Diese Woche…
…sorgen zwei Kollegen für eine Überraschung…
…Luke wundert sich über einige Pflanzen…
…und ein Kunstwerk bleibt rätselhaft!
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Samstag, 26.09.2015
Wir lagen morgens noch im Bett und ich fragte Luke: „Sag mal, hast Du vielleicht gestern bei Eurem Würfelspiel irgendwas rausgehört, was mit Timo los ist?“ „Sort of.“ „Wie, so in der Art?“ „Nicht rausgehört. Er hat es mir schließlich doch gesagt.“ „Und?“ „Ich musste versprechen, es nicht weiter zu sagen. Auch Dir nicht.“ Dieser raffinierte Hund. Ich konnte es meinem Lebensgefährten kaum zumuten, dieses Versprechen zu brechen, nur um meine Neugier zu befriedigen.
„Ist es etwas, das ich trotzdem wissen sollte?“ „Nicht vor Montagmorgen. Ist harmlos.“ Das reichte mir. Wenn es etwas wäre, das zu irgendwelchen Problemen für Timo persönlich, seinen Job, die Firma oder einen Kollegen führte, oder wo ich sonst wie reagieren sollte, dann hätte Luke es mir jetzt trotzdem gesagt oder zumindest angedeutet, dass es ernst ist.
Wir nutzten das Wetter, um mal mit den Motorrädern auf Kilometer zu kommen. Dieses Jahr hatte ich noch keine 1000 zusammen bekommen. Und morgen fuhren die, die es richtig konnten, also saßen wir vorm Fernseher statt selber auf dem Motorrad.
Sonntag, 27.09.2015
Auf dem Sofa lagen Freud und Leid in der Moto3 dicht beieinander. Während der Brite Danny Kent in der letzten Kurve mit dem Hintern die Ideallinie vermaß, rutschte der deutsche Philipp Öttl dafür auf einen guten 5. Platz durch und konnte langsam beweisen, dass er mehr war als „Peter Öttls Sohn“.
In der MotoGP war klar, dass Luke keinen Sieg zu bejubeln haben würde. Aber das „seine“ Suzukis in ihrer ersten Saison nach der Rückkehr als 6. und 11. über die Linie gingen, freute ihn fast genauso viel wie ich mich über Jorge Lorenzos Sieg. So langsam wurde das ganze zur Yamaha-Sache.
Die Frage war bald nur noch, ob es „die richtige“ Yamaha wurde oder „die falsche“. Und ich gehörte zur Minderheit der Yamaha-Fans, bei denen auf der richtigen die Nummer 99 stand. Italiens Superstar Valentino Rossi hatte sich genau gegenüber dieser Nummer 99 und Jorge Lorenzo verspielt, als der Kindskopf eine spanische Wand aufstellen ließ, damit der ihm scheinbar zu talentierte Jungspund nicht von ihm profitiert.
Da ich erst mal Yamaha-Fan war und mir dann aus den beiden Werksfahrern meinen Favoriten aussuchte, war so ein Spaltkeil durch die Gemeinschaft des gesamten Werksteams für mich ein rotes Tuch. Und diese Nummer speziell erinnerte mich an die Grundschule, wo wir einen Schulranzen in die Tischmitte stellen mussten, damit wir nicht beim Nachbarn abschreiben konnten.
Julian sah sich das Spektakel zumindest in den höheren Klassen aus neutraler Sicht an. Aber KTM bastelte ja am Einstieg in die Königsklasse und dann war es mit seiner Neutralität auch vorbei…
Montag, 28.09.2015
Nun wurde es spannend, auch wenn das Frühstück zu viert normal verlief. Ich hatte Julian beruhigt, weil ich Luke vertraute, dass nichts Ernstes im Gange war, wenn er nicht darüber sprach. Timo hatte sein Pokerface aufgesetzt.
