Kapitel 62 – Ein paar private Dinge geregelt

April 2021

Über Ostern studierten Alex und ich mal die Immobilienanzeigen etwas genauer. Er hatte ein paar nette Sachen gefunden, die aber alle am Platz scheiterten. Und damit war nicht Platz für uns zum Wohnen gemeint sondern Platz für mich zum Parken. So war ich ja schon in dieser Kompromissbude gelandet. Alex druckste ein Bisschen herum, aber nahm dann doch das heiße Eisen in die Hand: „Musst Du den Rennwagen wirklich behalten?“ „Das ist ein Hobby von mir!“ „Sei doch mal ehrlich, wann willst Du auch noch an Rennen teilnehmen?“ Ich glaube, ich habe ein Deja-Vu??? „Es finden ja derzeit keine statt wegen diesem Virus.“ „Aber Du hast ein Motorrad. Du hast während der Virus tobte, einen Lonesome Hawk eingefangen. Und der teilt zwei Hobbys mit Dir. Neben dem besagten Motorrad auch noch Urbexing und Freerunning. Ich würde mich freuen, wenn wir das mal mehr gemeinsam ausleben würden, gerade weil Du wegen Deinem Beruf so wenig Zeit mit mir zusammen verbringst.“
„Fängt nun der nächste Freund an, mir alles ausreden zu wollen?! Beruf? Hobbys?“ Alex zuckte bei diesem ziemlich laut vorgebrachten Einwand zusammen. „Nein. Ich will Dir nichts ausreden. Dass ich immer einen Nebenbuhler mit Dieselmotor und 500 PS haben würde, war mir vorher klar und das steht nicht zur Diskussion. Aber ich erlaube mir nur eine andere Sicht der Dinge bei der Freizeit. Unserer gemeinsamen Freizeit!“ Nun zuckte ich zusammen und zwar mal wieder vor mir selbst. Ich schien mehr von meinem Vater mitbekommen zu haben, als mir lieb war. Zum Glück hatte ich das meistens unter Kontrolle und hoffte, dass das so blieb. „Ist schon okay. Ich habe da nur schlechte Erinnerungen.“ Und wo die Geschichte mit Javier wieder hochgekommen war, fiel mir auch der historische Kontext des orangenen Renners in der Garage wieder ein: „Und Du hast sogar irgendwo Recht. Entschuldige den kleinen Ausbruch. Im Prinzip habe ich mir die Karre sogar gekauft, weil ich darin eine Freiheit gesehen habe, nachdem die Beziehung mit Javier gescheitert war. Nur jetzt verkaufen ist auch nicht gut, rein finanziell.“
„Na ja. Ein Haus, wo wir den Anhänger mit dem Auto drauf, den Camper, die beiden Motorräder und zwei Autos unterkriegen, selbst wenn die Autos am Ende auf der Straße stehen müssen, liegt im Monat bei mindestens 2,000 $. Ich habe keine Ahnung, wie die Preise für diese Teile so sind. Aber wenn ich mir anschaue, dass andere, gute Häuser im Schnitt 500 weniger kosten, wird sich das auch irgendwann rechnen. Oder wir müssen hier bleiben und das Ende der Pandemie abwarten, in der Hoffnung, dass das nicht so lange dauert und die Preise für Rennwagen dann wieder anziehen.“
Ich spürte seine Enttäuschung. Er fühlte sich hier in diesem Haus nicht wohl, ich ja eigentlich auch nicht und ich hatte auch nie die Absicht, fast jedes Wochenende hier zu sein. Als ich es gemietet hatte, hatte ich mich als Long Haul Trucker auf Touren von im Schnitt 4 bis 5 Wochen fahren sehen. „Lass mich da mal bitte eine Nacht drüber schlafen. Okay?“ Alex nickte.

Die erste Erkenntnis war, dass wir schnell sein mussten. Denn die Angebote vom Samstagnachmittag waren Sonntagmittag teilweise schon wieder verschwunden und neue nachgekommen. Also hieß es ranhalten. Vielleicht konnten wir am Montag schon was besichtigen, bevor ich wieder los musste.
Da wir uns beide einig waren, dass ich den Camperaufsatz für den Pickup behalten sollte, schieden eine Menge Angebote aus. Gerade die Neubauten, die oft in Reihenhausbauweise mit unten im Haus liegender Garage und ohne Hofeinfahrten oder Hinterhof-Stellplätze gebaut waren. Noch hatte ich mich nicht festgelegt, was den Rennwagen anging.

