Kapitel 74 – Neuanfänge

Diese Woche…
…trägt Ricky fremde Schuhe…
…Luke bittet zum Tanz…
…und Maxim begeistert die Briten!

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Freitag, 30.10.2015

Wir kamen am Nachmittag in Cardiff an. Nachdem wir eingecheckt hatten, tingelten wir durch die Szenebars der Altstadt. Es wurde ein schöner Abend auf den Spuren unserer ersten Beziehung und am Ende waren wir froh, dass es für den Weg zu unserer Unterkunft im ohnehin abends mit Vorsicht zu genießenden Grangetown Taxis gab.


Samstag, 30.10.2015

Und auch an diesem Tag ging es in die Vergangenheit. Cardiff spielte auswärts in Ipswich, also gingen wir in eine Kneipe und sahen das Spiel im Fernsehen. Es war der Laden, wo wir uns vor anderthalb Jahren wieder begegnet waren. Das war aber auch kein allzu großer Zufall gewesen, denn wir waren zum Fußball gucken schon früher oft hier gewesen.

Wir hatten diese zwei Tage genossen. Mit allen Erinnerungen an die schöne Zeit von damals und der Gewissheit, dass wie wieder in einer solchen Zeit lebten, gingen wir für die letzte Nacht in unser Bed & Breakfast. Auch das war eine Tradition von damals.
Paul und Stewart, das schwule Betreiberpaar, hatten uns zu unserer Überraschung auch beim Check-In wiedererkannt und so wollten sie an diesem Abend wissen, was wir seit den frühen 2000ern alles erlebt hatten. Wir erzählten ihnen im Kaminzimmer so viel wie wir für nötig hielten. Sie waren überrascht, dass wir so lange auseinander gewesen waren. Angemerkt hatten sie es uns jedenfalls nicht. Noch ein Beweis, dass wir wieder oder immer noch perfekt zusammen passten.


Sonntag, 01.11.2015

Nun wurde es ernst. Nach dem Frühstück ging es auf die 2 Stunden dauernde Fahrt nach Cardigan. Dass es ernst wurde, merkte mal wieder vor allem der Verdampfer in meiner E-Zigarette. Luke merkte es logischerweise auch, da ich wenig sprach.

Schließlich kamen wir dort an, wo ich Weihnachten schon mal geparkt hatte. Vor seinem Elternhaus. Ich atmete noch einmal tief durch – mit Dampf und Nikotin beim Einatmen – und wir stiegen aus.

„Hello Ricky.“ Seine Mutter bemühte sich erst gar nicht, zu verstecken, dass ihre Stimmbänder gerade maximal 5 Grad über Null hatten. „Dweud Mairwen. Braf gweld â ti eto.“ Ob es wirklich schön war, sie wieder zu treffen oder das eine sarkastisch angewendete Floskel blieb, musste sie mir erst noch beweisen. „Byddwch yn dal siarad Cymraeg?“ Ja, ich sprach noch Walisisch und das schien bei ihr Eindruck zu machen. Hatte es damals schon, dass ich es überhaupt gelernt hatte.
Sie war, was walisische Traditionen anging, hier im Haus definitiv die treibende Kraft und stammte, mit Ausnahme einer schweizerischen Großmutter, aus einer ur-walisischen Familie. Lukes Vater war englischer Abstammung, in welchem der 5 Leightons quer über das Land verteilt auch immer sie im Mittelalter ansässig waren, als die Nachnamen verteilt wurden. Lukes Ur-Urgroßvater aus der väterlichen Linie hatte jedenfalls schon in Wales gelebt. Auch Lukes Vater pflegte einige walisische Traditionen, hatte aber auf der anderen Seite geschafft, dass beide Kinder englische Vornamen bekommen hatten, in einer Zeit, als walisische Namen und die ganze Sprache ohnehin noch ziemlich auf der Kippe standen.
Auch Lukes Schwester und Vater machten erst einmal keinen Hehl daraus, dass sie mich nicht mehr mochten. Gesprochen wurde nach meiner Begrüßung ausschließlich Walisisch.

