Kapitel 79 – Youtuber, Truckspotter und altmodische Briefpost

Montag, 04.01.2016

Es war ein großer Aufbruch. Außer uns machten sich zur gleichen Zeit noch als zweites Zweimannteam Ilarion und Timo und die beiden Großbritannienfahrer Maxim und Tomas mit ihren feinverteilten Ladestellen auf den Weg. Dabei fiel mir Maxims neues Spielzeug auf: „Was hast Du denn mit der Dashcam vor?“ „Erinnerungen filmen. Wenn mal eine Strecke besonders schön ist.“ „Ach so. Ich dachte, Du bist vielleicht Youtuber.“ „War ich ehrlich gesagt auch mal.“ „Du warst mal?“ „Ja. Als ich keinen Bock mehr auf meine alte Firma hatte, habe ich aufgehört. Nach der Probezeit wollte ich gucken, ob ich hier weiter machen kann.“ „Warum erst dann? Wie heißt denn Dein Channel?“ „Russkij_vons_Berge, Russkij mit IJ am Ende und Unterstrichen zwischen den Wörtern.“ Das war ein witziger Name. Er wohnte in Gevelsberg-Berge, aber wenn man das nicht wusste, schien es so, dass er schlecht Deutsch konnte, obwohl er es so gut konnte, dass er sogar mit der Sprache spielte. „Ich schau mal rein.“

Erst mal hatte ich allerdings das kleine und schon seit damals für jegliche Entscheidungen, unangenehme Aufgaben zwischen uns zu verteilen, verwendete Spielchen Schere, Stein, Papier gegen Luke verloren. Also „durfte“ ich damit die erste Runde fahren, während er auf dem Beifahrersitz bei einem Tee langsam auf Betriebstemperatur warmlief. Es ging Solo nach Düsseldorf und dort wartete ein Trailer Sprengstoff auf uns – und irgendwo weiter nördlich ein schwedischer Steinbruch auf seinen Sprengstoff.
Ich sattelte den Trailer auf, während Luke sich um die Papiere kümmerte. Als er kam, machten wir noch schnell die Lichtkontrolle und es ging los über A3 und A2 durchs Ruhrgebiet und schließlich über die A1 in Richtung Norden. Meine Fahrzeit reichte bis zu einem Parkplatz im Münsterland namens „Settel“.
Dort übernahm Luke und ich sah mir erst mal einige Videos von Maxim an. Sein Stil erinnerte mich an die guten Zeiten eines damals durchaus kultigen Kanals eines anderen Fahrers. Kommentare zu dem, was um ihn herum geschah, ein Blick hinter die Kulissen des Truckerlebens, Running Gags, durchaus auch mit Blumenkohl, den er auch reichlich aus der Bretagne ins Bergische Land gekarrt hatte – und dabei auch mal besagten anderen Youtuber oder den einen oder anderen Kollegen aus dessen Firma getroffen hatte. Und dann gab es noch „Ivan den Schrecklichen“, den er zeitlich aber unabhängig von besagtem, ähnlichen Kanal erfunden haben musste, denn so ausgefeilt ließ sich eine Kunstfigur nicht binnen weniger Tage kopieren. Ivan war ein russischer Rüpel, der so tat als würde er klauen, mit Drogen dealen, besoffen fahren und für einen Hungerlohn den deutschen Fahrern die Arbeitsplätze wegnehmen.
In den späteren Folgen merkte man, dass Maxim die Lust verlor und irgendwann im August, als er wohl endgültig die innerliche Kündigung durch hatte, verabschiedete er sich „für einige Zeit“ von seinen Zuschauern.

