In diesem Kapitel…
…sucht Julian Begleiter…
…Ricky verlässt der Mut…
…und Dominik trägt ein grelles Oberteil!
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Montag, 06.07.2015
In den Ferien riskierte ich die Nacht vom Sonntag auf den Montag bei meinen Eltern. Wenn ich da früh los kam, war ich auch noch passend zur Abfahrt in Bochum. Als ich am Montag früh aus dem Sauerland zurückkam, wunderte ich mich beim Blick in die Halle. Der Premium mit dem Marlon längst um die Kirche kreisen müsste, stand noch da, dafür war der alte Stralis weg, mit dem Dominik später in den Fernverkehr gehen sollte.
Im Büro schaffte Judith Aufklärung: „Ist mir leider untergegangen, als Du hier am Freitag wie eine Orkanböe durchs Büro und ab nach Marsberg bist. Es hatte letzte Woche jemand aus Dresden für den alten Iveco angerufen und will ihn sich diese Woche mal anschauen. Genauen Termin haben wir noch nicht. Deshalb habe ich Marlon und Dominik die LKW getauscht. Marlon ist ja immer hier in der Nähe unterwegs, da kann ich den Termin einfacher einrichten.“
Als Geschäftsführer durfte er auch über den Verkauf verhandeln. Dresden klang nach Dirk. War zwar nach interner Einteilung mein Revier, aber das war mir herzlich egal. Hauptsache das Ding kam für einen brauchbaren Preis vom Hof. Da ich einen Vorführer für die Woche gemietet hatte, hätte ich es sowieso nicht einrichten können, hier zu sein.
Für mich ging es dann mit dem Scania-Vorführwagen und einem Talke-Silo voll mit Styroporflakes los. Gefühlt leer bei dem Gewicht, aber tatsächlich voll bis an die Domdeckel.
Ich hatte keine Ahnung, wen die Scherzkekse bei Scania damit verarschen wollten, aber der R490 Reihensechser hatte Seitenverkleidungen mit kleinen V8-Logos bekommen. Wenn Dominik Recht hatte, dass Scania nur LKW bauen konnte, wenn bei Volvo Teile übrig waren, dann waren vielleicht die falschen übrig geblieben.

Das Tagesziel war, hinter Nürnberg zu kommen. Das war mit dem Scania und seinem Motor kein allzu großes Problem. Er schaltete sich durch einen gefühlt eher kleinen nutzbaren Drehzahlbereich einen zurecht, aber Kraft genug hatte er, um auch am Berg voran zu kommen.
Fürs Herz wichtig war der Sound. Von Iveco war ich es gewöhnt, dass der Motor kernig mitteilte, wenn er arbeitete. Anderen ging das auf die Nerven, für mich gehörte das Geräusch mittlerweile zum Berufsbild. Auch der Scania tat das deutlich und, so ehrlich musste ich sein, er klang dabei auch noch besser als der Iveco.
Das Ziel stellte keine große Herausforderung dar. Vor Erreichen der 9 Stunden rollte ich in die Abenddämmerung und auf einen Rastplatz zu.

Dienstag, 07.07.2015
Es war ohnehin einer der mieseren Rastplätze. Also machte ich mir im Fahrerhaus das Frühstück und fuhr dann nach München weiter. Mit Startzeit um halb fünf wollte ich vor dem Berufsverkehr rein und wieder raus kommen.
Das klappte auch problemlos und während andere Leute noch frühstückten, schraubte ich mich mit der neuen Ladung den Bayrischen Wald rauf. Es war mal keine Chemiefracht, sondern zwei Baumaschinen.

Die Strecke war schön und so verging die Zeit bis Prag auch schnell. Nachdem ich die Ladung losgeworden war, fuhr ich in eine Seitenstraße in einem angeblich sicheren Gewerbegebiet.