Weil Luke dem schnell eine Nachricht geschrieben hatte, kam Ben nach 20 Minuten von seinem Elternhaus im benachbarten Llangrannog rüber. Er hatte gerade zweieinhalb Wochen Heimaturlaub, bevor er nach San Diego fliegen musste und dort wieder für 10 bis 12 Wochen an Bord gehen musste. Er war sozusagen unsere Verstärkung. Demonstrativ empfing er mich herzlich mit einer Umarmung.

Irgendwann konnte Mairwen aber ihre Augen auch nicht mehr vor besonders einer Tatsache verschließen, nämlich vor Lukes Stimmung: „Mein Junge, so glücklich wie heute habe ich Dich nicht mehr gesehen seit… so langer Zeit.“ Ben war in der Hinsicht ein Aas und hakte an der Denkpause ein. „Sag es doch, Tante Mairwen. 2007 Ostern, das letzte mal, als Ricky und Luke zusammen hier waren.“ Sie nickte, man konnte ihr ansehen, wie sie über Bens Bemerkung grübelte.

Zur Teatime hatten wohl alle erkannt und akzeptiert, dass es hier erstens sowieso nicht nach ihnen ging, sondern nach ihrem Sohn und Bruder, der mich haben wollte. Und zweitens dass dem das wirklich gut tat.


Montag, 02.11.2015

Einmal dachte ich, als ich morgens wach im Bett lag und mich noch nicht zum Aufstehen durchringen konnte, kurz an die Firma. Julian dürfte mich gerade als Personalchef vertreten und die Einweisung mit Maxim und Tomas machen – einschließlich Trucker-Knigge für Großbritannien.

Irgendwann hatte ich genug vom herumliegen, küsste Luke wach und flüsterte ihm „Penblwydd hapus!“ ins Ohr. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.

Wir machten uns fertig und gingen runter, wo Luke sein Geburtstagsständchen von der Familie bekam. Danach waren wir mit seiner Mutter bis zum Nachmittag alleine, aber liefen auch mal ein Stück mit Baloo, dem Berner Sennenhund durch die gemütliche Kleinstadt.

Die Stimmung auf der Feier wurde am Abend ausgelassen. Und irgendwann ritt Luke der Teufel: „Kannst Du noch Clog Dance, Ricky?“ „Die Grundfiguren kommen bestimmt schnell wieder. Erwarte nur keinen Hockschritt und keine Sprünge übers Halstuch. Aber ich habe keine geeigneten Schuhe hier.“ „Hockschritt würde ich wohl noch schaffen, aber keine Sorge, denn übers Halstuch komme ich auch nicht mehr. Und meines Wissens hast Du die gleiche Schuhgröße wie Dad.“
Also half alles nichts, ein paar Minuten später hatte ich die Stepptanzschuhe von Lukes Vater an und Lukes Mutter saß am Klavier. Luke gab mir Anweisungen, welche Schrittfolge er jetzt haben wollte.

Walisischer Stepptanz war ein nebeneinander – das dann synchron oder spiegelverkehrt – und auf Wunsch auch gegeneinander, wo die Tänzer versuchten, mit einem Solo das Publikum zu beeindrucken. Hier mal zur Darstellung ein schon etwas älteres Video von einem Bruderpaar bei einem Kulturfestival.

Es gab ein paar Lacher, als mir doch der eine oder andere Fehler unterlief und wir verschiedene Sachen tanzten oder bei einer Figur, bei der man abwechselnd in die eigenen Hände und die des Partners klatschte, aus dem Takt kamen. Bei einer Stelle nahm ich die falsche Richtung und anstatt parallel nebeneinander bewegten wir uns aufeinander zu und stießen zusammen. Aber vielleicht auch gerade dadurch war es eine lustige Einlage.

Danach zeigten Luke und Ben mir, wie es gemacht wurde. Die zwei hatten logischerweise mehr drauf als ich. Wie angekündigt setzte Luke aber auch an der Stelle kurz aus, als Ben ein vorher schnell organisiertes Halstuch, das zu den Standard-Utensilien eines Tänzers gehörte, zusammenwickelte und quasi als Sprungseil benutzte. Weil es entsprechend kurz war, eine schwierige Übung.