Ich nahm mein Handy und rief bei Maxim an. „Hallo Ricky!“ „Hallo Ivan der Schreckliche.“ „Du hast meine Videos gesehen?“ „Alle wohl kaum, das reicht ja für Tage, was Du da zwei Jahre lang zusammengefilmt hast. Aber die, die ich gesehen habe, sind genial. Du weißt, was Du nach unserem Arbeitsvertrag darfst und was nicht. Sogar Deiner alten Firma hast Du keinen rein gewürgt, als Du die Schnauze voll von denen hattest. Wenn man das so anschaut, hast Du Deine Fans und kennst Deine Grenzen. Viel Spaß bei KFL Intertrans, Russkij vons Berge!“ „Cool! Danke!“

Im Norden lag Schnee, aber die Autobahn war so weit frei und wir kamen noch gut voran. In Hamburg sahen uns einige Passanten misstrauisch hinterher. So ein Trailer mit deutlichem Schild „1.1 Rumms!“ auf der Seite war aus der Nähe nun einmal nicht jedermanns Sache.

Während Schneefall einsetzte und Luke das Tempo drosseln musste, sah ich, dass auch wir die gefilmten waren. Und zwar im Truckerforum.

< Matches>
Habe heute die Ferien genutzt und bin bei Sonnenaufgang an der A2 in Bottrop gewesen. Jetzt ist auch klar, was die Schrift auf dem FH16 von KFL sollte. Der hat auch britischen Style bekommen.

Nachdem ich bei Neumünster den Truck nach einem letzten Tankstopp mit „billigem“ deutschem Diesel übernommen hatte, fuhr ich weiter durch das Mistwetter. Es war wenigstens nicht so schlimm, dass wir mit unserer Risikofuhre stehen bleiben mussten.
Aber die letzte Fähre würden wir so wohl nur von hinten sehen. Da half es auch wenig, dass der Schneefall hinter Rendsburg aufhörte.

Und um unserer Planung den Rest zu geben, war da ja noch die Kontrolle an der dänischen Grenze. Wir sahen wohl so verdächtig aus, dass man uns mal ganz auf die Seite nahm und nachdem wir schon fast 20 Minuten angestanden hatten, um die Ausweisdokumente zu zeigen, gleich noch mal eine Viertelstunde lang den Truck von oben bis unten filzte.

So waren wir dann in Frederikshaven, als die Fähre schon seit 20 Minuten über alle Wellenberge war. Zusätzlich dazu hätten wir 30 Minuten vorher hier sein müssen. Also durften wir im Hafenbereich übernachten. Wir nutzten die Gelegenheit, das Salz vom Truck zu waschen.


Dienstag, 05.01.2016

Auf dem Schiff gingen wir als erstes duschen und frühstücken. Danach blieben wir noch etwas im Restaurant sitzen. Maxim hatte ein neues, kurzes Video aufgenommen und hochgeladen. Es zeigte ihn, wie er im Hafen von Rotterdam in seinem Truck saß und auf die Beladung der Fähre wartete.