Mittwoch, 08.07.2015
Die neue Fracht stand erst um 11 bereit, also konnte ich mir am Morgen Zeit lassen. Die Strecke von Prag nach Brno hatte einige kräftigere Anstiege auf Lager, wo der Scania noch mal zeigen konnte, was er drauf hatte. Der Motor begeisterte mich schon irgendwie.
Auf der Fahrt sprach ich mich mit Marlon ab für seinen Termin mit Dirk morgen. Mir war klar, dass wir mit 49.000 ziemlich hoch eingestiegen waren. Aber wenn der andere 40.000 geben wollte, war die Mitte, in der man sich meistens traf, bei 44.500. Wenn wir gleich mit 45.000 einstigen, war sie halt nur bei 42.500.
Besagte 45.000 hätte ich gerne am Ende dafür bekommen. Bei 43.500 wurde es langsam zu tief, da musste Marlon dann sein Urteilsvermögen einsetzen, wie weit er entgegen kommen wollte. Unter 42.500 durfte Dirk seine Reise unter „außer Spesen nix gewesen“ verbuchen und Marlon sollte ihn rauskomplimentieren.
Erst kurz nach 20 Uhr erreichte ich meine Parkposition neben einem Supermarkt in Klagenfurt auf einem von zwei ausgewiesenen LKW-Plätzen.
Das verglichen zu den letzten anderthalb Wochen kalte Wetter spornte mich an, mal wieder zu laufen. Das hatte ich nämlich schleifen lassen, seit Dominik nicht mehr mit mir unterwegs war und die Temperaturen durch die Decke gegangen waren.
Ich befürchtete das schlimmste, aber mein Körper hatte eine angenehme Überraschung auf Lager. Der Puls brauchte eine ganze Zeit, bis er das erste Mal den Alarmwert erreichte. Die Laufabschnitte wurden besonders im ersten Teil der Einheit deutlich länger, die Erholungsphasen kürzer.
Zum ersten Mal, seit ich mit dem Training angefangen hatte, hatte ich das Gefühl, nicht mehr in erster Linie zu gehen und zwischendrin mal ein Stück zu laufen, um den Körper zu beanspruchen. Heute kam es mir vor, als würde ich mehr laufen und zwischendurch mal kurz beim Gehen dem Körper eine Erholung gönnen. Außerdem war mir manchmal der Pulsalarm egal. Wenn ich noch bis an die nächste Straßenecke laufen wollte, dann tat ich das.
Und am Ende machte mein Körper auch keine Zicken, wie noch bei den ersten Sessions. Keine Kopfschmerzen, keine Erschöpfungszustände. Ich war bestimmt noch im Wortsinne meilenweit davon entfernt, mich wieder als „sportlich“ betrachten zu können. Aber der lange Weg zu mir selbst hatte angefangen, der erste Teil des dicken Ricky war dabei schon auf der Strecke geblieben, auch wenn noch nicht viel davon zu sehen war. Ich konnte es aber spüren.
Donnerstag, 09.07.2015
Nach dem Frühstück ging ich mit meiner Tasche wieder die zwei Straßen rüber zum Supermarkt und stieg in meinen Scania. Die Farbe, die Scania aktuell verwendete, schien man bei MAN schon vor 20 Jahren im Schrank gefunden zu haben.

Es ging nun laut Navi über Slowenien nach Italien. Wenn es denn ging. „Das Gas ist rechts, da vorne!“ Irgendwer hielt im Autobahndreieck den Verkehr auf. Aber als ich erkennen konnte, was es war, wurde ich nachsichtiger.
Wie war das mit dem Meme noch gleich? „Und dann hat er gesagt, mein Actros zieht wie die Sau!“ Die Verkehrsbremse war ein MP2 oder MP3, was genau war von hier hinten nicht sicher zu erkennen.

Wieder auf der Autobahn war dann auch der Bremskeil schnell überholt, es war ein MP2. Den war ich zwar nie gefahren, aber wenn weder der Ur-Actros noch der MP3 die Wurst vom Teller bekamen, warum sollte der mittlere Bruder es dann schaffen?
