Kapitel 31 – Marathon und spartanisches Wochenende

Heute…
…will Marlon die Nacht mit einem Taschenrechner beenden…

…Ricky bekommt zwei Absagen…
…und die Wikinger landen in Afrika!

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Der Samstag bescherte Timo und mir die aufgeschobene Putzstunde. Judith war ins Pflegeheim gefahren, um ein paar Dinge wegen ihrer Mutter zu klären. Daher saß Marlon mit Julian in seinem Büro als wir rauf kamen, um noch die Spesen abzurechnen. Chris war mit mir in unserem. 
„Sag mal, Chris. Wollen wir morgen noch mal zum Eishockey?“ „Ja, klar.“ Er rief zur Tür raus: „Julian, willst Du mit zu den Haien?“ Marlon schaltete sich auch über den Flur ein: „Ihr sollt schlafen. Da seid Ihr doch wieder nicht vor 22 Uhr da!“ „Wir fahren ja erst um kurz vor 9 los!“ „Was??!! Wieso das denn?“ „Weil wir keine Lust haben, den halben Tag im Hafen zu stehen, wir fahren nach Carlisle.“
„Von stehen verdienen wir kein Geld habe ich doch gesagt.“ „Deine Herzdame hat gemeint, dass die Tour so gut ist, dass wir sie fahren müssen. Trotz zwei Tage kaum Kilometer.“ „Das kann doch nicht sein.“ 
Marlon war inzwischen in unserem Büro, ließ sich von mir die Aufträge öffnen und schnappte sich Chris Rechenmaschine. „Ich glaube es nicht. Obwohl Ihr die erste Hälfte quasi nur rum steht, macht Ihr die Woche Rekordeinnahmen. Dann wünsche ich viel Spaß beim Eishockey.“

Marlons Welt war sportlich nur Fußball und da für Mönchengladbach. Der Vollständigkeit halber, Julian hielt bekanntlich die Fahnen unserer Heimatstadt beim VfL Bochum hoch, Chris war fußballerisch in Düsseldorf geblieben. Ich war aus der Jugend ein halbherziger Bochum-Fan, der seit er mit Chris in der Esprit-Arena gewesen war, die Fortuna auch nicht schlecht fand, aber beide für eine Partie Eishockey vergessen würde. Und Timo hatte sich als Schalker geoutet – ganz schön mutig in der Probezeit. Pikanterweise würden Marlon und er zu ihrem persönlichen Derby am kommenden Wochenende gemeinsam in Nordafrika unterwegs sein. 

Julian wollte, da er früh raus musste, nicht mit. Deshalb sahen Chris und ich alleine, wie die Kölner ein schon verloren wirkendes Spiel gegen den auf dem Papier und auch optisch auf dem Eis deutlich überlegenen finnischen Meister aus Oulu zum Sieg drehten. 

Am nächsten Morgen wurden wir zwar früher wach als nötig, aber zu der Zeit waren unsere Freunde schon seit über 2 Stunden auf der Straße. Chris ging ins Bad, aber ich hatte noch keine Lust aufzustehen: „Schön, dass Du freiwillig als erster gehst. Dann habe ich noch etwas Zeit.“ „Wenn ich raus komme, gehst Du. Sonst muss ich mit einem kalten Waschlappen zurückkommen.“

Wir machten uns also in Ruhe fertig, frühstückten und dann musste ich ja noch vor der Abfahrt meine Sachen wieder einräumen, die noch in der Halle herumlagen. Als wir die Treppe runter kamen, verließen Judith und das Ergebnis ihrer Besprechung im Pflegeheim das Auto. „Na, wer bist Du denn?“ „Das ist Henry.“
Henry war ein hierzulande extrem seltener Pembrokeshire Corgi, die Hunderasse der Queen von England. „Meine Mutter wird langsam dement und kann sich nicht mehr richtig um ihn kümmern. Da haben mir die Pfleger gesagt, er muss weg. Also habe ich ihn jetzt und muss ihn logischerweise mit zur Arbeit bringen.“ Ich ging in die Hocke und Henry kam sofort angelaufen. Mit Hunden schloss ich schon immer schnell Freundschaft.

