Kapitel 63 – Junior Senior

Sonntag, 16.05.2021

Es ging früh los, denn wir wollten, bevor das auch mal irgendwann abgerissen und überbaut wurde, in den Hard Rock Park, später Freestyle Music Park. Das waren fast drei Stunden von Columbia bis Myrtle Beach.

Ich verlinke einfach mal ein Video vom Kanal Bright Sun Films, die diese Exploration mit offizieller Drehgenehmigung gemacht haben.

Am Abend ging es wieder zurück in Jeffreys Bude nach Columbia. Morgen stand dann ein richtig mieser Wochenstart auf dem Programm, denn Brian hatte leider schon eine Ladung für mich eingeplant, die bis 7 geladen werden musste, bevor ich mir eine Sperre setzen konnte, ab wann er mich einplanen sollte.


Montag, 17.05.2021

Und wenn ich gegen 6 in Duncan vor den Toren von Greenville mit der PTI anfangen musste, dann mussten wir kurz nach 4 in Columbia losfahren.
Immerhin bekam ich im Auto noch mal eine Mütze Schlaf. Jeffrey fuhr und wollte entsprechend nachher nur kurz in die Uni, dann die eine oder andere Vorlesung ausfallen lassen und um die Mittagszeit wieder nach Hause.

Nach der PTI erfuhr ich dann auch, was genau es denn für ein Auftrag war.
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Also was unspektakuläres, Reifen innerhalb der Voltison Motors Gruppe von South Carolina nach Texas umlagern. Sogar noch mehr als 10 Minuten vor 7 AM stand ich bei Voltison auf dem Hof, um 7:30 brachte man mir die Papiere und ich trat den Heimweg an. Die erste Staatsgrenze war schnell erreicht, schließlich war Greenville-Spartanburg der letzte Ballungsraum in South Carolina vor der Grenze nach Georgia. Der Berufsverkehr in Atlanta war so weit rum, als ich auf den I-285 Bypass einbog. Das Kreuz aus I-20 und I-85 durchs Zentrum war für schwere Trucks im Durchgangsverkehr gesperrt. Aber auch so war ich 2 Stunden nach der Abfahrt bei Voltison schon in Alabama. Als ich den hier mehr einem See gleichenden Coosa River überquerte, stellte sich mir mal wieder die Frage, ob und wie Alex und ich dieses Jahr Urlaub machen konnten.

Bei der Fahrt durch Tuscaloosa musste ich wieder an die „alten Tage“ denken. Beim hiesigen Kieswerk hatte ich mehr als eine Maschine von CAT abgeholt oder angeliefert.

Fast 6 Stunden hatte ich dann am Steuer gesessen, als ich meine Mittagspause in Eutaw einlegte. Hier gab es nur einen Love’s Travel Stop. Auch die Küche war mit Hardee’s, Chester’s Chicken und Godfather’s Pizza Express nicht umwerfend. Also musste es die Orange richten, die ich heute Nacht bei Jeffrey mitgenommen hatte. Danach beschloss ich, den Rest der Standzeit mit einem Power-Nap zu füllen.

Danach fühlte ich mich wieder so fit, dass ich tatsächlich noch fast die komplette Fahrzeit ausnutzte und es, von der Waage zwischen Georgia und Mississippi ungestört, durch den Staat und über den namensgebenden Fluss schaffte. Die Waage am Louisiana Entry Point wollte mich dann doch sehen, ich durfte mit unter 76,000 Pfund aber sofort wieder raus auf die frühlingsumrahmte Interstate.

Hier war Truckstop-Wüste, weshalb ich noch vor Ruston die Tremont Rest Area ansteuerte. Sanitäre Anlagen, Platz zum Herumlaufen, was wollte man mehr? Ein Restaurant und / oder einen Supermarkt wäre vielleicht schön gewesen. So lief es auf eine Dosensuppe aus dem eisernen Notvorrat raus.


Dienstag, 18.05.2021

Heute klingelte der Wecker um 5 AM. Das war aber wenigstens 2 Stunden länger als gestern, da mir die Zeitverschiebung im Wortsinne eine Stunde entgegen gekommen war. Es gab Mini-Wheats zum Frühstück.