An den Mautstationen musste ich mich dran gewöhnen, dass jetzt mal die blauen Spuren meine waren. Typisch italienisch machte ich vor der Station auch mal einen hektischen Spurwechsel in letzter Sekunde, wenn die Nachbarspur schneller war.
Überfuhr man die durchgezogene Linie oder gefühlt quer vor einer Station ans andere Ende, hatte man die Polizia Stradale zum Freund. Aber so lange es ein schneller Schwenk auf die Nachbarspur war, gaben sich die Italiener hier üblicherweise alle Mühe, ihren Klischees zu entsprechen.

In Padova hatte ich dann kaum noch Zeit übrig, nachdem ich die Ladung losgeworden war. Es reichte nur noch, vom Dachser-Hof runter zu fahren und in der Nähe die Zugmaschine abzustellen. Ich gönnte mir Insalata Caprese in einer Trattoria zum Mittag.
Danach fuhr ich zu einer Firma im Umland und sattelte einen Talke-Trailer mit Pulver zur Beschichtung von Metallteilen auf. Der Zeitplan war eng, also hieß es heute 10 Stunden zu schieben.
Auch der Alpenhauptkamm stellte den Scania nicht vor eine unlösbare Aufgabe. Am frühen Abend rollte ich also schon in Tirol den Brenner runter und auf Innsbruck zu. Direkt hinter der Stadt musste ich noch mal eine Pause einlegen.
Die Gelegenheit nutzte ich, um Marlon anzurufen. „Guten Abend Chef!“ „Selber Chef! Wie war das Gespräch?“ „Erfolgreich würde ich sagen. Am Ende 44 glatt.“ Das war ungefähr das, womit ich realistisch gerechnet hatte. „Gut. Dann haben wir ja einen brauchbaren Schnitt gemacht. Und wie ist der Zeitplan?“ „Montag bringe ich ihn zu Vinni zum Folien abziehen. Mittwoch nach der Arbeit hole ich ihn in seiner gelben Schönheit wieder und ab Donnerstag kann er abgeholt werden.“
„Gut. Dann müssen wir nur sehen, wie wir nächste Woche die Trucks einteilen.“ „Ja. Aber erwarte nicht, dass ich mit Timos Handrührgerät Nahverkehr durch den Ruhrpott gurke. Da hole ich mir nur einen Krampf im linken Fuß.“ „Mit Ilarion tauschen bringt auch nix. Wenn Du so oft auf den Magnum klettern musst, kriegst Du auch irgendwelche Krämpfe. Also bleibt das wohl an Julian, Dominik und mir. Und Julian wird seinen Scania fahren wollen. Also sag bitte Judith, sie soll Dominik auf den Hi-Way setzen und mich auf den TGX. Dann kriegst Du den Premium wieder.“
„Und dann Dich zu Timos Rückkehr in zwei Wochen nach Bochum disponieren?“ „Nö, nicht unbedingt. Wenn das nicht klappen sollte, kann Timo auch mal eine Woche den Magnum fahren, bevor wir rücktauschen. Mit über 100.000 Kilometern Fahrpraxis sollte er langsam auch mit einem LKW fertig werden, bei dem die Achse vorm Einstieg ist.“
Nach dem Gespräch wurde es Zeit, den letzten Abschnitt zu fahren. Direkt hinter der Grenze auf der Raststätte Inntal war der Tag zu Ende. Ein weiterer Salat, die große Ausführung mit gegrillter Putenbrust, beendete den Tag kulinarisch.
Freitag, 10.07.2015
Nach dem Frühstücksbrötchen im Rasthaus war ich wieder auf dem Weg. Und über genau dieses Frühstück dachte ich nach. Langsam begann ich die Kollegen zu verstehen, die ihre Zeit komplett im Fahrerhaus verbrachten. Auf den Raststätten wurde kaum noch gesprochen und wenn dann ungarisch. Andererseits, wenn sich alle deutschen Fahrer in die Kabine verkrümelten, war es kein Wunder, wenn man keine mehr in den Rasthäusern treffen konnte. Ich hatte schon immer diese Gespräche mit Kollegen gemocht, langsam begann ich sie zu vermissen, weil es sie immer seltener gab. Die Branche wurde einsamer.