Und dann kamen alle im Besprechungsraum zusammen. Timo legte los: „Hallo zusammen. Ilarion und ich haben Euch nicht die Wahrheit gesagt.“ „So kannst Du das nicht sagen. Wenn Ihr nicht die Wahrheit gesagt habt, haben wir Euch nicht korrigiert.“ Also hatte ich Recht am schwedischen See? Ja, ich hatte. „Machen wir es kurz und schmerzlos. Ilarion und ich sind seit Frühjahr ein Paar. Es gab keine Freundinnen, wir haben das immer nur einfach so stehen lassen. Und selber übrigens das Wort Freundin nie gesagt.“ In der Tat, beide hatten immer nur davon geredet, dass sie „in einer Beziehung lebten“ und waren ansonsten um den heißen Brei herumgekreist.
„Wir wollten einfach vermeiden, dass wir Euch in der einen Richtung bescheid sagen und der Tratsch geht in der anderen schneller rum, bevor wir denjenigen anrufen und dann irgendwer verärgert ist, dass wir es nicht persönlich sagen. Deshalb haben wir Euch alle hier zusammen geholt, damit Ihr es alle gleichzeitig erfahrt. Tut uns leid, wenn es ein Bisschen geheimnisvoll war und die Abläufe durcheinander bringt.“
„Kein Ding. Und warum habt Ihr da ein halbes Jahr lang so ein Geheimnis draus gemacht?“ „Weil ich Angst davor hatte, dass irgendjemand davon erfährt. Ihr seid die ersten, die es überhaupt erfahren. Die von mir überhaupt erfahren, was Sache ist.“ Welch Ehre. Bei mir war das ein guter Freund mit 17 Jahren gewesen. Meine erste echte Beziehung hatte ich erst Jahre später mit Luke. Aber ich würde nicht behaupten, dass ich davor anständig gewesen war.
Und es als erstes den Kollegen zu erzählen, war auch mal ein ungewöhnlicher Weg. Aber hier konnten sie sich sicher sein, dass sie keine Probleme bekommen würden. In vielen Firmen war das ja eher einer der kritischsten Punkte von allen.
Einen echten Julian-Spruch musste es dann auch noch geben: „4 zu 3. Judith, Marlon – wir sind dann für ein paar Wochen wohl die heterosexuelle Minderheit in dieser Firma. Hoffentlich werden wir nicht diskriminiert.“
Zurück zu den wichtigeren Dingen als flache Witze. „Deshalb hätten wir auch gerne noch die eine Woche zusammen Urlaub, die wir im Sommer nicht hatten.“ „Okay. Wann?“ „Wenn es nach mir geht, die Woche bevor André anfängt. Denn davor sind Marlon und ich noch mal weg und es fehlt deshalb sowieso schon ein Fahrer. Danach weiß ich nicht, wie schnell sich die Dinge hier administrativ einpendeln.“
„Wie sieht das mit der Auslastung bei Talke aus?“ „Okay, das ist ein Problem. Ich habe Rolf nicht gemeldet, weil es nur 2 Wochen sind. Aber die beiden waren dafür noch auf 2 LKW gemeldet. Normal hätte sich das ausgeglichen. Wenn jetzt eine Woche ein LKW ausfallt, wird es anstrengend. Aber ich denke, wir können die Quote erreichen. Schlimmstenfalls mit einem Außenwochenende für irgendwen oder auf einen besseren Auftrag vom freien Markt verzichten zu Gunsten Talke.“ „Dann fahren Luke und ich eine Woche getrennt. Ich will den beiden nicht schon wieder den gemeinsamen Urlaub aus betrieblichen Gründen absagen müssen. Und jetzt erst recht nicht mehr.“
Wir wünschten dem zwar nicht mehr frischen, aber frisch offiziellen Paar alles Gute und danach ging es an die Arbeit.
