Die letzte vollständige Woche im August des Jahres 2021 war angebrochen. In dieser begann ich, systematisch die Händler für gebrauchte LKW in Nordrhein-Westfalen abzuklappern. Das Ergebnis war aber eher unbefriedigend. Für den Anfang suchte ich einen LKW, der vom Platz im Fahrerhaus und der Leistung einem modernen Fernverkehrs LKW entsprach. Das setzte mindestens ein Fahrerhaus der mittleren Größe, also ein kleines Hochdach voraus. Außerdem war alles unter 400 PS tabu. Das reichte zumindest für den Einsatz im Stückgutbereich. Wenn man häufig auf 40 Tonnen ausgeladen war, sollten etwa 450 PS das Mindestmaß sein. Das wussten natürlich auch die Händler und setzten ab dieser Klasse die Preise gnadenlos nach oben. Fahrzeuge, die dann meinem voraussichtlichen Budget entsprachen, hatten entweder Laufleistungen, die bereits weit über einer halben Million Kilometern lagen, oder sie waren gnadenlos runtergerockt. Wenn man dann doch mal ein Fahrzeug fand, wo alles passte, waren meist die Interessenten aus Osteuropa schneller. Aber selbst die kauften inzwischen lieber junge LKW, bei denen lieber an der Ausstattung gespart wurde. Die kleinen Fahrerhäuser fand man eher bei Nahverkehrsfahrzeugen vor. Die wurden inzwischen häufig mit flachen Kabinen und einem Bett genommen, falls mal eine außerplanmäßige Übernachtung notwendig wurde. Fahrzeuge mit diesen Kabinen und/oder Leistungen unter 400 PS wurde man allenfalls noch in Afrika los. Davon gab es auch genug auf dem Gebrauchtmarkt. Trotzdem wollte ich da gar nicht erst mit anfangen. Irgendwann müssten auch mal angestellte Fahrer mit meinen Fahrzeugen arbeiten. Gute Fahrer waren sowieso schwer zu finden. Wenn man eine gute Bezahlung bot, bekam man auch welche, die dafür auf einen Neuwagen verzichten konnten. Trotzdem sollte dann ein gewisser Standard vorhanden sein.
Einen Tag musste ich auch noch an meiner Halle bleiben, weil die Telekom kam und meinen Anschluss für Festnetz und Internet legte. Dazu musste erstmal einiges modernisiert werden. Meine alte Anschlussdose bot nämlich nicht mehr die nötige Bandbreite für ein vernünftiges Internet. Als die Techniker schließlich ihre Arbeiten abgeschlossen hatten, war ich auch in der Lage, vom Büro aus meine Internetrecherche zum Thema „neue“ Zugmaschine zu betreiben.
Als ich die Internet-Suche nach einer Zugmaschine auch außerhalb von NRW fortsetzte, stieß ich immer wieder auf gute Angebote eines bestimmten Händlers. Die Firma „KI Nutzfahrzeuge – Used Truck Center Rhein / Main“ schien vergleichsweise faire Preise zu bieten. Allerdings lag sie, wie man sich beim Namen schon denken konnte, in Frankfurt am Main. Ich hatte auch keine Lust, nur auf blauen Dunst hin, mal eben über 200 Kilometer hin und wieder zurück zu fahren. So verging die Woche, ohne dass ich ein passendes Arbeitsgerät fand.
Am Samstag, den 28. August hatte ich mich mit meinem Bruder, Eric verabredet. Anschließend lieh ich mir einen Sprinter. Mit diesem transportierte ich mein Bett und zwei, drei Schränke nach Dortmund. Damit stattete ich den hinteren Container aus. Nun konnte ich auch hier übernachten und musste nicht mehr zwingend abends nach Menden fahren.
An der Firma fand ich auch erfreuliche Post im Briefkasten. Meine EU-Lizenz war erteilt worden. Mit dieser und den inzwischen gültigen Versicherungen durfte ich ab sofort gewerbliche Gütertransporte durchführen. Das ging nun auch mit einem Leihwagen, solange ich noch keine eigene Maschine hatte.
Nachdem wir die Möbel stehen hatten, schrieb ich eine Sammel Email an DHL-Menden, Daniel Schröder von Raben, Södra in Växjö, Holger Schenk vom Bauhaus, Dortmund und die Vereinigten Steinbrüche Paderborn – Erwitte. Darin teilte ich mit, dass die EU-Lizenz erteilt war und ich ab sofort einsetzbar war. Nun hieß es warten, dass die ersten Aufträge kamen.
…
Montag, den 30. August 2021, vormittags, Dortmund:
Ich saß in meinem Bürocontainer und surfte mal wieder im Netz, auf der Suche nach einer Zugmaschine.
Während ich dort suchte klingelte mein Telefon. Der Blick auf das Display half mir auf den ersten Blick auch nicht weiter. Dort stand: +46470… Was war denn 46 für eine Ländervorwahl? Ich sollte ich besser auf englisch melden. „Hello. Eurospeed Logistics, Dortmund. You are talking to Marc Müller.” „Hej. Södra trä Växjö här.”, begann der Anrufer. „Ich bin Magnus Larsson, dein Ansprechpartner und Disponent.”, seine Stimme und sein Akzent ähnelte der, die man aus der IKEA Werbung kannte. „Freut mich.”, sagte ich knapp. „Dein Firmenname weist für mich darauf hin, dass du der Mann für spontane Geschichten bist.” „Wenn ich gerade verfügbar bin, dann ja.” „Gut. Ich habe nämlich ein Problem. Mir ist gerade ein Fahrer ausgefallen. Der Trailer steht beladen in Lünen und muss heute noch nach Belgien.” „Wohin genau?” „Nach Malmedy. Das ist in der Provinz Liège.” „Ist mir bekannt.” „Dort genau zu einem Bauernhof, der zur französischen Terrena Genossenschaft gehört.” „Okay.” „Eine Ladung Pellets hin und anschließend den Trailer leer zurück nach Lünen.” „Passt. Die Zeit habe ich. Momentan habe ich aber keine Zugmaschine auf dem Platz. Ich muss mir eben eine Maschine mieten, dann kann ich nach Lünen kommen.” „Warte.”, sagte Magnus nachdenklich. „Das kannst du dir auch sparen. Wir machen das etwas günstiger, dafür nimmst du komplett unseren Lastzug.” „Ich bin doch bei euch gar nicht angemeldet.” „Lass das meine Sorge sein.”, sagte Magnus. „Ich melde dich für die eine Tour als Aushilfe an. Der Vertrag liegt gleich mit den anderen Papieren beim Pförtner in Lünen.” „Mit dir kann man arbeiten.”, sagte ich lachend. „Ob ich das Kompliment zurückgeben kann, sage ich dir morgen.”, sagte Magnus ebenfalls lachend.
…
Eine halbe Stunde später hatte ich mir ein paar Sachen zusammengepackt und mein Festnetz per Rufumleitung auf mein Handy umgestellt. Ich stieg in meinen Audi und fuhr nach Lünen zu Södra. Dort angekommen, meldete ich mich beim Pförtner. „Hallo, Müller von Eurospeed Logistics. Ich soll hier einen LKW nach Malmedy übernehmen.” „Ich weiß Bescheid.”, sagte der Pförtner freundlich. „Ich bekomme hier ein paar Unterschriften, danach kann dat losgehen.” Ich unterschrieb die erforderlichen Dokumente. „Dein Auto kannste da vorne links parken, woll.” Ich nickte. „Der Volvo steht hinten am Pellet und Späneplatz. Der Schubboden ist schon aufgesattelt.” „Klingt gut.” „Mach dat Auto nich kaputt. Kalle is da pingelich, woll.” „Hatte ich nicht vor.” „Dann mach fettich.”
Ich parkte den Audi auf dem genannten Parkplatz. Anschließend ging ich zum Späneplatz. Außer meinem Arbeitsgerät für heute waren keine eigenen LKW am Platz. Alles war unterwegs. So war es nicht schwer, den richtigen LKW zu finden. Kalle war offensichtlich Nahverkehrskutscher, denn er fuhr einen FH12 420 4×2 mit Flachdachkabine. Ich hatte eigentlich mit mehr Power gerechnet. Wenigstens war es, dem Arbeitgeber entsprechend, ein schwedisches Fahrzeug. Auch, wenn es in Deutschland zugelassen war.