„Privjet. Russkij vons Berge ist wieder da. Sicherlich wollt Ihr wissen, was los war. Ich habe mir nach langem Überlegen eine neue Firma gesucht. Weil ich Euch nicht zeigen wollte, wie meine Laune immer weiter den Bach runter gegangen ist, habe ich also mit filmen aufgehört. Eigentlich wollte ich mich erst später zurückmelden, denn ich bin noch in der Probezeit. Aber mein neuer Chef ist so eine coole Socke, der hat mir gesagt, ich soll ruhig weiter machen, nachdem er festgestellt hat, wen er da eingestellt hat. Ich glaube, mein alter Chef hat das bis heute nicht geschnallt.“ Das wäre Kunst, Blindheit oder konsequentes Ignorieren der neuen Medien, denn seinen Truck mit Aufschrift hatte man oft genug gesehen. „Aber ich werde natürlich trotzdem erst mal langsam machen. Also werdet Ihr in den nächsten Folgen viel Maxim und so gut wie keinen Ivan sehen.“
Das war seine Sache. Wenn er es nicht übertrieb, so dass es negativ auf die Firma zurückfiel, dann konnte er so viel Ivan sein wie er wollte. Und wenn er nach dem Ende der Probezeit die Sache mit Ivan überzog, würde ihn das auch nicht vor einer Abmahnung schützen.
„Ich habe ein neues Spielzeug. Erst mal das hier, eine Dashcam. Oder so wie ich sie angebaut habe, ist es eine Unter-der-Sonnenblende-Cam.“ Die läuft dauernd mit und überschreibt das älteste, wenn die Karte voll ist. Wenn ich was behalten will, muss ich nur unten auf der Fernbedienung einen Knopf drücken und es wird die letzte und die nächste Minute gespeichert. Oder wenn ich eine richtig tolle Strecke fahre, kann ich auch Daueraufnahmen machen. Ohne mit einer Hand den Auslöser zu bedienen wie bei der alten.“
Er stieg aus. „Und das ist das neue Spielzeug, das mir mein Chef gegeben hat. Iveco Stralis Hi-Way, 500 PS. Ich kann die Kommentare schon lesen. Oh Gott, Iveco! Wie kann man nur? Da hast Du aber die falsche neue Firma ausgesucht! Leute, Ihr habt keine Ahnung! Das habe ich vorher auch so ein Bisschen gedacht, aber es war mir Scheißegal. Ich hatte beim Vorstellungsgespräch ein gutes Gefühl und wollte den Job in dieser Firma, egal mit was für einer Zugmaschine. Dann bin ich das erste Mal damit gefahren. So ein geiles Teil, sage ich Euch! Okay, bisschen kleinere Fächer als im DAF. Aber für einen alleine reicht ’s locker. Die Zeiten, wo Ivecos nur klappern und rosten konnten, sind vorbei. Wir haben einen Hi-Way mit über 200.000 auf der Uhr in der Firma, der steht genauso gut da, wie mein alter XF nach der gleichen Strecke. Und der Motor ist die Krönung. Der hat 10 PS weniger als der DAF, aber fühlt sich an wie 40 mehr. Ich will nicht zurück tauschen!“
Er ging vom Truck weg: „Und so sieht der ganze Zug aus. Also, KFL Intertrans heißt mein neuer Brötchengeber und ich muss Montag früh nach Bochum statt nach Wuppertal. Und da seht Ihr auch schon, wo ich mich jetzt in der Woche rum treibe. Nix mehr Blumenkohl, jetzt bringe ich den Briten vernünftiges Bier und Sachen, die im Dauerregen nicht wachsen, auf ihre Insel. Und auf dem Rückweg habe ich für Euch so Leckereien dabei wie Pasteten mit Innereienfüllung, zwei Monate abgelagerten Plum Pudding und Pfefferminzschokolade. Und natürlich muss ich das Zeug da drüben auch selber essen.“
Seine Sprache wechselte, der Akzent wurde härter und Grammatik war auch nur noch eine Richtlinie: „Aber in Sibirien, der Ivan hat Beeren von die Busche gesammelt und mussen tiefgefroren lutschen. Da ist ein lecker Nieren-Pie mit lauwarmes Bier richtiges Delikatesse!“ Luke und ich kriegten uns nicht mehr ein.
Er sprach normal weiter, also mit seinem leichten Russen-Akzent, den er immer hatte: „Nein, ich muss gestehen, dass ich noch kein Steak and Kidney Pie gegessen habe. Und auch für Haggis war ich noch zu feige. In Wales habe ich aber schon Lammbraten mit Kartoffeln, gedünsteten Möhren und Minzsoße probiert. Schmeckt ganz gut. Und ich esse gerne Fish and Chips mit Essig auf den Pommes und dem Fisch und dazu Erbsenpüree und Remoulade. Richtig lecker sind aber die Cornish Pasties. Aber danach muss ich auf dem nächsten Parkplatz die Hanteln auspacken, denn da ist gut was drin. Und die ganzen Sachen, die sich gefährlich anhören, probiere ich nach und nach auch noch. Ihr werdet dann mit mir leiden dürfen.
Außerdem mag ich die Leute da drüben. Ich glaube, das Wort „Hektik“ kann man nicht eins zu eins ins Englische übersetzen, denn die kennen so was nicht. Kommst Du 20 Minuten zu spät und willst Dich schon 100-mal entschuldigen, dann sagen die nur: „Wir haben gerade Tea Time. Setz Dich erst mal hin. Milch? Zucker? Da stehen die Kekse.“
Also, ich nehme diese Woche fleißig auf und ab Sonntag gibt es wieder wenn möglich jede Woche eine neue Folge Russkij vons Berge. Do’swidanja!“