Während Marlon und Julian sofort los fuhren, unterhielten Luke und ich uns noch ein Bisschen mit Timo und Ilarion. „Woher kommt denn der plötzliche Sinneswandel?“ „Als ich Euch zwei in Schweden küssend am Seeufer gesehen habe, da habe ich mir gewünscht, ich hätte Timo dabei und könnte genauso offen damit umgehen wie Ihr. Das war der Moment, wo ich beschlossen habe, dass sich was ändern muss, bevor ich durch meine Haltung noch alles vor die Wand fahre. Aber vor meiner Familie habe ich immer noch Angst, dass sie es eines Tages herausfinden könnten. Auch das Ruhrgebiet ist ein Dorf mit Millionen Einwohnern. Und irgendwann wird man dann doch mal vom Vater der besten Freundin meiner Schwester gesehen…“
Ich kannte seine Familie nicht. Aber es würde schon seinen Grund haben, warum er das nicht wollte und das würde ich ihn vielleicht mal unter 4 Augen fragen, aber nicht hier in der Runde. Im Durchschnitt war der Balkan aber kein Schwulenparadies und vielleicht wusste er schon aus heimischen Diskussionen, dass seine Eltern das nicht akzeptieren würden.
„Bei mir sah das etwas anders aus. Ich musste es zwar früher auch vor meinem Vater verheimlichen, aber hatte damals, als ich in Bonn gewohnt habe, einen Freund in Siegburg. Wir sind dann einfach in Köln ausgegangen. Und wenigstens da hin, dass wir in sicherem Abstand von Ilarions Eltern oder im Freundeskreis offen ein Paar sein können, wollte ich wieder kommen. Das war es, warum „die Sache kompliziert war“ als Du kürzlich gefragt hast, was los ist. Dass ich hier in der richtigen Firma bin, wusste ich ja, seit ich Chris und Dich nach meiner Ausbildungsfahrt beim Küssen gesehen habe.“
„Und was habt Ihr an den Wochenends gemacht?“ „Weg gefahren. Ich habe Ilarion an einer S-Bahn-Station oder Bushaltestelle eingesammelt und wir sind in die Eifel, an die Nordsee, für zwei gemeinsame Tage nach Frankfurt, Amsterdam oder wohin auch immer man am Freitagabend noch kam in ein Hotel. Wir hatten es ja finanziell, weil wir beide so billig in der WG oder Hotel Mutti wohnen. Am Sonntagabend habe ich ihn dann wieder abgesetzt und er ist mit Bus und Bahn nach Hause. Manchmal habe ich ihn auch direkt mitgenommen und Ihr habt gedacht, ich bringe ihn auf dem Weg zu meiner Freundin nach Hause.“
Und dann hatte er mir auch noch, als Patrick ihn abwerben wollte und ich gefragt hatte, ob seine Freundin vielleicht im Raum Düsseldorf-Neuss wohnte, mit „Nein, in Essen“ geantwortet. Mal wieder eine Antwort, die ehrlich war und ich in ihrer Tragweite nicht erkannt hatte.
„Und gerade Du Ricky hast wirklich nichts gemerkt?“ „Bis zu dem See in Schweden nicht.“ „Warum genau da?“ „In dem Moment ist mir einiges aufgefallen. Dass Timo doch ziemlich interessiert am Thema „Wochenendbeziehung oder als Paar auf einem Truck“ war und mich nicht nur meinen Schmerz über unsere erste Beziehung damals in Wales und die gescheiterte mit Chris hat von der Seele hat reden lassen. Da hat er mich wohl auch ausgehorcht.
14 Tage später wolltet Ihr auf einen Truck „um wieder ein bisschen weiter rum zu kommen.“ In der letzten Woche, die Ihr solo fahren müsst, brichst Du, beim Anblick zweier sich verliebt küssender Männer in der romantischsten Stimmung, die man sich nur denken kann, in Tränen aus. Und Du wolltest Deine Beziehung jetzt in Ordnung bringen.
