Dieses Mal…
…kommen Luke und Ricky nicht weit…
…Felix hilft ihnen…
…und Steven fragt sie um Hilfe!
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Montag, 11.01.2016
Wir waren nur bis hinter Budapest gekommen, als mein Handy klingelte. Luke hatte eben das Steuer übernommen, was die erste Frage meiner Mutter war. Und schon da war mir klar, was kommen würde. Meiner Oma ginge es „sehr schlecht“. Jetzt wurde mir mal wieder bewusst, was es hieß, nicht nur als einziger der Familie nicht am Ort zu wohnen, was wohl noch nicht das Problem gewesen wäre, sondern noch weiter weg zu arbeiten.
Von Bochum hätte ich mich noch ins Auto setzen können und wäre in anderthalb Stunden da gewesen. Von hier und mit einer Verpflichtung, das abzuliefern, was da in Form eines Silotrailers auf der Sattelplatte saß, unmöglich. Das wusste auch meine Mutter. Trotzdem hörte ich Luke zu ihr sagen: „Mach Dir keine Sorgen, Bettina. Morgen Vormittag sind wir in Marsberg.“
Luke fragte mich nach „meinem Freund bei Wien“ und ich gab ihm Felix Nummer. Wir sollten zu seinem Hof fahren. Dann telefonierte Luke mit Judith.
Als wir bei Felix in Perchtoldsdorf ankamen, war der auch schon da. Dass auch er einen neuen Truck hatte, nahm ich nur am Rande wahr. Felix Trailer wurde gerade auf einem tschechischen MAN TGX aufgesattelt, der der Schneeflocke auf der Seite nach sonst wohl eher Kühler fuhr. Luke sattelte ab und fuhr unseren Volvo in die Halle. Felix nahm unseren Talke-Trailer auf und steckte die ADR-Tafeln. Weil er, nachdem er 2 Stunden auf dem Weg war und umgedreht hatte, sowieso bald 45er machen musste, bot Felix noch an, uns gerade mit dem Auto nach Schwechat zu fahren.
Ich hatte in meinem Leben als Unternehmer so vielen Leuten geholfen, als es denen schlecht ging. Jetzt tat es gut zu erfahren, dass es auch Leute gab, die mir helfen wollten, wenn es drauf ankam.
Die Nachricht, dass meine Oma für immer eingeschlafen war, erreichte mich im Terminal, als Luke gerade einen Flug nach Düsseldorf klar gemacht hatte.
Marlon holte uns abends am Flughafen mit dem Auto ab und brachte uns nach Bochum. Ich wollte gleich durch starten, aber Luke überredete mich, die Nacht in Bochum zu bleiben. Es änderte sowieso nichts, ob wir nun nachts um 11 oder am nächsten Mittag um 11 da waren.
Dienstag 12.01.2016 bis Sonntag, 17.01.2016
Am Dienstagmorgen fuhren wir zu meinen Eltern. Es gab genug zu organisieren, um nicht in Trauer zu zerfließen. Zeitungsanzeige aufgeben, Trauerfeier und Urnenbeisetzung mit Kirche und Bestatter organisieren, Café für das Zusammensein nach der Beisetzung organisieren Rollator und andere geleaste Gesundheitsartikel ins Sanitätshaus zurückbringen.
Die Trauerfeier im engsten Kreis fand am Mittwoch statt. Anschließend waren wir bis zur Urnenbeisetzung wieder nach Bochum gefahren. Und für den Freitag hatte ich die Fahrer-Bewerber eingeladen. Würde ich jetzt nur ihretwegen herumsitzen und in Selbstmitleid zerfließen, anstatt der Verantwortung für meine Firma und für die auf diese Firma angewiesenen Angestellten nachzukommen, hätte meine Oma mir zu Lebzeiten einen ziemlich zackigen Marsch geblasen.
Das erste Gespräch hatte ich mit Lars Scherer. Wie er schon in der Bewerbung geschrieben hatte, wollte er aus dem frei disponierten Fernverkehr auf Linie, um mehr und vor allem planbare Zeit für seine Familie zu haben. Als seine ältere Tochter ihm die Tage ihren ersten Freund vorgestellt hatte, war ihm schlagartig klar gewesen, dass er sie irgendwie gar nicht hatte aufwachsen sehen. Jetzt war das Mädchen mit 16 plötzlich eine junge Frau.
Dass er bei uns nicht nur das Wochenende, sondern jede Woche auch noch einen Abend zu Hause hatte, gefiel ihm auch gut – entweder zwischen den beiden kurzen Touren nach Kent und Surrey am Dienstag oder Mittwoch oder bei der langen Tour nach Northampton am Donnerstag, wenn es am Freitag noch mal auf Ladetour oder einen Tag mit einem Planentrailer voll Sackware in den Nahverkehr bei Talke ging.
Mir gefiel, dass er mit seinen 42 Lebensjahren und nach seinem Job als Zeitsoldat mit 14 Berufsjahren im zivilen Fernverkehr eine Menge Erfahrung hatte. Er hatte allerdings nur noch den kleinen ADR-Schein, der aber hier vollkommen reichte.