Viele Häuser flogen gleich wieder raus, weil Bruchbude, zu klein, zu groß, 3 Bäder für 2 Personen oder so. Außerdem entschieden wir uns schnell, das Umland wie Jacksonville, Eagle Point oder Rogue River rauszuwerfen. Wenn wir uns mit unseren Freunden treffen wollten und es wieder durften, konnte sonst einer nichts trinken oder wir mussten das Sparkonto plündern, um eine halbe Weltreise im Taxi zu bezahlen. Es sollte also bei Medford, Central Point und Four Corners bleiben, die gefühlt sowieso eins waren.


Am Ende waren 6 Häuser übrig, wo die Anzeigen uns weder preislich noch von den Bildern abschreckten. Sie deckten aber auch ein weites Spektrum von Miete und Ausstattung ab. Das „Katzenhaus“ flog als erstes raus, wir hatten es wegen der Adresse Garfield Street so genannt, auch wenn uns klar war, dass sie nicht nach der Comic-Katze sondern nach James A. Garfield, 20. Präsident der USA, benannt war. Das war die Comic-Katze aber indirekt auch, da sie nach dem Großvater des Zeichners, James Garfield Davis benannt war, der selbst wiederum seinen zweiten Vornamen dem Präsidenten verdankte. Die Klimaanlage hatte ihren Reiz, aber als Unteradresse auf einem Grundstück gelegen hatte es kein eigenes Außengelände. Außerdem war direkt an der Kreuzung Garfield & South Holly mit Verkehrslärm zu rechnen.

Obwohl für die Größe und als neues Gebäude durchaus fair bepreist, flog dann auch das nächste raus, weil es für uns zu groß war. Und sogar ich war es dann, der eins der Häuser mit großem Grundstück raus kegelte, wo ich alle Fahrzeuge unterbekommen hätte. Aber die Coghill Lane war so weit draußen, dass man für jeden Krempel das Auto anwerfen musste. Mal zum Bäcker gehen oder zumindest skaten war nicht möglich, da die Zufahrt über eine halbe Meile Straße ohne nennenswerten Seitenstreifen erfolgte, bevor der Bürgersteig anfing. Und auch von da war es noch ein weiter Weg bis zu den ersten Geschäften.
Das mit dem größten Platzangebot auf dem Grundstück schoss Alex ab, weil das Wohnzimmer nach Osten lag, womit es wieder knapp mit Sonne werden würde, wenn wir sie am meisten wollten. Und so blieben zwei recht ähnliche Häuser übrig. Beide konnten wir am Ostermontag besichtigen, den ich mir ohnehin freigenommen hatte.


Sie gefielen uns auch beide, das eine war 200 Dollar im Monat teurer und dafür auch neuer und mit Solaranlage vermutlich günstiger bei den Nebenkosten. Größter Schönheitsfehler waren die nur ein paar hundert Yards zur I-5. Das andere hatte dafür einen Fake-Kamin, der mit Gas betrieben wurde und lag ruhiger. Südwohnzimmer hatten beide, aber beim zweiten war nach Westen frei, beim ersten würde die Garage das Fenster am Abend in den Schatten bringen. Aber wir hatten in Medford ein Ost-West-Straßenraster. Nach Westen ausgerichtete Häuser waren rar, weil da meistens Zaun und Nachbar folgten. Die meisten Häuser hatten das Wohnzimmer nach Süden, je nach Lage zur Straße oder in den Garten.
Bei beiden würde ich meinen Rennwagen unterbekommen, da eins eine Doppelgarage für Motorräder und den Fahrzeuganhänger hatte, Camper und ein Auto dann in die doppelbreite Einfahrt und das zweite Auto an die Straße. Beim anderen gab es von der Hintergasse zwischen den Gärten eine zweite Garage für die Motorräder, die Hauptgarage für den Anhänger und dann den Camper und ein Auto in die lange Einfahrt vor der Hauptgarage, das andere Auto wieder an die Straße. Alternativ konnten wir den Camper auch durch ein Tor in den Garten fahren und dann beide Autos vors Haus hintereinander in die Einfahrt stellen.