Da war mir dann aber immer noch nicht klar geworden, dass Ihr innerhalb von 2 Wochen in der Dispo angemeldet hattet, dass Ihr jedes Wochenende zu Hause sein wolltet und dass Timo ausgerechnet an dem Wochenende hier in der Wohnung geblieben war, als Du in Belgrad warst. Keiner von Euch beiden fragte mal, ob es okay wäre, wenn er seine Freundin mit zu einer Samstagsparty bringt. Die Anzeichen wurden immer mehr, aber sicher war ich mir trotzdem bis eben nicht.“
Dass ich auch noch mitgehört hatte, dass Ilarion dann nicht seinen Kollegen davor bewahren wollte, in das harte Geschäft der großen Logistikkonzerne zu gehen, sondern seinen Lebensgefährten in der Firma halten wollte, als sie sich in der Halle in den Haaren lagen, behielt ich weiter für mich. Und schon damals hatte ich mich gefragt, warum Ilarion wusste, dass Patrick auch Timo abzuwerben versuchte.
Und der zweite Streit nach dem Urlaub in der Halle ging wohl darum, dass Timo das Versteckspiel und Wochentouren leid war, Ilarion auf einen LKW mit ihm holen wollte. Daher kannte Ilarion auch alle vier Vornamen und den Adelssitz von Timo. Weil er ihn generell besser kannte als jeder andere.
„Wir hatten unsere Sorgen, Du merkst was, als wir gefragt haben, auf einen Truck zu gehen.“ „Wenn ich nicht immer so sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen wäre, wenn Timo mich dazu quasi ausgehorcht hat, wäre ich da bestimmt wach geworden. Aber das erklärt, warum Du so unruhig warst. Ich dachte im Gespräch eher, dass Timo Dich da zu was überredet hatte.“
„Ich dachte ja schon, Du hast es gemerkt, als Maxi bei mir mit fahren sollte und Patrick ihn vorher hat Paletten laden lassen. Da hast Du so eine Bemerkung mit auf Männergeruch stehen gebracht. Genauso als ich in der gekippen Kabine vom Magnum abgerutscht bin und Du Dich laut gefragt hast, ob Ilarion damit einverstanden wäre, wenn ich immer da unten liegen würde. Das waren so nervige Anspielungen Marke „Sag’s doch endlich, ich weiß es sowieso!“ Aber anders als mit der Temposache konnte ich nicht mit Dir reden, ohne dass Ilarion einverstanden war. Sonst hätte ich das schon längst durchgezogen.“
„Und bei Julian hatte ich mich verplappert. Ich wollte an sich falsch wetten, was sich Timo für ein Auto gekauft hat. Aber dann rutschte mir die richtige Antwort „Ford Focus RS“ einfach so raus. Ich kannte die Antwort ja.“ „Aha, Wettbetrug.“ „Ich kann meinen Gewinn ja in die nächste Hallenparty stiften.“ „Nee, schon okay.“
„Apropos verplappert. Als Ilarion das Foto von dem grün-lila DAF gezeigt hat, ist mir auch raus gerutscht, dass ich den ja noch gar nicht kannte. Da hätte ich mir auch am liebsten auf die Zunge gebissen. Eigentlich musste doch die Frage kommen, was ich denn sonst alles noch kannte.“ Das hatte ich wirklich überhört.
„Wie habt Ihr Euch überhaupt gefunden, wenn Du so shy mit der Information warst?“ „Es hat harmlos angefangen. Wir haben uns sofort gut verstanden. Dann sind wir mal zusammen einen trinken gegangen.“ Ja, Sliwowitz, den serbischen Nationalschnaps, und Bier bunt durcheinander. Was war ich mit mir selbst beschäftigt im vergangenen Jahr. „Dann sind wir ein Wochenende zusammen in die Eifel gefahren, um ein Bisschen was anderes zu sehen und das ewige Sitzen mit Wandern auszugleichen.“ Ah ja. Chris im Streit mit, mir – Timo auf dem Sofa daneben. Warum auch immer er das nicht sagen wollte. „Wir müssen Montag beide wieder f… früh arbeiten.“ Da wollte er wohl „fahren“ sagen. Zusammen waren sie da ja noch längst nicht.