Wenigstens war ich gestern so hell gewesen, bei der Mittagspause auf dem Weg von der Toilette eine Flasche Milch zu kaufen. Seit meinem Deutschlandaustausch vor inzwischen 10 Jahren fand ich das auch immer etwas ulkig.
Milch wurde in den USA überwiegend in eckigen oder ovalen Plastikflaschen mit Griff verkauft, in denen in Deutschland eher flüssiges Waschmittel gehandelt wurde. Dort gab es Milch fast ausschließlich in den hierzulande zwar nicht unbekannten, aber für Milch nicht bevorzugt verwendeten Getränkekartons. Den winzigen Rest machten hier wie dort runde, glatte Flaschen aus Glas aus.
Auch unsere Mineralwasserflaschen hatten ja eher Kanisterform und waren vom Aussehen in Deutschland eher dafür bekannt, destilliertes Wasser, irgendwelche Reinigungsmittel oder Kühlerfrostschutz zu enthalten.

Mein Ziel in Texas war unter 6 Stunden erreichbar. Dieser Staat war für seine Ölvorkommen bekannt. Weit weniger bekannt war, dass diese sich auch bis nach Louisiana erstreckten und hier direkt an der Interstate ausgebeutet wurden, auch wenn modernere Energieträger auf dem Vormarsch waren.

Gegen 7 AM erreichte ich mit Shreveport die letzte größere Stadt in Louisiana und die Stelle, wo ich auf dem Hinweg nach Süden abgebogen war. Nun ging es erst einmal parallel zum Hinweg. Der dickste Berufsverkehr in den USA herrschte meistens zwischen 7 und 9 AM. Vorher hatte ich es bis Shreveport geschafft, erst nach dem Zeitfenster erreichte ich Dallas / Fort Worth. Alles richtig gemacht.

Noch vor der Mittagspause erreichte ich Voltison in Wichita Falls. Und 11:30 war auch so viel davor, dass sich das Meckern in Grenzen hielt, auch wenn sie kaum um 12 fertig sein würden. Während entladen wurde, ging ich zumindest mal die Straße runter und fand einen Hotdog-Stand. Auf dem Rückweg kam ich auch an einer Ecke hinter einem am Straßenrand abgestellten Trailer vorbei, wo ich die Getränke des Vormittags entsorgen konnte. Bei Voltison waren wie bei vielen Ladestellen mal wieder die Toiletten für Betriebsfremde gesperrt.

Der Folgeauftrag ging schon sehr nah an die Heimat. Dass ich am Wochenende zu Hause sein musste, war klar, denn am Montag um 9:00 AM wartete das Impfzentrum.

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Also holte ich Haushaltswaren bei Costco für Walmart in Portland, wobei sich schnell zeigte, dass das gemeinte Supercenter eher in Troutdale liegen dürfte.

Anschließend fuhr ich nach Amarillo und machte noch mal eine Pause beim dortigen Walmart Supercenter. Einerseits weil dort wenigstens die Kundentoiletten offen waren fürs große Geschäft und andererseits natürlich, um endlich mal wieder ein Bisschen was Vernünftiges in den Kühlschrank zu bekommen.

Nun blieben mir noch über 2 Stunden Fahrzeit, von denen ich 1:44 nutzte. Das brachte mich nach New Mexico, genauer nach Tucumcari und ganz genau auf den dortigen Flying J. Ich packte mal den Gasgrill aus und es gab Steak mit einem grünen Salat, verfeinert mit Tomaten, Oliven und Parmesanspänen. Zwar gab es hier ein Denny’s, aber man musste ja nicht immer dort essen.


Mittwoch, 19.05.2021

In diese Richtung wurde es ja durch die Zeitverschiebung immer später hell. Da ich kein begeisterter Nachtfahrer war, verbummelte ich morgens also eine gute Stunde. Das Frühstück gab es, nachdem die letzten Tage alle an mein Lieblingsprodukt aus dem Cerealienregal gegangen waren, dann aber doch bei Denny’s. Schließlich kroch die Sonne schon langsam bis dicht unter den Horizont, als es losging.

Mit New Mexico gab es endlich auch wieder Landschaft. Nordamerika könnte ein noch schönerer Kontinent sein, wenn man sich von den Rockies direkt an die Appalachen beamen könnte. Bis zur Grenze nach Colorado schaffte ich es nicht mehr, also legte ich die Mittagspause in Bloomfield ein. Damit ich die Toilette benutzen konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als zum Mittag bei KFC einzukehren. Das beschränkte ich aber auf einen Wrap und einen Becher Mountain Dew – dass es das bei KFC als einer der wenigen Fastfood-Ketten bei den Softdrinks gab, war ein weiterer Vorteil des Lokals.