Und dennoch stellte ich den Rennwagen noch am gleichen Abend zum Verkauf ins Internet. Alex hatte Recht, ich hatte zu viele Hobbys und zu wenig Freizeit und das war das, was ich als erstes aufgeben konnte, wollte und sollte. Ich verdankte ihm die Freundschaft zu Isaac und erst recht zu meinem europäischen Freund Marius. Aber es war ein einsamer Sport, Alex spielte dort keine Rolle und es war mit Anreise, zwei Veranstaltungstagen und Abreise auch zeitintensiv. Bei größerer Entfernung waren gut und gerne mal 4 Tage weg.

Ich war schon wieder auf Tour, als Alex mich anrief: „Wir haben ein Zuschlagsangebot! Wir können 1124 Murray mieten!“ Das war das kleinere und ältere der beiden. „Cool. Ich fand es irgendwie das schönere, gemütlichere.“ „Dann unterschreibe ich dem Makler die Absichtserklärung und schicke die zurück.“
Ich sagte Brian, dass ich am nächsten Wochenende zu Hause sein musste und wir machten mit dem Makler alles klar. Dank „sofort verfügbar“ ging es am Samstag zum Lowe’s und mit Farbe, Folie, Pinseln und Rollen wieder zurück. Auch wenn wir die schlimmste Farbe an dem Haus nicht loswerden würden. Sandbraune Waschbecken in einem türkisenen Fliesentisch mit kastanienbraunen Randfliesen. Geh mal ans Telefon, die 80er Jahre haben angerufen…

Und eine Überraschung hatte ich mir für Alex aufgehoben, bis es klingelte, während wir am Sonntag gerade das Frühstück fertig hatten. Alex ging an die Tür, weil er ohnehin gerade daneben am Kühlschrank war und ich an der Spülmaschine weiter weg vom Eingang. Ich bekam mit, dass er erst mal eine Denksekunde brauchte, als jemand sagte: „Guten Morgen, ich komme um mir den Nissan anzuschauen.“ „Nissan?“ „Ja, den orange-weißen 200SX. Ich bin hier doch richtig, oder?“ „Der Rennwagen? Äh, ja. Der gehört meinem Lebensgefährten.“ Dann drehte er sich fragend zu mir um: „Brandon?“
Ich konnte zu deutlich sehen, wie sehr es Alex freute, als ich nach einer halben Stunde anstatt mit dem Ordner Fahrzeugpapiere und den Zündschlüsseln mit einem hohen vierstelligen Geldbetrag in die Küche zurückkehrte, während der Rennwagen samt Anhänger hinter einem Ford Expedition aus der Garageneinfahrt und schließlich die Straße runter verschwand.

Wir hatten schon einige Sachen im Haus geschafft, als am Montag für mich wieder eine Arbeitswoche anstand. Ich fuhr daher mit Alex Chevy Cruze zur Arbeit, damit er für die Woche den Silverado hatte, um besser Dinge transportieren zu können. Er wollte weiter Wände streichen und schon mal die einen oder anderen Kleinmöbel und Kartons alleine oder mit Hilfe von Brian, Paul, Isaac oder Danny ins neue Haus bringen. Am kommenden Wochenende stand dann der große Umzug auf dem Programm, für den ich uns einen Umzugsvan auf Ford E-550 Chassis beim großen Transportervermieter mit U geholt hatte. So konnten wir erst bei mir alles rein packen und dann bei Alex noch seine Wohnung auf dem Weg zum neuen Haus im „West End“ dazu räumen.
Dank vieler Helfer war das Vehikel bald leer und während Alex und unsere Freunde bis auf Danny die Möbel aufbauten, brachte ich den Van zur Vermietung zurück und Danny eroberte als Pizzabäcker die neue Küche, die allerdings nicht ganz so neu und schon vorher im Haus gewesen war. Nach meiner Rückkehr war dann auch schon fast das Essen fertig.

Nun blieb uns am Sonntag nur noch, die beiden leeren Behausungen besenrein zu machen und zurückzugeben. Da ich von privat gemietet hatte, ging das am gleichen Tag. Alex musste sich an einem Werktag mit seiner Hausverwaltung treffen.

Bei mir war es als Trucker sowieso klar gewesen, aber Alex durfte sich über eine Ankündigung von Kate Brown freuen. Die holzverarbeitende Industrie war als Schlüsselindustrie für Oregon eingestuft worden, so dass auch er in der zweiten Welle direkt nach Gesundheitswesen, Pflegepersonal, Senioren und Hochrisikopatienten gegen COVID geimpft werden konnte. Den ersten Pieks konnten wir uns schon im späten April abholen.

