Kapitel 49 – Ferner Osten

Dieses Mal…
…ist es für Julian und Marlon ziemlich eng…
…Timo durchbricht die Schallmauer…
…und Ricky lässt sich eine Telefonnummer geben!
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Julian und Marlon mussten sich jetzt mal wieder mit dem Premium begnügen. Der alte Stralis sollte als nächster die neuen Folien kriegen.

Die zwei waren schon weg, als der Rest sich auf den Weg machte. Timo war sichtlich heiß drauf, sich mit dem MAN in seinen Arbeitsalltag zu stürzen. Bei Ilarion war es eine andere Spannung, die sich löste, als seine Plaudertasche „Systeme in Ordnung!“ verkündete.

Für mich ging es erst einmal Solo nach Düsseldorf. Dort wartete ein nagelneuer Edelstahltrailer von Talke darauf, nach Sheffield gebracht zu werden. Kurz nach 11 war ich mit einem Tank voller Reinigungsmitteln bei Henkel vom Hof und auf dem Weg nach Rotterdam. Der Kram sollte dann für den britischen Markt dort abgefüllt und etikettiert werden.

Nach einer Überfahrt ohne besondere Vorkommnisse und einem Full Traditional auf der Fähre ging es am Dienstag weiter durch England. Mein Programm war eng gesteckt und Keith sowieso nicht zu Hause.
Also tauschte ich in Sheffield nur schnell den Trailer gegen ein deutlich älteres Exemplar voller Schneidöl bei einem Chemiebetrieb ein und war kurz drauf wieder auf dem Weg aus der Stadt raus, zurück zum Hafen, aber diesmal Immingham.

Ein alter Foden 4000 oder von der Form her so was in der Art hielt ein Bisschen den Verkehr auf. Aber mit mehr als genug Zeitreserve war ich am Hafen.

Diese Fähre ging nach Esbjerg. Und so fuhr ich am Mittwoch durch Dänemark und Norddeutschland. Die erste Pause war an der Ostsee fällig. Allerdings war das Wetter noch zu frisch, um sich an den Strand zu setzen oder sogar die Schuhe auszuziehen und durchs Wasser zu gehen.

An diesem Tag schaffte ich es noch bis an die polnische Grenze. Also begann der Donnerstag nach einer nur halbwegs ruhigen Nacht mit einer Mautstation. Heute musste ich noch das ganze Land durchqueren. Die Mittagspause zwischen Lodz und Warschau war Beweis dafür, dass ich gut im Plan lag, auch wenn hinter Warschau die Autobahn endete.

Die Landschaft aus weiten Feldern im Wechsel mit Kieferwäldern war ziemlich einschläfernd. Den Tempomat auf 70, Getriebe im 11. Gang und gute Nacht.

Am Nachmittag lieferte ich den Tank in Bialystok ab und holte noch meinen Trailer für den Freitag ab. Die Zeit reichte nicht mehr für Strecke und es gab in der ganzen Stadt keine vernünftige Parkmöglichkeit.
Also stellte ich mich auf einen stillgelegten Busbahnhof, auch wenn ich diese Lösung noch in schlechter Erinnerung hatte, Untertitel „Schlaflos in Katowice“

Die Nacht war dann zum Glück doch ruhig. Am Freitag sollte es noch nach Danzig gehen. Ich hoffte, dass Judith da dann die guten Ideen ausgingen und ich dort bleiben durfte.

Ich war noch nicht lange unterwegs, als das Handy klingelte. Es war Ilarion: „Hallo, was ist los?“ „Seit ein paar Minuten wieder das!“ „Achtung! Druckluftsystem! Bitte Hinterachse überprüfen!“
„Na Glückwunsch!“ „Beileid ist mir lieber.“ „Wie lange musst Du das aushalten?“ „Noch fast 3 Stunden bis Hürth.“ „Darf ich Dich dann dazu nötigen, es noch bis Düsseldorf auszuhalten? Judith soll Dich mal anmelden und einen Ersatztruck für die kommende Woche anfordern. Außerdem die Rechnung zurückhalten. Das soll Renault mal schön nachbessern.“

Kurz nachdem das Gespräch vorbei war, erfreute ich mich an einer Kreuzung mit eindeutiger Beschilderung.