Dienstag, 03.11.2015

Nach dem Frühstück reisten wir wieder ab. Ich fuhr den ersten Abschnitt bis Welshpool. Dort machten wir Pause, aßen ein Sandwich und machten Fahrerwechsel.

Obwohl sie sich gestern einige Zeit mit Laden im Ruhrgebiet herumgetrieben hatten, waren unsere Fahrer dem deutschen Spotterforum unerkannt entkommen. Viele waren Jugendliche und damit wieder in der Schule.

Maxim fuhr nach London und in den Großraum Birmingham zum Entladen. Dann leer zurück nach Sussex und Kent, wo er dann seine Rückfracht holte und wieder mit dem Zug aufs Festland fuhr.
Tomas hatte die Fähre nach Harwich genommen, lieferte in Felixstowe, Manchester und Carlisle ab, holte neue Fracht in Glasgow und Newcastle und war dann auf dem Rückweg mit der Fähre von dort nach Ijmuiden gebucht. Beide mussten sie am Freitag noch abladen und waren zum Wochenende wieder zu Hause.

Ich suchte mal ein britisches Forum und wurde auch zumindest für einen Truck sofort fündig, obwohl beide erst heute auf britischem Boden angekommen waren. An einem typischen Standpunkt auf der Strecke aus dem Eurotunnel-Termial raus war Maxim einem Spotter vor die Linse gefahren – und ja, Fahrzeuge sind im Englischen, wenn man sie schön findet, nicht mehr sächlich, sondern weiblich.

Shot this German beauty on her way from the Tunnel to Greater London. Until now I thought KFL are just into chemical logistics. However, I have never seen a lorry from the Continent in such a pure British style. She just could get some additional headlights.
Also surprinsingly the driver waved at me the British way and did not do the stupid horn and flash light stuff as most other drivers from the Continet will do. Considering the trailer signage it looks like we will enjoy their visits regularly now.

Also waren wir im Land schon das erste Mal positiv aufgefallen und Maxim, den ich als den ich nenne es mal „direkteren Charakter“ der beiden einschätzte, hatte die Feuertaufe bestanden. Ich suchte im Firmensystem seine Diensthandy-Nummer raus und sendete ihm den Link zu dem Bild mit einem Daumen-Hoch-Emoji. Zweiter Tag, erstes Lob vom Chef. Hoffentlich wurde er nicht übermütig, aber mir gefiel, was ich gesehen und gelesen hatte…
Danach registrierte ich mich auch in diesem Spotterforum. Wenn die Gerüchteküche verbunden mit den Bildern, die manchmal auch einiges aussagten, hier genauso funktionierte wie in Deutschland, dann bekam ich so ganz nebenbei einen Marktüberblick über das Zielgebiet unseres zweiten Standbeins.

Wir kamen gegen 14 Uhr bei Keith in Sheffield an. Er hatte den Vormittag im Büro verbracht und nun verbrachten wir noch einen schönen Nachmittag in der Stadt und hängten einen Abend in einem Restaurant dran, wo man gerade noch so mit Hemd und Edeljeans rein kam.


Mittwoch, 04.11.2015

Den Anfang unserer halben Woche machte eine Lückenfüller-Fracht für Talke von Sheffield nach London. Weil es auf der M1 ordentlich geknallt hatte, wählten wir den Umweg über die parallele A1. Auch in England war der Sommer im Spätherbst zurückgekommen.

In London wechselten wir auf einen Tanktainer, die zweite und letzte Fracht. Am Wochenende wollten wir mit diesem Fässchen Benzol in Portugal sein. Zum Abschied unserer Inselwoche bekamen wir dann doch noch einen englischen Regenguss ab.

Mein Handy meldete sich, es war Patrick. Der hatte es am Montag schon mal versucht, aber während Lukes Geburtstag war das Handy abgemeldet. Mal hören, was er wollte. Erst mal schaltete ich am Handy aber den Blauzahn aus, damit es aus der Freisprechanlage flog.