Ich stieg ein und schaute mich im Fahrerhaus um. Viel Platz gab es in der kleinen Hütte nicht. Dafür war er von innen picobello. Das war sicher nicht bei jedem Holzkutscher so. Ich legte meine Fahrerkarte in den Tachographen und machte meinen Nachtrag. Ich hatte ewig keinen LKW mehr bewegt. Das zeigte auch der Fahrtenschreiber an.
Nun begann ich mit der Abfahrtskontrolle. In dem Moment kam ein Staplerfahrer vorbei. „Biste die Aushilfe, die Kalles Tour fährt?” „Sieht man doch.”, antwortete ich grinsend. „Kennste dich mit’m Walking Floor aus?” „Nee, hab ich nie gefahren.” „Watte, ich zeich dich dat.”, rief er. Er kam zu mir und erklärte mir, wie ich den Schubboden des Trailers bediente. „Oder wollste dat mitte Schüppe runtermachen?” „Hatte ich nicht vor. Danke für die Einweisung.” „Kein Thema.” Ich setzte die Abfahrtskontrolle fort und stieg dann wieder ein. Nun legte ich den Wählhebel der I-Shift auf D und fuhr langsam vom Hof.

Bis Schwerte nahm ich erstmal die B236 Dort fuhr ich auf die A1 in Richtung Köln. Langsam gewöhnte ich mich an den Schweden. Bei der Fahrt durch die Ausläufer des Bergischen Landes hatte der 420er gut zu tun. War der Zug doch auf 40 Tonen ausgeladen. Das half mir auch schon mal dabei, zwei Sachen für meine Gebrauchtwagensuche festzulegen.
Das erste war wirklich der Platz in der kleinen Hütte. Das Bett war gut für die Mittagspause, oder wenn man “mal” übernachten musste, weil die Zeit nicht mehr reichte. Böse Zungen würden nun behaupten, dass man früher mit solchen LKW bis in den vorderen Orient gefahren war oder sogar mit zwei Mann im Fernverkehr gefahren ist. Da gab es aber auch nichts anderes. Außerdem hatte man keine, weit in den Innenraum ragende Cockpits, sondern eher gerade Armaturenbretter, die den Platz nicht zusätzlich einschränkten.
Das zweite war die Motorisierung. Ich vermutete, dass die Schweden, bei denen ja bis zu 60 Tonnen erlaubt waren, der Meinung waren, dass bei gerade mal 40 Tonnen 420 PS reichten. Für mich war es das untere Ende der Fahnenstange. Auch wenn man selten auf 40 Tonnen ausgeladen war, es sei denn man fuhr schwere Klamotten.
Als ich mein Arbeitsleben Ende der 80er Jahre begann, waren die Standard LKW wirklich noch Mercedes SK 1735 oder MAN F90 19.362 mit den entsprechenden Flachdachkabinen. Heute, gut 30 Jahre später, lag der Standard 100 PS höher und Hochdächer gehörten zum guten Ton. Das war auch gut so. Da lag auch meine Zielsetzung für den Anfang.
Am Leverkusener Kreuz musste ich, Dank der Dauerbaustelle Leverkusener Brücke, auf die A3 in Richtung Frankfurt wechseln. Es war inzwischen Nachmittag und der Verkehr entsprechend dicht. Da musste ich jetzt eben durch. Wenigstens ließ sich der Volvo gut fahren. Die I-Shift schaltete sauber und zum richtigen Zeitpunkt und auch sonst war das helle Interior des Schweden angenehmer, als ich gedacht hatte.
Am Dreieck Heumar folgte etwas später der Wechsel auf die A4 in Richtung Aachen. Natürlich waren auch hier wieder zu viele Autos auf zu wenig Straße. Vor lauter Langeweile im Stau koppelte ich mal mein Smartphone mit der Freisprecheinrichtung des Schweden. Wie aufs Stichwort klingelte kurz darauf mein Handy. Dieses mal begann die Nummer mit +492307… Das war Kamen. „Eurospeed Logistics, Marc Müller am Apparat.”, meldete ich mich. „Schröder, Spedition Raben. Hallo Marc.”, wurde ich begrüßt. „Hallo Daniel.” „Hast du morgen noch Kapazitäten?” „Bisher schon.” „Willst du für uns nach Frankfurt fahren?” „Welches?” „Main natürlich. Sonst hätte ich es dabei gesagt.” „Kann ich machen. Ich muss mir aber noch einen Leihwagen besorgen.” „Das klingt, als wärst du unterwegs. Ich dachte, du hättest schon einen.” „Ich fahre gerade ein Kundenfahrzeug.”, antwortete ich. „Außerdem kann ich mir am Anfang keinen Leihwagen fest auf den Platz stellen, wenn ich nicht weiß, ob ich einen Auftrag bekomme. Die Kosten fressen mich ja auf.” „Musst du wissen.”, sagte Daniel. „Das sollte aber auch so klappen. Dann hol dir morgen früh den Leihwagen und komm dann zu uns nach Kamen. Wir machen dir den Auflieger für Frankfurt fertig.” „Okay.”
Das gefiel mir. Ich hatte also Arbeit für morgen. Dann auch noch nach Frankfurt. Vielleicht lag der Kunde in der Nähe von KI Nutzfahrzeuge. Dann könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Hinter dem Kreuz Köln West lief der Verkehr wieder besser. Die Sperrungen der Autobahnen bei Erftstadt, welche aufgrund der Flutkatastrophe vor ein paar Wochen nötig wurde, behinderten zwar den Durchgangsverkehr, die meisten fuhren aber direkt über die A3 in Richtung Süden. Die A4 nach Westen war zum Glück nicht betroffen.
Am Kreuz Aachen ging es auf die A44 in Richtung Lüttich und etwas später ging es bei Lichtenbusch über die Grenze nach Belgien. Ab hier stand nun E40 auf den Schildern. Bei Herve wechselte ich auf die E42 in Richtung Treves, also Trier und Verviers. Ich folgte der Autobahn bis nach Malmedy und weiter den Anweisungen des eingebauten Navis bis zu dem Bauernhof.

Die nächsten Probleme waren mal wieder die Sprachschwierigkeiten. Obwohl es nur wenige Kilometer bis zu den deutschsprachigen Gemeinden in Belgien war, sprach natürlich wieder keine Sau deutsch. Die sturen Frittenköppe aus der Wallonie sprachen dann auch angeblich kein Englisch und ich eben kein Französisch. „Déchargement.”, sagte ich eins der wenigen Worte die ich kannte. “D’accord. Vos documents, s’il vous plaît.” Ich reichte ihm die Lieferpapiere. Er warf einen Blick in die Papiere. Dann fragte er: „S’agit-il de granulés de bois?” Das klang richtig. „Oui.”, sagte ich. „Tournez ensuite à gauche dans le coin arrière. Vous pouvez y décharger.” Das einzige, was ich verstanden hatte, war “décharger”, also abladen. “à gauche” hieß, glaub ich links, da war ich mir aber nicht ganz sicher. Ich zuckte also verständnislos mit den Schultern. „Venez.”, sagte er. Nun folgte ich ihm hinten links in die Ecke, wo das Lager für die Pellets war. Er deutete dort hin und sagte knapp: „Là.” Ich nickte. „Oui.”
Nun rangierte ich den Sattelzug in die Ecke . Anschließend entlud ich meinen ersten Walking Floor. Nachdem dieser leer war, bekam ich meine Quittung. Nun konnte ich mich wieder leer auf den Weg, zurück nach Lünen machen.
Es ging zurück zur E42 und ab Herve über die E40 in Richtung Aachen. Als ich wieder in Deutschland war, atmete ich auf. Ich war kein Freund der Franzosen und genauso wenig der frankophonen Belgier. In Flandern klappte die Verständigung dreimal so gut. Die waren aber auch nicht zu stur, eine Fremdsprache zu sprechen. Es konnte einem doch keiner erzählen, dass man kein Wort deutsch konnte, wenn das 10 Kilometer weiter im gleichen Land die offizielle Sprache war.
