Rakete Ziegelstein. Bagger fahren. Fährste quer…

Inzwischen sind wieder einige Wochen ins Land gezogen seit dem wir mit dem Cascadia am Nordkap waren. Die norwegischen Polizeibeamten, die damals neben uns hielten, wollten nur prüfen was wir mit der überlangen Fahrzeugkombination dort wollten. Da alles plausibel erklärt werden konnte und alle Genehmigungen vorlagen gab es auch keine Probleme.

Zurück in Uppsala musste Sandra erst einmal für längere Zeit ihrer Mutter im Reisebusunternehmen aushelfen – ihr Vater war wie angekündigt nach Berlin gegangen und fehlte seither als Fahrer im Unternehmen. Ich kümmerte mich also zusammen mit Tania um den Bürokram und die Touren für Scania. Zwischendrin gab es zudem auch den ein oder anderen Spezialtransport, regionale Touren für diverse Kunden und eine Tour zum Maier-Flink nach München. In Düsseldorf kam dann noch sehr kurzfristig ein Auftrag für einen Baumaschinentransport zustande; da alle Fahre der dortigen Niederlassung schon verplant waren bin ich runter geflogen und habe nach Ewigkeiten mal wieder unseren Renault Magnum gefahren.

Montag, 01.11.2021, Uppsala.

Wir sind gerade mit dem Frühstück fertig und gehen gemeinsam in den Bürotrakt rüber. Sandra lächelt mich an. „Jag älskar dig.“ „Ich dich auch, Süße.“ „Wie sieht deine Woche aus? Bist du, wenn du nachher startest diese Woche noch mal wieder zu Hause?“ „Ja, heute Abend.“ „Oh, du bleibst im Nahverkehr?“ „Nur heute.“ „Und danach?“ „Südschweden, Deutschland, Südschweden, Finnland, Türkei.“ „Wer schi…“ Bevor sie die Frage beenden kann sage ich schon grinsend: „Du kan gissa tre gånger.” ”Der Maier-Flink.” ”Genau der. Bin mal gespannt was er dann als Rückladung aus dem Hut zaubert.” ”Hat er noch nicht?” ”Nej, aber gemäß Vertrag ist das sein Problem. Ich fahr ihm auch heiße Luft nach München.” Sandra lacht und verschwindet in ihren Büro wo schon das Telefon klingelt.

Ich habe an der Werkstatt meinen Tieflader aufgesattelt, die Abfahrtskontrolle gemacht und starte leer zur Baustelle in Västerås.

Ich setze den Blinker rechts und fahre auf die Route 55 in Richtung Enköping auf. Im Radio läuft ein Titel von Genesis. Bei Enköping mündet die Straße dann in die E18 auf der ich weiter gen Westen fahre. Am Trafikplats Hällamotet fahre ich ab. Es ist 14:27 Uhr als ich in der Nähe des Flughafen Västeras an der Baustelle ankomme. Ich ziehe die Feststellbremse und stelle den Motor ab. Ich melde mich am Container der Bauleitung. ”Hej, ich soll hier eine Walze einsammeln, die bei uns zwischengeparkt wird.” ”Wo ist ‚bei uns‘?” ”Ursäkta mig, hansekontor i Uppsala.” ”Ah ok, die geht dann kommende Woche da auf eine Baustelle.” ”Ja, genau.” ”Komm mit.”

Wir laden zügig die Walze auf und ich sichere sie; dann geht es über E18 und Route 55 zurück nach Uppsala.

Ich fahre auf das Gelände von meinem großen Lager, lade die Walze ab und stelle den Zug an die Seite. Dann schaue ich noch kurz im Lager rein. Da wir schon nach 17:00 Uhr haben ist nur noch Janina anwesend. Sie fährt gerade den PC herunter und blickt auf. ”Hej Chris.” ”Hej Nina. Du bist noch hier?” ”Klar. Ich hab noch eben die Kommission für Mats morgen fertig gemacht. Hatte heute Mittag ein bisschen länger als geplant an einem Folienplot für einen Trailer gesessen, so dass ich halt erst mit Verzögerung an die Arbeit im Lager gehen konnte. Ist bei dir denn jetzt auch Feierabend?” ”Ja. Um 06:00 Uhr geht’s morgen früh wieder los.” Janina und ich verlassen gemeinsam die Halle und ich stelle den Alarm scharf. ”Tschüß Christian. Gute Fahrt morgen.” ”Tschöööö. Danke.” Janina startet ihren Volvo 850 T5-R und rollt vom Hof. ‚Rakete Ziegelstein‘ geht mir so als Gedanke durch den Kopf.

