Kapitel 59 – Probesitzen

Diese Woche…
…macht Judith keine Dispo…
…Ilarion zeigt ein hässliches Foto…
…und Ricky steigt ein ohne zu fahren!

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Das Wochenende in Bozen verbrachte ich mit einem gemieteten Mountainbike in den Bergen. Um zu guten Einstiegspunkten mobil zu sein, hatte ich mir auch noch einen Toyota Verso dazu gemietet, in den das Bike problemlos rein passte. Irgendwie machte das mehr Spaß als joggen.

Außerdem fand ich im TSM-Forum eine Anfrage von Dirk, Chef von European Power Trans aus Dresden, wegen dem alten Stralis. Ich beantwortete die Fragen und betonte noch mal, da er seine Anfrage doch sehr verhalten geschrieben hatte, dass der Preis Verhandlungsbasis war. Mal sehen, vielleicht wurden wir den Truck auch noch eleganter los als an einen professionellen Preisdrücker.
Ich schrieb Julian eine Nachricht, dass er sich mit seiner Überlegung beeilen sollte, weil wir eine ernst gemeinte Anfrage für seinen Iveco hatten.


Montag, 15.06.2015

Aber auch dieses Wochenende war irgendwann zu Ende und am Montag früh bei Regen sattelte ich eine Ladung Spanplatten für London auf. Weder von Talke noch auf dem freien Markt war brauchbares Gefahrgut aufzutreiben gewesen. Diese Woche war ich urlaubsbedingt mal wieder Disponent.

Nach einer problemlosen Brenner-Überquerung fuhr ich durchs Inntal und durfte schließlich den Eintritt für den Arlbergtunnel abdrücken.

Die Mittagspause verbrachte ich genauso unspektakulär an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz wie die Fahrt dahin. Leider hatten sie keine TIR-Papiere organisiert und ich hatte die Wahl zwischen kürzerer Strecke durch die Schweiz und zwei Grenzkontrollen oder längerer Strecke bei freier Fahrt durch Bayern. Am Ende sicherlich ein Nullsummenspiel.

Timo und Ilarion hatten sich geeinigt und Ilarion seinen Urlaub eine Woche verschoben.

Nördlich von Straßburg endete der Tag. Die Nacht wurde unruhig, denn vier Windkraftanlagen machten einigen Terror.

Dienstag, 16.06.2015

Wenn ich eh nicht pennen konnte, machte ich mir noch schnell ein Frühstück aus dem Vorrat und fuhr dann weiter. Im Rasthaus Frühstücken konnte man ja in Frankreich auch nicht. In Belgien hielt ich dann für ein zweites Frühstück, Brüsseler Waffeln mit Sahne und Puderzucker. Vor meinem inneren Auge erschien der mahnende Zeigefinger meines persönlichen Trainers Dominik, den ich aber geflissentlich ignorierte.

Bei Lille zog mir aus einem Beschleunigungsstreifen ein Viehtransporter mit unter 40 Sachen direkt vor die Nase. Neben mir war ein PKW, also blieb mir nur der Wurfanker, um zu vermeiden, dem Rindviech oder seiner Ladung Rindviecher einen Besuch abzustatten.
Im Ärger verpasste ich es, ein Foto zu machen. Vielleicht sollte ich mir statt der Handyknipse in der Armaturenbretthalterung eine Dashcam mit Dauerschleife a la Sascha kaufen, bei der man nur den Knopf drücken musste und eine Minute gespeichert wurde. Man musste ja nicht gleich damit einen Youtubekanal betreiben. Eine Auffahrt später verpisste der Typ sich wieder auf die Landstraße.

Nach 11 Uhr kam ich in Calais an. Das Ritual aus Eigenkontrolle, Durchleuchten und warten auf den Zug kannte ich ja mehr als gut.