Ich verstaute meine Wechselklamotten und nahm mir dann die ganzen anderen Sachen von der Ablage. Als ich eins „meiner“ Fächer aufmachte, war schon was drin. „Sag mal. Kaum bin ich mal eine Woche nicht da, breitest Du Dich im ganzen Fahrerhaus aus?“
Chris räumte das Fach aus: „Irgendwie habe ich das Gefühl, der Premium ist größer als der hier.“ „Ist mir auch aufgefallen. Von den Kubikmetern zwar Quatsch und in der Breite merkt man erst recht, dass es nicht stimmt. Auch der Platz über den Betten ist kleiner. Aber in die rechteckige Kabine geht viel mehr Stauraum als in dieses runde Dach scheint mir.“

Wir sammelten unsere Ladung in einem Trailer ein, der zwar auch gelb-blau war, aber farblich so gar nicht zu unserer Zugmaschine passen wollte, wie das Foto vom Autobahnparkplatz bewies. Meine alte Lackierung dagegen wäre perfekt gewesen.

Wir fuhren auf die Fähre und gingen in unsere Kabine. Ich kannte das ja schon von früher, aber Chris schaute doch so sparsam wie unsere Buchung: „Ist ja übersichtlich hier drinnen.“ Bisher hatten wir eben Standard- anstatt Economy-Kabinen. 

Am nächsten Morgen wurden wir wegen der Zeitverschiebung ziemlich früh wach und heute wollte Chris mal nicht aus den Federn: „Meine Güte, was soll die Eile? Bleib doch hier.“ „Ich wollte zum Frühstück.“ „Ich wüsste was Besseres.“ Was ein Augenaufschlag, was ein Argument. Auch in kleinen Betten ist Platz für 2, also verschob ich das Frühstück noch zu Gunsten von ein Bisschen Zweisamkeit unter einer Decke.

Um die Mittagszeit waren wir in Carlisle und hatten unsere Ladung abgeliefert. Auf dem Weg zur nächsten Ladestelle hielten wir bei einem im Volksmund „Greasy Spoon“ genannten Imbiss, wo es insbesondere frittierte und gegrillte Gerichte gab.
Chris hatte inzwischen herausgefunden, dass er mit Fish & Chips nicht viel verkehrt machen konnte. Ich entschied mich mal für Leber mit Zwiebeln. „How would you like the liver?“ „Medium to well, please.“ „Der hat Dich nicht ernsthaft gefragt, ob Du die Leber vielleicht halbgar haben willst?“ „Doch. Aber bei Leber finde das sogar ich abartig.“ „Und das will was heißen. Deine Rindersteaks muhen ja noch beim Schneiden. Und jedes Mal, wenn wir auf dieser Insel sind, wirst Du besonders pervers, wenn es ums Essen geht.“

Mit nicht perversen 25 Tonnen Diesel am Haken ging es wieder in Richtung Tyneside zur Fähre.

Wir kamen zur Nachtruhe auf einem Rastplatz bis Ulm, fuhren am Donnerstag nach München und machten uns von dort mit Blei als Fracht auf den Weg nach Calais. Die Fahrt durch Frankreich war unspektakulär und wir kamen abends am Ziel an.

Diese Nacht verbrachten wir im Hotel und der Freitag bescherte uns eine Tour nach Hause. Also hatten wir nicht nur diese Woche ein faules Leben im Bett, sondern auch noch ein Wochenende im eigenen.

Witzig war, dass wir offenbar Timos speziellem Freund die Arbeit wegnahmen. Zumindest erwartete uns der Kühlkoffer von Bioland mit den 18 Tonnen Käse bei Dachser im Depot und wir fuhren die Strecke im Auftrag von Dachser Food Logisitic.