Ich gehe rüber zu unserem Wohn- und Bürokomplex. Dort angekommen finde ich Sandra noch im Büro. Ich gehe zu ihr und gebe ihr einen Kuss. ”En mer, tack.” Kein Problem.

”Was hälst du von Pizza?” ”Klingt gut. Selbst gemacht, oder selbst gekauft?” ”Was wäre dir lieber?” ”So lange du mir keine Tiefkühlpizza vorsetzt ist mir beides recht.” ”OK. Dann mach ich selbst. Wie lange brauchst du hier noch?” ”Ich denke etwa dreißig Minuten. Also ab in die Küche mit dir. Ich hab Hunger.”

Dienstag, 02.11.2021, Uppsala.

Punkt 04:00 Uhr. Dong. Dong. Dong… die HellsBells mal wieder. Ich schwinge mich aus dem Bett und tappse ins Bad. Einen Moment später folgt Sandra und murmelt verschlafen ”God morgon, älskling.” ”Guten Morgen, Süße.” Auch wenn Sandra erst später mit der Arbeit anfängt ist sie schon aufgestanden um mit mir gemeinsam zu frühstücken.

Um 05:38 Uhr nehme ich mir meine Tasche und die Thermoskanne mit Kaffee. ”Kör försiktigt.” ”Mache ich. Jag älskar dig.” ”Jag älskar dig också.” Ich gehe zum großen Lager und schaffe meine Sachen in den rovfågel. Mats sein Scania R520 Motorwagen und ein Tandemanhänger stehen an der Rampe und er verlädt die von Janina vorbereitete Kommission. Ich nehme mir noch kurz die Zeit und schau einmal kurz bei ihm rum. ”Moin Mats.” ”Hej Chris.Ich hab gesehen, dass du mit dem Tieflader abflugbereit stehst.” ”Jo. Erstmal nach Jönköping, nen Bagger fahren. Der muss nach Malmö. Und ein anderer von dort dann nach Kiel” ”Na man gut, dass du nen Tieflader drunter stellst. Sonst bist du ja Freitag noch nicht da.” Ich muss lachen. ”Besser is das. Hab eine entspannte Tour.” ”Du auch. Bis die Tage.” Ich gehe zu meinem Zug und mache die Abfahrtkontrolle und rolle kurz darauf vom Hof.

Es geht mal wieder auf die E4 gen Südwest. Stockholm. Södertälje. Järna. Der Verkehr fließt und und ich kann entspannt mit Tempomat 82 km/h rollen. Plötzlich meldet sich die Kontrollleuchte für den Dieselvorrat und ich stoße einen leisen Fluch aus. Habe ich doch gestern Abend glatt vergessen noch an unserer Betriebstankstelle zu tanken. Ich passiere gerade die Bezirksgrenze vom Stockholms Län zum Södermanlands Län. Na gut… bis Rastplats Sillekrog sollte ich allemal noch kommen.

08:45 Uhr. Fünfhundertzweiundsiebzig Liter Diesel sind in meinen Besitz übergegangen und wollen wieder in Vortrieb umgesetzt werden. Ich setze den Blinker links und ziehe auf die E4 raus. Mit dem leeren Tieflader im Schlepp komme ich aber wieder zügig auf Reisetempo.

Ich passiere Nyköping, Norrköping, Linköping. Bei Odeshög kommt dann der Vättern, Schwedens zweitgrößter See, in Sichtweite. Wie gerne würde ich mal eine Tour vom Vänern über Götakanal, Vättern, Motala ström (durch Roxen, Glan verbunden) und den Bråviken bis zur Ostsee paddeln. Beim Gedanken daran muss ich an den Youtuber Eike Köhler aus Kiel denken, der mal von Göteborg bis nach Helsinki gepaddelt ist und davon ein interessantes Video veröffentlicht hat.