„Dann haben wir irgendwann einfach angefangen, uns gegenseitig zu helfen, die Trucks zu putzen, wenn wir freitags rein kamen. Wie wir später festgestellt haben, beide, um den anderen dabei anzuhimmeln.“
„Manchmal hat es sich auch ergeben, dass wir Montags oder Freitags bis und von Nürnberg oder Frankfurt im Konvoi fahren konnten, einmal sogar anderthalb Tage bis Bologna. Da haben wir dann die Pausen zusammen verbracht und auch während der Fahrt über Funk gelabert. So hab ich gemerkt, dass es immer besser zwischen uns passte. Spätestens bei unserem spontanen Freudentänzchen, als Chris ausgestiegen ist und wir uns deshalb nicht in aufgelösten Firmen zwischen Bochum und Glasgow aus den Augen verlieren würden – da waren wir übrigens wieder zusammen im Silvesterurlaub in der Eifel. Wir waren noch kein Paar, aber schon dicke Freunde. Und als ich es dann ein paar Wochen später nicht mehr ausgehalten habe, habe ich all meinen Mut zusammen genommen und Ilarion gesagt, dass ich in ihn verknallt bin.“
„Und wie hat er geantwortet?“ „Neugierig bist Du auch nicht?“ „Ist doch nicht schlimm. Mit einem ziemlich unbeholfenen Kuss.“ „Der war perfekt.“ „Das hast Du wohl nur in dem Moment so gefunden. Es war mein erster Kuss.“
Genug der Unterhaltung, die konnten wir mal irgendwann anders weiter führen. Aber eins war mir noch wichtig, dass die beiden es wussten: „Wenn Ihr mal irgendwann in ein paar Monaten meint, es geht ein oder zwei Wochen nicht zusammen, weil Ihr ein Bisschen Abstand braucht, sagt nur rechtzeitig bescheid. Dann mieten wir eine Zugmaschine und Ihr fahrt so lange Solo oder wenn es gerade passt, stecken wir einen zur Urlaubsvertretung auf einen anderen Truck. Das ist die Vereinbarung zwischen Luke und mir, die gilt dann auch für Euch. Eine Beziehung braucht mehr Platz als ein Fahrerhaus, um auf Dauer zu funktionieren.“
Und nun ging es weit in den Süden für Luke und mich. Er hatte leichte Probleme, den Frachtzettel zu lesen. „Ethylenglyco…what?“ „Ethylenglycoldimethylether.“ „Bless you!“ „Nix Gesundheit. Du kannst aber auch einfach DME sagen, Dimethoxyethane auf englisch. Das klingt sogar mehr nach Niesen als das deutsche.“
Die erste Begegnung mit einem Kollegen der besonderen Art hatten wir auf der A4 bei Köln. Ich dachte immer, die Schweizer wären langsam. Auf Firma Murpf traf das schon mal nicht zu. Ich hatte den Tempomat auf 82 und der fuhr vorbei, als würde er Patricks Trick anwenden – größere Reifen drauf und nicht nacheichen lassen. Das waren mehr als 8 km/h Unterschied.

Wir fuhren weiter durch Belgien und Frankreich. Die eigentlich für den Fahrerwechsel am späten Nachmittag vorgesehene Teepause musste dafür ausfallen. Denn wir machten den Wechsel mitten im Feierabend-Stau auf dem Pariser Autobahnring. So kamen wir bis hinter Orleans, bevor die 9 Stunden Pause auf dem Programm standen.
Dienstag, 29.09.2015
Morgens ging es erst einmal durch den Südwesten Frankreichs. Und das war nur ein Vorgeschmack auf die weite Landschaft, die wir heute noch sehen sollten.