Die Arbeit lief wieder stärker im „offenen“ Bereich an. Auch die neuen Trailer waren fleißig im Einsatz, inzwischen hatten wir ja bei 3 Zugmaschinen 4 offene Trailer und Kombinationen. Während Evan es bei CAT wohl gelernt hatte, rief Casey anfangs ständig bei mir und vermutlich auch bei Evan an und wollte wissen, wie man Bagger, Raupen und Walzen in Gang bekam. Brian wusste es, obwohl er auch lange genug für CAT gearbeitet hatte, übrigens auch nicht. Bei Landmaschinen blieb es von beiden Kollegen an mir hängen, da ich ja seinerzeit auch öfter mal für John Deere gefahren war und die Dinger auch bewegen konnte.
Für die größere Fahrzeugflotte ließ Brian nun das komplette Grundstück einebnen und befestigen, dazu sollte eine größere Halle kommen. Dann hörte es auch endlich auf, dass wir immer ein paar Trailer im Dreck stehen hatten. Nach Regenfällen konnte es ziemlich spaßbefreit sein, wenn man versuchte, einen etwas eingesunkenen Trailer aus seiner formschlüssigen Kuhle zu reißen, selbst wenn die Dinger dann nichts wogen. Einmal hatte Casey dabei auch vom Boxvan den Sperrmechanismus des Achsschlittens zerrissen.

Und Alex bekam nun auch seine offizielle Coop mit mir. Es gab hier noch zig Waldbrandbeobachter-Hütten. Früher, als man noch gar nichts in der Art hatte oder sich nur wenige Kommunen und Parkverwaltungen einen Helikopter oder ein Flugzeug leisten konnten, wohnten dort freiwillige Posten für einige Wochen während der Waldbrandsaison und hielten Ausschau neben dem Funkgerät.
Inzwischen waren die besser erreichbaren oft zu Ferienhäusern mit einer spektakulären Aussicht umgebaut. Es gab aber auch genug, die man nur mit einer stundenlangen Wanderung erreichen konnte und die daher nun verlassen waren. Einen solchen hatten wir uns auserkoren und waren nach meiner Rückkehr von der Arbeit am Samstagmittag mit dem Camper auf dem Silverado zum Crater Lake gefahren. Am Sonntag waren wir dann auf Wanderung gegangen, es waren vom Campingplatz in einer Richtung knapp 8 Meilen, also 16 hin und zurück. Das würde uns den Tag schon beschäftigt halten.
Die Aussicht war aber dem Zweck der Hütte entsprechend umwerfend. Man konnte Mount Scott und den Crater Lake sehen, in die andere Richtung Mount Shasta und da, wo keine Berge zu sehen waren, war dann der Talkessel am Rogue River, wo Medford lag.

Wir schnitten in der Woche darauf nach der Arbeit die Videos und legten einen gemeinsamen Premierenzeitpunkt für beide Channels fest. Das Feedback auf die Aktion war natürlich, wie ich „befürchtet“ hatte. Alle dahergelaufenen Zuschauer wollten plötzlich mal wieder eine Coop mit mir machen. Insbesondere solche, die selbst einen Youtube-Channel hatten und dabei auch noch mehr Abonnenten als Alex und nicht einsehen wollten, warum ich sie ignorierte und mit „so einem“ zusammen los zog.
Das war weiterhin mein Hasspunkt an der Szene. Caleb und die anderen Freunde in Philadelphia hatten mir damals auch den Idealismus hinter der Urban Exploration erklärt. Es ging darum, Dinge zu dokumentieren, die man so nie wieder sehen würde. Weil ihr Verfall weiter ging und das Gebäude irgendwann einstürzen würde. Weil es abgerissen werden würde, um einem neuen Platz zu machen. Weil die Location bekannt werden würde und daraufhin auch die Sorte einfallen würde, die Spaß daran hatte, die Dinge zu zerstören – zugegeben, da waren wir Dokumentar-Explorer selbst dran mit schuld, wenn wir es hochluden.
Aber vielen ging es inzwischen nur noch um Klicks. Höhere Rooftops, spektakulärere Objekte, immer knapper an den Sicherheitsdiensten vorbeischrammen, nicht mal im Ansatz den Ort zu verbergen versuchen. Diese Idioten schadeten der ganzen Szene und das höchste für sie war es dann, sich bei jemandem einzuschleimen, der mehr Klicks und Abonnenten hatte als sie selbst, bis der sich zu einer Coop mit ihnen genötigt sah, um seine Ruhe zu kriegen.