Am Kreuz Aachen tauschte ich die A44 wieder gegen die A4 in Richtung Köln.
Dort angekommen, war der Verkehr immer noch dicht. Da musste ich nun durch.
In den ganzen Jahren meines Berufslebens hatte ich es mir abgewöhnt, mich über den Verkehr aufzuregen. Man schadete nur seinen Nerven oder seinem Magen. Ändern tat sich davon aber nichts.
Am Dreieck Heumar ging es auf die A3 in Richtung Oberhausen und am Leverkusener Kreuz auf die A1 in Richtung Dortmund. Mit dem leeren Sattelzug ging es nun auch bequem durch die bergische Hügellandschaft.
Es war Abend, als ich mit dem Volvo am Werkstor in Lünen war. Der Pförtner der Spätschicht sagte mir, wo ich den Lastzug hinstellen konnte. Alles weitere machten die Leute von Södra. Ich brachte den Schlüssel zum Pförtner und hatte damit meinen ersten Arbeitstag beendet. Mit meinem Audi fuhr ich zurück zur Firma, wo ich mich noch für eine halbe Stunde ins Büro setzte. Ich schrieb schnell noch die Rechnung für die Tour heute und schaute danach bei Google, wo ich in der Nähe Sattelzugmaschinen mieten konnte. BTS, Dortmund hatte eine Niederlassung der PacLease, IVECO -West hatte eine Niederlassung von R-Trucks. Außerdem gab es noch eine Hertz Niederlassung. Mercedes-Benz Charterway war in der Nähe vom Hafen. Das war mir zu weit, um dort zu Fuß hinzugehen. Ich beschloss, bei Iveco zu beginnen.
Im Wohncontainer machte ich mir den Inhalt einer Dose mit Erbsensuppe warm. Der alte zwei Platten Herd war inzwischen einer neueren Version gewichen. Auch ich nahm das Abendessen dann am Schreibtisch ein. Dabei schaute ich auf meinem PC ein wenig YouTube.
Anschließend machte ich noch einen kleinen Verdauungsspaziergang. Danach folgte meine erste Nacht in meiner “neuen” Behausung in Dortmund.
…
Dienstag, den 31. August 2021, morgens, Dortmund:
Gegen halb Sieben stand ich auf und machte mich fertig. Dusche und Toilette hatte ich ja zum Glück in dem Container. Die Zahnpflege und Rasur folgte am kombinierten Spül und Waschbecken. Ich machte mir noch eine Thermoskanne Kaffee fertig und packte meine Tasche zum Mitnehmen. Anschließend ging ich zu IVECO-West rüber, der Herstellereigenen Verkaufsniederlassung in Dortmund. In der Verkaufshalle war auch ein Schreibtisch, auf dem ein Aufsteller der R-Trucks stand. Dort saß der Mitarbeiter, der sich um die Vermietung kümmerte. „Schönen guten Morgen.”, begrüßte er mich. „Was kann ich für Sie tun?” “Guten Morgen. Mein Name ist Marc Müller von der Eurospeed Logistcs. Wir haben da vorne das alte Gelände übernommen. Ich brauche eine preiswerte Sattelzugmaschine zur Miete.” Bei der Erwähnung des alten Grundstücks rümpfte der Mitarbeiter kurz die Nase. War es doch der Schandfleck hier. „Eine Standardmaschine oder was Spezielles?” „Normale Standardmaschine.”, bestätigte ich. Er schaute in seinen Rechner. „Moment… ein S-Way ist noch hier… Mist. Der ist reserviert. Dann habe ich noch zwei Stralis… Das gibts doch nicht. Die sind auch reserviert. Das kann doch nicht sein…” Er nahm sein Telefon und wählte eine Durchwahl. „Ja, ich bins. Ihr habt von der Wekstatt drei Standardmaschinen reserviert. Braucht ihr die wirklich alle heute?… ja… hmm… hmm… Ich habe hier einen Kunden, der eine Standardmaschine braucht… Ist ein Neukunde… hmm… wenn ich den jetzt vertröste, kommt der sicher auch nicht wieder… ja… moment.” Nun wandte er sich an mich: „Wie lange brauchen Sie die Maschine? Eventuell nur kurz?” „Ich brauche die Maschine für eine Tour ins Rhein-Main Gebiet. Laden, runterfahren, abladen, Rückladung laden, zurückfahren und hier abladen. Also am besten den ganzen Tag.” Er wandte sich wieder dem Telefon zu: „Das klappt nicht… hmm… hmm… du meinst?… die alte Kiste?… na gut. Ich frag ihn.” Er wandte sich wieder an mich. „Sie wollten doch eine preiswerte Lösung?” „Das ist richtig.” „Wir haben hier noch eine alte Zugmaschine. Die haben wir früher als Werksstattersatzwagen genommen, inzwischen nur noch als Hofziege, um hier Auflieger bewegen zu können. Sie ist aber zugelassen und ansonsten einwandfrei. Ist allerdings ein alter Stralis mit fast 900.000 Kilometern auf der Uhr.” „Okaay. Für wie viel?” Er nannte mir einen Preis. „Für einen Stralis müsste ich 50 Euro mehr haben, für einen S-Way 80 Euro mehr. Die habe ich aber, wie gesagt nicht verfügbar.” „Einverstanden.” „Außerdem eine Miet-und Mautkaution in Höhe von…” „Versteht sich von selbst.” Er wandte sich nochmal an seinen Gesprächspartner am Telefon: „Er nimmt den alten Stralis. Bringst du den nach vorne? Danke.” Nachdem er aufgelegt hatte schrieb er den Mietvertrag. „Wie wollen Sie zahlen?” „Geht DKV-Karte?” „Selbstverständlich.” Ich reichte ihm meine nagelneue DKV-Karte. „Haben Sie gerade erst neu angefangen?” „Genau.” „Dann sollten Sie vielleicht einen Termin bei unseren Verkäufern machen. „Leider werde ich mir vorerst nur einen gebrauchten Lastzug zulegen können. Und da haben Sie zur Zeit nichts auf dem Hof, was von Preis und Leistung passt. Außerdem muss ich auch am Firmengelände was machen. Das ist ja ein Schandfleck hier.” „Das wäre wünschenswert.” Schließlich waren alle Formalitäten erledigt und wir gingen zu der Zugmaschine. Ich war angenehm überrascht. „Für Alter und Laufleistung sieht der ja noch erstaunlich gut aus.” „Das stimmt. Eine Sache muss ich Ihnen aber noch sagen.” „Welche?” „Wir machen das jetzt, um Ihnen aus dem Engpass zu helfen. Wir können Ihnen die Maschine aber nicht länger vermieten. Nur für heute.” „Verstehe.” „Ich hoffe, dass wir trotzdem auf die eine oder andere Weise ins Geschäft kommen.” „Langfristig sicher.” Wir machten einen Rundgang um die Maschine und nahmen die eine oder andere kleine Macke auf. Schließlich fragte er: „Brauchen Sie eine Einweisung?” „Nicht nötig. Dieses Modell Stralis habe ich bereits gefahren.” Er warf noch einen Blick hinein, ob noch was aufzunehmen war, Danach unterschrieben wir beide das Übergabeprotokoll. Anschließend machte ich mich auf den Weg nach Kamen.
Bei Raben gab es dann einen Schalter, an dem man sich melden musste. „Guten Morgen. Eurospeed Logistics. Ich soll hier einen Trailer für Frankfurt übernehmen.” „Bist du der Bekannte von Daniel?”, fragte mich ein junger Disponent. „Ganz genau. Marc Müller.” „Ich bin Jürgen.”, antwortete er. „Der Trailer steht geladen an Tor 5. Hier sind die Papiere. Falls ich eine Rückladung bekomme, rufe ich an.” „Gut.” „Dann los. Du bist spät dran.” Ich ging wieder raus und fuhr zu Tor 5. Dort nahm ich den Trailer auf. Danach sah ich zu, dass ich vom Hof kam.