An der Cortez Weigh Station ließ man mich mit 79,376 Pfund Gesamtgewicht problemlos nach Colorado einreisen. Mein Blick fiel auf die alte Tankstelle. Wie gerne würde ich die exploren, aber das ging nur, wenn die Waage zu und keine Polizei hier war. Abends blieb ich am „Hole ‘n the Rock“, genauer der Kane Springs Rest Area stehen. Prädikat Touristenfalle. Immerhin gab es Toiletten und Sitzgelegenheiten, fürs Essen sorgte der am Tag zuvor aufgestockte Vorrat.

Donnerstag, 20.05.2021

Nach dem Motto “Nix wie weg, ist eh doof hier” war ich um 05:45 AM vom Parkplatz runter und weiter auf dem Weg nach Nordwesten. Salt Lake City passierte ich problemlos am frühen Mittag, die Pause hatte ich schon vor die Stadt gelegt, nachdem es nicht ganz so problemlos hinter einigen sehr langsamen Kollegen über die US-6 gegangen war. Auch die Waage Perry durfte ich dank Bypass souverän rechts liegen lassen. Das galt zwar nicht für Cotterel schon ein gutes Stück hinter der Grenze nach Idaho, aber mit 78,724 Pfund durfte ich sofort weiter.

Dank des frühen Starts bei noch recht hoher Sonne kam es dann bei Glenns Ferry schon ziemlich in Richtung Ende meiner Lenkzeit zur Begegnung mit dem Zug der Woche. Diesmal wieder gestellt durch BNSF.

Diese Lenkzeit war in Mountain Home am Pilot Travel Center zu Ende. Als erstes bekam mein Truck die erforderliche Zuneigung.

Anschließend musste ich auf die CAT Scale. Ich dürfte zwar nicht zu schwer sein, was sich mit 79,974 lb. als knapp richtig erwies. Aber ich wollte bei so wenig Spielraum sicher gehen, dass ich nicht auf einer Achsgruppe zu schwer war.
Nachdem ich mich auf Pause umgemeldet hatte, ging ich duschen und weil es hier nur Arby’s und Cinnabon gab und ich nicht wieder selber kochen wollte, probierte ich zum Abendessen mal das Wingers Ale House, leider nur das Essen als Takeaway. Das Bier hier sollte gut sein, aber im Truck durfte ich es auch in der Pause nicht trinken und einkehren wollte ich hier nicht, dazu waren mir die Infektionszahlen zu hoch in Idaho und das jetzt noch kurz vor dem vollen Impfschutz aufs Spiel setzen? Ohne mich.
Als Alex schließlich Feierabend hatte, telefonierten wir noch eine Weile und dann legte ich mich hin. Es war ein Tag ohne besondere Vorkommnisse. Meine Zuschauer auf dem Truckerkanal würden das anders sehen, aber irgendwann waren auch Utah und Idaho nicht mehr besonders.


Freitag, 21.05.2021

Für das Frühstück war Cinnabon ja dann doch ganz brauchbar. Um 6:12 AM Mountain Time ging es los. Nach einer halben Stunde war ich zurück in meinem Heimatstaat.

An der Waage kurz vorm Abstieg vom Deadman Pass durfte ich wieder mal durchfahren. Auch das Columbia Valley war eine Augenweide, die ich inzwischen so oft gehabt hatte. Zum Glück war das Land so groß, dass man doch immer wieder mal was Neues sehen konnte. Nur je dichter man an die Heimat kam, umso mehr war es natürlich bekannt.
Das galt auch für Biggs Junction, wo ich das Pilot Travel Center vor allem wegen der Toilette aufsuchte. Bevor ich mir was bei McDonald’s holte, gab es lieber ein selbstgebautes Sandwich aus meinen Vorräten. Hinter Hood River auf die Westbound Waage, die zwar gerne als Cascade Locks Westbound bezeichnet wurde, aber eigentlich namenlos war, musste ich dennoch drauf. Cascade Locks war eine Eastbound Waage einige Meilen weiter westlich gelegen. 79,508 lbs, vielen Dank und weiter.