Freitag Nachmittag um 15:52 Uhr rollten wir auf den Waschplatz. Nach dem üblichen Fahrerhausputz konnte das Wochenende beginnen, auch wenn es Hundputz zu werden drohte, weil Henry uns die ersten 10 Minuten um die Beine sprang und ein paar mal in den Sprühnebel vom Kärcher geriet, bis Judith ihn zum Feierabend an ihr Auto rief. Sie war not amused über das, was auf sie zugelaufen kam: „Aaaah! Henry! Bist Du aber ein nasser Hund?!“
Immerhin konnte ich den Wasserstrahl nun auch gezielt nach unten richten, was bisher aus Sicherheitsgründen für den Vierbeiner nicht ging.


Julian war noch auf dem Weg in die Stiefelspitze nach Kalabrien, Timo und Marlon fieberten in Oujda dem Samstagabend entgegen. Marlon hatte schon angedroht, dass es in der kleinen Kirchengemeinde deutsches Fernsehen geben würde.
Am Wochenende gab es mal wieder Eishockey. „Wenn das so weiter geht, können wir auch eine Dauerkarte kaufen.“ „Zur Fortuna wäre aber auch mal wieder eine Maßnahme.“ Dieses Wochenende aber nicht, denn die spielten Montag auswärts.

Ob Chris das 1:4 verlorene Spiel oder den Anfang unserer Wochentour unbequemer fand, war noch final zu klären. Wir waren nämlich schon wieder reif für die Insel. Dieses Mal nahmen wir den Weg über Dover mit einer Ladung Sprengstoff für einen Steinbruch bei Sheffield.
Ich rief von unterwegs bei Keith an, ob wir uns treffen könnten, aber er war gerade in Griechenland. Also lieferten wir unsere Ladung am Dienstagmorgen ab und fuhren mit einer Ladung Salpetersäure von Sheffield nach Immingham zur Fähre.

Ein ereignisloser Folgetag brachte uns von Dänemark an Kiel und Berlin vorbei auf die Warschauer Allee. Als wir spät abends für spottbillige 1,25 Euro je Liter tankten und danach den Truck parkten, waren wir schon kurz vor Lodz.
Noch vor Sonnenaufgang waren wir am Donnerstag wieder unterwegs und die Woche war noch lang. Schließlich erreichten wir Warschau. Ich war noch nie hier gewesen, daher überraschte mich die Skyline mit so vielen Wolkenkratzern doch ziemlich. Die osteuropäischen Städte, die ich bisher gesehen hatte, waren nicht so in die Höhe geschossen.

Bei Bosch, die hier zum Glück mal wieder einen großen Hof hatten, holten wir unsere nächste brisante Ladung ab, einen Trailer voll Gasflaschen mit Wasserstoff.

Wir würden bis Österreich kommen, also rief ich mal Felix an, ob er zu Hause war. Leider war er zwar auf dem Weg, würde es heute aber nur bis irgendwo zwischen Stuttgart und Salzburg schaffen, je nachdem wie schnell er durch kam.
Also planten wir unsere Nachtruhe für den Rasthof zwischen Wien und Graz.

Auf dem Weg dorthin verschwand die Sonne hinter den Bergen und erzeugte so einen fast schon mystischen Effekt.

Am Freitag begann die Kilometerfresserei um 5:24 Uhr. Es ging durch Österreich und Italien nach Frankreich. Ein langer Tag, der aber ereignisarm war.

Am Samstag um 17:42 Uhr drückte Chris den Trailer beim Kunden in Madrid auf dem Hof in die Lücke. Dann fuhren wir zu unserem Hotel und das Wochenende konnte kommen.

Unser Wochenende war verschoben und so waren wir am Dienstag die ersten am Frühstücksbuffet, kaum dass alles aufgebaut war. Danach checkten wir aus und noch bevor die Sonne über die Gebäude und Büsche kam, waren wir auf dem Weg zu ENI. Schwarze Hochhäuser standen vor einem gelben Himmel mit rotem Muster aus Wolken und Kondensstreifen.