Eben war ich von der A2 gekommen. Da lag das Gewerbegebiet Hemsack direkt am Anfang von Kamen. Zur A1 musste ich erst einmal ein Stück durch die Stadt. Lange hatte ich keinen Stralis der ersten Generation mehr gefahren. Es war zwar schon ein Facelift zu den ersten Modellen, die Anfang der 2000er noch mit Euro3 rausgekommen waren, aber eben noch der Vorgänger vom HiWay. Die alte AS-Tronic schaltete noch nicht ganz so flüssig, wie spätere Versionen, obwohl Iveco seinerzeit an der Entwicklung von ZF mitwirkte. Auf der Solofahrt von Dortmund nach Kamen hatte ich noch nicht viel feststellen können. Ich war jetzt mal gespannt, wie sich der alte Cursor 10 mit 450 PS mit einer Ladung von knapp 20 Tonnen auf der Sauerlandlinie schlagen würden.
Kamen Zentrum fuhr ich auf die A1. Ab dem Kreuz Dortmund / Unna staute es sich, wie meistens, auf der LKW Spur. Auf den beiden anderen Spuren herrschte mäßiger Verkehr, Dank des Überholverbots ging auf der rechten Spur bis zum Rasthof Lichtendorf erstmal nicht viel. Danach lockerte es sich etwas auf.
Am Westhofener Kreuz wechselte ich auf die A45, die Sauerlandlinie. Auch hier war es erstmal voll, was auf die Dauerbaustelle der Lennetalbrücke bei Hagen zurückzuführen war. Danach konnte der Stralis zeigen, wie viele der ehemals 450 Pferde noch lebten. Auf wenigen Kilometern galt es nun die Steigung von 120 Metern über Normal Null bei Hagen auf über 400 Metern bei Lüdenscheid zu bewältigen. Der spanische Deutsch- Italiener schlug sich für seine Laufleistung noch ganz achtbar. Die Leistung ließ sich sowieso nur schwer gegen die damalige Konkurrenz vergleichen, die bei gleicher Nennleistung meist 2 Liter Hubraum mehr zu bieten hatte, als der Cursor 10 mit seinen mageren 10,3 Litern Hubraum. Wehmütig dachte ich an meinen ersten Iveco zurück. Einen TurboStar 190-36 der letzten Generation. Dieser hatte mit seinen 13,6 Litern Hubraum auch nominell stärkere LKW an eben dieser Steigung stehen lassen. Mit dem hatte ich damals die Million überschritten. Da war dieser hier auch nicht mehr weit von entfernt. Und dafür kam ich hier noch vergleichsweise gut den Berg rauf.
Bei Meinerzhagen ging es über die 500 Höhenmeter hinaus. Es folgten Olpe und Siegen, die etwas niedriger lagen. Zwischen Wilnsdorf und Haiger wurden die 500 Meter wieder geknackt. Hessen war erreicht. Von nun an ging es wieder mehr bergab, als bergauf.

Dillenburg, Wetzlar und Gießen. Mit großen Schritten näherten sich der Iveco und ich dem Rhein-Main Gebiet. Am Gambacher Kreuz wechselte ich auf die A5 in Richtung Frankfurt. Nach der Wetterau ging es dann auf die Ebene des Maintals zu. Am Bad Homburger Kreuz wechselte ich auf die A661 in Richtung Frankfurt-Ost. Meine Abladestelle lag im Osthafen. Passend dazu klingelte mein Telefon. „Eurospeed Logistics, schönen guten Tag. Sie sprechen mit Marc Müller.”, meldete ich mich. „Hallo Marc, Jürgen hier. Wie weit bist du?” „Ich denke mal, in einer Viertelstunde bin ich beim Kunden.” „Sehr gut. Da sattelst du den Trailer ab und fährst dann zu unserer Frankfurter Niederlassung in Erlensee. Dort übernimmst du einen Trailer mit Sammelgut für unser Lager hier in Kamen.” „Was ist mit meiner Pause?”, fragte ich. „Ich hoffe, du meinst nicht die große Pause.” „Natürlich nicht. Aber ich sollte gleich mindestens die 45 Minuten stehen.” „Wäre gut, wenn du vorher noch absatteln kannst.” „Logisch.” „Danach ist mir das egal. Du kannst die dann erst machen, oder bei uns auf dem Hof oder auf dem Weg hier hoch. Wie du willst.” „Okay.” „Dann bis später.” Wir legten auf.

Als ich im Osthafen den Kunden suchte, fiel mir ein Schild auf: “KI Nutzfahrzeuge – Used Truck Center Rhein-Main” Super, genau das habe ich gesucht. Der Wegweiser zeigte in die Seitenstraße. Ich merkte mir die Position und fuhr erstmal zum Kunden. Man wies mir eine Rampe zu, an der ich absatteln konnte. Dann bekam ich meine Quittung unter Vorbehalt.
Anschließend fuhr ich wieder zu der Straße, an der das Schild stand. Ich bog in die Seitenstraße, an deren Ende ein weitläufiges Gelände war. Auf der einen Seite befand sich eine Werkstatthalle mit einem kleinen Büroanbau. Der größte Teil war aber eine Freifläche, auf der zahlreiche LKW aller europäischen Marken und mit den unterschiedlichsten Aufbauten standen. In der Werkstatt mit fünf Spuren war allerhand Betrieb. Offensichtlich wurden die Fahrzeuge hier aufbereitet. Ich fuhr den Iveco vor den Bürobau und stieg aus. Ich ging zur Bürotür und wollte gerade hereingehen, als ich aus Richtung der Werkstatthalle ein freundliche Stimme mit einem starken slawischen Akzent hörte:
„Challo. Wollen Sie den Stralis verkaufen?” Ich drehte mich zu dem Fremden. „Hallo. Eigentlich bin ich hier, weil ich was kaufen möchte.” „Das gefällt mir sogar noch besser.”, sagte der Fremde. „Cherzlich willkomen. Mein Name ist Krysztof Iwanowski. Ich bin der Inchaber chier.” „Freut mich. Mein Name ist Marc Müller. Mein Unternehmen heißt Eurospeed Logistics und ist in Dortmund.” „Ganz meinerseits. Was suchen Sie denn genau? Ich chabe chier fast alles.” „Ich suche eine günstige Standard Zugmaschine. Der Stralis dort trifft schon ziemlich die richtige Richtung, was Leistung und Fahrerhaus betrifft.” „Standard? Der Trend geht immer mehr in Richtung Mega Trailer.” „Das habe ich momentan nicht vor.” „Wie alt? Ich frage wegen dem alten Stralis.” „Ist nicht meiner.”, erklärte ich. Dann überlegte ich kurz. „Hmm… Schadstoffklasse sollte Euro 6 oder maxial EEV sein. Das schränkt das Alter ja etwas ein.” „Laufleistung?” „Keine Ahnung. Eine halbe Million?” „Motorleistung?” „Zwischen 400 und 500 PS. Der 450er Stralis da passt ganz gut.” „Irgendeine Neigung zu einem Chersteller?” „Nicht wirklich. Schlechte LKW gibt es sowieso kaum. Sagen wir mal irgendwas von den großen Sieben.” Krysztof Iwanowski nickte. „Sie schränken nicht zu viel ein. Vermutlich suchen Sie schon länger. Sie wollen aber auch genau das chaben, was meine Partner in Osteuropa auch chaben wollen. Ich verkaufe viel nach Russland, Belarus, Ukraine und in den Balkan.” „Das hatte ich vermutet.” „Warum? Weil ich Pole bin?” „Nein. Weil dort die meisten gebrauchten LKW dieser Kategorie hingehen.” „Richtige Antwort.”, sagte Iwanowski grinsend. „Ich chasse Vorurteile. Dann chätte ich Sie auch rausgeworfen.” Ich nickte. „Bei gebrauchten Nutzfahrzeugen gibt es zwei, bis drei Märkte. Der nach Osteuropa und der nach Afrika sind die größten. Nach Osteuropa geht auch das, was Sie suchen. Den Rest versuche ich nach Afrika zu verkaufen. Der kleinste Markt ist in Westeuropa. Chier verkaufe ich LKW, die Leasinggesellschaften eingezogen chaben, weil nicht bezahlt wurde oder reparierte Unfallwagen, die ich in meiner Werkstatt wieder ganz mache. Ich vermute aber, die sind Ihnen auch zu teuer. Sonst chätten Sie schon was im Ruhrgebiet gefunden.” Ich lief knallrot an und Iwanowski lachte auf. „Man muss seine Kunden lesen können.”, sagte er lachend. „Sie sind chier, weil Sie meine Lockangebote im Internet gesehen chaben. Sind echte Angebote, aber auch schnell verkauft. Ist kein Trick.”