Die weitere Fahrt zog ich das Fazit über den LKW. Der Sound war schon fast das einzig positive, wenn man es denn mochte. Natürlich war auch die Verarbeitung erstklassig, was man bei diesem Preis auch verlangen konnte.
Der Motor kam zwar zügig voran, aber musste doch recht oft schalten. Das nutzbare Drehzahlband war gegenüber Iveco und Mercedes zu schmal oder die Abstimmung zwischen Motor und Getriebe stimmte nicht.
Die Kabine war eine Enttäuschung. Die Betten waren zu schmal und die Staufächer unterm Bett zu klein. Außerdem war, wie ich beim Händler gesehen hatte, auch die mittlere Kabine zu klein. Man musste auch Einzelfahrern im Fernverkehr die große geben, wenn es menschenwürdig sein sollte. Das ließ Scania sich aber fürstlich bezahlen.
Am Ende war mein Fazit, dass Scania nicht für uns in Frage kam. Bis zur Entscheidung würde es aber noch ein Bisschen dauern, denn der Test mit dem Volvo war erst im August geplant.
Die Ladung ging nach Kassel, diese merkwürdige Stadt, in der alles irgendwie falsch gemacht worden war. Von meinem Elternhaus waren Kassel und Paderborn die nächsten Großstädte und da war die Wahl im Zweifel immer auf Paderborn gefallen.
Architektonische Meisterwerke waren sie sowieso beide nicht. Und für Jugendliche wichtig, sie waren beide Studentenstädte mit Party am Wochenende.
Aber in Paderborn kam man ohne Verkehrs- und Herzinfarkt in das große Innenstadt-Parkhaus und bekam immer einen Parkplatz direkt unter der Fußgängerzone, die ihren Namen auch verdient hatte. In Kassel war man froh, wenn man überhaupt in fußläufiger Entfernung zur Innenstadt parken konnte. Und dann musste man in der Möchtegern-Fußgängerzone aufpassen, dass einen nicht eine der alle 2 Minuten durchrumpelnden Straßenbahnen über den Haufen fuhr und war gefühlt doch in einer Hauptstraße unterwegs.
Heutzutage hatte ich Erfahrungen mit den Stadtverkehren von Rom, Paris, Madrid, Athen, Kairo oder Algier gesammelt. Da konnte mich dann auch Kassel nicht mehr erschüttern. Das Farbpulver erreichte seinen Empfänger und solo machte ich mich auf den Heimweg ins Ruhrgebiet. Es würde nicht ganz reichen, also rief ich zu Hause an. Der Urlaubsanwärter ging dran.
„Timo hier. Hallo Ricky.“ „Hallo Timo. Hast Du noch eine Stunde Lenkzeit übrig? Oder Julian?“ „Ja, habe ich. Warum?“ „Ich schaffe es nicht mehr nach Hause. Du könntest mir mit dem Auto entgegen kommen und die Zugmaschine übernehmen. Nur solo auf unseren Hof.“ „Okay, bis wo und wann?“ „Ich denke, bis Unna komme ich. Dürfte etwas mehr als eine Stunde dauern.“ „Okay, ich treffe Dich dann da.“
In einem Gewebegebiet an der Autobahnausfahrt Unna Ost tauschten wir die Fahrzeuge. Timo war mit seinem Ford her gekommen, auch wenn ich ihm nicht übel genommen hätte, wenn er meinen Alpina genommen hätte. So konnte ich aber mal sehen, was nach 26 Jahren aus meinem ersten Auto geworden war. Der Ford Focus ST war ja so was wie der Erbe meines Escort XR3i.