Während ich am Walmart entladen wurde, bekam ich den Auftrag, Oregon doch noch mal kurz zu verlassen.

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Na da durfte ich meinem Schatz mal eine Freude machen. Weil auch Alex am Montag natürlich wegen der Impfung frei hatte, arbeitete er morgen auch. Und ich wusste ja, wie gerne er alte Paletten hatte. Vor allem auch noch diese Dinger dürften ihm eine Freude machen, ein Stahlgroßhandel war nicht die beste Quelle für so was.

Für heute reichte es nur noch zum Jubitz Truck Stop in Portland. Nicht der Ort, wo ich gerne gestanden hätte, aber der Flying J in Aurora war zu weit. Das hieß dann mal wieder eine Dusche bezahlen. Ich beschloss, Alex nicht am Telefon zu sagen, was ich tolles für ihn dabei hatte.


Samstag, 22.05.2021

Um 5 AM war ich schon mitten in der PTI, die Mini Wheats waren schon lange verputzt und der morgendliche Toilettengang mit kurzer Körperpflege erledigt. Noch ein schneller Blick auf die Freunde-Ortung im GPS, aber ich würde niemanden treffen von den Kollegen am Hof nachher. Casey stand zwar noch, aber in Klamath Falls und dürfte bis dahin lange Feierabend haben. Evan hatte Außenreset gewonnen und schien auch schon unterwegs zu sein, aber in Nevada auf der US-95 South, also vermutlich in Richtung Las Vegas.
Es war natürlich weit vor dem derzeit dank Home Office ohnehin nicht mehr so schlimmen Berufsverkehr. So war es auch fast schon so was wie Großstadtidylle, als ich auf der Marquam Bridge, leider im Unterdeck, den Willamette River überquerte. Der Ring mit den Interstates um Downtown Portland war durchaus intelligent angelegt. Die Brücken waren aus Platzgründen zweistöckig, aber auf der Marquam war die Eastbound oben und auf der Fremont die Westbound. Wenn wir Überhöhe fuhren war das wichtig, weil man damit immer auf die Brücke musste, wo die Fahrtrichtung oben lag.

Noch ein letztes Mal für diese Tour musste ich Myrtle Creek zum Wiegen antreten, bekam aber auch wieder direkt den Exit. Hier waren wir auch reichlich bekannt und wurden sehr selten rausgenommen.

Nun beschloss ich auch mal Alex anzurufen: „Ja, bei der Arbeit?“ „Danke gleichfalls. Ich bringe Dir gleich welche.“ „Was denn?“ „Nur die besten Edelhölzer…“ „In Portland gibt es keine Edelhölzer und wir haben keine Importware bestellt. Darf ich davon ausgehen, dass Du mich als foppen willst und in Wahrheit Altpaletten drauf hast?“ „Der Kandidat hat 100 Punkte.“ „Hast Du wenigstens ein Flatbed?“ „Nein, Boxvan.“ „Na super, dass ausgerechnet Du mir die letzten Stunden Arbeit versauen musst. Bis gleich!“ „Bis gleich.“

11:30 AM fuhr ich von der Interstate ab, danach waren es nur noch 3 Kreuzungen bis zur Holzfabrik. Alex hatte mich wohl aus dem Büro an der Ampel an der Kreuzung Rossanley & Sage stehen sehen. Jedenfalls kam er gerade mit seinem Elektro-ATV zur Einfahrt, mit denen sie sich auf dem über 30 Acres großen Betriebsgelände fortbewegten: „Stoß rückwärts da ganz am Rand zwischen die Baumstämme. Da störst Du wenigstens nicht und wir kommen ja eh nur von hinten bei dem  Trailer ran!“
Dann dirigierte er einen Stapler herbei, der leer vorbei rumpelte: „Mike, hast Du einen Auftrag?“ „Nein.“ „Dann hol einen Hubwagen und Chris oder Frank. Der ganze Trailer ist voll mit alten Paletten.“
Nachdem ich die Türen geöffnet hatte, sah Alex sich die Ware an. „Mit den Dingern kann man ja gar nichts mehr anfangen, so ölgetränkt wie die sind, nehmen die nicht mal den Wasserleim in der Spanplattenfabrik an. Wo sind die denn her?“ „Steeler, Vancouver, Washington.“ „Ja, Stahl- und Maschinenbau hatte ich schon befürchtet.“