Iwanowski führte mich über seinen Platz. Er hatte erstaunlich viel Ordnung dabei. Die Fahrzeuge waren nach Bauart, und seinen Kategorien sortiert. „Motorwagen und Anchänger sind uninteressant? Auch keine Wechselbrücke?”, fragte er. „Passt nicht in meine Planung für den Anfang. Das geht weder beim Trailer Trucking, noch bei Kunden, die unterschiedliche Trailer brauchen.” Wir gingen also weiter zu den Zugmaschinen. Er zeigte auf eine Ecke, wo Flachdach Maschinen standen. „Meine Afrika Ecke. Kleine Kabinen, wenig PS und am liebsten wenig Elektronik.”, erklärte er mir. „Ist Ihre Preisklasse, aber nicht Ihr Wunsch.” Wir kamen an eine Fläche, die ziemlich leer war. „Gestern morgen war chier noch voller.”, sagte Iwanowski. „Dann kamen drei meiner besten Kunden. Jeder mit einem Kleinbus voller Fahrer. Chintercher waren 30 Lastwagen weniger auf dem Platz.” „Woher bekommen Sie eigentlich die LKW?” „Überall aus Westeuropa. Ich chabe zwei Brüder, die den Ankauf machen. Die fahren überall rum und kaufen. Inzwischen chaben wir feste Lieferanten, die immer an uns verkaufen.” Es stand schon wieder eine Handvoll LKW dort. „Die waren gestern noch in der Aufbereitung.”, erklärte Iwanowski. „Die sehen nicht so aus.”, stellte ich fest. Er holte ein paar Schlüssel aus der Tasche. „Steigen Sie mal ein.”, sagte er grinsend. Ich stieg in eine Maschine ein und staunte nicht schlecht. Von innen waren die Maschinen professionell aufbereitet. Sie sahen beinahe aus, wie frisch aus dem Werk. „Ich mache die LKW von innen und von der technischen Seite fertig. Von außen spare ich mir.” „Warum?”, fragte ich erstaunt. „Zwei Gründe. Erstens sieht es so von Weitem aus, als ob chier nur Schrott steht. Eine Elster kommt wegen dem Glitzern. Zweitens. Wie soll ich aufbereiten? Ein Kunde will lieber weiß, der Nächste blau, der Nächste rot. Welche Farbe soll ich lackieren? Dann spare ich die Kosten und verkaufe billiger und Kunde muss nicht neue Farbe über lackieren.” „Macht Sinn.”

Von den wenigen Zugmaschinen fielen mir zwei besonders ins Auge. Die erste war ein Actros der vierten Generation. Die blaue Zugmaschine mit auffälliger Toys”R”us Werbung hatte eine Streamspace Kabine und die 12,8 Liter Maschine mit 421 PS. Vorteil war die Euro6 Version und das vergleichsweise geringe Alter. Die Nachteile waren Fahrerhaus und Maschine am unteren Ende der Skala. Trotzdem zog ich ihn in Erwägung.

Der zweite war ein Renault Magnum. Es handelte sich um einen der letzten mit Erstzulassung aus dem Jahr 2013. Der DXi13, eigentlich ein Volvo Motor, war in der Version mit 440 PS vertreten. Auch die Optidriver genannte Automatik ist im Grunde nichts anderes als die I-Shift der Konzernmutter. Ansonsten hatte das Fahrerhaus die Single Version, die nur das obere Bett hatte, dafür aber die bequeme Sitzecke mit Klapptisch und drehbarem Beifahrersitz. Außerdem bot die letzte Version des Magnum das erhöhte Kabinendach mit größeren Staufächern und zwei Metern Stehhöhe innen. Von außen hatte der Magnum seine besten Zeiten hinter sich. Die serienmäßige Fahrgestellverkleidung fehlte und die Lackierung in Farben der Air France war inzwischen stumpf. Die Nachteile waren das hohe Alter von acht Jahren, die Schadstoffklasse Euro 5 und der gewöhnungsbedürftige Einstieg. Klettern gehörte aber bei Renault zum guten Ton. Auch der Renault T als Nachfolger hatte einen ziemlich hoch liegenden Kabinenboden. Die Vorteile lagen aber auch auf der Hand. Platz und Ausstattung entsprachen eher einem Fernverkehrszug als bei dem Actros. Außerdem war die Laufleistung geringer trotz des höheren Alters. Der Magnum war durchschnittlich nur 50.000 Kilometer pro Jahr bewegt worden. „Was ist denn mit der Seitenverkleidung passiert?”, fragte ich. „Die war auf einer Seite stark beschädigt.”, sagte Iwanowski. „Daher chaben wir sie ganz abgebaut. Drunter war kein Schaden, also brauchten wir nicht weiter reparieren.”
Wir gingen zurück zum Büro. „Mein Kreditantrag läuft. Die Bewilligung wird in den nächsten Tagen kommen. Können Sie mir den Actros und den Magnum reservieren, die kommen beide in die engere Wahl.” „Wollen Sie beide chaben?”, fragte Iwanowski. „Nein. Da reicht der Kredit nicht für. Ich muss erstmal schauen, wie es läuft, bevor ich mehrere LKW kaufen kann. Außerdem müsste ich erstmal neu bauen. Ein Trailer wäre auch nicht verkehrt.” „Sie müssen mich auch verstehen. Ich kann nicht zwei Maschinen reservieren, wenn ich nur eine verkaufe. Da müssen Sie sich entscheiden.” „Da muss ich erst eine Nacht drüber schlafen.” „Dann tut es mir leid. Ich kenne Sie ja gar nicht. Eine Reservierung bis zum Wochenende geht in Ordnung. Aber nicht beide.” „Ich weiß es momentan wirklich nicht.” „Ich mache eins. Sie geben mir Ihre Telefonnummer und wenn ein Käufer kommt, der eine Maschine chaben will, rufe ich kurz an und frage wie es aussieht.” „Einverstanden.” Ich gab Iwanowski meine Karte und machte mich anschließend auf den Weg nach Erlensee.
Dort angekommen, konnte ich bei Raben direkt den Trailer mit Sammelgut für Kamen übernehmen. Nach dem Papierkrieg im Büro, dem Aufsatteln und der Kontrolle des Trailers ging es also wieder nach Hause. Von hier aus war es natürlich besser, gleich in Langenselbold auf die A45 zu fahren und nicht wieder zurück zur A5. Die Sauerlandlinie behielt ich nun auch bis zum Westhofener Kreuz unter den Rädern des Ivecos.