Als wir zu Hause angekommen waren, hatte Julian schon das Abendessen fertig. Das war das schöne an dieser WG. Wer zuerst zu Hause war, machte den anderen den späten Feierabend so angenehm wie möglich.Samstag, 11.07.2015
Als wir noch am Frühstück saßen, klingelte Julians Handy. „Hallo Peter.“ – „Och, das ist doch nicht wahr!“ – „Schwarzmarkt oder wie?“ – „Dazu guckt man ja vorher mal in den Kalender!“ – „Na mal sehen! Irgendwie werde ich die schon los.“ – „Tschö!“ Da war wer sauer.
„Was habe ich für chaotische Freunde? Lassen mich Fußballkarten kaufen, obwohl sie auf eine Hochzeit müssen. Jetzt darf ich mich vors Stadion stellen und die auf dem Schwarzmarkt verhökern.“ „Für wann?“ „Jetzt am Freitag. Testspiel VfL gegen Dortmund.“ „Eine nehme ich, Judith hat mich sowieso nur Montag und Dienstagvormittag disponiert. Dann soll sie mich mal zum Freitagnachmittag wieder nach Hause disponieren.“
„Echt?“ „Ja, wer hat mich denn auf den Geschmack gebracht, ins Stadion zu gehen?“ „Ach so. Dann entschuldige, dass ich nicht gleich gefragt habe. Ich dachte immer, zum Angucken wäre Fußball nicht so Dein Ding. Eher Eishockey. Aber gut. Dann eine für Dich und eine muss trotzdem weg.“ „Welcher Block denn? Stehplatz Ostkurve?“ „Nee, Block I, Nordwest-Ecke. Peters Freundin ist BVB-Fan.“ „Deshalb habe ich gefragt. Ruf doch mal Dominik an, ob er mit will. Der ist bis Mittwoch disponiert und auch in Schlagweite für eine Heimreise.“ Ein Telefongespräch später war auch die zweite Karte unterm Volk.
Montag, 13.07.2015
Mein erstes „Opfer“ im Büro wurde Judith: „Kannst Du bitte Julian, Dominik und mich am Freitag bis zum Nachmittag alle hier haben?“ „Oh, was gibt’s denn? Julian war ja klar.“ „Wir wollen mit ihm zum Fußball.“ „Na danke. Ich schaue mal. Dominik dürfte kein Problem sein. Bei Dir muss ich sehen, bekomme Dich morgen bisher nicht vernünftig weiter. Könntest einen heißen Wochenabschluss bekommen.“
Als nächstes entwendete ich Marlon auf Ansage den Premium, er wollte ja einen neuen mit einer Achse mehr. Marlon musste sowieso erst mal zu Vinni und den alten Stralis zum Folien strippen bringen, damit der wie versprochen ab Donnerstag für Dirk abholbereit war. Also wollte er jetzt, wenn er kein Arbeitsgerät hatte, auch noch zur Zulassung und den Stralis abmelden.
Ich steuerte das Gefährt nach einem Telefongespräch zu Renault-Volvo nach Düsseldorf. Joachim Scholz hatte mich wohl schon kommen sehen und erwartete mich im Türrahmen. „Hallo Eric.“ „Hallo Joachim.“
Er schaute sich den Premium zusammen mit dem Werkstattmeister ausgiebig für eine Bewertung an und schließlich gingen wir in sein Büro. Dann kalkulierte er mir einen tageszugelassenen Premium Route 460 EEV 6×2/4 unter Inzahlungnahme des alten Premium. „Der ist noch gerade so okay, dass wir ihn in Deutschland anbieten können.“
Mit dem Preis war ich einverstanden. Er musste jetzt den Dreiachser von Rostock hier runter schaffen lassen, damit Marlon kommende Woche tauschen konnte. Noch ein guter Grund, warum wir zum Wochenende alle wieder hier sein mussten. Der Truck-Ringtausch wurde interessant, damit danach jeder zufrieden sein konnte.