Dabei schaute ich in die Dispo. Judith hatte letzte und diese Woche Urlaub und nicht alles für den kompletten Zeitraum hinbekommen. Die Lücken musste ich nun stopfen.
Dominik und Julian waren auf dem Weg über Marokko nach Malaga, von da sollte es kommende Woche nach Düsseldorf gehen. Dann waren sie Mittwochabend oder Donnerstagmorgen da. Den Freitag bekamen sie meinetwegen nach dem dreiwöchigen Wahnsinnsritt frei.
Timo und Maxi waren auf dem Weg nach Kosice, von dort hatte ich noch keine zündende Idee gehabt, sie wieder weg zu bekommen und Judith erst recht nicht. Jedenfalls war die Tour da immer noch so zu Ende, wie ich sie geerbt hatte.
Ilarion war von Judith beide Wochen durch geplant. Er war auf dem Weg nach Schottland, von da sollte er über Liverpool und dann via Dänemark nach Hause.
Ich selbst hatte von London eine Anschlussfahrt mit einem leeren Dieseltank von Talke nach Felixstowe. Da sicherte ich mir eine Ladung Ölfilterkartuschen für Ford in Köln. Dann war ich am Donnerstag früh zu Hause, konnte im Büro noch ein Bisschen arbeiten und am Freitag mal durch die LKW-Vertretungen der Umgebung streunen.
Praktisch an Judiths Urlaub war, dass Marlon auch nicht da war und somit ein Truck weniger zu disponieren war.

Auf der anderen Seite vom Kanal schaffte ich es noch bis London auf den Perimeter. Fahrzeit heute 09:01 Stunden. Gut dass ich diese Woche nicht mehr drauf aufpassen musste. So konnte man sich sonst schnell mal die Zeiten versauen.
Weil es nix besseres gab, organisierte ich für Timo morgen früh erst mal eine Ladung Leerpaletten von Kosice nach Bratislava, um ein Bisschen Zeit zu gewinnen und in eine andere Region zu kommen.


Mittwoch, 17.06.2015

Der Morgen war nass und nach dem Aufsatteln war ich es auch. Der leere Tanktrailer wartete bei der lokalen Volvo-Niederlassung. Das Wetter hinderte mich dann aber daran, mal um ein paar FH herumzulaufen. Mehr dazu eben am Freitag.

Nach einer relativ entspannten Fahrt durch den Berufsverkehr von London war ich bald darauf auf dem Weg nach Felixstowe. Es war immer gut, wenn man in Ballungsräumen antizyklisch fahren konnte.

Ich lieferte den Tanktrailer ab und schaute noch mal in die Frachtbörsen. Timo und Maxi mussten ja irgendwie zum Wochenende wieder nach Hause kommen. Nicht schön, aber gut bezahlt, ich wählte Timos Nummer.
„Oha, der Chef! Hallo Ricky!“ „Hallo Timo. Als ob ich ein Oha-Chef wäre. Allerdings habe ich wirklich eine kleine Oha-Nummer an der Angel. Magst Du Nachtzuschlag kassieren?“ „Ja, warum?“ „Die für mich bequemste Version, Euch nach Hause zu holen ist, Euch jetzt den Tag über in Bratislava rumgammeln zu lassen. Nehmt Euch von mir aus ein Motelzimmer, wenn Ihr wollt – aber ein Doppelzimmer, keine zwei Einzelzimmer! Heute Abend wird über Talke eine Ladung nach Gelsenkirchen bereitgestellt, eilig. Die müsste dann spätestens Freitag um 6 Uhr bei Bosch sein. Bedeutet zweimal Nachtzuschlag.“
„Ist das okay?“
Die Frage galt Maxi. „Haben wir eine Wahl?“ „Habt Ihr, aber ich kann noch nicht sehen, wie die hinter München aussieht.“ „Du entscheidest hier. Ich sitze ja nur
daneben ohne die Verantwortung zu tragen und muss nicht fahren.“ „Okay, dann nehmen wir die Nachtfahrt.“ „Danke, ciao!“

Schließlich machte ich mich dann auf den Weg in den Containerhafen, wo die Luftfilter in ihrer Blechbüchse aus Asien irgendwo angekommen waren. Hier kam man sich immer so klein vor.

Weil auch der Hafen von Harwich nicht so weit weg war, hatte ich einen ruhigen Tag. Neben einem britischen Kollegen, der Sperrgut für Royal Mail / GLS auf den Kontinent bringen sollte, wartete ich auf das Schiff, das kommen wird.