Wir tankten in Nordspanien, weil es sein musste, an sich würde ich das lieber erst morgen machen. Anstatt uns von Raststättenfraß zu ernähren, beschlossen wir, durch die Felder in das Dorf direkt an der Autobahn zu laufen. Dort gab es zum Mittag leckere, hausgemachte Tortilla Espanola.

Nachdem der übliche Wahnsinn im Stadtverkehr von Valladolid und der heftige Anstieg aus der Stadt zur Autobahn überstanden waren, ging es durch die immer wieder beeindruckende Landschaft Spaniens.

Schon reichlich spät gegen 20 Uhr machten wir unsere Teepause auf einem Rasthof. Den Tisch bauten wir auf der hier noch für T-Shirt-Wetter kräftigen Abendsonne im Grünstreifen zwischen Truck und Zaun auf. So hatten wir freien Ausblick über die Felder und Dörfer zwischen hier und der Bergkette am Horizont.

Anschließend fuhr ich noch um Madrid herum bis Venta de Cardenas unmittelbar an der Grenze nach Andalusien. So kamen wir morgen um den Berufsverkehr bei Madrid herum. Weil ich den Truck aber erst um 00:13 Uhr abstellte, mussten wir mit der Abfahrt bis 09:16 Uhr warten. 9 Stunden Pause und 3 Minuten Abfahrtkontrolle…
Mittwoch, 30.09.2015
Und so war es an Luke, den Panoramawechsel einzuleiten. Es ging durch einen Tunnel in die Desfiladero de Despeñaperros. Diese Durchfahrt durch die Sierra Morena war jedes mal wieder beeindruckend, auch wenn wir sie beide schon kannten.


Je weiter südlich wir kamen, umso deutlicher merkte man das dauerhaft warme Klima. Palmen an Flüssen und Seen wurden mehr und mehr die einzigen grünen Flecken in einer immer sandigeren, gelben Landschaft. Wer auch immer das riesige Segelschiff in diesen dafür viel zu kleinen See gehievt hatte.

Als wir um 13:58 Uhr im Hafen von Algeciras ankamen, waren es noch 2 Minuten, bis die Fähre ablegte. Anders ausgedrückt, es war 58 Minuten nachdem der Check-In geschlossen hatte. Anstatt uns mit unserem Teetisch zwischen Lastzügen niederzulassen, gingen wir lieber rüber in die Stadt und setzten uns in ein Cafe.
Die Fähre legte um 18 Uhr ab, also waren wir rechtzeitig um 17 Uhr wieder da, damit ich drauf fahren konnte.
Auf der afrikanischen Seite fuhren wir heute in die Nacht. Insofern war es für Luke nicht so spektakulär. Er stellte allerdings schon fest, dass die Pflanzenwelt nicht ganz seinem Bild von Nordafrika entsprach. „Es ist so grün hier. Ich dachte, Marokko ist ein Wüstenstaat.“ „Hinter den Bergen ist es das auch. Aber hier bleibt der ganze Regen, der in der Sahara fehlt. Die Küste von Marokko ist eine der feuchtesten Ecken von Afrika außerhalb der tropischen Regenwälder.“ Ich war damals aber ähnlich überrascht, wie grün es hier war.
Gegen 23 Uhr tauchte Casablanca vor uns auf. Wir lieferten unseren Trailer bei einer Textilfabrik ab und fuhren ins Motel. Wir kannten uns hier zu wenig aus, um einen sicheren Stellplatz für eine Übernachtung im Fahrzeug zu finden.
Donnerstag, 01.10.2015
Am nächsten Morgen sammelten wir einen weiteren Tanktainer ein, in diesem war Phosphorsäure.
Wir tankten noch eben voll, wobei sich das bei umgerechnet 1,01 Euro je Liter auch nicht mehr wirklich lohnte im Vergleich zu Spanien. Früher waren es hier 66 Cent gewesen.