Nachdem der Wert geschätzt und für gut befunden war, fuhr ich zurück nach Bochum und brachte Marlon seinen LKW zurück. Dann stieg ich in Timos MAN und machte mich auf den Weg zu ENI in Essen, wo ein Tanker mit Diesel auf mich wartete. Die Ladung lief natürlich im Auftrag von Talke, weil es bei ENI kaum noch Frachten für freie Unternehmen gab.
Bis zum Abend musste ich im Europoort sein für meine Fähre. Ob mir das Ziel der Tour gefallen sollte, musste ich mir noch überlegen.
Dienstag, 14.07.2015
Ich konnte es sowieso nicht verhindern, da hin zu fahren. Also futterte ich mir beim Full Traditional auf dem Schiff Mut an. Mit mir vom Schiff rollte ein auffällig gelb-orange-roter Iveco Stralis Hi-Way. Ich hatte die Lackierung schon mal im TSM-Forum gesehen, aber dachte an sich, dass der Kollege einen neuen Volvo hatte. Unsere Wege trennten sich, hinter Hull und mein Ziel bereitete mir immer noch gemischte Gefühle.

Es ging allerdings zum Steinbruch. Ich hatte mir vorgenommen, bei Keith an der Garage vorbei zu fahren und mal zu schauen, ob Lukes Truck da war. Keith selbst war in Norwegen, das wusste ich von Twitter. Am Ende bog ich doch zwei Straßen vorher ab und fuhr nicht bei Keith vorbei.
Es war schon beeindruckend, wie der MAN den steilen Steinbruch runter bremste. Der PriTarder war auf jeden Fall die Schokoladenseite von MAN.

Mit dem Armaturenbrett wurde ich dafür nicht mehr warm. Nach dem wirklichen „Brett“ aus dem TurboStar waren mir die damaligen ERF modern, ergonomisch und übersichtlich vorgekommen.
Nachdem ich inzwischen aber insbesondere den Stralis Hi-Way und den New Actros gesehen hatte, fand ich bei MAN das MFD kompliziert und die Analoginstrumente schlecht ablesbar. Zumal sie sich auf dem Weg vom ERF ECT / MAN TGA zum MAN TGX nicht nur Verbesserungen am Arbeitsplatz hatten einfallen lassen.
Die Anschlussfracht stand wieder in der Stadt im Bayer-Werk. Ich sattelte das Chassis mit dem Tanktainer auf und monierte, dass es kein Carnet TIR gab. Leider war AFC Frachtführer. Bei Talke wäre das nicht passiert. Also zwei Mal Pause im Zollamt oder um die Schweiz herum. Aber das würde zu viel Lenkzeit brauchen und ich kam am Freitag nicht rechtzeitig zum Fußball nach Hause oder musste mir wieder einen Fahrer entgegen schicken lassen.
Eigentlich wollte ich ja jetzt bei Keith vorbei fahren, aber wieder drückte ich mich daran vorbei. Was würde es mir auch bringen, wenn ich sah, dass Lukes Truck in der Garage stand. Okay, ich wusste dann, dass er in Sheffield war, aber das war es auch. Hatte er dann Zeit für mich? Hatte ich Zeit? Was wollte ich ihm sagen? Das musste besser vorbereitet sein. Ich hatte auch seine Handynummer, also sollte ich ihn besser mal anrufen.
Der Verkehr um London hielt mich ordentlich auf, weshalb ich es nur noch bis Maidstone reichte, bevor mir die Lenkzeit aus ging.
Mittwoch, 15.07.2015
Das Frühstück ließ ich ausfallen. Da ich mich gleich auf der Fähre ohnehin lange genug bespaßen musste, konnte ich das da nachholen. Bei sonnigem Wetter fuhr ich nach Dover und schließlich auf das Schiff.
Ein Full Traditional und eine Kanalpassage später bewies mir das Wetter mal wieder, dass ich England mochte und Frankreich hasste, was auf Petrus‘ Gegenseitigkeit beruhte.