Mit einer Pause am Straßenrand erreichte ich um die Mittagszeit Danzig. Leider hatte Judith doch noch einen Tanktainer nach Olsztyn gefunden, also musste ich die interessante Stadt an der Ostsee verlassen und noch mal 3 Stunden zurück fahren. Aber nach den letzten Wochen mit Lenkzeiten von teilweise unter 35 Stunden hatte ich Verständnis dafür. Nur ein rollender Truck bringt Geld ein.
Viel hatte Olsztyn nicht zu bieten, also wurde es ein recht langweiliges Wochenende. Ich war schon drauf und dran, am Sonntag mit dem Zug nach Danzig zu fahren, aber bei 5 Stunden Zugfahrt für Hin- und Rückweg entschied ich mich dagegen.

Am Montag früh sollte ich Spanplatten für Livorno laden. Frachtführer war ND. Kaum war ich unterwegs, rief ich also mal bei Judith an, wie ich zu der zweifelhaften Ehre kam, mal wieder mit knappem Zeitplan Standardfracht für Kistenschieber zu fahren.
Die Antwort war einfach. Wir hatten uns, weil wir nicht sofort vollen Einsatz gehen wollten und wegen des Fahrzeugausfalls während der Folierungen dafür entschieden, erst einmal nur 2 Trucks für Talke auf die Reise zu schicken. Und nun musste Judith uns doch mehr andere Aufträge geben, weil das Kontingent sonst unmöglich reichen würde und wir dann zum Ende sowieso wieder im Stückgut stecken würden.

Also stellte ich den Tempomat 5 km/h über die erlaubte Geschwindigkeit und fuhr Richtung Warschau.

Die einen haben ein Pferd auf dem Flur, die anderen ein Flugzeug im Vorgarten. Diese ausgefallene Gartendekoration fand ich jedenfalls am Straßenrand. Mir blieb keine Zeit herauszufinden, ob da drin vielleicht ein Restaurant oder so eingerichtet worden war oder was es da zu suchen hatte.

Mit einer Rast hinter der Hauptstadt und einem Tankstop an der letzten polnischen Raststätte fuhr ich noch bis nach Tschechien. Mit osteuropäischer Küche war ich noch nicht so ganz warm geworden und das Wochenende reichte erst einmal wieder. Also gab es abends Mikrowellenfutter.

Am nächsten Morgen fuhr ich um viertel vor 5 los. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und die Dörfer neben der Autobahn erwachten nur langsam zum Leben.

Als ich durch Österreich und über die Alpen fuhr, waren einige tief hängende Wolken zu sehen. Ich rechnete schon mit Regen oder sogar Schnee, aber es blieb trocken.

Die große Pause musste ich in einem Gewerbegebiet von Padova einlegen. In letzter Minute parkte ich den Truck in der Einfahrt zu einem Großbauernhof. Weil es wohl keinen Regen mehr geben sollte und es noch früh war, machte ich mich auf einen kleinen Spaziergang durch die Felder.

Um die Zeit totzuschlagen, sah ich mir dann mal die Dispositionsdaten und so an. Der Monat war schon wieder deutlich besser als die beiden ersten des Jahres. Und wenn wir nun noch mehr Fahrzeuge für Talke zuwiesen, würde es wohl noch besser.
Ich wollte schon wieder das Tablet runterfahren und mir ein Abendessen machen, als ich Timos GPS-Pfad sah. Für gestern Vormittag war der gelb. Das war meiner auf manchen Abschnitten auch schon seit dem Wochenende, aber seiner war es systematisch. Die Farbe hieß, dass wir ein Bisschen schneller als erlaubt waren, aber noch in der ersten Toleranz, die wir auf 5-10 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit des jeweiligen Landes gesetzt hatten.
Zwischen 10 und 20 km/h wurde die Linie orange, das wollte eigentlich schon keiner mehr sehen. Aber bei Lauenau auf der A2 steckte ein rotes Fähnchen. Hier musste es zur Sache gegangen sein. Ich rief die Datenansicht auf und glaubte, meinen Augen nicht zu trauen. Stolze 102 km/h standen da in der Tabelle.