„That guy is somewhat round the bend!“ Luke lachte, während er Maxim eine kleine Macke bescheinigte. „Yes, but in a funny way. I like him. At least as long as it is not about ice hockey!“

Schließlich durften wir, nach dem Anlegen und einer weiteren Kontrolle, nach Schweden einreisen. Es ging durch die Landschaft, die auch hier noch nicht lange winterlich sein konnte. Es lag Schnee, aber auf den Seen keine Spur von Eis.

Wir fuhren schließlich auf eine Straße, die kaum breiter war, als unser Truck und in den Steinbruch, eher eine Steinverarbeitungsfabrik.
Dort blieb ich erst einmal auf einer Bodenwelle stecken und musste die Liftachse mit manueller Steuerung anheben, damit die Antriebsachse wieder auf den Boden kam. Bekanntes Problem – die Liftachse drückte die Antriebsachse vom Boden weg und dann reichte die Traktion nicht mehr.
Zu unserer Überraschung standen gleich zwei Trailer von Talke hier. Einer davon enthielt unsere neue Fracht und die Papiere eine kleine Sprachübung für Luke: Hexafluoridokieselsäure. Die fiel bei der Phosphorgewinnung aus Granit als Nebenprodukt an und wurde somit auch verkauft.

Wir nahmen zurück den Landweg und Luke durfte weiter fahren. Auf Dauer würde ich es im Winter in Skandinavien nicht aushalten. Es war kurz nach drei und die Sonne ging unter.

Von Malmö bis zum Rasthof Högelund war ich wieder dran, ein reichlich unspektakulärer Abschnitt. Dafür bekam Luke wieder Schneeregen, als wir die deutsche Grenze passierten. Allerdings hörte er schon bei Neumünster wieder auf.

Wir kamen noch bis hinter Hamburg, bevor wir eine Schlafpause einlegten. Der Rastplatz war reichlich voll, aber wir fanden noch eine Lücke.


Mittwoch, 06.01.2015

Weil wir erst gegen halb zwei angekommen waren, mussten wir bis halb elf stehen bleiben. Dementsprechend leer war der Platz dann. Wir waren davor schon eine Weile wach, also mal wieder auf Lukes Wunsch Salzkruste von seiner mühevollen Arbeit abwaschen. Würde zwar nichts nützen, weil der Rotz bis Bremen wieder so dick drauf war wie vorher, aber was sollten wir sonst den ganzen Vormittag machen?
Die einzige Etappe des Tages fuhr ich. Weil wir heute sowieso nicht nach Frankreich rein kommen würden, wollte ich im Büro mal die Bewerbungen sichten. Dann konnten wir noch ein Bisschen zu Hause ruhen und nach 9 Stunden wieder los fahren.

Zwischen Vechta und Osnabrück kam uns ein Schütz-LKW entgegen. Wir grüßten gegenseitig kurz mit der Lichthupe und ich wartete, ob jemand über Funk rief, aber es blieb still und ich musste auch nicht unbedingt jetzt funken.

Als ich von der Autobahn runter fuhr, stand ein Durchschnittsverbrauch von 30,0 Litern im Bordcomputer. Damit war der Volvo D16K wenn er konstant laufen konnte sparsamer als so mancher kleinere Motor, den ich gesehen hatte. Aber wehe es kamen kurvenreiche Landstraßen, Berge oder Mautstationen in die Quere.