Am Nachmittag, als ich gemütlich durch das südliche Sauerland rollte, klingelte mal wieder mein Handy. „Eurospeed Logistics, schönen guten Tag. Sie sprechen mit Marc Müller.”, meldete ich mich. „Hej. Magnus Larsson här.”, begrüßte mich der Mann mit der IKEA Werbestimme. „Hast du morgen noch Kapazitäten frei?” Bisher hatte ich nichts gegenteiliges vernommen. „Hab ich. Wieder eine Nahverkehrstour?” „Das sieht wohl jeder anders.”, meinte Magnus lachend. „Ist weiter als die letzte Tour, bleibt aber dafür in Deutschland. Ich muss ein paar Gabelstapler nach Berlin haben.” Ich fragte mich zwar wofür ein holzverarbeitender Betrieb wie Södra Gabelstapler nach Berlin zu transportieren hatte, aber eigentlich ging mich das auch nichts an. „Wieder mit einem von euren LKW?”, fragte ich stattdessen. „Einen Tieflader können wir zur Verfügung stellen. Eine Zugmaschine habe ich aber nicht frei. Ihr habt schon eigene LKW? Oder nicht?” „Momentan nicht, ich hab mir aber vorhin noch welche angesehen.” „Du kannst also nicht?” „Natürlich kann ich. Ich nehme die Tour.” „Gut. Die Stapler müssen im Laufe des morgigen Tages ankommen. Wann willst du den Trailer abholen?” „Morgen zwischen Acht und Neun. Bis dahin habe ich einen Leihwagen.” „Hast du sonst noch Fragen?” „Ist eine Rückfahrt geplant? Also Trailer oder Ladung zurück?” „Die Stapler werden in Berlin generalüberholt. Ich vermute, die Rückfahrt kommt in ein paar Wochen, wenn alle Stapler fertig sind. Der Tieflader soll so lange in Berlin bleiben.” „In Ordnung. Dann suche ich mir einen Anschluss ab Berlin.” „Wenn ich was bekomme, melde ich mich bei dir.”
Am Westhofener Kreuz wechselte ich auf die A1 in Richtung Bremen. An der Ausfahrt Kamen Zentrum verließ ich die Autobahn. Nun ging es noch durch Kamen zu Raben. Als ich dort abgesattelt hatte, fuhr ich zurück nach Dortmund. Hier tankte ich den Stralis und brachte ihn zurück zu IVECO-West.
Leider hatte sich die Situation vom Morgen nicht verbessert. Man konnte mir für den nächsten Tag keine Maschine anbieten. Ich brachte schnell die Tasche mit meinen Sachen zur Firma und ging anschließend zu BTS.
Ich hätte eigentlich gerne einen DAF XG als Vorführer gehabt, so spontan ließ sich das aber nicht bewerkstelligen. Man reservierte mir aber für den nächsten Morgen einen DAF XF. Einer Eingebung folgend buchte ich die Maschine als One-Way-Miete, die ich morgen in Berlin wieder abgeben konnte. Schließlich hatte ich noch keine Rückladung und auch noch keinen Schimmer, was ich wann bekommen konnte. Natürlich gab es Raben, Mittenwalde und DHL, Wustermark. Aber beide kannten mich nicht und hatten mich daher nicht auf dem Schirm. Einen Timocom Account musste ich ebenfalls noch erstellen. Das waren alles Sachen, um die ich mich nicht morgen während der Fahrt kümmern werde. Für heute war aber erstmal Feierabend. Ich ging zurück zur Firma. Dort machte ich mir noch mein Abendessen. Nach dem Verdauungsspaziergang, den ich nach dem Essen noch machte, legte ich mich zeitig hin.
…
Mittwoch, den 1. September 2021, morgens, Dortmund:
Gegen halb Sieben stand ich auf. Die ersten Tage, in denen ich nach langer Zeit wieder auf dem Bock war, hatten mich ganz schön geschlaucht. Irgendwie war ich nichts mehr gewohnt. Die Dusche weckte nach dem Aufstehen aber die Lebensgeister in mir.
Nachdem ich mich fertiggemacht hatte, setzte ich mich noch kurz zum Frühstücken hin. Anschließend füllte ich den restlichen Kaffee in meine Thermoskanne und packte diese mit meinen anderen Sachen zum Mitnehmen in eine kleine Reisetasche.
Nun ging ich zu BTS und holte mir den DAF ab. Ich bekam einen XF 480 mit Super Space Cab, auch wenn ich das gute Bett allenfalls in der kurzen Pause auf der Fahrt nach Berlin nutzen konnte. Am Platz packte ich noch schnell meine Sachen in den DAF, dann fuhr ich nach Lünen, wo mich der Pförtner begrüßte, der auch Dienst hatte, als ich vor zwei Tagen den Volvo übernommen hatte. Wir erledigten den Papierkrieg, danach sagte er mir wo der Tieflader mit den Staplern stand. Nun sattelte ich den Trailer mit den Staplern auf.
Bei der Abfahrtskontrolle ging mir durch den Kopf, dass der Vierachser mit den Gabelstaplern wohl total unterfordert war. Da hätte auch die Hälfte der Achsen ausgereicht. Nach der Funktionskontrolle des Aufliegers und der Prüfung der Ladungssicherung machte ich mich auf den Weg. Berlin, Berlin. Wir fahren nach Berlin.

Es ging mal wieder auf die A2. Die “Warschauer Allee” war eine der wichtigsten Ost- West Verbindungen in Mitteleuropa und gerade deshalb wurde ein großer Teil des Güterverkehrs auf dieser Autobahn abgewickelt. Als Teil der E30, Amsterdam – Berlin – Warschau – Minsk – Moskau waren auch entsprechend viele LKW aus Osteuropa auf dieser Route unterwegs. Die sich immer noch hartnäckig haltenden Gerüchte von alten, Werkstattreifen LKW, hielt ich selbst inzwischen für überholt. Die Gerüchte von Fahrern, die in punkto Gesetzesvorschriften völlig schmerzfrei waren, allerdings nicht. Sah man doch jeden Tag “Sicherheitsabstände” in die kein anderer Lastzug von der Länge reinpassen würde. Von den vorgeschriebenen 50 Metern rede ich schon gar nicht. Auch die Geschichten von manipulierten Fahrtenschreibern gehörten eher in den Bereich der Tatsachen, als der Mythen. Genau aus diesen Gründen fühlte ich mich auf der A2 immer ein wenig unwohl. Schwere Unfälle gab es hier ja auch häufig zu sehen.

Unter Anderem passierte ich Bielefeld, die Stadt, die es laut einigen Verschwörungstheoretikern nicht gibt. Ich konnte das nicht bestätigen, hatte ich doch immer wieder in meinem Berufsleben Kunden in der Stadt beliefert. Nach dem Überqueren der Weser und dem passieren der Porta Westfalica verließ ich NRW und kam nach Niedersachsen. Die Hügel von Teutoburger Wald und Weserbergland störten den Niederländer und den amerikanischen Reihensechszylinder nicht allzu sehr. So schwer war die Ladung aber auch nicht. Die Gefälle in Richtung Hannover waren, Dank dem ZF Intarder in der AS-Tronic auch kein Problem.
Hannover, Peine, Braunschweig, Helmstedt. Niedersachsen war schnell durchquert. Nun ging es über die ehemalige innerdeutsche Grenze nach Sachsen-Anhalt. In der Berufsschule musste ich, bei meiner Ausbildung zum Speditionskaufmann die Grenzübergänge an den Transitautobahnen noch auswendig lernen, obwohl die Mauer gefallen war und die Wiedervereinigung kurz bevor stand. Nun erinnerten nur noch Schilder und ein paar Gebäude am Rasthof Marienborn an die umfangreichen Kontrollen, die DDR-Grenzer hier durchgeführt hatten.
An Magdeburg ging es noch vorbei, danach galt es, langsam einen Parkplatz für die kurze Pause zu nehmen.

In dieser nahm ich nun doch mein Telefon und rief mal bei Raben in Kamen an. Daniel Schröder stellte mir schließlich eine gute Frage: „Wie lange weißt du denn schon, dass du eine Rückladung aus Berlin brauchst?” „Ähm… ja… seit gestern Nachmittag.” „Dann meldest du dich erst jetzt? Kannste vergessen. Alles was heute noch rausgeht, ist doch längst vergeben. Wenn du Glück hast, kriege ich was für morgen Abend. Sonst erst am Freitagmorgen.” „Und wenn spontan noch Kunden anrufen?” „Dann läuft sowas nicht im Trailer Trucking. Wenn du irgendwann deinen eigenen Trailer hast, können wir über solche Sachen reden.” „Verstehe.” „Ich sag in Mittenwalde Bescheid, dass du verfügbar bist. Mehr kann ich nicht für dich tun.” „Okay.” „Melde dich in Zukunft, sobald du absehen kannst, wann du wo eine Ladung brauchst.” „Mache ich.”