Ich setze den Blinker und fahre an der Abfahrt Brahehus für eine Pause ab zum Rastplats. Um 10:40 Uhr verstummt der V8. Ich klettere aus dem Fahrerhaus und hole mir eine Kleinigkeit zu Essen im Restaurant

Um 11:30 Uhr ist es dann Zeit wieder auf die E4 zurückkehren. Ich lasse den Rastplats hinter mir, fahre über die Brücke und dann links auf die Rampe Richtung Rennstrecke. Bis zum Trafikplats Ekhagen ist es jetzt auch nicht mehr weit.

Eine Stunde nach meiner Pause fahre ich in der Tallörtsbacken bei einem LKW-Händler auf den Hof.

Es ist inzwischen mal wieder kurz nach 17:00 Uhr. Mit knapp unter zehn Stunden Fahrzeit mache ich eine Punktlandung auf meinem Hof in Malmö, wo mich Tjelvar und Ron inzwischen auch schon erwarten. ”Hej på er två.” begrüße ich sie. ”Was ist groß, gelb und schwer?” ”Eine Boeing 757 voll Pakete.” Mit der Antwort habe ich nicht gerechnet. Aber wo Tjelvar Recht hat… ”Ähm, ja, die auch. Heute möchte ich aber mal was anderes… Bitte den Bagger aus Jönköping abladen, in die Ecke stellen und den anderen für Kiel draufstellen.” ”Ladungssicherung machst du selbst?” ”Macht ihr bitte, ich schau aber dann mit euch zusammen drauf ob es passt.” ”OK.”

Ich verschwinde ins Gebäude, ein Kaffee will raus…

Wie nicht anders erwartet ist der Bagger für Kiel ordnungsgemäß verladen gekettet. Ron und Tjelvar verabschieden sich in Richtung Feierabend. Und auch meine Fahrerpärchen Kian & Hanna und Linn & Carl haben ihre Containerzüge inzwischen zum Feierabend abgestellt.

Ich mache mich noch zu Fuß auf den Weg zum Jägersro Center um meine Vorräte ein wenig aufzufüllen.

Mittwoch, 03.11.2021, Malmö.

Es ist 06:00 Uhr und es schifft ohne Ende. Wie gut, dass ich die Ladungssicherung des Baggers schon gestern Abend kontrolliert habe. So mache ich jetzt nur eine schnelle Runde um den Zug, um mich zu vergewissern, dass alle Lichter in Betrieb sind und die Ketten am Bagger noch wie gestern Abend dran sind. Bei Lind&Risør, der Kunde für den ich diese Tour fahre und der nur einen Steinwurf von meinem Lager entfernt liegt, halte ich noch einmal kurz an und melde mich im Büro. „Hejda. Christian från hansekontor.“ „God morgon. Fährst du den Bagger nach Kiel?“ „Jo. Der stand ja schon bei uns auf dem Hof. Ich sollte noch Papiere für Kiel mitnehmen…“ Mein Gegenüber greift in ein Fach auf seinem Schreibtisch und reicht mir den Umschlag rüber. „Brauchst du noch einen Kaffee?“ „Ohne fährt der Bagger nicht.“ Ich grinse. „Milch? Zucker?“ „Pflegeleicht!“ „Pflegeleicht?“ „Svart. Utan mjölk. Sockerfri.”

Punkt 07:00 Uhr fahre ich dann endgültig los. Erst einmal geht es auf die E20 in Richtung Kopenhagen. An der Øresundbrücke lässt der Regen nach – dafür lässt auch die Sicht nach, denn Nebel macht sich breit.

Bei Kolding bleibe ich auf der Route Richtung Flensburg, die fortan mit E45 und ab der deutschen Grenze dann mit A7 nummeriert ist.