Noch bis durch Belgien und Luxemburg musste ich mich mit diesem Wetter herumschlagen. Dann wurde es wieder besser. Dafür ging es nicht voran. Der Fahrer einer Ente hatte sich beim Versuch, in die Autobahn einzufädeln ausbremsen lassen. Nun stand er da und musste auf eine Lücke warten, die groß genug war, um mit seinen 23 PS einen Blitzstart hinlegen zu können.

Der Tag endete im Elsass auf einem Parkplatz ohne alles. Leider versäumte ich es, abends zu joggen.
Donnerstag, 16.07.2015
Dieses Versäumnis rächte sich insofern, dass ich am Morgen dafür mit Wasserkühlung dem Sport nachkommen durfte. Die anschließende Wäsche aus dem Kanister bekam immerhin auch Unterstützung aus den Wolken. Beim Frühstück war alles Banane, denn genau so eine verarbeitete ich danach in mein Müsli.
Überraschend schnell war ich durch den Zoll und in der Schweiz und schaffte es bis zum Mittag nach St. Gallen. Hier steuerte ich einen Rasthof an, holte mitten am Tag die echte Dusche nach und besorgte mir zum Essen eins der Sandwichs beim auf dem Rasthof ansässigen Fastfood-Anbieter. Immerhin hatte das den Anschein, gesünder zu sein, als die beiden Burger-Ketten.
Apropos gesunder Lebensstil, meinen Fitnesstrainer musste ich auch mal anrufen. Allerdings in den Rollen von Chef und Angestelltem. „Hallo Ricky.“ „Hallo Dominik. Wo treibst Du Dich gerade rum?“ „Bei Kiel, bin auf dem Weg nach Magdeburg. Und Du?“ „Bei St. Gallen auf einem Rasthof, bei frischem Essen.“ „Das ist ein Widerspruch in sich.“
„Subway, eat fresh! Das gesündeste Essen seit Erfindung der Systemgastronomie.“ „Auch Fastfood. Hat auch massig Kalorien. Zumindest schlank wirst Du so auch mit Laufen nicht.“ „Ja, Mama!“ Allerdings hatte genau die vor zwei Wochen auch wieder gemeint, dass mir abnehmen wirklich nicht schaden würde.
„Okay, wenn das Gewitter naht, Thema wechseln. Ich habe ein Attentat auf Dich vor.“ „Aha. Und was für eins?“ „Das darfst Du Dir aussuchen. Nächste Woche hast Du die Wahl zwischen dem Renault Magnum, der mit der Achse vor dem Aufstieg und eher laschen Bremsen ein Bisschen heiß zu fahren ist – dem MAN mit Handschaltung im Fernverkehr – oder dem Iveco im Nahverkehr.“
„Warum das?“ „Weil wir einen neuen Premium bekommen und folieren lassen müssen und Marlon deshalb keinen LKW hat. Ilarion und Timo sind im Urlaub, also sind ihre LKW frei. Und Marlon will mit keinem von den beiden gerne Nahverkehr fahren, was ich verstehen kann. Unser Stralis ist da dann die bequemste Alternative für ihn, außer Du willst mit dem Iveco seinen Nahverkehr fahren und er macht dann entsprechend Fernverkehr mit dem Renault.“
„Okay. Der Renault ist mir ein Bisschen zu unkonventionell. Ich denke, ich würde den MAN nehmen. Handschalter kann ich ja.“ „Ein Bisschen anders ist das schon, ob man einen beladenen 40-Tonner durch die Berge fahren muss oder mit einem leeren Baukipper eine Runde um die Werkstatt dreht.“ „Ich werde es schon schaffen. Nahverkehr muss jedenfalls auch nicht sein.“
Nachdem das auch geklärt war, ging es weiter und wieder über die Grenze nach Österreich. In Innsbruck wurde ich den Container los und tauschte ihn gegen 15 Tonnen Stahlschrott ein. Das Ziel für heute lag irgendwo an der Schwäbischen Alb.