Und nun sahen sie, dass ich hier Alex mit so einer Coop „förderte“ und schon fand der sich in der Mitte eines Shitstorms von Neidern wieder. Zu meiner Überraschung schlug, als ich meinem Ärger darüber am Wochenende Luft machte, Alex ganz gelassen eine sehr ungewöhnliche Coop vor, der ich aber sofort zustimmte. Sie fand in unserem Wohnzimmer auf dem Sofa statt, die Kamera auf dem Tisch so aufgebaut, dass man nur den oberen Teil vom Sofa und die weiße Wand dahinter sehen konnte. Wir hatten uns unsere Explorer-Maskierungen angelegt und saßen nebeneinander im Bild.
„Willkommen bei mir zu Hause.“ „Und willkommen bei mir zu Hause.“ „Ja, wir wohnen beide hier.“ „Sind wir also eine Explorer WG?“ „Müsst Ihr also noch eifersüchtiger auf Lonesome Hawk werden?“ „Weil ich mit Streetclimber Malik so eng befreundet bin wie Ihr es nie sein werdet?“ „Nein, denn wir sind mehr als eine Explorer-WG.“ „Wir sind seit einiger Zeit ein Paar.“ „Also werdet Ihr noch eine Menge Coops von uns sehen.“ „Da bringt es Euch auch wenig, wenn Ihr auf mich losgeht.“ „Ich entscheide nämlich immer noch selbst, mit wem ich unterwegs sein will.“ „Und es war noch nie ein Ansatz zum Sammeln von Sympathiepunkten, den Partner der angesprochenen Person schlecht zu machen.“ „Aber keine Sorge, es haben ja auch schon einige geschafft, ohne dass ein gemeinsames Bett in die Sache verstrickt war.“ „Wir haben uns sogar schon gekannt, bevor wir überhaupt herausgefunden haben, dass wir dieses Hobby teilen.“
„Und was Coops mit Szenegrößen angeht, habe ich auch nicht darum gebettelt, nach Prypjat mitgenommen zu werden, sondern wurde über den bereits bestehenden Kontakt dazu eingeladen.“
„Also findet zurück dahin, wo es wirklich drum geht.“ „Um Gemeinschaft, um Freundschaft, um ein persönliches Abenteuer.“ „Klicks und Likes sind ein schöner Nebeneffekt, aber kein Lebensinhalt.“ „Wir sind beide vor Jahren durch Freunde in dieses Hobby rein gekommen.“ „Wir haben durch persönlichen Kontakt Freunde dieser Freunde zu unseren eigenen Freunden gemacht.“ „So haben wir dann ein Netzwerk aufgebaut, das uns neue Locations, Begleiter für Coops und manchmal auch einfach nur eine Übernachtung per Couchsurfing bietet.“ „Also vergesst dieses coole Gehabe!“ „Das Streben nach flüchtigen Klicks und Abonnenten!“ „Den Neid auf andere!“ „Das Anbiedern bei Leuten, von denen Ihr Euch versprecht, dass ein Bisschen von deren Social Media Ruhm auf Euch abfärbt!“ „Und das Bashing wenn jemand einen solchen Kontakt erreicht und Ihr nicht!“
„Und wenn Ihr nun an den nächsten Shitstorm denkt, haben wir noch eine schlechte Nachricht.“
„Wir haben beide einen ganz normalen Beruf.“ „Diese Videos sind nur unser Hobby, das wir freiwillig mit Euch teilen.“ „Wir sind nicht drauf angewiesen, Klicks, Likes und Abonnenten zu generieren.“ „Und wir legen es auch nicht drauf an.“ „Wenn Ihr unsere Videos mögt, dann schaut sie weiter.“ „Und wenn uns einige Exemplare von Kommentar-Trolls zu dumm werden, sind unsere Social Media Accounts mit ein paar Mausklicks Geschichte.“ „Und denkt mal nach, ob das, was Ihr macht, noch für die Community steht, durch die Ihr auf dieses Thema aufmerksam geworden seid.“ „Denkt auch mal darüber nach, wozu Ihr das eigentlich macht!“ „Back to the Roots!“ „Wem es wirklich nur noch um Klicks geht, kann uns eigentlich nur leidtun!“

Das Video erschien natürlich auch gleichzeitig auf beiden Kanälen. Das Echo war überraschend positiv. Die Trolle trauten sich nach der Ansprache scheinbar gar nicht mehr aus der Deckung.