„Hi!“ Bei ihm war die Freisprechanlage an und Sabaton wollte sich auch über das Soundsystem mitteilen. „Maaaaaaaaaahlzeit Ricky! Alles klar bei dir?“ „Mal Dir Deine Zeit doch selber. Alles bestens!“ Okay, der Witz war auch langsam übers Verfallsdatum.
„Wenn ich sie selber malen könnte wäre Freitag 21 Uhr.“
„Ja, Freitag um 21 Uhr gedenke ich ein mehrgängiges Menü in Lissabon zu mir zu nehmen.“ „Ohh das klingt schön. Werde wohl wie letzte Woche wieder Donnerstagnachmittag zu Hause sein. Und Montag erst losgefahren…“
Nanu? Das Arbeitstier macht kurze Woche? Ich beschloss mal, weil übers Soundsystem ohne Freisprechanlage nix ins Telefon kommen würde, selbst eine Zeile den Bruno Mars zu machen. „Today I feel like I won’t do anything… Was ist denn bei Dir los, Herr Sonntagabend bis Samstagnacht?“
„Meine Freundin bat mich doch um ein gemeinsames Frühstück am Montag…. Ja und dann ergab sich das so.“
„Tja. So is das eben. Oder das andere Extrem.“ „Das wäre?“ „Partner immer auf Tour dabei.“ „Ab und zu is okay aber dauerhaft? Nein!“ „Jeder wie er mag.“ „Genau.“
Sein Navi vermeldete eine Überraschung „Folgen Sie der A120 Richtung Harwich für mehr als 20 Kilometer.“ Er war auf der Insel, auf die er nicht mehr fahren wollte? Unseres antwortete, wohl laut genug, um doch übers Handy zu gehen „In 800 yards leave the roundabout at the second exit, then leave the roundabout at the 3rd exit.“ „Warum sabbelt dein Navi Englisch?“ „Weil es auf englisch eingestellt ist und walisisch nicht zum Sprachumfang gehört.“
Ich beschloss, ihn mal wieder mit Rätseln und Andeutungen abzuspeisen. Das mochte er nicht und ich mochte nicht, dass er auf der Insel herum fuhr. Ein Konkurrent mehr, den ich dachte, erst mal auf der Route los zu sein. Der sollte sich in mal brav weiter in Skandinavien ausbreiten. Das war Stevens Scandinavia-Express-Problem, nicht meins. Und wenn da der eine das Ruhrgebiet und der andere Ostwestfalen-Lippe beackerte, ging sogar das parallel.
„Wofür brauchst du walisisch? Heimweh?“
„Hier braucht niemand walisisch. Aber es würde trotzdem verstanden.“ Wenn er ein Bisschen nachdachte, dann könnte er jetzt vielleicht sogar drauf kommen, dass ich wieder mit Luke zusammen war. Immerhin hatten wir bei unserem bierseligen Beisammensein mit Beziehungsberatung im Sommer über ihn gesprochen.
„Achso na dann.“
Nun ja, offensichtlich hatte damals unser Bier bei ihm genau die Gehirnzellen erwischt, die für diesen Zusammenhang nötig waren.
Das Navi wollte wieder was von Luke. „In 300 yards leave the roundabout at the third exit, then use the ferry to Calais.“ „Du bist auch auf der Insel?“ „Nicht mehr lange. Und das bedeutet zwischen diesem LKW und der Fähre ist eine Zollstation. Bis später.“ „Okay, bis später.“

„Wer war das denn?“ „Patrick, ein anderer Unternehmer aus unserem weiteren Umkreis.“ „Ein Freund?“ „Na ja – Freund Level 1 würde ich das spontan nennen.“ „Was ist das?“ „Sozusagen Facebook-Freunde in der echten Welt. Also Leute, mit denen man sich versteht, mal unterhalten kann oder einen trinken. Mit Patrick telefoniere ich ab und zu, war 3- oder 4-mal bei ihm, wovon 2-mal darauf fällt, Toms Scania zu besichtigen und abzuholen. Er ist 2- oder 3-mal auf einen Kaffee oder Tee bei uns vorbei gekommen. Das war’s auch schon. Warum fragst Du?“ „Weil ich das Gespräch nicht einordnen konnte. Mal geht es um die Arbeit, mal ums private. Mal machst Du Witze, mal scheinst Du Dich zu ärgern.“

Wir waren am Zoll angekommen. Eine kleine Formalität später durften wir durch und aufs Schiff. Der Regen hatte wieder aufgehört und es war immer noch warm. Also ging ich aufs Deck und rief Patrick zurück. Was wollte er auf der Insel? Außer sich selbst zu widersprechen, was er ja besonders gut drauf hatte.