Der Stapler kam, mit einem Hubwagen auf der Gabel und einem jungen Burschen auf einem weiteren ATV dicht auf den Fersen. „Ladet nur gerade neben den Truck auf die nächste Freifläche ab. Der Fahrer muss schnell wieder vom Hof, sonst kriege ich heute Mittag nix zu essen.“ Alex drehte sich kurz zu mir um: „Mac ‘n Cheese wäre mal wieder was. Habe Schicht bis 1:30 PM, zu Hause dusche ich dann erst mal. So gegen 2:15 warmes Essen auf dem Tisch bitte!“ Dann wieder zu seinen Kollegen auf dem Stapler: „Bring die Scheiße anschließend direkt zum Heizwerk. Das einzige, was der Plunder noch kann ist brennen, das wenigstens nicht schlecht mit dem ganzen Öl drauf.“
Die beiden luden also ab. Ich war durchaus dankbar, dass erst mal alles nur daneben abgestellt wurde anstatt dass immer nur zwei Palettenstapel bis zum Lager neben dem Heizwerk gebracht wurden, das mit dem Truck miserabel erreichbar in der letzten Ecke war. Auch wenn ich im Gegenzug Küchendienst gewonnen hatte.

„Du bist also Alex Freund? Dann musst Du es ja länger mit ihm aushalten, nachdem Du diese Paletten angeliefert hast.“ Frank, der junge Bursche auf dem Truck grinste breit. „Ist der hier immer so drauf?“ „Jain – zu uns normalerweise nicht, wahrscheinlich hat er vergessen, dass wir auch nach normalen Anweisungen arbeiten können oder ist sauer wegen dieser tollen Qualität, die Du dann auch noch in einem Box-Trailer bringst. Ein paar der Dunkelkerzen, die hier so rumlaufen, brauchen das aber in dem Ton. Eigentlich ist er ein ganz cooler Teamleiter.“
Alex hatte sich mit seinem Elektromobil und den abgezeichneten Papieren wieder angeschlichen und gab sich alle Mühe, wie ein Unteroffizier mit Minderwertigkeitskomplexen aufzutreten: „Nicht labern! Arbeiten! Zack, zack! Ich bin nicht cool sondern hier die Autori…” weiter kam er nicht, weil er über sich selbst lachen musste. „Nee, passt schon, wie Ihr vorankommt. Immerhin gut gestapelt war das Zeug ja. Und den Begriff ‚Dunkelkerze‘ muss ich mir wohl mal merken.“ „Kostet Dich aber Lizenzgebühr!“ „Schon okay, die nächste Cola im Pausenraum geht dann auf mich.“ Das war dann wirklich der Alex, den ich kannte und liebte.

Von hier war es nicht weit zum Hof, ich parkte den Trailer ein und sah mir die Statistik an:

WEEK START: MO:03:08 AM +3
WEEK END: SA:12:26 PM ±0
WEEK DRIVE: 59:13 HRS
WEEK WORK: 60:42 HRS
WEEK FRAME: 5D:09H:18M
WEEK MILES: 3,079
REVENUE MILES: 2,688
PERFORMANCE: 98.0 %
WEEK PAYLOAD: 126,335
SH TON MILES: 56,714
WEEK FUEL ECO: 5.8 MPG
WEEK AVG SPEED: 52.0 MPH

Eine dank kurzer Leerstrecken wieder recht effektive Woche, auch sehr schnell. Nun aber los zum Sherm’s Thunderbird, einem der auf dem Heimweg gelegenen, eher kleinen Supermärkte und anschließend nach Hause. Immerhin musste ich bald anfangen Nudeln zu kochen, um meinem Freund den Essenswunsch zu erfüllen. Als er nach Hause gekommen war und wieder aus dem Bad kam, stellte ich sofort die Schüssel mit den Nudeln in ihrer Käsesoße auf den Tisch. Dazu gab es bei uns traditionell ein paar knusprig ausgebackene Scheiben Bacon.