Montag, 10.05.2021

Brian kannte meinen Termin für die zweite Impfung, aber die beiden Wochen davor schien er optimal ausnutzen zu wollen.

PICKUP: ORMFR-HOM
DESTIN: LABTR-BBY
TRAILER: BX003
LOAD: HOME APPLIANCES
WEIGHT: 25,650
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Baton Rouge in Louisiana war, wenn ich gut durch kam, bis Donnerstag zu schaffen. Also definitiv Wochenende außen, vor allem in meinen ach so geliebten Südstaaten. Ich fuhr laden, wiegen und schließlich einsam nach Osten. Casey war mir mit dem Flatbed Double ein Stück voraus, sonst hätten wir zusammen bis Lakeview fahren können, da er nach Idaho musste. Evan hatte das Wochenende wohl in Utah verbracht und hatte den Flatbed Single. Ich musste nun aber den Boxvan nehmen, das Stückgutgeschäft hörte ja deshalb nicht auf. Vermutlich würden wir demnächst mit dem neuen Gelände dann auch einen neuen Kollegen bekommen.

Der Tag hatte sonst nichts weiter zu bieten. Den Highway OR / AZ 140 nach Winnemucca fuhren unsere Trucks inzwischen quasi autonom und vermutlich würden sie sogar für die Nachtruhe alleine den Flying J in Battle Mountain ansteuern.


Dienstag, 11.05.2021

Und es ging nicht glatt. Nach dem Einschalten berechnete mein Navi verdächtig lange an einer Route, die noch im Zwischenspeicher sein sollte und überraschte mich schließlich auch mit der Anweisung, nicht auf die Interstate zu fahren sondern der NV-305 für 88 Meilen zu folgen. Nach kurzer Kontrolle der Verkehrslage und der Website eines Nachrichtenportals aus Elko wusste ich dann auch, dass es zwischen Elko und Osino sehr gründlich gekracht hatte. Also sollte ich laut dem Elektronenbeifahrer nun großräumig über Las Vegas und Flagstaff umfahren, bevor ich in Albuquerque wieder auf meine geplante Route treffen würde. Mit 60 Meilen und einer Stunde mehr war das aber eine überraschend gute Umleitungsstrecke, besser als die naheliegende über NV-227, NV-228, NV-767 und US-93 sogar, die ich vermutlich ohne Navi gefahren wäre. Die Dinger hatten einfach mehr Überblick als eine Doppelseite Autoatlas.
Insgesamt 3 Baustellen sollten zwar den Verkehrsfluss etwas einbremsen, aber ansonsten war wenig los.

Meine Mittagspause legte ich bei einer Bäckerei in Tonopah ein.

Am Nachmittag ging es ereignislos bis nach Las Vegas zum Pilot Travel Center an der East Craig Road, wo um 5:55 PM Schluss war. Über die Straße und an der Tankstelle vorbei gab es einen Mexikaner, wo ich zum Abendessen einkehrte. Danach telefonierte ich im Truck noch mit Alex und ging dann in die Koje.


Mittwoch, 12.05.2021

Ich hatte gestern aus Mangel an sinnvollen Pausenmöglichkeiten auf dem weiteren Weg 1:19 übrig behalten. Fast genau eine Stunde davon nahm ich schon mal runter, als ich um 6:42 wieder los fuhr, um vor dem ohnehin immer noch recht entschärften Berufsverkehr durch Vegas zu kommen. Der Weg auf die I-11 führte nicht nur durch die schönen Ecken der Stadt.

Der Arizona Port of Entry in Golden Valley gab mir den Bypass und ich wechselte um 9 AM auf die I-40, die mir nun bis Texas erhalten bleiben sollte.