„Ha?“ Das klang nach frisch abgebissen. „Na, hast Du den Mund wieder zu voll genommen?“ „Ja… gerade was zu essen gemacht. Stehe in Harwich bis 22 Uhr.“ Gutes Stichwort. „Wieso stehst Du eigentlich in Harwich? Dachte, die Insel ist gestrichen?“ „Dachte ich auch. Aber dann kam die Post mit ‘nem Angebot… haben oder nicht haben.“ Das bedurfte der Prüfung in den Spotterforen. Wenigstens bestanden die bei ihren Subs auf gut sichtbaren, hässlichen, gelben Aufklebern.
„Ach so. Na dann. Mit Post habe ich keine Erfahrung. Soll gut bezahlt sein, aber mit salzigen Auflagen.“ „Zahlen gut, ja, aber hängt auch einiges hinter… Termin hier, Termin da und bla bla bla.“
„Also hast Du Deinen Stress von 5 auf jetzt 4 Tage verdichtet?“ „Nicht unbedingt…. Wollen nur etwas zu oft wissen wo ich bin. Aber sonst… letzte Woche Neuss-Nantes-Neuss. Entspannte Runde.“ „Wie sagte der Kollege Piet im Fernsehen?“ Ich packte norddeutschen Akzent aus: „Wat is los? Hast du‘s mit der Prostata?“ „Ja so ungefähr… kommt aber auf den Disponenten an, der anruft. Entweder die erfahren wo ich bin, oder lernen das DAF weder bei Ferrari noch bei Airbus gebaut wird.“ „In Nantes haben wir uns dann wohl knapp verpasst. Waren Mittwoch auf Donnerstag da.“ „Da war ich auf dem Heimflug. Tat aber auch mal gut.“
Das Horn über mir ging los und zwischen Anleger und Fähre bildete sich ein Spalt. Patrick wollte mit der DAF-Serienhupe antworten. „Wie süß. Fast wie eine Iveco-Hupe.“ „Nur nicht mehr im Stimmbruch.“ „Ja, da ist was dran. Die Tröte war wohl aus dem Alfa-Ersatzteilprogramm.“
Der Witz war wohl noch besser als sein Comedyprogramm im Hintergrund. „Maaaaaan is das langweilig hier. Scheiß Fähre.“ Du musst ja nicht. „Tja. So ist das mit den Inseln.“ „Ja. Hast du eigentlich nochmal über ’s Bier nachgedacht?“ Nicht wirklich, hatte auch keine allzu hohe Priorität im Moment.
„Muss mal sehen. Weiß ja nicht, wann ich das nächste Mal zu Hause bin. Jedenfalls nicht kommendes Wochenende.“ „Achso. Fährste wieder weiter weg?“ „Alzheimer? Wie ich vorhin gesagt habe nach Lissabon.“ „Wie man es nimmt… Aber fährst du alleine?“ Rechenkünstler. Wir haben Mittwochnachmittag. Würde ich alleine fahren, fiele das Wochenende irgendwo ins Baskenland oder nicht aufs kalendarische Wochenende.
„Nein. Auch wie ich vorhin gesagt habe…“ Tja, viel Spaß, ich wusste dass ich wieder in Rätseln sprach. Und ich wusste, dass Du das nicht leiden konntest. „Muss doch mal zum Doc, ich mache mir Sorgen…“ „Außerdem ist mein Truck auch nicht von Airbus oder Ferrari…“ „Aber zu zweit geht das doch Easy.“
„Es ist auch schon Mittwochabend. Das geht, aber wird auch bis Freitagnachmittag dauern. Und mach Dir nicht zu viel Sorgen. Denn diese Antwort eben war Denksport. Da habe ich nichts Konkretes gesagt.“ „Na dann. Beste Grüße an deinen Kollegen, weiß ja nicht wer dabei ist.“ „Kennst Du auch nicht. Aber „Kollege“ ist zu kurz gesprungen.“ „Hm?“ Meine Güte, hol Dein Gehirn aus dem Kühlschrank und schließ es wieder an.
„Das ist mehr als Kollege. Ich sagte doch „Partner immer auf Tour dabei.“ „Ich hasse denken… also seid ihr zusammen?“ „Und Sachen, die Du hasst, tust Du grundsätzlich nicht, was?“ Die Breitseite musste jetzt für diesen souveränen Auftritt in Sachen Logik sein. „Der Kandidat hat 100 Punkte und eine Waschmaschine zum Selberkaufen.“ „HA! HA! HA!“
„Ja, wir sind zusammen. Seit Ende August. Kann doch nix dafür, wenn Du in der Versenkung verschwindest.“ „Ah, nett. 1. Darf man wissen wie er heißt und 2. welche Versenkung?“ „1. Lucas und 2. hast Du lange nichts mehr von Dir hören lassen.“ Wer ihn Luke nennen durfte, entschied er selbst.