Nachdem wir unsere Ladung Monomere für die Kunststoffherstellung abgeholt hatten, waren wir wieder im Stadtverkehr unterwegs. Madrid und sein Umland waren aufgewacht und wir kamen nur langsam voran. Erst als wir auf dem Weg aus der Stadt waren, kamen wir in Fahrt, weil jetzt die meisten Leute im Gegenverkehr den Stau bildeten.

Ohne besondere Vorkommnisse und mit einem Tankstopp in Zentralfrankreich schafften wir es über unsere persönliche Rennbahn bis Orleans, wo uns am nächsten Morgen Regen weckte. Wir verzichteten daher auf den ursprünglichen Plan, den Fußweg vom Rastplatz zu nehmen und ins Gewerbegebiet auf der anderen Straßenseite zu laufen, wo es bei McDonald’s eine der wenigen Gelegenheiten gab, in Frankreich ein genießbares Frühstück zu organisieren. Stattdessen musste der Karton mit Fertigmüsli und ein Halbliter-Pack Milch unseren Blutzuckerspiegel auf Betriebslevel bringen.

Es sollte bis weit hinter Paris dauern, bevor der Regen aufhörte. Das bedeutete in Calais mehr illegale Einwanderer unterwegs. Der unfreiwillige Ampelstopp, den Chris einlegen musste, hieß also mal wieder in der Folge Trailerkontrolle. Immerhin gab es inzwischen wohl ein kleines Gentlemen Agreement zur Gewaltfreiheit zwischen Einwanderern und französischer Grenzpolizei. Wenn die Einwanderer, nachdem sie erwischt wurden, keine Gewalt anwendeten, sondern einfach wieder Leine zogen, verzichtete die Polizei auf gewaltsame Räumungen der Zeltcamps.
Mal wieder hatte sich aber keiner unter unsere rollende Brandbombe getraut und wir fuhren zur Kontrolle vor. Auf der anderen Seite des Kanals wartete ein kleines Zusammentreffen auf uns.

Wir stellten unsere Fuhre an der Hafenpromenade ab und kurz darauf kam ein uns gut bekannter Renault Premium in der Gegenrichtung angefahren. Dank des Tankers voll flüssigem Stickstoff ebenfalls nach ADR beschildert.
Auch Timo hatte inzwischen unser Firmen-Poloshirt und trug die „Uniform“ mit blauer Jeans und schwarzen Turnschuhen. Wir holten uns Kaffee und Tee und setzten uns an der Promenade auf eine Bank.

„Und wie ist der Job im Alltag?“ „Toll, nur einmal nicht.“ „Der Blitzer im M27 Tunnel?“ Er war in Plymouth gewesen, die Strecke war ich bei Mahler im Abo gefahren, mit Abo auf den besagten Blitzer.
„Ja.“
„Tja, der übliche Fehler kostet da 120 Pfund. Sag Judith, sie soll mir das Ticket zumailen und ich überweise direkt in Pfund von meinem privaten Konto bei Lloyds TSB. Dann sparst Du Dir wenigstens die Kurswechsel- und Auslandsüberweisungsgebühr. Sie soll dann den Eurobetrag beim nächsten Gehalt einfach bei Dir abziehen und bei mir aufschlagen.“ „Danke.“ Das machte immerhin ein Abendessen aus, was ich Timo da einsparte.
„Ich liebe den Job jeden Tag mehr. Bin ein Bisschen der Rumtreiber-Typ und gerne unterwegs.“
Offenbar war es die richtige Entscheidung gewesen, ihn trotz seines unpassenden Lebenslaufs einzustellen.

Timo musste weiter zur Fähre und war mit einem Umweg über Tschechien dann am Wochenende zu Hause, wie auch Julian und Marlon. Wir dagegen wussten schon, dass wir ein unbequemes Wochenende haben würden.