Ende Mai 2021

Wir holten uns am Montag nach dieser Woche unsere zweiten Impfungen ab. Anschließend dauerte es noch zwei Wochen, bis wir vollen Impfschutz hatten und uns endlich wieder einigermaßen sicher fühlen konnten. Und natürlich war die erste Amtshandlung, endlich nach San Diego zu fliegen, damit ich Alex persönlich meiner Mutter vorstellen konnte.
Randy hatte leider noch keinen kompletten Impfschutz und deshalb drauf verzichtet, in ein Flugzeug zu steigen. Auf den fast 8 Stunden langen Trip mit dem Auto hatte er zu Gunsten einer Einladung über Independence Day auch verzichtet. Immerhin war er auch ein wichtiger Mitarbeiter der Lebensmittelindustrie und konnte schon jetzt geimpft werden. Selbst wenn es auf diesem Planeten sicherlich mehr als nur eine Handvoll Leute gab, die bestreiten würden, ob nun Vertriebsinnendienst Karibik und Mittelamerika für Edelschokolade wirklich so ein essenzieller Job war. Mir war es Recht, wenn ich mir um einen mir wichtigen Menschen weniger Sorgen machen musste.

Es war eine wundervolle Woche. Ich zeigte Alex die schönen Orte meiner Kindheit, von denen es trotz manchmal gegenteiliger Erinnerungen an meine Jugend in San Diego auch genug gab. Auch ein Tag am Strand durfte nicht fehlen. Außerdem holte ich ein paar Explorer- und Rooftop-Highlights mit Alex nach, darunter der Unterzug der alten Los Peñasquitos Creek Arch Bridge. Nicht dass dieser nicht mal 150 Yards lange Betonbogen in irgendeiner Art eine Herausforderung wäre. Die Brücke wurde durch die benachbarte Highway-Brücke ohnehin verzwergt. Aber dies war die Stelle, wo Randy von der ganzen Familie einschließlich mir unbemerkt sein erstes Rooftop (eher Bridge-Underside) gemacht hatte und ich wandelte sozusagen gerade auf seinen Spuren.

Wir zogen an zwei Abenden durch die Clubs der Stadt. Die restlichen Abende waren wir zu Hause bei Mum, die uns bekochte und sich an dem Wiedersehen seit so langer Zeit erfreute.


Juni 2021

Brian hatte mir ja schon angekündigt, dass ich eine Woche als Instructor bei einem neuen Fahrer mitsollte. Auf dem Hof stand ein nagelneuer Western Star 49x, aber anstatt in unseren bekannten USA-Farben war nur das Nachtblau geblieben. Dazu hatte er Verzierungen in Orange und Gelb. Und irgendeine arme Sau in Isaacs Werkstatt hatte wohl die Freude gehabt, die Schrift auf den Reifen mit einem gelben Tiremarker nachzuziehen. Ab Werk gab es farbige Reifen bei Goodyear meines Wissens nur für Sportwagen.

Der neue Fahrer sprach gerade mit Brian und war jemand, der den Altersschnitt der Firma dramatisch anheben würde. Nicht, dass er sonderlich alt war, wohl in den 40ern. Aber wenn man sich eben überlegte, dass hier der älteste im Team Brian mit seinen 30 Jahren war und ich mit 26 das Nesthäkchen – auch wenn Casey gerade mal 6 Wochen älter war – dann ging das recht einfach.

„Hallo Brandon. Das ist Harold, unser neuer Fahrer. Harold, das ist Brandon, unser Senior Driver.” Der Blick, dem ich von Harold ausgesetzt wurde, war mir nicht neu. Die Reaktion auch nicht, aber sie traf mich doch immer wieder, weil man auf das Äußere reduziert wurde. Und so viel jünger wie vor ein paar Jahren noch sah ich nun auch nicht mehr aus: „Soll das ein Witz sein? Hier ist ein Kind der Senior Driver? Ich fahre schon länger Class 8 Trucks als der lebt.“ Brian ließ sich, sofern ihn dieser Kommentar ärgerte – und ich kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er das tat – nichts anmerken: „Nicht ganz. Als Deine CDL ausgestellt wurde, war Brandon fast zwei Jahre alt.“ Am Tonfall merkte ich, dass Brian in der Tat wütend war, das aber hinterm Geschäftlichen versteckte.
„Ich fahre doch nicht eine Woche mit dem und soll mir erklären lassen, wie ich einen Job zu machen habe, den ich eh besser kann!“ Ich würde auch drauf verzichten können, mit dem eine Woche zu fahren. „Genau das soll er ja beurteilen. Hinterher kannst dann gerne Du Dich Senior Driver nennen. Kannste Dir bei uns eh im Wortsinne nix für kaufen.“ „Was? Ich bin dann doch Chef der Fahrer…“ „Woher auch immer Du diese Weisheit genommen hast. Von mir kann es nicht gewesen sein. Ich brauche keinen Abteilungsleiter für vier Fahrer. Bloß weil ich Dir im Vorstellungsgespräch gesagt habe, dass Du der älteste sein wirst, leitet sich daraus kein Führungsanspruch ab. Hier führt nur einer Personal und das bin ich!“ Brian tippte derweil was an seinem Computer herum. Und das bevorstehende Ende seines Geduldsfadens war definitiv nah.