Bei DHL-Menden sagte man mir etwa das gleiche. Da kam aber noch erschwerend hinzu, dass LKW, die bei Daimler, Ludwigsfelde kein Leergut bekamen, ebenfalls mit Ladung zurück nach Hagen oder Menden mussten.
Insgeheim war ich froh, dass ich One-Way-Miete vereinbart hatte. Sonst hätte ich noch die Kosten einer Tagesmiete gehabt, ohne fahren zu können. So reservierte ich mir ein Zimmer in einem billigen Hotel, was in der Nähe der Vermietstation lag. Die Timocom Anmeldung konnte ich dann morgen in Ruhe machen.
Nach Beendigung der Pause fuhr ich weiter. Bis zum Dreieck Werder hieß meine Autobahn noch A2, danach war es die südliche Trasse der A10. Auch am Dreieck Potsdam folgte ich weiter der A10. Am Dreieck Nuthetal wechselte ich auf die Avus, um nach Berlin hinein zu kommen. Ich passierte Potsdam und den ehemaligen Grenzübergang Dreilinden. Ich kam an Wannsee und Grunewald vorbei. Auf der früheren Rennstecke kamen mir Namen wie Rudolf Caracciola und Bernd Rosemeyer in den Kopf.

Am Dreieck Funkturm wechselte ich auf die A100 in Richtung Norden. Mein Ziel lag in Charlottenburg. Nach Verlassen der Autobahn war ich für zwei Sachen dankbar. Mein Navi und die Automatik. Ich kannte mich in Berlin nicht aus und jetzt, am Nachmittag war der Verkehr die Hölle. Ich machte drei Kreuze, als ich beim Ziel auf dem Hof stand und den Trailer heile absatteln konnte. Ich ließ mir alles quittieren und brachte anschließend den DAF weg. Danach ging es mit dem Taxi zum Hotel. Ich checkte ein und ließ mich in meinem Zimmer erschöpft auf das Bett fallen. Stadtverkehr mit einem 40 Tonner hatte mir noch nie Spaß gemacht. Während ich mich an die längeren Strecken langsam wieder gewöhnte, brauchte ich für den Stadtverkehr, wie ich ihn diese Woche in Frankfurt oder Berlin hatte, noch etwas länger.
Zum Abendessen ging ich noch mal kurz raus. Danach ging ich aber sofort wieder zurück zum Hotel. Ich genoss es, dass ich mal eine Nacht nicht im Container schlief und an dem Abend vom Bett aus fernsehen konnte.
…
Donnerstag, den 2. September 2021, 8:00, Berlin:
Da keine Arbeit auf mich wartete, schlief ich bis acht Uhr. Nach dem Aufstehen genoss ich erstmal den Luxus eines vernünftigen Badezimmers. Das war doch schöner, als meine Dusche und Spülbecken im Container. Bis zum Monatsende hatte ich zwar auch noch meine Wohnung in Menden, zu dem Zeitpunkt hatte ich sie aber gekündigt, um Kosten zu sparen.
Frisch geduscht und rasiert ging ich anschließend in den Frühstücksraum des Hotels. Dieser war inzwischen schon recht leer. Das Hotel lag so weit abseits von den Berliner Sehenswürdigkeiten, dass sich hier eher selten Touristen hin verirrten. Dafür war es aber wohl bei Vertretern und Arbeitern beliebt. Die waren aber um diese Zeit schon am arbeiten.
Die junge Frau von der Rezeption schaute auch immer wieder nach, ob an dem Frühstücksbuffet was nachgelegt werden musste. Bei dieser Gelegenheit sprach ich sie an. „Bis wann muss ich denn mein Zimmer geräumt haben?” „Checkout ist bis zehn Uhr. Ansonsten muss ich Ihnen leider einen weiteren Tag berechnen.” Ich überlegte kurz. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich einer meiner Kunden vor zehn Uhr meldete, war gering. Außerdem hatte Daniel gemeint, dass es dann entweder im Nachtsprung oder erst am Freitagmorgen weiter gehen würde. In beiden Fällen sollte ich vorher noch mal schlafen. „Verlängern sie für mich bis morgen.”, sagte ich spontan zu der jungen Frau. „Gerne. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?” „Haben sie W-Lan für Gäste?” „Selbstverständlich.”, sagte die junge Frau. „Kommen Sie nach dem Frühstücken bei mir an der Rezeption vorbei, dann gebe ich Ihnen die Zugangsdaten.”
Diese holte ich mir nach dem Frühstück. Zurück auf meinem Zimmer, holte ich meinen Laptop aus der Tasche. Ich loggte mich beim W-Lan ein und begann anschließend mit meinen Bürotätigkeiten.
Zuerst checkte ich meine Emails. Die Wichtigste darunter kam von meiner Hausbank. Schmidt bestätigte mir, dass mein Kredit bewilligt worden war. Die Summe würde für eine Zugmaschine von Iwanowski und noch für einen Auflieger reichen. Nun begann ich zu überlegen. Der Actros war jünger als der Magnum. Außerdem hatte er Euro 6. Der Renault hatte stattdessen, trotz des höheren Alters weniger gelaufen und eben mehr Platz. Außerdem fand ich das Konzept mit der Sitzecke nicht schlecht, wenn man bedachte, dass ich nach Feierabend wohl noch oft Bürokram machen musste. Ich war hin und hergerissen. Ich beschloss, die ganze Sache streng rational zu entscheiden. Dabei sammelte der Mercedes mehr und mehr Pluspunkte vor dem Franzosen. Der Streamspace war aerodynamischer, als der französische Kubus. Euro 6 war von der Maut günstiger und das Fahrzeug wirkte viel moderner, als der, Ende der 80er entworfene Renault. Den ebenen Kabinenboden hatten beide, auch wenn die Stehhöhe beim Magnum größer war. Im Gegensatz zu dem, etwas später erschienenen 43er, der nur noch 10,7 Liter Hubraum hatte, kamen die 421 Pferde des 1842 noch aus 12,8 Litern Hubraum. Das lag in etwa gleich mit dem DXi 13 im Renault, der nominell auch nur 20 PS mehr hatte.
Ich nahm mein Handy und wählte die Nummer von Iwanowski. „KI Nutzfahrzeuge, Iwanowski, Guten Tag.”, meldete sich der Pole. „Eurospeed Logistics, Müller. Hallo Herr Iwanowski. Ich war vorgestern bei Ihnen.”, „Ich erinnere mich. Sie waren mit dem Stralis hier und chatten Kaufinteresse.”, sagte er mit seinem starken Akzent. „Ich hab mich entschieden. Können Sie mir den blauen Actros reservieren?” „Das tut mir leid, Cherr Müller. Den Actros chabe ich vor einer chalben Stunde verkauft.” „Wollten Sie mir nicht vorher Bescheid sagen?” „Tut mir leid. Da chabe ich nicht dran gedacht. Ich wusste aber auch nicht, ob Sie sich wirklich wieder melden.” „Verstehe.” „Wir chaben uns nur einmal gesehen. Wenn Sie schon Kunde wären, chätte ich sicher dran gedacht.” „Lässt sich nicht ändern. Ist der Renault denn noch da?” „Welcher Renault?” „Der Magnum mit der vergleichsweise niedrigen Laufleistung.” „Der Air France Magnum?” „Genau.” „Der steht noch chier.” „Können Sie mir den reservieren?” „Das ist schwierig.”, sagte der Pole. „Warum?” „Das liegt am Magnum selbst. Der ist chier ein Außenseiter. In Frankreich und Spanien kann man sie noch gut verkaufen. In Deutschland oder Osteuropa sind die kaum gefragt. Ich chabe ihn selbst nur genommen, wegen dem Kilometerstand. Wenn den einer chaben will, muss ich verkaufen.” „Ich nehme ihn ja.” „Gut. Kommen Sie nach Frankfurt und Sie können in chaben.” „Das ist das Problem. Ich bin momentan in Berlin. Da bekomme ich aber frühestens heute Abend eine Ladung nach Hause. Vielleicht auch erst morgen. Von da muss ich ja auch noch zu Ihnen nach Frankfurt.” „Warum fahren Sie nicht direkt nach Frankfurt? Ich würde von Berlin nicht über Dortmund fahren.” „Auch wieder wahr.” „Überlegen Sie sich.” „Ich versuch’s. Ich melde mich.” Ich legte auf und war etwas sauer. Der Actros war echt günstig. Jetzt durfte mir der Magnum nicht auch noch entgehen. Andererseits konnte ich Iwanowski auch verstehen. Warum sollte er mir trauen. Er kannte mich schließlich gar nicht.