Donnerstag, 18.06 2015

Ich hatte mich gegen eine Kabinenübernachtung entschieden, sondern wollte lieber früh fertig werden. Also verließ ich das Schiff und das Hafengelände von Rotterdam zusammen mit den Kollegen, die sich ebenfalls für diese Option entschieden und ihren Truck direkt an der Ladeklappe geparkt hatten. Bis da hin fand ich einen unruhigen Schlaf in einem der mäßig bequemen Liegesessel an Bord. Na dann mal los durch die Nacht.

Etwas ausgeschlafener wäre vielleicht nicht verkehrt gewesen, denn dann wäre mir das kostenpflichtige Passfoto bei Rotterdam erspart geblieben, wo ich nicht entschlossen genug auf 50 abgebremst hatte. Die Ecke kannte ja inzwischen an sich jedes Kind und ich fiel drauf rein.

Die Fahrzeit reichte nicht ganz bis nach Köln, also machte ich bei Venlo Pause. Halb sieben parkte ich den Trailer in Niehl an der Warenannahme von Ford.

So war der Tag schon am Morgen zu Ende. Ich putzte den Truck und legte mich dann ein Bisschen hin, um den verpassten Schlaf nachzuholen, dann begab ich mich ins Büro und sah erst einmal die Post durch. Ein Brief war vom Inhalt zweimal da, allerdings mit anderen Logos in der Ecke und von anderen Absendern. Ich nahm mir also mal den Düsseldorfer genauer unter die Lupe:

Sehr geehrter Kunde,

Die Volvo-Trucks-Gruppe fasst ihr Händlernetz zusammen. Nach dem bereits einige Jahre zurückliegenden Zusammenschluss von Volvo Trucks und Renault Trucks bekommen Sie bei den Händlern der beiden Hersteller in Zukunft auch die Modelle der jeweiligen Partnermarken. So können wir noch besser auf Ihre individuellen Bedürfnisse und die besonderen Anforderungen an Ihre Fahrzeuge eingehen.
Gerne würden wir Sie daher in der Niederlassung Düsseldorf begrüßen, um Ihnen ab sofort auch die Modelle Volvo FL, FE, FM, FMX und FH vorzustellen.
Selbstverständlich bieten wir Ihnen ab sofort auch Herstellerservice für bereits vorhandene Volvo Trucks.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team von Renault-Volvo Trucks Düsseldorf


Das vereinfachte immerhin morgen die Rundreise durch die Verkaufsräume erheblich. Ich sah noch mal in die Dispo und stellte schon mal Startfahrten für die kommende Woche zusammen, damit Timo, Ilarion und dann auch wieder Marlon was zu tun hatten, bis sich Judith einen Überblick verschafft hatte. Ich selbst wollte dann meinen Urlaub nehmen.

Weil 2 Wochen keiner mehr zu Hause gewesen war, musste ich erst einmal wieder den Kühlschrank beschicken. Dank der Schlafeinlage am Vormittag war ich dann am Abend natürlich quietschfidel und blieb so lange am PC hocken.
World of Subways 4 hatte mich erobert. Die heruntergewirtschaftete U-Bahn im New York der frühen 80er war genau das richtige Ambiente für mich, der als Jugendlicher schon durch Fabrikruinen und am Wochenende nicht betriebene, aber noch aktive Steinbrüche und andere Firmengelände des Sauerlands geturnt war, als das Wort „Urban Exploration“ noch nicht erfunden war. Erst als unten das Hallentor rumpelte, sah ich auf der Uhr, dass es schon 3 nachts war.
Timo und Maxi kamen rauf, begrüßten mich kurz und Timo war in seinem Zimmer verschwunden. Ich hatte Julians Bett für Maxi frisch bezogen und schickte ihn also da rein, dann ging ich selber ins Bett.

Freitag, 19.06.2015

Wir wurden erst gegen 10 Uhr wach und frühstückten gemeinsam. Der weitere Plan sah vor, dass Timo und Maxi zusammen den MAN putzen wollten. Danach wollte ich Maxi nach Hause fahren und gleich in Düsseldorf mit meiner Runde durch die Verkaufsräume anfangen.