Luke tankte und fuhr den Zug in die Halle. Ich ging schon mal die Treppe hoch. Mittwochs um 3 wurde ich hier wohl nicht erwartet. Jedenfalls standen Judith und André am Dispo-Tresen und diskutierten bei einem Kaffee die Weltpolitik. „Hallo! Unangekündigter Kontrollbesuch!“ „Dann tun wir mal besser so, als würden wir arbeiten.“ Sie war die Bürochefin. So lange das Büro rund lief und die LKW optimal unterwegs waren, sowie André in ein paar Wochen seine Zwischenprüfung schaffte, konnten sie von mir aus so viel Kaffee trinken und dabei Smalltalk halten, wie sie wollten. „Judith, Du kannst mir bitte gleich mal die Bewerbungsmappen rauslegen.“


Es galt erst einmal, die üblichen Verdächtigen vom Amt auszusortieren. Man durfte an sich ja niemanden wegen seiner Herkunft diskriminieren, aber wer seit dem EU-Beitritt aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland gekommen war und nur arbeitslos hier auf der Staatskasse herum hing, kam mir dennoch nicht ins Haus. Zumal eine fehlerfreie Bewerbung, die dann unter deutschen Sprachkenntnissen nur „ausreichend“ aufführte, auch schon eine Aussage für sich war. Die hatte dann wohl der Sachbearbeiter auf dem besagten Amt geschrieben oder vermutlich nur kopiert und personalisiert. Und der Absage-Textbaustein war ja auch unverfänglich genug, um juristisch zu bestehen.
Das Gleichstellungsgesetz war so oder so sein Papier nicht wert. Gesunder Menschenverstand machte die Regeln, die es vorschrieb, überflüssig und wenn man nicht wollte, konnte man es auch umgehen. Der Nachteil für ernsthafte Bewerber war jetzt nur, dass sie nicht erfuhren, warum sie abgelehnt wurden und sie konnten sich dadurch auch nicht verbessern, indem sie sich zum Beispiel fortbildeten oder ein entsprechendes Persönlichkeitstraining absolvierten. Denn sie erfuhren ihre Defizite ja dank dem allgemeinen Blabla in der Absage nicht mehr.
Am Ende blieben nur mit einiger Mühe 5 Kandidaten für ein Gespräch übrig. Das würde an einem Tag oder auch an zwei aufeinander folgenden ein heißer Bewerbungsgespräche-Marathon.
Nummer 1 war Isabelle Hasenkamp, 30 Jahre. Sie stand seit 8 Jahren ihre Frau in der Männerdomäne, war die letzten Jahre bei Emons in Köln gefahren.
Dann war da Lars Scherer, 42 Jahre alt. Er fuhr derzeit Fernverkehr für ein kleines Unternehmen aus Mönchengladbach mit vielen Zweiwochentouren und wollte demnächst kürzere Strecken fahren, maximal eine Woche und jedes Wochenende zu Hause.
Wilhelm Solberg war 45 Jahre und wollte den umgekehrten Weg gehen. Er war derzeit mit Getränken in einem Radius bis zu 100 Kilometer unterwegs und wollte wieder raus kommen. Zuletzt war er vor 3 Jahren im Fernverkehr unterwegs. Warum auch immer er dann auf Kurzstrecke gewechselt war.
Elijah Goldblum war vor ein paar Tagen 35 geworden, mit dem fast schon klischeehaften Namen ein Kandidat, für den man mal das eben schon bei den Osteuropäern erfolgreich ausgehebelte AGG geschrieben hatte – Abschnitt „Religion“. Er wohnte derzeit in Münster, würde aber in den kommenden Wochen nach Remscheid ziehen und suchte jetzt hier eine Stelle in der Gegend. Weil er einige Jahre Tankzüge bei der Westfalen AG gefahren war, sah ich ihn, sollte er sich durchsetzen, mittelfristig auf einem Talke-Zug, egal ob in Dormagen oder Bochum stationiert. Er wohnte dann sowieso genau in der Mitte.
Letzter im Bunde war Moritz Stein, 22 Jahre jung und seit Beginn seiner im Sommer 2015 abgeschlossenen Ausbildung für Monjean in Düren gefahren. Seine Beweggründe für den Wechsel blieben aus der Bewerbung ein Bisschen unklar.