Ich nahm mein Handy und rief in Kamen an. Als ich Daniel am Telefon hatte, sage er: „Jetzt sag mir nicht, dass du schon eine Ladung hast. Ich hab gerade alles für dich hintereinander.” „Was meinst du damit?” „Dass ich eine Ladung für dich hab. Morgen früh, Berlin – Kamen. Laden – liefern.” „Das ist alles schon eingestielt?” „Ich wollte dich gerade anrufen. Du bist mir zuvor gekommen.” „Ich wollte jetzt eigentlich von hier nach Frankfurt, weil ich da eine Maschine für mich stehen hab.” „Mach mich nicht fertig.”, stöhnte Daniel. „Dann fahr von mir aus von hier da runter. Lass mich jetzt aber nicht mit der Ladung hängen.” „Und wenn ich jetzt was direkt dahin finde?” „Mach keinen Scheiß. Da hängt noch mehr dran.” „Wie meinst du das?” „Du fährst nur eine Teilstrecke. Das ist ’nen Radlader, der von Berlin nach Calais umgesetzt werden muss. Da die ganze Sache eilig ist, brauchten wir entweder einen Unternehmer mit Doppelbesatzung oder eben zwei Einzelfahrer. Ich habe ab morgen Mittag den Franzosen hier stehen.” „Jetzt wird ein Schuh draus.” „Aalso. Du stehst morgen um Sieben bei einer Baustelle von Max Bögl in Berlin. Die genaue Adresse bekommst du per Mail. Da übernimmst du einen Tieflader mit dem Radlader. Mach aber auch ein vernünftiges Übergabeprotokoll. Damit fährst du dann ohne Umwege zu uns nach Kamen.” „Meine kurze Pause darf ich aber unterwegs machen.” „Wenn es sein muss.”, stöhnte Daniel auf. „Muss es.” „Aber nicht stundenlang. Allerhöchstens eine Stunde. Sag uns Bescheid, wann du in Berlin loskommst und melde dich, wenn was dazwischen kommt. Der Franzose macht vorher seine große Pause und will natürlich nicht zu früh hier stehen, weil sonst seine Schichtzeit flöten geht.” „Ach bei dem achtest du auf die Zeiten.” „Du weißt doch, wie die Franzosen sind.” „Ja, ja.”, stöhnte ich. „Warum laden wir die Maschine nicht heute schon?” „Weil die die heute noch auf der Baustelle brauchen, du Schlaumeier.” „Und in Calais brauchen die die pünktlich zum Wochenende?” „Was weiß ich? Vielleicht wird die auch verschifft. Wir sind nur für den Straßentransport von Berlin nach Calais zuständig. Alles weitere geht mich nichts an und ist mir auch egal.” „Ist ja gut.” „Merk dir eins für deinen Job als Fuhrunternehmer. Du bist für den Transport von A nach B zuständig. Du stellst das geeignete Fahrzeug, sorgst dafür, dass richtig geladen wird, sicherst die Ladung entsprechend, und bringst sie heile und pünktlich ans Ziel. Alles weitere ist nicht dein Problem. Wenn du dir auch noch einen Kopf für die Kunden machen willst, machst du mehr, als du bezahlt bekommst.” „Na gut.” „Dann bis morgen.” Daniel legte auf. Irgendwie hat er ja recht, dachte ich dann.
Ich rief Iwanowski noch mal an und sagte ihm, dass ich erst am Samstag vorbeikommen könnte. „Weiß ich Bescheid. Reservieren kann ich trotzdem nicht. Ich kann mich nur melden, wenn ich sie vorcher verkauft chabe.”, war die Antwort. Mir blieb also nur zu hoffen, dass der immer etwas avantgardistisch wirkende Renault nicht plötzlich zu viele Freunde bekam.
Den weiteren Vormittag verbrachte ich damit, erst die Rechnungen zu schreiben. Dann brauchte ich sie zu Hause nur noch ausdrucken. Außerdem legte ich mir den Timocom Account an. Aus Neugier schaute ich anschließend, was denn so angeboten wurde. Ich hätte so auch heute noch Ladungen, sowohl in Richtung Ruhrgebiet, als auch in Richtung Rhein-Main bekommen. Die Frachtraten waren aber auch so weit unten, dass sie okay waren, wenn es darum ging, Diesel und Maut reinzubekommen, die Miete einer Zugmaschine wäre aber schon nicht mehr drin. Da waren die Preise, die ich bei meinen Kunden bekam schon besser. Klar. Hier wollte noch ein weiterer Spediteur und der Betreiber der Frachtenbörse was vom Kuchen abhaben. Es war wenigstens besser, als leer zu fahren. Wenn man, wie ich momentan, keinen eigenen Trailer hatte, fuhr man wirklich besser nur für die festen Kunden.
Am Mittag ging ich raus und aß bei einem Imbiss eine “echte Berliner Currywurst”. Auch, wenn im Ruhrpott viele der Meinung waren, sie käme dorther, war sie denn doch eine Berliner Erfindung. Dass ich diese jetzt auch noch in Charlottenburg zu mir nahm, war noch passender. Hatte die Currywurst-Erfinderin Herta Heuwer doch in diesem Stadtteil ihren Imbissstand.
Zurück im Hotelzimmer, reservierte ich mir bei einer LKW-Vermietung eine günstige Sattelzugmaschine, die wieder per One-Way-Miete genommen wurde. Ich ließ aber offen, ob ich sie nun in Dortmund oder in Frankfurt wieder abgeben würde.
Anschließend surfte ich ein wenig über die Websites verschiedener Auflieger-Hersteller. Dabei fand ich die Seiten von Krone und Schwarzmüller besonders interessant. Wobei mich bei Krone mehr die Standardvarianten interessierten und bei Schwarzmüller mehr die Sonderaufbauten. Bei beiden wurde ich leider nicht fündig, was einen bestimmten Trailertyp anging. Krone bot zwar Flachbettauflieger und Containerchassis an, aber nicht die gesuchte Kombination aus beidem, von der mir mein Bekannter bei Södra berichtet hatte. Diese fand ich dann wirklich bei einem Niederländischen Hersteller. Ich war überrascht, dass diese Trailer in Europa wohl recht selten waren, während sie in Asien beispielsweise gang und gäbe waren. Vielleicht gab es hier nicht so viele Kunden, die beides gleichzeitig gebrauchen konnten. Aber wenigstens gab es welche und man konnte sie auch hier bekommen. Der Haken war, dass man sie nicht von der “Halde” bekommen konnte. Man musste sie bestellen und sie wurden dann individuell gefertigt. Das brachte natürlich Lieferzeiten mit sich. Wo ich bei den Spezialfahrzeugen war, schaute ich da auch noch mal intensiver. Einen dreiachser Semi-Tieflader mit Auffahrrampen hatte ich auch bei Schwarzmüller schon gefunden. Für Tiefbettauflieger schaute ich jetzt bei Spezialisten, wie ES-GE in Essen, Goldhofer, Memmingen oder Nooteboom, aus den Niederlanden. Die Preise schreckten mich aber erstmal ab. Da musste ich erstmal abwarten, wie sich das mit den Baumaschinentransporten entwickeln würde. Außerdem wurde es irgendwann so speziell, dass man so ein Fahrzeug besser neu kaufen sollte. Zuerst brauchte ich sowieso eine Zugmaschine und dann erst Trailer.
Am Abend ging ich noch eine Kleinigkeit essen. Anschließend machte ich noch einen kleinen Spaziergang. Danach ging ich aber zeitig zurück zum Hotel. Nachdem ich heute einen Tag durchatmen konnte, sollte es morgen schon wieder losgehen.