Was war da in ihn gefahren? Zumal ich danach natürlich die Daten über einen längeren Zeitpunkt prüfte, aber keine weiteren, derart groben Unregelmäßigkeiten finden konnte. Vielleicht eine Strecke mit 85, meinetwegen mal 90 bergab. Aber nicht noch ein Treffer bei der Suche über 90. Bis auf die legendäre Fahrt für Dachser. Da hatte er es den gleichen Berg runter auf „nur“ 94 und ins orange Feld geschafft. War auch nicht in Ordnung, aber da war die gute Absicht wohl eher ein Pflasterstein auf dem Weg in die Hölle.
Das diesen Montag war mit dem MAN schon nicht mehr normal zu erreichen, da musste er den Gang raus genommen haben. Eingekuppelt würde auch die leer durchgedrehte Maschine über den starren Antriebsstrang vermutlich vorher mal genug Bremswirkung zusammenbringen. Denn sein Truck war ein Handschalter und das bergab rasen im höchsten Gang ging sowieso nur mit einer echten Wandlerautomatik, die kaum ein LKW außerhalb des Schwerlastverkehrs hatte. Denn nur bei denen konnte der Motor keine Bremswirkung direkt über den Anstriebsstang entwickeln, weil es einfach keine durchgehende mechanische Verbindung zwischen Motor und Rädern gab und der Wandler nur in eine Richtung effektiv war.
Diese Kröte mit Schaltstock hatte er schlucken müssen, weil es keine andere Möglichkeit gab, dieses Fahrerhaus mit diesem Motor und dieser Achsfolge zu kriegen. Hatte ihm aber nichts ausgemacht und ich war seitdem ernsthaft am überlegen, bei nächster Gelegenheit auch wieder einen Handschalter zu holen. Mehr Spaß machte es irgendwie, auch wenn die meisten es mit Recht nicht mehr für zeitgemäß hielten. Ich wollte mich erst mal mit Julian besprechen und dann sollte Timo was dazu sagen. Das konnte nicht folgenlos bleiben.

Klar hatte Timo in der WG einigen Unsinn von Julian und mir aufgeschnappt, wenn wir uns mal unterhielten. Und von meinem damaligen Geschwindigkeitsrekord mit Nadel aus der Skala, was bei einem Truck der 80er was heißen sollte, war er auch noch weit entfernt. Der TurboStar hatte eine Skala bis 130.
Aber ich hatte mir auch eine einsame Straße in Nordschweden ausgesucht, um den mit geschätzten 150 einen Berg runter zu werfen. Wäre da auf dem bolzengeraden Stich aus einem Seitenweg gekommen, würde ich heute nicht mehr hier sitzen, denn weder hätte ich bei dem Tempo den Gang in das unsynchronisierte Fuller wieder rein bekommen, noch eine reale Chance gehabt, nur mit den Bremsen was auszurichten, bevor die Beläge komplett verglüht wären und die Fuhre ungebremst, brennend oder beides unterwegs gewesen wäre. Und der Renault R385 der Gebrüder Franke war auch nicht immer astrein über den afrikanischen Kontinent bewegt worden.

Um halb 4 nachts hatte ich meine Pause rum. Die Zeit drängte und sonderlich attraktiv war es hier auch nicht. Also machte ich mich auf die letzte Etappe. Nicht, ohne Eintritt auf die Autostrada zu bezahlen.

Ohne weitere Vorkommnisse schaffte ich es noch rechtzeitig nach Livorno und wurde meine Spanplatten los. Den Tag komplett machten dann Betonplatten für Turin. Weil es da keine Anschlussfracht mehr für heute gab, ging es in die Koje.
Am Donnerstag erwarteten mich 22 Tonnen Äpfel für den Heimweg. Schon bald nach der Abfahrt in einem Großlager nördlich von Turin ging es durch die Alpen auf den Großen St. Bernhard zu.