Flensburg. Schuby. Rader Hochbrücke. Am Kreuz Rendsburg wechsele ich auf die A210 in Richtung Kiel. Am Kreuz Kiel-West treffe ich dann auf die A215. Um 14:30 Uhr erreiche ich díe Baustelle zu der mein Bagger soll. Ich sattele den Tieflader ab und stelle meinen rovfågel an die Seite. Es folgt noch die Eingabe ‚Ende Land: D‘ im Tachographen. Dann ist fahrtechnisch Feierabend. Ich greife zum Telefon und wähle die Mobilfunknummer von Felicia. „hansekontor. Josy hier.“ Ich nehme das Telefon vom Ohr und schaue aufs Display…. Neee, verwählt hab ich mich nicht. „Hier auch hansekontor. Aber mit Christian. Eigentlich wollte ich Felicia sprechen.“ „Da musst du kurz warten. Die ist mal eben dort, wo kein Telefon Empfang hat.“ Ich grinse. „Alles klar.“ „Soll ich ihr was ausrichten?“ „Ja. Ich hab den Bagger von Lind&Risør eben in Kiel abgestellt. Felicia soll dann wie abgesprochen morgen Abend meinen Tieflader wieder einsammeln und nach Uppsala bringen. Sandra sagte, dass da wohl in Kolding noch ein Radlader für Stockholm rumsteht. Daten hat Sandra aber auch schon per Mail versandt.“ „OK, gebe ich weiter. Wie sieht es sonst aus bei dir?“ „Ganz gut. Es normalisiert sich wieder, seit Sandra wieder mit im Büro und auf den Scania-Touren ist. Bei mir steht auch mal wieder eine Langstrecke in der Dispo. Irgendwie freue ich mich drauf nach den letzten Wochen im Kirchturm-Modus.“ „Wohin soll es gehen?“ „Erst einmal rüber nach Finnland. Und von dort in die Türkei.“ „Hmmm… Klingt nach unserem Spezialkunden aus München.“ „Aber so was von… Nun gut. Ich mach Feierabend für heute. Will noch zur Schleuse – Schiffe gucken.“ „Und was is mit paddeln?“ „Das würd ich noch viel lieber tun.“

Donnerstag, 04.11.2021, Kiel.

Mit paddeln ist es gestern Abend natürlich nichts geworden. Aber immerhin gab es an der Schleuse Kiel-Holtenau einiges an Schiffe zu beobachten. Jetzt bin ich im Ostuferhafen und habe gerade einen Trailer voller Orangen aufgesattelt. Diesen soll ich eben zu Coop nach Helsingborg ziehen. Wieso man den nicht gleich bis zum dortigen Hafen geschippert hat erzählt mir keiner. Ist mir auch egal.

Schwentinental. Rastorf. Selent. Lütjenburg. Oldenburg. Über die B202 und die A1 geht es rüber zur Insel Fehmarn. Unterwegs ist es dann noch wieder Zeit fünfhundertzweiundzwanzig Liter Treibstoff und ein bisschen AdBlue zu bunkern. V8 und der kleine Tank sind keine Freunde.

Es ist 15:00 Uhr. Der V8 verstummt auf dem Hof meines Lagers in Malmö. Die Orangen habe ich vorhin in Helsingborg abgestellt und bin dann solo nach Malmö gefahren.

Ich schließe den rovfågel ab und gehe zu Tjelvar ins Büro, wo ich mir zuerst einmal einen Kaffee eingieße. Dann fahre ich meinen Laptop hoch und widme mich noch ein wenig der Büroarbeit.

Eine Stunde später kommt Lagerist Ron ins Büro. „Hej Chris. Finnland ist fertig.“ Er reicht mir die Papiere zu dem vorgeladenem Trailer. „Danke. Jungs, ich bekomm Hunger. Was haltet ihr von Mr. Chen’s?“ „Sehr gerne.“

Wir fahren die Computer runter und machen uns auf den Weg zum Jägersro Center.

Freitag, 05.11.2021, Malmö.

04:45 Uhr. Die HellsBells erklingen mal wieder aus meinem Mobiltelefon – ich soll also aufstehen. Naaaa guuut…

Ich springe im Bad kurz unter die Dusche. Den Rest zum wachwerden muss dann noch der Kaffee erledigen. Sicherlich hätte ich auch ein bisschen länger liegen bleiben können – aber es geht halt nichts über ein stressfreies Frühstück.