In der Zwischenzeit durfte ich mir am Telefon anhören, dass MAN mit dem Euro 6 immer noch nicht mit angemessener Lieferzeit über den Berg kam. Der EEV überzeugte doch nicht so ganz, sowohl Timo als auch mir war die Zugkraftschwäche aufgefallen.
Außerdem hatte Timo im Alltag weitere Detailfehler bemerkt, besonders die teilweise schlechte Ablesbarkeit. Für die Tankuhr und einige andere Anzeigen musste man sich entweder durchs Display auf die passende Seite schalten oder vorbeugen, um das Analoginstrument unterm Lenkrad zu erkennen. Generell musste das Licht recht günstig stehen, um die Nadeln in den Anzeigen zu erkennen. Wobei das ja beim Facelift anders geworden sein könnte.
Damit konnte ich mir eine Marke aber trotzdem schon mal auf der Rundreise sparen.

Nachdem ich Maxi abgesetzt hatte, steuerte ich Renault-Volvo Trucks an. Den jungdynamischen Verkäufer Joachim Scholz kannte ich ja inzwischen eine gefühlte Ewigkeit seit ich den Premium hier gekauft hatte und wir waren noch aus meinen wilden Anfangsmonaten per Du. Sein Problem mit der Stammmarke war immer noch das alte:
„Wir kriegen ums Verrecken keine Serie T. Die Franzosen, Spanier, Portugiesen und Italiener kaufen immer noch den Markt leer. Das, was inzwischen an Überschuss produziert wird, geht dann nach Benelux und Großbritannien oder in die östlichen Mittelmeerstaaten. Deutschland hat es Renault Trucks nie leicht gemacht, jetzt bekommen wir von der Zentrale die Quittung dafür und sie bedienen erst einmal die Märkte, wo sie schon früher Absatz hatten.“

„Aber Ihr bekommt ja jetzt auch Volvo.“ „Damit wir überhaupt Neufahrzeuge verkauft kriegen. Die ersten hatten schon finanzielle Schwierigkeiten.“ „Ich würde mir gerne mal einen FH anschauen.“ „Anschauen oder ausprobieren?“ „Ausprobieren später mal. Erst mal nur genau anschauen, Maß nehmen, mal die Zündung an, damit ich die Displays und so sehe. Wenn dass passt, können wir mal später über einen Vorführer sprechen, wenn ein Fahrer so einen will. Wobei wir den Fahrer schon haben, mal sehen wann der mit einem neuen Truck an die Reihe kommt.“ „Okay, ich gebe Dir mal den Schlüssel. Globetrotter XL?“ „Ja, und normalen Globetrotter auch.“
Ich nahm mir erst mal den normalen Globetrotter vor. Für einen einzelnen Fahrer war der schon okay, für zwei aber zu eng. Wobei wir derzeit sowieso keine Kandidaten für ein Zweierteam hatten, sobald Dominik versorgt war. Aber mir schwebte schon vor, mittelfristig wieder einen oder je nach Firmengröße auch zwei oder drei Trucks mit einem solchen Team auf der Straße zu haben. Es rechnete sich doch, wenn man mal genau hin schaute.
Also schnell weiter zum XL. Der Wohnraum für zwei reichte locker aus. Bei den Ablagen musste man sich, wie beim aktuellen Iveco auch, ein Bisschen einschränken, dann würde das aber auch problemlos zu zweit gehen.
Die Kabine war so übersichtlich, wie das bei einem modernen LKW eben ging. Dazu kamen die rahmenlosen Spiegel, die bei gutem Blick nach hinten nicht zu viel Sichtfeld nach schräg vorne wegnahmen.
Komplett überzeugt war ich vom Armaturenbrett. Die Anzeigen wie auch das Multifunktionsdisplay waren gut ablesbar und ließen keinen Informationsmangel aufkommen. Der erste, der so einen würde haben wollen, war bestimmt Dominik, der sich ja schon als Volvo-Fan geoutet hatte.

