und Sekretärin spielen?“, fragte Pam und lächelte mich verführerisch an. „Willst du etwa?“, frgate ich zurück. „Kommt darauf an, was der Boss mit der Sekretärin vor hat.“ „Seit wann stehst du auf Rollenspiele?“, fragte ich überrascht. „Kann doch mal ganz nett sein.“, antwortete sie. Dann ging sie betont sexy auf mich zu und zog mir mein Sakko aus. „Brauchen Sie mich zum Diktat, Mr. Murdock?“ „Ich denke eher für was anderes, Miss Cortez.“ Pam umarmte mich und gab mir einen langen Kuss. „Meinen Sie so etwas, Mr. Murdock?“ „So in der Art.“ Pam musste herzlich zu lachen anfangen. „Ich glaube, ich kann dabei nicht ernst bleiben, Darling.“ „Ich auch nicht, Sweetheart.“, ich lachte ebenfalls. „Lass uns lieber wir selbst bleiben.“ „Du hast recht.“ „Ich liebe dich, Darling.“ „Ich dich auch, meine Süße.“
Pam holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank. „Lass uns auf das neue Auto anstoßen.“ „Das machen wir.“ Ich öffnete die Flasche und füllte die Gläser, die Pam inzwischen aus dem Schrank geholt hatte. Wir stießen an und nahmen einen Schluck des perlenden Getränks. „Auf das neue Auto und deinen Urlaub.“, sagte Pam. „Und auf einen romantischen Abend zu zweit.“ fügte ich hinzu.