„Ja, war doch etwas still. Bin im August geflogen. Auf die Fresse. Durfte nicht fahren.“
„Ui, wie hast Du das denn hinbekommen?“ „Nach dem Schläuche anschließen gesprungen statt die Stufe zu nehmen.“ Arbeitssicherheit sollte er mal gelernt haben, immerhin war er sogar Verkehrsmeister und musste seinem Maxi beibringen, dass er besser alles anders machen sollte als sein Ausbilder.
„Band oder Meniskus?“ „Sprunggelenk.“ „Klingt auch nicht besser. Sparen wir uns weitere chirurgische Details.“ „Ja. War auch nicht schön. Darum hieß es erstmal Bürodienst. Und die ersten Tage nach der Pause immer noch mit Schmerzen gefahren.“ Was man auch nicht durfte.
„Okay. Ich würde sagen, wir machen mal Schluss. Wollte noch was Genießbares essen, bevor wir in Calais anlegen.“ „Dann tu das. Ich leg mich n Stündchen hin. Will morgen ausgeschlafen sein. In Amsterdam schnell den Auflieger tauschen und dann mal sehen was meine Rennfrikandel hergibt aufm Weg nach Hause.“ „Rennfrikandel? Aus „nur noch Scania und nicht mehr Insel“ wird also „warte im DAF auf die Fähre von Harwich?“ Auf die Aussage von sich, die er selber mal einhielt, konnte man wohl lange warten.
„Ja. Aber werde Thor wohl den Scania wieder klauen. Ich brauche wohl doch V8 statt Reihensechser unterm Arsch.“
„Alles eine Frage des Reihensechsers.“ „Joa. Aber doch lieber knappe 600 Pferdchen.“ „Einen Pommesvergaser wollt ich auch nicht haben.“ „Was haste nun?“ Woher auch immer er wusste, dass ich was anderes hatte als meinen Iveco – ohne gleichzeitig zu wissen, was es war, falls er auch im Spotterforum war. „Volvo.“ Bloß nicht zu viel Information. Dann freute er sich wieder, dass er nachfragen musste. Post hin, Post her. Bleib von meiner Insel und ich werde wieder netter. Wenn er Post fuhr, fuhr ein anderer, von der Insel nicht abgeschreckter oder sowieso dort sitzender Sub dafür Stückgut und das bekamen wir dann nicht.
„Ahh ja. Wie viel Power?“
„550er FH16.“ Gedenksekunde am anderen Ende. Das war wohl nicht, was er erwartet hatte. „Kinnlade runterklapp Wir treffen uns mal zum Duell der Giganten in den Kasseler Bergen. Verlierer gibt ein aus.“ Könnte knapp werden, wäre aber wirklich mal interessant. „650 war mir dann doch zu viel. Aber mit der Herausforderung vielleicht besser gewesen. Der 600er wäre was gewesen. Aber den gab es ja nur als Euro5 und EEV.“
„Puhh mit den Motoren kenne ich mich nicht aus. Was die Sahne für die Torte, ist der Scania für Transporte.“
Na was ein Spruch. Der war auch so alt, wie er schlecht war. „Sieht außen fett aus, aber innen drin ist nur ein kleiner Boden? Ich bin froh, dass ich die Klemmschachtel nicht dauernd fahren muss. Und zu zweit schon gar nicht. Das untere Bett ist keine artgerechte Haltung für Trucker.“
„Volvo das große Wunder. Außen Blech und innen Plunder.“
Okay, wenn Du denkst, das Niveau geht nicht mehr weiter runter, musst Du nur Patrick fragen. Er findet immer noch eine Bodenklappe im Kellerfußboden. „Aber n bisschen eng ist es wirklich. Aber nur minimal.“
„Bevor wir noch schlechtere Sprüche auspacken, machen wir mal wirklich Schluss. Ciao.“ „Das kommt davon, dass du mich damals nur verarscht hast“ von Frei.Wild im Hintergrund. „Nein, bitte geh nicht. Ich will nicht ans andere Telefon gehen.“ „Ich habe Hunger. Sorry. Viel Spaß mit der Ex. War doch ihr Klingelton?“ „Ja leider. Dann guten Hunger. Bis denn dann mal.“