Also kam als nächste Station auf der Reise BTS in Essen dran. Hier gab es Frischware aus Holland. Bei DAF machte nur die ganz große Hütte wirklich Sinn. Platz gab es dafür satt, auch bei den Ablagen war man alleine oder auch zu zweit gut bedient.
Die uralte Kabine des 95ers hatte einen entscheidenden Vorteil, den ich schon vom Renault Premium kannte. Die spirrligen A-Säulen einer Konstruktion aus der Zeit nahmen einem kaum Sicht, dazu noch die eleganten Spiegel, die dennoch genug Blickfeld ließen.
Die Wohlfühlatmosphäre wurde mit einem Schlüsseldreh beendet. Ein Armaturenbrett leuchtete auf, das wohl entweder das Kind des Entwicklers in der Grundschule eingefärbt hatte oder, in dem Land auch nicht ganz abwegig, ein Entwickler unter Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen. Jedenfalls war das Ding krachbunt, auch dank des Spielzeuglenkrads viel zu klein, unnötig mit Details verspielt und dazu geizte das MFD mit Informationen. Damit war ich von dieser Marke erst mal bedient. Zumal mich das Design höflich gesagt auch von außen nicht gerade umhauen konnte.

Nächster Halt war bei Mercedes. Der MP3 von Talke war ein ordentlicher Truck gewesen, aber nicht herausragend. Mal sehen was sie beim neuen, den ich fälschlicherweise wie viele andere auch MP4 nannte, so alles verbessert hatten. Die Optik hatten sie auf jeden Fall mal getroffen.
MAN, Scania und DAF hielten sich mit übervorsichtigen Facelifts irgendwelcher Modelle aus dem vergangenen Jahrtausend über Wasser. Volvo hatte innerhalb der Gruppe die bei Renault traditionell im Überfluss vorhandene Avantgarde abbekommen, sowohl FH als auch T waren radikal gestaltet. Love it or hate it – ich liebte sie optisch beide. Iveco und Mercedes hatten es geschafft, richtig schicke Trucks auf die Straße zu stellen, ohne sich dabei untreu zu werden oder mit einem zu radikalen Design zu polarisieren.
Auch hier ließ ich mir einen Schlüssel für die beiden größeren Kabinen geben. BigSpace für Einzelfahrer und GigaSpace für Zweimannbesatzungen boten jeweils hervorragenden Lebensraum und Ablagen im Überfluss.
Die Kabine war von der Übersicht wie der Volvo, allerdings hier mit konventionellen Spiegelfassungen, die deutlich größer waren und so nach schräg vorne ein Bisschen störten. Aber auch deren Sichtfeld war ohne Tadel. Das gleiche galt für den konventionellen Teil des Armaturenbretts. Auch die Informationen vom MFD waren komplett, allerdings war es deutlich schwerer ablesbar als bei Volvo. Aber wer mit einem Iveco-Display klar kam, den ließ auch das von Mercedes kalt.

Weil der Preis heute und auch bis nach den Testfahrten keine Rolle spielen sollte, beließ ich es dabei und fuhr als letztes zum Scania-Zentrum in Bochum. Neben dem DAF der andere Oldtimer. Okay, auch der Iveco basierte noch auf dem EuroStar, aber im Gegensatz zu insbesondere Scania hatte man sich da mal um Verbesserungen bemüht. Der Scania hatte angeblich noch alle Fehler in seiner DNA, die man ihm bei der Geburt des Vor-Vorgängers Serie 4 mitgegeben hatte.
Die Kabine war mir entsprechend noch von Ruslans Serie 4 einigermaßen bekannt. Kein Raumwunder zum Leben, aber immerhin mit hervorragender Stehhöhe und ausreichend Platz in den Ablagen. Es fehlte mehr an Tiefe und Breite als an Höhe. Die konventionellen Betten waren dadurch dicht an Zumutung und das Alkoven-Nest hatte nur der 4er. Ich sollte mal Mahad und Vinni fragen, ob man so was auch bei späteren Modellen irgendwie nachrüsten konnte.
Wie beim DAF war die Kabine dafür sehr übersichtlich und auch die Spiegel halfen beim Rundumblick. Das Armaturenbrett war zwar ziemlich schmal, aber dennoch besser ablesbar und nicht so verspielt wie beim DAF. Einen herben Dämpfer gab es vom MFD. Als einziges der heute gesehenen Cockpits hatte der Scania den Tempomaten nicht dauerhaft im Blick. Ein Feature, das zumindest ich nicht mehr missen wollte.