Donnerstag, 07.01.2015

Punkt Mitternacht ging es weiter. Luke setzte sich hinters Steuer und ich legte mich ins Bett. Es dauerte nur ein paar Straßenecken, bevor ich eingeschlafen war. Das nächste, was ich mit bekam, war, als Luke mich weckte: „Wo sind wir?“ „Bei Charleroi. Meine Fahrzeit ist rum.“
Jetzt legte er sich noch mal hin. Ich schaffte es dann bis zum Kunden in Paris. Wir waren ein Bisschen hinter dem dicksten Berufsverkehr gewesen, dadurch ging es in der Stadt auch flott voran – zumindest für Pariser Verhältnisse.
Ich fuhr noch solo durch die Stadt zum neuen Trailer, ein ungespülter Dieseltank nach Clermont. Luke ritt, bis kurz vor Clermont der Tachograph langsam aufdringlich wurde, die Etappe auf einer Arschbacke ab. Dieselben würden sich die Leute, die unterwegs Heißluftballone für eine Fahrt vorbereiteten, wohl bei den Temperaturen eher abfrieren.

Das letzte Stück fuhr ich ans Ziel. In Clermont dann hieß es Samstagsarbeit abholen, denn vorher würden wir mit dem Fässchen Natronlauge wohl nicht ans Ziel kommen. Heute reichte es noch bis fast an die Grenze nach Frankreich. Wasser gab es an der Mautstelle keins, an der wir die Nacht verbringen mussten. Immerhin wurde hier weniger Salz benutzt, aber auch Schneematsch machte alles grau. Und so musste es dann wohl auch bleiben.


Freitag, 08.01.2015

Ich wurde wach, als Luke aus der Koje runter kletterte. Also ging ich auch noch mal kurz raus und brachte die Getränke von gestern Abend weg. Die ganze Landschaft war mit einer nur dünnen Schneeschicht überzogen.

Ich legte mich noch mal hin, während Luke fuhr. Gerade als ich eingeschlafen war, riss mich aber der Telepass-Transponder wieder aus dem Schlaf. So konnte ich auch gleich aufstehen und Tee kochen.

Als wir hinter Mailand Fahrerwechsel an einer Mautstation machten, war von Winter nichts mehr zu sehen.

Meine Zeit reichte bis kurz vor die Grenze nach Österreich, wo wir uns noch im Rasthaus für die Grenzkontrolle stärkten. Die Österreicher nahmen es aber entspannter, knapp 8 Minuten hatte uns die Nummer laut Navi nur gekostet. Aber was gab es an einem Tanker auch schon zu kontrollieren? Einmal rauf klettern, einmal mit der Stablampe ins Fahrwerk leuchten. Da war man mit einem Curtainsider länger beschäftigt.

Auch hier war für die Jahreszeit zu wenig Schnee.

Ein Tankstopp direkt hinter der Grenze nach Ungarn brachte mich noch mal ans Steuer. Auch hier setzte bald Schneefall ein und ging aufs Durchschnittstempo. Ich kam, nachdem es nachließ, noch um Budapest und dann war auf einem Parkplatz „ohne alles“ Schluss.


Samstag, 09.01.2015

Heute war Luke dran, als einziger zu fahren. Ich mochte am Montag verloren haben und als erster fahren müssen. Aber so gesehen war es zum Ende der Woche dann doch ein Gewinn. Ich sah derweil durch, wo unsere Langstreckler das Wochenende steckten. Timo und Ilarion waren in Tunis. Hoffentlich dachten die beiden daran, in dem Land nichts Unanständiges zu machen. Julian war in London und der Rest sowieso planmäßig zu Hause.
Es ging für uns unspektakluär nach Debrecen zum Absatteln und dann via Tankstelle mit Waschplatz zum Hotel. Wir stellten kurz vor 10 den Truck ab und gingen erst einmal so in die Stadt. Einchecken konnten wir erst nach 14 Uhr.

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