Zum Mittag hatte ich es dann erfolgreich geschafft, an allen befreundeten Tankstellen vorbeizufahren und sowohl die 24-Stunden-Zeit als auch die Tankanzeige wollten dann, dass ich in Flagstaff Pause machte. Dort gab es aber leider nur einen Truck Stop, nämlich einen Little America mit Sinclair-Tankstelle. Also musste ich wirklich mal über WEX bei einer Tankstelle ran, wo wir keine Bonuspunkte bekamen. Ich tankte aber nur 50 Gallonen nach. Anschließend ging ich an der Straße entlang unter der Interstate durch, zum Glück gab es hier einen Bürgersteig. So konnte ich wenigstens bei Danny’s essen.

Auf dem weiteren Weg nach Osten hatte es ein Kollege nicht allzu ernst mit der Ladungssicherung genommen.

Die Einfahrt in New Mexico ging dank Bypass am Gallup Port of Entry auch unterbrechungsfrei. Und so tankte ich am Abend in Grants am Sky City Travel Center voll. Es war kein erstrebenswerter Platz für die Nacht, aber es gab eine Phillips 66 Tankstelle, an der ich meinen Schnitzer vom Mittag ausbügeln konnte. Zum Abendessen holte ich mir aus der Frischetheke im Laden einen Salat. Auf den örtlichen Futterverteiler Subway konnte ich verzichten.


Donnerstag, 13.05.2021

Gestern hatte ich wieder eine Stunde „liegen lassen“, was aber auch mit der Zeitverschiebung zu tun hatte. So konnte ich heute wieder vor 7:00 AM los fahren, auch wenn es durch die Mountain Time im Log noch vor 6:00 AM war. Nach einiger Zeit und mit der Sonne höher am Himmel überholte ich dann den Zug der Woche, diesmal mit freundlicher Unterstützung der Union Pacific.

Es war dann schon fast Mittag, als die Zahl der noch zu durchquerenden Staaten um 1 runter und die Stundenanzeige um 1 rauf sprang – Texas war erreicht. Ein Staat zu groß, um an einem schon begonnenen Tag durch zu fahren. Die Mittagspause fand auf dem bewährten Flying J in Amarillo statt, mit Mittagessen im ebenso bewährten Denny’s.

Anschließend ging es auf die US-287, eine der seltener benutzten Straßen in meiner Karriere. Und hinter der Brücke über den Fluss mit dem sperrigen Namen Prairie Dog Town Fork Red River durfte ich an der Childress Weigh Station dann doch mal zur Kontrolle antraben. Genauso schnell war ich mit gerade Mal 61,070 lbs auch wieder runter.

Der weitere Tag war texanisch, also nicht sehr abwechslungsreich. Ab und zu ein Zug auf der parallelen Bahnstrecke, ab und zu ein Kaktus und ab und zu eine Kurve. Die Fahrt durch Wichita Falls mit ein paar Junctions sorgte für Abwechslung und schon zum Abend hin dann auch Dallas – Fort Worth.

Abends am Pilot Travel Center in Canton (TX) füllte ich die Tanks noch mal auf, ging duschen und dann im Truck ein Sandwich essen, bevor der Anruf zu Hause folgte.


Freitag, 14.05.2021

Es ging wieder vor 6:00 AM Logtime los, was nun aber schon auf 8:00 AM Local Time zuging. Nach fast 2 Stunden erreichte ich Louisiana und wechselte quasi direkt hinter der Grenze auf die I-49 South in Richtung Lafayette. Genau dort schwenkte ich nach Osten auf die I-10 und es wurde sehr wässrig. Auch wenn es aufgrund der Höhe der Brücken beeindruckend war, den Mississippi zu überqueren, erstaunte mich die Fahrt über den Atchafalaya River viel mehr. Denn der bildete hier mit dem Lake Bigeaux, dem Whiskey Bay Pilot Channel und dem Little Tensas Bayou ein riesiges Überschwemmungsgebiet und es ging für fast 20 Meilen aufgeständert durch eine Mischung aus Flüssen, Kanälen , Wald und Marschland.

Um kurz nach 2 PM erreichte ich nach über 6 Stunden Fahrt den Best Buy in Baton Rouge. Brian wollte das Spielchen mit der Ferne fortsetzen. Vielleicht hoffte er auch, dass es auf beiden meiner Kanäle demnächst was zu sehen gab. Der Südosten war voll mit Locations.