Und damit gesellte ich mich wieder zu Luke und wir gingen ins Restaurant. Letztes genießbares Essen vor dem Land, wo man in der Küche statt was Ordentliches zu kochen nur noch die Cousine haut. Okay, der Spruch war auch aus dem Kellerverlies von Calau geholt.

Wir wollten noch um Paris herum, also stand noch mal eine kleine Beleuchtungsfahrt auf dem Plan. „Ich weiß nicht, was Vinni und Mahad da für Wimpel im Programm haben, aber die Dinger gehen mir auf die Nerven.“ Da war wohl irgendwo an physikalisch gut berechneter Stelle ein Gewicht drin. Jedenfalls zeigten die Dinger gefühlt bei der Andeutung einer Kurve schon rechtwinklig zur Seite.


Donnerstag, 05.11.2015

Dieser Rastplatz zwischen Paris und Orleans war eine wichtige Anlaufstation. Konnte daran liegen, dass man hier in Frankreich mal ein Frühstück bekam, das nicht aus einem schwabbeligen Croissant mit einer Tasse schlechtem Kaffee bestand.

Der Tag war ruhig. Wir fuhren durch Frankreich und das erste Stück durch Spanien. Das Ziel für heute war, hinter Valladolid zu kommen. Hier war der steile Berg aus der Stadt noch mal ein guter Vergleich zwischen den Trucks, auch wenn wir jetzt leichter waren als seinerzeit mit dem Iveco. Dafür gab es einen stehenden Start an der Ampel.

Den Berg rauf merkte ich, dass ich zwar vielleicht die Geschwindigkeit zum Iveco vergleichen konnte, aber die Gänge nicht. Denn Luke fuhr im 13. Gang hier rauf, der Stralis hatte nur 12. Wir waren ja von 12-Gang Automatik auf 14-Gang Handschaltung umgestiegen.

Auf dem ersten Rastplatz hinter der Stadt füllten wir die Tanks und parkten dann zur Nachtruhe. „Ausgerechnet eine BP-Tankstelle.“ Luke war über die Marke und was sie für uns bedeutete sichtlich amüsiert.

Freitag. 06.11.2015

Wie schon der Vortag war auch der Wochenabschluss eher ruhig. Die Brücke über den Rio Touroes war eine beeindruckende Abwechslung.

Portugal war für uns beide Neuland. Es hatte auf jeden Fall interessante Landschaften. Am Ende hatte es auch Stau vor einer Mautstation kurz vor Lissabon. Wir lieferten den Trailer ab und fuhren zum Hotel ins Wochenende.

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