Ohne große Ereignisse kam ich bis Straßburg und am Freitag stand dann der letzte Abschnitt bis Duisburg an.

Unterwegs meldete sich Renault in Düsseldorf: „Es tut uns sehr leid und ist uns auch sehr peinlich. Aber wir finden den Fehler nicht.“ „Und was machen wir jetzt?“ „Wollen Sie einen Versuch in einer freien Werkstatt machen? Wir tragen alle Teilekosten und den halben Lohn, wenn dort der Fehler gefunden wird. Hier haben sich drei Leute den Kopf daran zerbrochen.“
„Was gäbe es für Alternativen?“ „Technisch sind wir mit unserem Latein am Ende. Der Verkauf kann eine Rückabwicklung ausrechnen, wenn es hart auf hart kommt.“ Da wollte ich lieber erst einmal den Magnum zu Vinni und Mahad bringen.

Als ich 16:20 Uhr in Bochum ankam, war der Hof leer. Ich ging ins Büro und sah mir erst einmal an, wo die anderen waren. Timo hatte gestern Stau-Pech gehabt. Irgendwann war er an die Grenze der Tagesarbeitszeit geraten. Lenkzeit war noch unter 9 Stunden geblieben. Das hatte auch bisher noch keiner von uns geschafft. Der würde heute Abend um 20 Uhr mit einer 10er Schicht noch so gerade hier sein, wenn nicht noch mal was dazwischen kam.
Marlon und Julian waren planmäßig spät dran. Mit denen rechnete ich nicht einmal vor 21 Uhr. Vielleicht auch noch später.
Ilarion war mit seinem gesprächigen Truck bei Essen auf der A52, also bald hier. Ich wartete nicht auf ihn. Seinen Truck sollte er am Montag gegen den Premium eintauschen. Der stand sowieso noch bei Vinni, weil ich heute keinen Bock mehr hatte, den abzuholen.

Am Samstag wurde ich erst mal mit Erkältungsbeschwerden wach. Na super, das konnte ich jetzt mal gar nicht gebrauchen. Ich drehte mich noch mal auf die andere Seite. Als ich mich aus dem Bett bequemte, war ich auch wieder alleine zu Hause. Timo und Julian waren verschwunden. Also wurde heute der VfL-Schal Teil der Alltagskleidung und Hustentabletten Grundnahrungsmittel.
Als sie später wieder nach Hause kamen, ging es mir auch noch nicht wieder wirklich besser. Also hatte Timo Schonfrist, obwohl seine heiße Nummer an sich Grund genug wäre, den Wochenendfrieden zu durchbrechen.

Abends, als das Essen durch war und wir gerade die deutschen und britischen Fernsehprogramme durchsuchten, donnerte plötzlich irgendein kräftiger Motor auf dem Hof. Ich sah aus dem Fenster und dort stand eine Mercedes S-Klasse. Timo sprang in seine Schuhe und zog sich die Jacke über, aber es klingelte schon.
Ich ging mal aus Neugierde mit runter, außerdem hatte ich da so einen Verdacht, wer das sein könnte. Und richtig, es war Patrick, den ich natürlich begrüßte. Ich hatte gesehen, dass noch kein Geld von Dachser da war, also konnte ich ihn ja gleich mal dazu befragen.