Einen Iveco hatte ich jeden Tag, dessen Stärken und Schwächen kannte ich. Auch wenn mir heute die Schwächen ein Bisschen deutlicher geworden waren. Die Ablagefächer waren wegen der aerodynamischen Dachform so ziemlich die kleinsten am Markt, auch wenn man verglichen zum alten Stralis inzwischen eine wahre Schrankwand zur Verfügung hatte und auch den Kram für zwei mit ein Bisschen Kompromissbereitschaft rein bekam. Dazu das zwar informative, aber nur mäßig ablesbare MFD. Einiges an Sichtbehinderungen nach vorne durch große Spiegel und die letzte zweiteilige Seitenscheibe auf dem Markt und den dadurch zusätzlichen Fenstersteg waren auch nicht optimal.
Auf der Habenseite waren die meiner Meinung nach besten Analoginstrumente, geradezu verschwenderischer Wohnraum und hier der Vorteil der eben kritisierten, riesigen Spiegel, die einem Überraschungsangriffe aus dem Hinterhalt der Überholspur ersparten.

Ich beschloss, mal demnächst bei Volvo, Mercedes und vielleicht Scania für Probefahrten vorstellig zu werden. Zusammen mit Iveco wären es dann 3 oder 4 Kandidaten, mit denen man über Flottenabnahmen reden konnte. Ich wollte an sich nur noch zwei Marken kaufen. Wenn MAN und Renault mal endlich mit konkurrenzfähigen Lieferzeiten über den Berg kämen, wäre das aber auch nicht verkehrt und man könnte sich auch die noch anschauen.

Als ich wieder zurückkam, war Ilarion im Fahrer-Büro bei seiner Abrechnung und Timo leistete ihm Gesellschaft. Timo hatte gerade einen Anruf von Julian angenommen, bevor ich reingekommen war. Ich fläzte mich auf Timos Schreibtisch und nahm den Hörer. Zu mir rüber stellen konnte ich ihn immer noch, wenn es Chefsache wurde.
„Hallo Julian!“ „Hallo Ricky!“ „Was gibt es neues? Seid Ihr schon wieder in Europa?“ „Ja. In Gibraltar. Ich stehe hier gerade bei einem Scania-Händler vor einem Angebot, das Du nicht ablehnen kannst.“
„Ich kann alles ablehnen, besonders weil ich eben bei allen Händlern war und der Scania mich nicht umgehauen hat.“ „Er muss ja auch nur mich umhauen. R500 EEV Topline, 6×2 Taglift, werksneu mit Null Kilometern. 89.000 Pfund. Ich brauche sowieso als nächstes einen neuen hast Du geschrieben.“ „Und wo ist der große Haken? Außer dass ich dich in dem Bett sehen will. Bei Tom & Jerry würdest Du da doch am nächsten Morgen in Form eines Ziegelsteins raus kommen.“ „Es gibt keinen Haken. Und das Bett ist knapp, aber ausreichend.“ „Der kleine Haken ist mir zumindest schon mit EEV aufgefallen. Aber du kannst mir nicht erzählen, dass jemand einen Scania V8 mit Null Kilometern für 122.000 Euro verkauft.“
„Okay, die Farbe ist ein Bisschen gewöhnungsbedürftig.“
„Wieso?“ „Kann doch egal sein, Vinni kleistert da sowieso unsere Folie drüber.“ „Kannst Du mir mal eine Beschreibung und ein paar Bilder schicken?“ „Ich schicke Dir einen Link.“ „Schick Timo oder Ilarion, ich sitze bei denen auf der Schreibtischkante.“

Der Händler hatte es erfolgreich geschafft, Schwarzweiß-Fotos einzustellen. „Meine Güte, ist die Karre schweinchenrosa oder was?“ Ilarion blickte auf und kam rum zu Timos Bildschirm. „Okay, ich finde hier nix verwerfliches, schick mir den Vertrag und dann schauen wir mal. So ein V8 muss erst mal gegen gerechnet werden, ob der den Kaufpreis nicht auffrisst. Ihr müsst aber noch nach Malaga, oder?“ „Das schafft Dominik alleine. Ich nehme mir entweder diesen Scania oder einen Mietwagen fürs Wochenende und fahre hinterher.“ „Also gut, ich melde mich gleich bei Dir. Ciao!“ „Ciao!“