Freitag, 17.07.2015
Eine unspektakuläre Fahrt brachte mich nach Dortmund, wo ich den Trailer loswurde. Dann ging es nach Hause und eine Truckwäsche später machte ich mich bereit für das Spektakel des Tages.
Julian und ich trugen unsere von Dominik als Schlafanzug-Oberteil verspotteten Heimtrikots. Julian mit der Rückennummer 22 von Simon Terodde und ich mit Timo Perthels 24. Dominiks Borussia-Trikot aus dem Vorjahr erinnerte dafür ziemlich an diese gelb-schwarzen Warnstreifen auf der Front von Baustellenfahrzeugen.
Wir fuhren mit der Bahn zum Stadion und gingen in den bunt gemischten Block. Geschätzt waren hier 2/3 Bochum und 1/3 Dortmund. Über das Spiel gab es erst mal nur eine Menge zu schimpfen. Aber immerhin kam für Julian und mich noch die Erlösung vor der Halbzeit. Mit 1:0 ging es in die Pause.
Schließlich fiel sogar das 2:0, worauf sich die ganze Bank von Dortmund aufwärmte. „Ist Euer Trainer sauer?“ „Warum?“ „Tuchel möchte wohl die Mannschaft etwas umstellen.“ Der Stadionsprecher meinte dann auch genauso süffisant wie Julian und ich es schon kommentiert hatten: „Die Gäste aus Dortmund nehmen insgesamt 8 Auswechslungen vor. Wollen wir mal sehen, ob wir das irgendwie auseinander sortiert bekommen.“
Der Anschlusstreffer fiel noch, aber am Ende stand es 2:1. Das führte zu der witzigen Konstellation, dass Dominik, der neben mir gesessen hatte mit mir in einen kleinen Sängerkrieg mit unseren jeweiligen Fangruppen geriet und wir uns angrölten: „Nur zweite Liga, Ihr seit trotzdem zweite Liga! Nur zweite Liiiigaaa!“ „Gegen Bochum kann man mal verlier’n!“
Am Hauptbahnhof verabschiedeten wir uns von Dominik, der zu seinem Regionalzug nach Recklinghausen ging und wir zur Straßenbahn nach Langendreer. So durfte ein Wochenende anfangen.
Ja, die Buchstabenkombination TSM war damals unser ein und alles. Da sich die Mapper mit einer eigenen Firma selbst verewigt hatten, war TSM ein Auftraggeber.
Weil wir Tagebuchschreiber dort eine PM-Gruppe hatten, in der wir gemeinsame Sachen koordinierten, war es Gebrauchtwagenbörse, über die nun der alte Iveco in diesem Kapitel seinen Weg nach Dresden fand.
Weil es dort immer wieder im Forum Diskussionen mit wertvollen Hinweisen gab, wie Dinge im realen Fernfahrerleben abliefen, nutzten wir es als Truckerforum.
Und weil es auch einen Fotothread mit den schönsten Screenshots gab, diente es auch als Spotterforum, in dem man sehen konnte, was die Kollegen so fuhren.
Hatte da mal jemand ein Bild hochgeladen, das zur gleichen Zeit in der gleichen Ecke entstanden sein musste, wo ich selbst war, dann habe ich das eingebaut. Und „Thespone“, der die besagten gelb-orange-roten Trucks fuhr, ist uns ja als Leser treu geblieben und auch hier dabei.

Ja, der thespone ist nach wie vor da 🙂 Ist irgendwie schon krass, dass die ganzen Geschichten und Erwähnungen im Tagebuch jetzt schon 6 Jahre her sind..
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Ja, ist schon manchmal etwas komisch. Vor allem, wenn ich mal wieder etwas schreibe, von dem ich ja weiß, in welcher Form das manchmal Jahre später wieder aufkommen wird. Was inzwischen auch schon wieder mindestens 2 Jahre her ist, denn so alt ist das letzte Euro-Kapitel inzwischen, das ich auf TSM veröffentlicht habe.
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