„Sag mal, Patrick. Kürzt Dachser immer die Rechnung, wenn sie es selbst verbockt haben?“ „Wieso? Haben die bei mir noch nie gemacht.“ „Timo sollte um 11 in Neuss laden, ist aber erst weit nach 14 Uhr vom Hof runter gelassen worden. Und 16 Uhr sollte er in Langenhagen sein. Dabei schafft er ja an sich ziemlich gute Durchschnittsgeschwindigkeiten.“
Die kleine Spitze konnte ich mir nicht verkneifen. Timos Gesichtsausdruck war entsprechend überrascht und er wurde einen Moment lang merklich blasser. „Aber das war ein Ding der Unmöglichkeit.“
Patrick zündete sich eine Zigarette an: „Das ist beim Dachser normal. Kein normaler Fernverkehrs-LKW lädt auch in der Mittagsstunde. Das Lager bekommt den Arsch nicht hoch, und teilweise ist die Ware noch bei den Softtruckern aufn LKW. Aber dass die deswegen Rechnungen kürzen ist mir neu. Und wieso Fahrplan? Die einzigen die mit Plan laufen, sind die Nachtkutscher. Da haben die aber mächtig Scheiße gebaut, Timo mit Termin zu schicken.“
„Habe mich mit einer Frau Zimmermann in der Dispo Neuss angelegt da drüber. Weil die Fuhre zu spät da war, sind wohl die Anschlüsse nach Skandinavien geplatzt.“ „Die alte Fotze…. Aber keine Sorge, geplatzt ist nichts, nur die Fähre verpasst. Die droht immer so übertrieben. Die denkt halt, wir fahren Ferrari, Lambo und Co.“ Aha, die schien er auch gefressen zu haben.
„In erster Linie fahre ich mit Verlust auf der Tour. Hast Du mal eine Telefonnummer von ihrem Chef für mich, bevor ich Judith zum Mahngericht schicke? Wenn die beim Laden nicht aus der Hefe kommen, ist es nicht mein Problem, wenn die Ladung zu spät da ist. 14:42 ab Neuss und 19:05 in Langenhagen mit einem 460er Premium muss ich Timo nichts vorwerfen. Wenigstens nicht, dass er zu langsam war. Also will ich mein Geld ohne Abzug!“ Noch mal gepiesackt.
„Da hast du Recht. Warte mal.“
Er gab mir die Nummer von einem Sascha Steinemann. „Schildere ihm das, und dann ist Alarm in der Bude“ „Okay, danke.“ „Kein Problem.“

Ich schielte auf den Wagen, der sich am Ende nicht als irgendeine S-Klasse entpuppt hatte, sondern als die AMG-Ausführung. „Du bist auch der einzige Mensch, den ich kenne, der mehr PS im PKW hat als im LKW.“ Ich erinnerte mich dunkel, dass das Viech um die 600 haben musste. „Man gönnt sich ja sonst nichts.“
„Selbst wenn ich’s hätte – das Ding käme mir nicht ins Haus.“ „Es ist ein Benz, hab ich recht?“ „Was?“ „Naja bei deinen Marken kann man schon damit rechnen, das Mercedes nicht dein Fall ist.“ „Genau. Der einzige, der mir einigermaßen gefällt, ist der GLK. Und auch da gibt’s schönere in der Klasse.“
„Naja ich hab meinen Spaß mit der Karre. Und läuft auch ordentlich schnell.“ „Na das glaube ich. 300 rum, oder?“ „280 Spitze.“ „Ach ja, gehören ja jetzt zum Konzern und sind kein freier Tuner mehr. Also freiwillige Selbstbeschränkung.“

„Auch wenn es mich ja an sich nichts anzugehen hat. Aber wie kommst Du auf die Idee, Timo aus heiterem Himmel einzuladen?“ Er guckte Timo böse an, der nun nichts für meine Frage konnte. Der gab sich auch alle Mühe, den Tatsachen entsprechend unschuldig zu gucken.
„Wir sind quasi aneinander vorbei geflogen.“
Na also. Als er hier vor fuhr, hatte ich es mir ja schon gedacht. „Ja, das mit dem fliegen kennt man von Dir ja nicht anders.“ Ich musste mir einige Mühe geben, den Ortsnamen „Lauenau“ nicht zu nennen. „Wenn ich da an unseren Parallelflug auf der A3 denke. Zigaretten holen und immer noch schneller.“ „90 und Punkt. Ihr dürft ja nur 80.“ Und bergab schieben lassen, oder was? Außerdem hätte er mit 10 km/h nicht so ohne weiteres aufgeholt. Auch nicht mit 15, nachdem ich schnell auf die Idee gekommen war, auf 75 zu gehen, bis er wieder da war.
„Du auch. Du kommst nur billiger weg, wenn sie dich abschießen.“ „Okay, in München habe ich keine Freunde gewonnen und bin zum Straftäter geworden, aber sonst sagen die auch nichts.“