„Scania in komischer Farbe?“ Ilarion schien sich auszukennen. „Ja, warum?“ „Da kenne ich einiges, auch Schweinchenrosa zum Beispiel.“ „Das war nur so daher gesagt.“ „Gibt es aber. Dein nur so daher gesagt hat mich mal ein Abendessen bei Maredo gekostet.“ „Wie das?“
„Es gab mal eine Sonderserie, alle mit V8 und Pastellfarben. Einer der größten Flops in Scanias Firmengeschichte. Die pinken Kisten – eigentlich heißt die Farbe ‚Chicago Candy‘ – gingen so schlecht, dass Scania noch nach Monaten eine ganze Reihe nicht abgerufen im Werk rum stehen hatte. Ich hatte einen Scania-Fan in der Berufsschulklasse, der auch einen R500 da raus von seinem Ausbilder bekommen hatte. Mit dem hatte ich gewettet, dass die bis zum Ende unserer Ausbildung keiner kauft. Aber Anfang 2014 hat der letzte in jenem Chicago Candy dann doch noch einen Prinzessin-Lillifee-Fan gefunden und war aus Södertälje verschwunden. Das Steak war der Einsatz.“
„Und was gab es da noch für Farben?“ „Ich kenne nur den Highline von meinem Kumpel Pascal. Ich suche mal ein Foto, aber Du musst tapfer sein.“ „Warum?“ Er wischte auf seinem Handydisplay rum: „Sind sie nicht schön? Pascals Scania und mein DAF vor der Berufsschule in Köln.“ Zumindest zur Hälfte wusste ich ja, was jetzt kam. Bei Ilarions ursprünglichem Ausbildungsbetrieb wurde keiner um die Lackierung der Trucks beneidet.

„Gibt es die Kamera noch oder hatte die Linse danach einen Sprung?“ „Wie heißt die Farbe von dem Scania denn?“ „Vienna Coffee!“ „Sieht eher aus, als hätte einer in einen Eimer mit weißem Lack gekackt und umgerührt. Und die grün-lila Kiste war Deiner? Den kannte ich noch gar nicht.“ „Ja…“ „Ach du Fresse. Mein Beileid. Damit war man doch das Gespött der Leute.“ „Wenn man bei dem Sauladen gearbeitet hat sowieso. Auch wenn die anders lackiert gewesen wären. Aber der Ausbildungsplatz im Traumberuf macht blind und taub für gute Ratschläge von Kollegen.“
„Wieso?“ „Hab ich Dir doch als besonders schlechtes Beispiel aus dem Bereich erzählt als Du vor ein paar Wochen ins Stückgutgeschäft wolltest. Keine anständige Ladungssicherung, utopische Zeitvorgaben. Erst als ein Kollege in unserer Niederlassung in Köln das Maul auf gemacht hat, bewegte sich was. Aber da konnte es nur noch in die falsche Richtung gehen. Die hatten sich mit der Masche die Preise so kaputt gemacht, dass die Kunden die notwendige Erhöhung nicht mitgegangen sind, um korrekte Arbeit zu bezahlen. Und dann ist der ganze Laden kurz vor meiner Abschlussprüfung bundesweit den Bach runter.“

Weil der Scania wirklich sauber zu sein schien und der V8 die Ersparnis gegenüber einem anderen Neuwagen nicht versaufen würde, unterschrieb ich Julian seinen Vertrag und er sollte den komisch lackierten Achtender mitbringen. Die zwei würden als Einzelfahrer dann am 27. passend zum Schraubersamstag eintrudeln.

Ilarion verabschiedete sich und Timo bot sich noch an, ihn nach Hause zu fahren, wenn er jetzt sowieso für das Wochenende ausrückte.
Und ich bin allein – allein, allein. Ob ich mal Keith unauffällig ausfragen sollte, was Lukes Liebesleben macht? Allenfalls dürfte es leichte Schwierigkeiten geben, diese Frage unauffällig zu stellen…


Die Lieferengpässe bei den Herstellern verdankten wir damals mehr SCS und der Modderszene. Es sollte noch einige Monate dauern, bevor das damals aktuelle Modell des MAN TGX durch einen Modder abgedeckt wurde. Den Renault gab es als Bezahlmod, was manchen Spielern gegen die Prinzipien verstieß, auch mir. Ein weiterer nutzte den Innenraum und Sound des Premium von SCS. Dort gab es wirklich bis zum Erscheinen des offiziellen SCS-Modells keine brauchbare, kostenlose Alternative.

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