Kurz vor 06:00 Uhr schnappe ich meine Tasche und mache mich auf den Weg zum rovfågel . „God morgon, Christian.“ „Hej Hanna. Wo ist Kian?Wie geht’s euch?“ „Kian holt gerade die Papiere für heute. Uns geht es gut. Außerdem ist schon wieder Freitag, somit gleich Wochenende.“ „Bei mir noch nicht…“ „Bis nach Uppsala schaffst du doch in einer Schicht?„Das ja. Aber da fliege ich nur entfernt dran vorbei. Geht erst einmal nach Kouvola. Und wenn ich dort am Samstag bin gibt es eine verkürzte Wochenruhezeit und einen Direktritt…“ „Äääähm, ok…. Ich bleib bei den Dosen hier in der Region.“ Kian kommt aus dem Gebäude. „Hanna, vi kan gå. Hej Christian.” ”Ha en bra resa och trevlig helg ni två.” ”Tack. Ha en bra resa till dig också. Hej då för nu.”

Bis eben war es noch trocken, aber jetz beginnt es zu regnen. Ich mache meine Abfahrtskontrolle und rolle vom Hof. Der Regen geht in Schnee über als ich auf die E6 in Richtung Helsingborg auffahre. Am Trafikplats Kropp wechsele ich auf die E4. Meine Rennstrecke – normalerweise gen Heimat. Kurz nach 07:00 Uhr hört es mit dem Schneien auf.

Ljungby. Jönköping. Gränna. Nach Dreihundertsechsundreißig Kilometern rolle ich auf den Rastplats Brahehus und ich stelle mich hinter einen griechischen Tanklastzug zur Pause.

Es ist 11:10 Uhr. Der V8 erwacht wieder zum Leben. Mit einem zweitem Frühstück und einem guten Kaffee im Thermosbecher mache ich mich wieder auf die Strecke. Noch gut dreihundertsiebzig Kilometer bis zur Fähre. Mit anderen Worten… strammes Programm und wahrscheinlich wird es auf eine weitere Pause für heute hinauslaufen – zumindest dürfte ich in Summe glatt auf neun Fahrstunden kommen…

Die Uhr zeigt 15:39 Uhr. Der digitale Wächter ist schon wieder kurz vor dem Herzkasper und ich natürlich noch nicht am Fährhafen angekommen. Es fehlen noch fünf Kilometer. Also Blinker rechts und den Zug mal eben für eine Dreiviertelstunde am Straßenrand platzieren. Diese Art von Pause taugt einfach mal gar nichts. Egaaaaal, es hält die Fahrerkarte sauber.

Um 16:30 Uhr mache ich mich dann wieder auf den Weg. Und bin eine Viertelstunde später im Fährhafen. Feierabend. – mit glatt neun Fahrstunden. Siebenhundertundvier Kilometer. Für heute reicht es. Ich krame meinen Gaskocher aus dem Staufach und bereite mir erst einmal Bratkartoffeln mit Spiegelei und Bratwurst zu. An Schlafen ist danach aber noch nicht zu denken, denn die Fähre wird erst um 21.45 Uhr ablegen.