„Würdest Du unter den Umständen überhaupt noch mit Harold zusammen fahren wollen, Brandon?“
Ich spürte die Fußangel in dieser Frage und hatte auch das Gefühl, dass sie nicht für mich da lag. Hier war schon eine Entscheidung gefallen. Der Drucker mischte sich mit seinem Betriebsgeräusch gerade mit ein. „Nein, eigentlich nicht.“ „Gut! Dann hat sich das wohl zum Glück erledigt.“
Brian kam mit einem Stapel Papiere zum Counter, es sah nicht nach Transportpapieren aus. Es würde ja auch zwangsläufig eine Tour fehlen. „In der Tat hat sich hier gerade was erledigt. Deine Sozialversicherungskarte, das Ergebnis Deines selbst bezahlten Drogentests vor Einstellung gehört rein rechtlich auch Dir. Wenn Du hier noch unterschreiben würdest.“ „Was wird das jetzt?“ „Deine Kündigung. Ich kann keinen Fahrer gebrauchen, der meinen Anweisungen nicht folgt. Und wenn ich Dir anweise, dass ein 26-Jähriger, der übrigens seit 7 Jahren fährt, davon seit 5 Jahren Oversize, und im Stückgutbereich die zwei Jahre davor schon Dinger gefahren ist, von denen Du nur träumen kannst – Turnpike Double nennen die sich – und Du das verweigerst, ist das Thema durch!“
„Aber… Aber… Es war doch nicht so gemeint. Ich brauche doch den Job. Wie soll ich denn meine Familie ernähren?“ Na auf einmal war da aber jemand kleinlaut und unterwürfig. „Wie jemand, der seinen Job braucht, trittst Du gegenüber Deinem jetzt nicht mehr Arbeitgeber jedenfalls bis eben nicht auf. Ein Autogramm hier und dann raus!“

„Hat einer die Army gerufen?“ „Noch nicht! Aber gut dass Du kommst, Isaac!“ Am Ende bekam der aber nur die Papiere unseres sich nur noch als Stehzeug verdingenden Rungentrailers, der verkauft worden war und dessen neuer Besitzer eine Durchsicht bei Isaac bestellt hatte. Immerhin konnte der so den Mitarbeiter mit einer weltrekordverdächtig kurzen Arbeitszeit in einem Unternehmen in Richtung Türe begleiten.

„So ein…“ „Aufregen bringt nichts. Ich hatte die Hoffnung, Erfahrung ins Unternehmen zu bringen. Nicht, dass Casey und Du die nicht hätten, aber dass wir halt nicht jemanden wieder von gefühlt Null anlernen müssen. Es gibt halt zu wenig Fahrer. Und die meisten, die sich so finden, sind gerade bei Swift auf der Flucht. Eigentlich nicht, was ich will. So, dann sind es jetzt Deine Papiere geworden.“
Brian schob mir die Frachtpapiere hin. „So muss ich wenigstens nicht mit diesem Nobel-Freightliner fahren.“ Brian sah so aus, als würde er sich ob meiner nach dem Gespräch eben noch möglicherweise recht kurzen Zündschnur einen Kommentar verkneifen. Auf dem Weg runter dachte ich nach. Es war auf jeden Fall nicht schlecht zu wissen, dass Brian so viel von mir hielt, dass er mich sogar einen so erfahrenen Kollegen hätte beurteilen lassen. Lebenserfahrung oder Umgangsformen schien der aber auch in über 40 Jahren nicht ausreichend gesammelt zu haben.

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