PICKUP: LABTR-VLM
DESTIN: SCGRV-JDE
TRAILER: BX003
LOAD: TIRES
WEIGHT: 40,385
DISPATCH: ORMFR-PCT-BRW

Also holte ich die Reifen ab, prüfte dabei schon mal bei meinem Explorer-Freund Jeffrey, ob der am Sonntag was vorhatte.

Das Navi wollte aus irgendeinem Grund über die I-10 und New Orleans. Scheinbar war die Auffahrt auf die I-12 gesperrt. Am Super Stop vor den Toren von Baton Rouge brachte ich noch auf einer Cat-Scale meine Achsen in Ordnung. Der Umweg war nicht sonderlich lang und mit Downtown New Orleans und der Brücke über Lake Pontchartrain gab es wenigstens einiges zu sehen, während die I-12 eher eintönig gewesen wäre.

Mir blieb noch reichlich Fahrzeit, aber ich hatte nicht mehr allzu viel Lust und steuerte deshalb den Flying J in Gulfport (MS) an. Hier konnte ich kostenlos duschen und bei Denny’s günstig essen.


Samstag, 15.05.2021

Heute stand mir noch mal ein fast kompletter Tag bevor. Die gestrige Unlust mit über 2 Stunden Restzeit bedeutete, dass ich nun schon um 5:42 AM losfahren konnte, durfte und musste. Nur für eine Waage um 6:30 AM für ein paar Sekunden unterbrochen rollten die Räder nach Georgia, dessen Grenzfluss auch einen Namen hatte, den man im Vorbeifahren kaum ablesen konnte.

Die Mittagspause in der südlichen Peripherie von Atlanta verbrachte ich an einer BP-Tankstelle, wo ich nicht nur mich mit einem Sandwich aus meinem Vorrat fütterte sondern auch den Truck mit Diesel und DEF.

Auf dem anschließenden Atlanta Perimeter, auch als I-285 bekannt, ging es unter der Südbahn des Flughafens durch, wo gerade eine MD11-F zum Start rollte.

Die weitere Fahrt war unspekatakulär und kurz vor 4:00 PM erreichte ich South Carolina. Eine halbe Stunde später stand ich bei John Deere in Greenville, rief Jeffrey an, dass er sich auf den Weg machen sollte und wartete, dass ich abgeladen war.

Das kleine Pilot Travel Center in Duncan war voll, also fuhr ich gegenüber auf den TA. Ich hatte ja sowieso nicht vor, den Reset hier zu verbringen. Ich rief Jeffrey noch mal für meinen endgültigen Standort an, er war 20 Minuten vor Duncan. Statistikzeit.

WEEK START: MO:06:48 AM ±0
WEEK END: SA:02:37 PM +3
WEEK DRIVE: 58:33 HRS
WEEK WORK: 61:11 HRS
WEEK FRAME: 6D:07H:49M
WEEK MILES: 3,029
REVENUE MILES: 3,019
PERFORMANCE: 99.7 %
WEEK PAYLOAD: 66,035
SH TON MILES: 31,101
WEEK FUEL ECO: 6.1 MPG
WEEK AVG SPEED: 51.7 MPH

Das war dann wohl die effektivste und ineffektivste Woche gleichzeitig in meiner ganzen Karriere. 99,7% waren kaum zu schlagen. Logisch, war ich doch nur in Medford vom Hof zum Home Depot Zentrallager, in Baton Rouge von Best Buy zu Voltison und jetzt die paar Meilen aus Greenville nach Duncan leer gefahren.

Andererseits hatte ich nur am Montag und Donnerstag 10 Stunden Lenkzeit überschritten. Das war immer der Haken auf dem Weg nach Osten. Es wurde früher dunkel, was auf die Konzentration schlug, weil die biologische Uhr den Körper früher runterfuhr. Auch nach Jahrtausenden mit Lagerfeuer und schließlich Kunstlicht für die Menschheit sowie inzwischen fast einem Jahrzehnt persönlich in diesem Job ohne geregelte Arbeitszeiten war man gegen die Natur und das behäbige Tempo der Evolution machtlos.
Schließlich fuhr Jeffrey mit seinem alten Kia auf den Platz. Wir packten meine Sachen in den Kofferraum und für heute fuhren wir nur noch zu seiner Wohnung nach Charlotte. Das waren auch anderthalb Stunden. Und morgen hatten wir viel vor, auch viel Autofahrt, aber die Location war es wert.

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