Unterwegs fuhr ich mal den neuen Rekord für diese Zugmaschine. Da der bisher nie in Nordafrika gewesen war, musste er immer mit maximal 90+5 km/h auskommen. Aber hier in Marokko nahm ich bergab mal den Tempomat raus und ließ mich auf 100 schieben. Mehr wurden es nicht, auch wenn 110 erlaubt gewesen wären. Gang natürlich drin, damit der Motor im Notfall würde mitbremsen können. Man war ja keine 21 mehr.
In Tangier hieß es dann mal wieder aufzupassen. Auf der Hauptstraße gab es genug Ampeln, an denen wir stehen bleiben mussten. Wahrscheinlich ersparte uns der Tanktainer mal wieder den Ärger, denn in der Zone zwischen Einfahrtor und Kontrolle auf dem Hafengelände machten wir noch mal eine Fahrzeugdurchsuchung und fanden keinen.
Weil wir dieses mal kurz vor Ende des Check-In da gewesen waren, konnten wir schnell rüber nach Europa und Luke fuhr am Nachmittag von Algeciras bis zurück aus Andalusien raus.
Schon weit in die Nacht hinein fuhr ich um Madrid herum und in Richtung Barcelona. Erst nach 1 Uhr war der Tag in der Nähe von Zaragoza zu Ende.
Freitag, 02.10.2015
Weil wir erst nach 10 Uhr los durften, konnten wir problemlos um Barcelona herum fahren. Bei Girona machten wir den ersten Tankstopp mit Fahrerwechsel. Danach fuhr ich weiter in Richtung Montpellier.
Vor der Stadt gab es einen Stau. Das war zumindest in Richtung Stadtzentrum um die Uhrzeit ungewöhnlich. Aber der Grund wurde dann auch klar. Die Fahrer von zwei PKW waren sich nicht so ganz einig geworden, wie ein Reißverschluss funktioniert und das Ergebnis war ein per eingesprungener Rolle Seitwärts in der Wiese geparktes SUV.

Jedes mal, wenn ich nach Montpellier rein kam, fragte ich mich ja, was der Künstler mir mit dieser schwebenden Milchflasche sagen wollte. Da half es auch nichts, dass ich jemanden mit Interesse an den bildenden Künsten auf dem Beifahrersitz hatte, denn auch er fand keine zufrieden stellende Interpretation des Kunstwerks.

Über den Viaduc de Millau, den wir beide bereits kannten, fuhr Luke auf der letzten Etappe nach Clermont Ferrand. Nachdem wir abgesattelt und die Zugmaschine in einem Gewerbegebiet geparkt hatten, konnte das Wochenende kommen. Vorm Hotel war kein Platz für so ein großes Fahrzeug gewesen.
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Was ein Foto-Kapitel. Aber man muss rückblickend sagen, dass zu dieser Zeit die Modmap von TSM und auch die erste Generation Tagebuchschreiber auf ihren Höhepunkt zusteuerte.
Spanien und Portugal war definitiv das am besten gebaute Gebiet der TSM. Es war, wie sich zeigen sollte, aber leider auch die letzte große Erweiterung. Bisher war ich selten und noch seltener bei Tage über Valladolid hinaus gekommen, daher gab es auf dieser Tour so viele Screenshots von neuen Details.
Es gab zu der Zeit auch von vier Tagebuchscheibern – Marc aka „Sauerländer“, „Patrick Schütz“, Dirk „Iceman684“ und mir – wöchentlich neue Kapitel. Dazu kamen regelmäßige, aber nicht systematisch nach Kalender Veröffentlichungen von Denis aka „Viki“ und „Deichgraf“ Uwe sowie noch 3 bis 5 andere, unregelmäßig schreibende Autoren. Es wurde sich untereinander abgestimmt, auf Rastplätzen getroffen, mit gebrauchten Trucks gehandelt oder wenn das nicht klappte zumindest übereinander gesprochen oder auch mal ein Bisschen gelästert.