Als nächster Kandidat kam Wilhelm Solberg. Der Grund für seinen Wechsel in den Nahverkehr war ein Burnout von der Hektik im Norditalienverkehr gewesen. Seine Offenheit in dieser Sache war ein Pluspunkt, ebenso die lange Berufserfahrung. Die Sache selbst allerdings machte mir Bauchschmerzen. Denn ein Spaziergang war unser Linienprogramm auch nicht. Ein Logistiker war, anders als die meisten Endkunden, auch in Großbritannien ein Ameisenhaufen, dazu in 3 Wochen 5-mal durch den Horror von Calais. Ich befürchtete, dass er rückfällig werden könnte.
Das erste Gespräch nach der Mittagspause war mit Elijah Goldblum – der seinen Vornamen nicht englisch sondern hebräisch ausgesprochen haben wollte. Bei ihm interessierte mich vor allem, warum er erst umzog und sich dann Arbeit suchte. Die Antwort war allerdings einfach, denn seine Frau war Ärztin und hatte eine Stationsleitung in einem Krankenhaus im Bergischen Land bekommen. Und da das älteste Kind im Sommer in die Schule kam, hatten sie sich entschieden, diese möglicherweise letzte Gelegenheit mit einem Umzug noch zu ergreifen. Wenn das erste Kind erst einmal in der Schule war, wollten sie wegen der damit verbundenen Belastungen wie den Verlust des kompletten Freundeskreises und Einstellen auf neue Lehrer nicht mehr umziehen.
Im ersten Beruf war er Karosseriebauer, dafür hatte er auch den Führerschein CE gemacht. Aber nach der Ausbildung und 3 Jahren im Beruf hatte er davon die Nase voll. Also war er mit 22 das erste Mal mit Fracht gefahren, hatte jetzt 13 Jahre Erfahrung. Zuerst waren da 5 Jahre einschließlich der Ausbildung, allerdings das 6-Monate-Programm, bei DSV. Dann kamen 4 Jahre bei Westfalen mit Tankzügen als Tankstellen-Versorger im Nahverkehr. Die letzen 4 Jahre war er jetzt bei Fiege in Greven wieder im Fernverkehr, allerdings nur national, deutschsprachiges Ausland und Benelux.
Ihn fragte ich direkt, ob er sich später, wahrscheinlich im Sommer, auch vorstellen konnte, in Bochum stationiert zu sein und in der Chemielogistik zu fahren. Und wie erwartet war ihm das auch recht.
Nun kam Isabelle Hasenkamp. Ihre 8 Jahre Berufserfahrung waren auch nicht zu verachten. Als sie erfuhr, dass sie jede Tour über Calais nehmen musste, zuckte sie allerdings zurück. Das ging aus der Anzeige nicht hervor und sie hatte wohl damit gerechnet, dass sie mehr mit den Fähren fahren würde. Das war schade, sie hatte ansonsten gute Chancen.
Und als letzter kam der Youngster. Böse Zungen würden behaupten, dass Moritz Stein mit seinen 22 Jahren am besten in mein Beuteschema für Fahrer passte. Was mir allerdings nicht passte, war seine Einstellung. Er war gelangweilt, dass er derzeit immer nur Zweitagestouren um Düren herum fuhr. Und da er sich nicht so richtig informiert zu haben schien, rasselte er auch noch in die Falle, dass ihm die Hausmarke der Trucks bei Monjean nicht passte. Und die fuhren viel Iveco, wie wir auch.
Einerseits war ich mir nicht sicher, wie schnell ihn die drei Linien, von denen man auch noch jeweils 2 in einer Woche und damit gefühlt nur zwei verschiedene Umläufe in einem Dreiwochenplan hatte, langweilen würden und andererseits brauchten wir keine abenteuerlustigen Kerle auf der Linie. Damit waren wir in der freien Disposition mit Julian, Timo, Ilarion, Luke und mir mehr als ausreichend versorgt. Und weil er hier mit relativ großer Wahrscheinlichkeit wieder einen Iveco bekommen würde, war da weiteres Konfliktpotenzial vorprogrammiert.
Nachdem er gegangen war, ließ ich noch mal kurz die Gespräche auf mich wirken und schrieb dann die zwei Verträge für Lars Scherer und Elijah Goldblum. Die dritte Stelle besetzte ich nicht aus diesem Kreis, sondern wollte sie noch mal ausschreiben und sehen, ob im Februar ein besserer Kandidat dazu kam.
Montag, 18.01.2016 bis Freitag, 22.01.2016
Den Montag arbeitete ich noch mal etwas im Büro während Luke eine Runde um den Kirchturm drehte. Am Dienstag fuhren wir wieder nach Marsberg.