Und eigentlich könnte ich auch mal ein Firmenkonto bei der LTSB anlegen, damit wir das Thema mit britischen Kunden auch vom Tisch hatten. Dann konnten unsere Kunden auf Konten in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien überweisen. Für ein Unternehmen unserer Größe ziemlich beachtlich.
Auf der weiteren Fahrt Richtung Norden sprach ich mit Chris, der ja für unsere Finanzen mitverantwortlich war, über die Idee, ein britisches Firmenkonto einzurichten. Er stimmte mir zu, da wir doch relativ oft – im Wortsinne für seinen Geschmack zu oft – hier unterwegs waren.

Die Nacht brachte britisches Wetter und der nächste Morgen mal wieder eine gewisse Unzufriedenheit über das Frühstück bei Chris. Allerdings würden wir es nicht von der Insel runter schaffen. Um die Mittagszeit waren wir in Newcastle und tauschten unsere Fracht gegen Kupfersulfat.
Am Abend holte uns das Wetter auch wieder ein. Chris schien den Regen heraufzubeschwören, damit die Insel ihm seine Vorurteile erfüllte. Als ich noch Solo fuhr, hatte es irgendwie wesentlich seltener geregnet.

Der Plan für den letzten Tag war stramm. Wir mussten von Calais, wohin wir schon am Abend übergesetzt hatten, bis Zentralspanien. Für Gefahrguttransporte gab es ein Sonntagsfahrverbot in Spanien, also wollten wir so weit fahren, dass die 45 Stunden Wochenruhe genau dann vorbei waren, wenn es auch das Fahrverbot war.

Wir schlugen uns durch bis hinter Valladolid, als wir nachts um 3 auf einen Rastplatz fuhren. Immerhin spielte das Wetter mit und wir verbrachten den Samstag mit einer Wanderung zu der Radarstation in den Bergen und am Sonntag in die Kleinstadt in der Nähe, wo wir aber nicht zu lange blieben.
Immerhin sollte zumindest für mich der Wecker schon in der Nacht auf Montag noch vor Mitternacht klingeln. Daher entfiel für Sonntag Abend leider die Kabinengymnastik vom vorherigen Abend

Als der Wecker los ging, bemühte ich mich, ihn schnell wieder aus zu machen, obwohl Chris Ohrstöpsel drin hatte. Ich schob mir nur schnell einen Schokoriegel rein, warf mir im Rasthaus eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht und klemmte mich hinters Steuer. 0:13 Uhr am Montagmorgen, sofort als die Uhr im Fahrtenschreiber die 45 Stunden Pause voll hatte, rollten die Räder.

Ich hasste Nachtfahrten und die volle Schicht ging durch die Nacht. Chris wachte gegen 4 Uhr auf, kletterte aus seinem Hochbett und machte sich eine Schüssel Müsli.
So dauerte unsere Morgenrast nur 10 Minuten, bevor Chris weiter fuhr und ich mein eben gekauftes Brötchen mit Butter und Marmelade schmierte und genüsslich verspeiste.
Dennoch kletterte ich danach noch mal in meine Koje und döste vor mich hin. Deshalb verpasste ich die Morgendämmerung mit Nebel. Ein schöner Anblick, den Chris aber mit unserer fest montierten „Driver Eye Camera“ knapp überm Fahrersitz festhielt.

Kurz vor der Straße von Gibraltar musste ich noch mal ran, weil Chris Zeit um war und mit bereits leuchtender Warnlampe für den Tank rollte ich in Richtung Hafen von Algeciras. Wir sollten noch bequem bis Rabat kommen.
Zwischen allerlei anderen Trucks warteten wir auf die Fähre. Nach Marokko musste man wie zwischen Calais und Dover nicht buchen und auch keine drei Stunden vorher da sein wie auf den langen Mittelmeerverbindungen. Einfach anstellen, anmelden, abfertigen lassen und drauf.

Rabat erwies sich als groß, mit vielen Hochhäusern und vor allem viel Verkehr. Wir tankten voll, wechselten auf unsere nächste Fracht und sahen zu, dass wir wieder aus dem Moloch raus kamen.