Ich nutze die Zeit und wähle Sandras Bürorufnummer. ”Här på jobbet.” meldet sie sich kurz und knapp. Na klar… meine Rufnummer wird ja im Display im Büro angezeigt. ”Hej Süße. Ich wollte nur kurz Bescheid geben, dass ich am Fährhafen Kapellskär angekommen bin.” ”Das ist gut. Und wie ich im System sehe bist du ja auch ganz gut durchgezogen..” ”Ein Achtundsiebziger Durchschnitt ist schon sehr gut.” ”Oh ja. Ich hab übrigens was Neues aufm Zettel…” ”Anschlussfrach vom Maier-Flink aus der Türkei nach…?” ”Nej. Da is noch nix. Betrifft Berlin. Für Herbert und Katie sind ja DAF XG+ geordert.” ”Mhm.” ”Werden beide am 15.11. ausgeliefert.” ”Müssen die dann noch foliert werden?” ”Nein. Fix und fertig. Inklusive Zulassung. Katie bekommt den in grau und Herbert in RAL1032.” ”… Herberts Postkasten.” ”So könnte man es sagen.” ”Das ist gut. Dann muss ich nur mal irgendwann schaffen nach Berlin zu kommen um die auch mal zu fahren.” ”Das findet sich bestimmt. Und ich hab schon so überlegt… der DAF XF kommt ja jetzt auch in seiner Neuauflage.. Wäre das was für die Berliner Lebensmittelkutscher?” ”Gut vorstellbar. Lass uns das mal für kommendes Jahr in die Planung setzen – wer weiß wie die Lieferzeiten sich entwickeln. Bin ja schon erstaunt, dass die beiden XG+ jetzt so zügig verfügbar sind.” ”Mona und ich haben die schon im Sommer vorbestellt. Da wussten wir nur, dass die Baureihe 2021 rauskommen soll.” Ich muss grinsen. Ich hätte es wohl auch so gemacht. Und da Sandra und ich beide gleichberechtigt in der Geschäftsführung sind braucht sie nur für wirklich große Investitionen meine Zustimmung. Der Fuhrpark fällt noch nicht in diese Größenordnung. ”Ok. Wie gesagt… ich muss beizeiten mal nach Berlin zum Probefahren.” ”Ich auch. Am besten mit dir zusammen um zu schauen wie viel Plus der XG+ auch zur Nachtruhe bietet. Wir haben ja den Vergleich zu meinem Hauber mit Extended Cab, auch wenn das ja so kein Serienfahrzeug war. Soooo, das andere Telefon klingelt. Hab eine entspannte Fährüberfahrt nachher. Jag älskar dig.” ”Danke. Ich liebe dich auch.” Ich schicke noch einen Kuss durch die Leitung, dann legt Sandra auf.

Ich hab jetzt erst einmal Pause. Zeit rumbekommen bis ich nachher mit der Fähreinstellung im Kontrollgerät auf den Dampfer fahren kann. Da man für die Nachtpassage eine Kabine buchen muss werde ich auch erst dann schlafen gehen.

Samstag, 06.11.2021, Naantali.

Die Fähre legt pünktlich an. Auf geht es; zuerst einmal über die E18 nach Turku und dann weiter Richtung Osten.

Es ist 09:13 Uhr als der rovfågel das V8-Brabbeln an einer Tankstelle einstellt. Mein Arbeitsgerät hat Dieseldurst. Und ich habe Kaffeedurst. Beide Dürste werden gestellt. Fünfhundervierundzwanzig Liter Diesel und ein Drittelliter Kaffee stehen am Ende auf der Rechnung.

Punkt 10:00 Uhr geht es wieder auf die E18. Ich beschleunige auf 82 km/h und setze den Tempomaten. Ich stelle mein Radio auf mp3 und lasse mich mit guter Rockmusik versorgen.

Kurz bevor ich Helsinki erreiche dann plötzlich ein Schreckmoment. Die Straße ist plötzlich arschglatt und es hilft nur Lenkrad festhalten, auf die Bremse latschen und den Zug einmal bis zum Stillstand zu bringen. Zum Glück ohne Gegenverkehr und die Nachfolgenden mit viel Abstand, denn der Auflieger kommt leicht quer auf der Nebenfahrbahn zum stehen.

Fährste quer, siehste mehr… aber bitte nur im Rallyfahrzeug. Wie der Teufel es will spielt meine mp3-Liste dazu ‚Freie Bahn mit Marzipan.‘

Es ist 17:00 Uhr und ich stehe in Kouvola auf einem Sandplatz im Gewerbegebiet. Vor einer Stunde war ich beim Kunden angekommen und wurde dort auch noch wie geplant entladen.

Nach Etwas über vierundvierzig Fahrstunden diese Woche stelle ich den Tachographen jetzt auf Ende Land: FIN.

Wochenende. Aber nur kurz. Montag um 05:30 Uhr müssen die Räder wieder rollen.

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