„Na dann. Viel Spaß Euch zwei. Bring mir den Jungen nicht auf dumme Gedanken und fahr manierlich. Vor allem an der Hochdahler Rampe!“ Den kleinen Hinweis auf einen geraden Bergab-Schuss von 160 Höhenmetern, gegen den Lauenau mit seinen knapp 70 Höhenmetern Flachland war, konnte ich mir dann doch nicht verkneifen. „Ciao!“
„Nein, ich behandle ihn ordentlich. Ciao Ricky.“
Wenn der Blitzstart auf die Straße manierlich war, wollte ich nicht wissen, wie er mit dem Ding wild fuhr.

Ich ging wieder hoch und sprach Julian auf Timos Renneinlage an und dass ich mir ziemlich sicher war, dass er sich da zusammen mit Patrick in Formation den Berg runter gestürzt hatte. „Ist mir jetzt auch egal. Du hast Recht, wir müssen mit ihm drüber sprechen, aber jetzt ist er weg und am Wochenende sowieso nicht. Denk doch einmal nicht an die Arbeit. Er macht das doch sonst nicht und ich glaube wie Du, der Grund für dieses Mal ist eben mit ihm weg gefahren.“
Ertappt kam Timo sich wohl sowieso vor und ein schlechtes Gewissen war fürs erste schon mal eine gute Bremse.

„Wenn Du schon über die Arbeit reden willst. Wenn Du einverstanden bist, dann trennen sich Marlon und ich auf zwei Trucks auf, wenn alle auf die neuen Farben umgeklebt sind und Ilarion nicht mehr von seinem dumm angequatscht wird.“
„Von mir aus. Geht Ihr wieder zusammen, wenn wir einen neuen Fahrer haben?“ „Mal durchrechnen, ob das Sinn macht oder ein weiterer Truck. Einerseits ist die Zweimann-Sache ja schön, um dringende Aufträge zu fahren. Aber andererseits bringt es vielleicht mehr, wenn zwei Fahrer auch mal Wochenende draußen machen können und nicht nur Du. Die zwanghaften Heimreisen kosten auch ordentlich. Oder sie bringen zumindest nicht so viel ein.“
„Ilarion macht das doch nur, weil wir uns jetzt mit seinem Truck in die vierte Woche mit Ärger bewegen.“ „Ja von wegen. Anfangs hatten wir das ja nur wegen Marlon und Judith bei einem Truck. Nach Deinem Küchengespräch kam Timo angekrümelt, dass er am Wochenende gerne zu Hause wäre wegen Beziehung. Und 14 Tage später hat Ilarion dann auch bei Judith nachgefragt. Und mal ehrlich, das müssen wir schon möglich machen. Die beiden sehen ihre Freundinnen ja sonst gar nicht. In der Richtung haben wir einen Scheiß-Job.“ „Okay, sehen wir dann, wenn es so weit ist und wir über einen neuen Fahrer nachdenken.“

„Patrick hat ja ein heißes Auto, oder?“
„Stern dran.“ Dass ich weder dreistrahlige Sterne noch vier Ringe auf Autos mochte, war hier allgemein bekannt. „Na was kriegst Du denn?“ „Ein Traumauto!“ Julian schmollte wieder. „Was ist denn so schlimm da dran, dass du es nicht verrätst? Wir wissen doch sowieso alle, dass Du einen teuren Schlitten kriegst.“ „Nix. Absolut nix. Aber Du bist so süß, wenn Du Dich so ärgerst.“ „Na hoffentlich nicht
so süß. Sonst mache ich mir Sorgen.“ „Nee, die brauchst Du Dir nicht zu machen.“

Dann kam mir aber noch eine viel bessere Idee, als ein Einzelgespräch, wie Timo und auch jeder andere hier lernen konnte, warum man sich an die eine oder andere Verkehrsregel besser halten sollte. Nicht dass ich dabei an jemanden dachte, der mir gerade in dem anderen Sessel gegenüber saß.

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