Die Nacht verbrachten wir in Ajdir am Übergang vom feuchten Nordwesten in die Wüste. Bald darauf am Dienstagvormittag knallte die Sonne auf unseren Chemietanker.

Wir erreichten am Mittag Algier, aber die nächste Fähre legte erst am Tag darauf ab. Also reihten wir uns auf den Warteparkplätzen ein. Dann machten wir uns auf den Weg ins Restaurant und zu den Duschen, bevor wir noch ein Bisschen zusammen in die Stadt fuhren.

Die Fähre legte am Mittwoch an und wir rollten nach der Abfertigung in die „Startaufstellung“. Von der Fähre rollte ein Volvo New FH mit auffälligem Motiv-Airbrush und einem Rotorblatt für eine Windkraftanlage runter. „Ach, sie fahren doch noch.“ „Wer?“ „Viking Transport, Marlon und ich hatten auf unserer Afrika-Rundfahrt festgestellt, dass die sich ziemlich rar gemacht hatten.“

Wir setzten über nach Europa und die Lieferadresse war gleich um die Ecke, bei Linde in Marseille. Hier gab es auch gleich noch eine Ladung Nitrocellulose nach Clermont als Anschlussfracht. Das war kein großes Thema und um 20 vor 1 war der Trailer an seinem Ziel bei ENI. Es wäre schneller gegangen, wenn wir nicht an einer Mautstation 10 Minuten verloren hätten, nachdem einer unserer unfähigen Kollegen seinen Scania an der Schranke aufgespießt hätte.
Auch hier stand schon daneben die Anschlussfracht bereit. Allerdings nutzten wir die Gelegenheit eines italienischen Unternehmens, um uns in der Kantine mit einem genießbaren Mittagessen einzudecken. Nach einem Teller Pasta Napoli verließen wir mit einem Tank voller Chlor die zentralfranzösische Stadt.

Etwas eingebremst nur von einem kurzen Regenschauer bei Bourges fuhren wir durch Frankreich. Die Straßen waren noch feucht, als die Sonne sich wieder ihren Weg durch die Wolken brach.

Wir beendeten den Tag an einer Mautstation, allerdings an der deutlich ruhigeren vor der Autobahnauffahrt. Den Kontrolleuren war unser maximal beschilderter Truck zwar nicht geheuer, aber sie jagten uns dennoch nicht weg.

In Luxemburg wurden wir alle Gefahren zu Gunsten eines Silos voll Weizenmehl los, damit wir es auch trotz Feiertag nach Hause schafften. Mit einem Tankstopp, um die günstigen Dieselpreise mitzunehmen, waren wir auf dem Weg nach Wuppertal. Dort endete unsere Drei-Wochen-Runde mit der kurzen Solofahrt nach Bochum.

Wir waren um halb drei natürlich die ersten und fingen an, den Truck mit dem Kärcher zu traktieren. Immerhin war Henry heute nicht da und konnte weder durch den Sprühnebel springen noch musste er mühsam verscheucht werden, bevor der Druckstrahl auf Corgi-Höhe angesetzt werden konnte.

Es schien sich über die letzten zwei Wochenenden schon eingeschliffen haben, dass Timo zum Essen immer bei Julian eingeladen war, anstatt dass jeder für sich alleine herum saß. Ansonsten überließen die zwei es wohl ihren spontanen Plänen, was sie gemeinsam oder getrennt machten.
An diesem Wochenende stand als gemeinsame Unternehmung für uns alle am Sonntag der Besuch einer Stunt-Show an. Am Samstag hatten Julian, Chris und ich das Wetter für eine Runde mit unseren Motorrädern genutzt, während Timo nach Gelsenkirchen gefahren war, um unter Gleichgesinnten das Auswärtsspiel seiner Schalker beim Rudelgucken in einer Kneipe zu sehen. Mit Blick aufs Ergebnis hätte er sich diese Straßenbahnfahrkarte auch besser sparen sollen…

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