Nachdem in den Tagen dazwischen mit der Urnenbeisetzung die emotionale Last von mir abgefallen war, kehrte am Freitag auch mein Elan zurück. Da der Vermieter in Dormagen auf eine zweiwöchige Reise aufbrechen wollte und daher nicht zum ersten die Schlüsselübergabe machen konnte, fuhr ich also morgens erst einmal zu unserer neuen Außenstelle, nahm die Schlüssel entgegen und ging das Übergabeprotokoll durch. Wieder in Bochum ließ ich mich von André in unserem Firmen-Audi nach Wattenscheid fahren, holte den Actros und fuhr ihn zu Vinni.
Dann beschäftigte ich mich eine Zeit lang mit Bürokram und als mir der ausging, mit „Russkij vons Berge“ auf Youtube. In seinem ersten Video von vorletzter Woche hatte ich nach ein paar Sekunden schon eine Begegnung der sonderbaren Art. Erst mal fing es harmlos an.
Er ging mit der Handkamera übers Fahrzeugdeck und stieg in seinen Truck: „So, da wären wir. Auf geht’s – wieder eine Woche England. Ganz wichtig, ich habe mich eben im Kiosk auf dem Schiff noch mit Irn Bru eingedeckt. Das kann man nur lieben oder hassen und ich liebe es. Es hat mehr Koffein als Cola und Kaffee, aber man wird noch nicht zu Speedy Gonzales wie mit einem Energydrink. Und wenn mal die Kabinenbeleuchtung ausfällt, macht man einfach den Kühlschrank auf…“ Er hielt eine Flasche vor die Kamera: „…denn das Zeug leuchtet bestimmt im Dunkeln.“
Nach dem Schnitt sah man die Frontscheibenkamera. „Mal sehen, wie lange das heute dauert, ich stecke hier ganz schön weit hinten.“ Irgendwann nach ein paar Einblendungen, wie viele Minuten vergangen waren, zur Wartemusik von Jeopardy bewegte sich was. Allerdings nur Stückchenweise, was er überschnell abspielte und nun mit dem im Midimapper entstandenen Retro-Lied „Play me like that Video Game“ vertonte. Als er aus dem Schiff auf die Rampe fuhr, rollte unten ein Sattelzug zum Zoll. Schwarz, Scania, rote Schrift, Patrick Schütz Thermotransporte. Wer sich drauf verließ, was der ankündigte, war auch verlassen. Jetzt fuhr der doch wieder Insel? Der änderte seine Richtung ja häufiger als Mutters Nähmaschine im Zickzackstich!
Unten auf dem Hof war unverkennbar ein Iveco Cursor zu hören. Ich machte mir aber nicht die Mühe, herauszufinden, ob es Tomas oder Maxim war. Derjenige würde sowieso hier oben aufkreuzen, wenn er den Truck gereinigt hatte und den Papierkram ablieferte.
Das restliche Video war nicht erwähnenswert, auch das von dieser Woche nicht. Witzchen und Sprüche, ansonsten Doku über den Fahreralltag. Lediglich über den Namen seines Abendessens „Toad in the Hole“ in Yorkshire amüsierte er sich. Aber dafür schmeckte das bekanntlich harmlos und war eher ein Geheimtipp für Leute, die sonst mit englischer Küche nichts anfangen konnten und denen „Entweder 3 mal täglich Frühstück oder Fish & Chips“ schon aus dem Hals hing.
Weil es der richtige Fahrer war, fing ich ihn vom Flur ab: „Maxim, kommst Du mal bitte in mein Büro?“ Er wollte die Tür zu machen. „Kannst Du auf lassen. Es geht nur um eine Szene in Deinem Video.“ „Um was für eine?“ Er war überrascht, denn da war nun wirklich nichts dran auszusetzen. Und Ivan war nicht mal in Erscheinung getreten.
„Dieser Truck. Hast Du vielleicht zufällig den Fahrer getroffen?“ „Nicht persönlich.“ „Wie trifft man denn jemanden unpersönlich?“ „Über Funk.“ „Und wer war es?“ „Der Chef selbst. Patrick Schütz.“ „Hat er zufällig erwähnt, was er geladen hatte und wohin?“ „Ja. Blumen nach Birmingham. Rückfracht nur dass es entweder nach Neuss oder nach Norddeutschland gehen sollte.“ „Okay.“ Blumen waren nicht unser Geschäft und Lebensmittel durfte man ohne eine mittlere Putz-Orgie nicht in Blumentrailer laden. Aber wenn er doch weiter Insel fuhr vielleicht auch demnächst wieder mit weiteren Zügen für Stückgut und Lebensmitteln. Wenn wir dann mittelfristig auch dafür Züge in Dormagen stationieren wollten, dann hatten wir direkte Konkurrenz. Aber schon Bochum und Neuss waren nicht weit genug auseinander.
„Der Typ hat die Nase aber auch so hoch, dass es auf die Spitze schneit, oder?“ „Warum?“ „Erst mal betonen, dass er Scania fährt. Dann so ein herablassendes „Du fährst Iveco?“. Wenn ich ihn nicht mal einen nach oben verschoben hätte, hätte der den Briten wohl 20 Minuten lang den Truckerkanal deutsch zugelabert. „Du holst mich sowieso nicht ein“ hatte er auch noch im Angebot. Obwohl seine Karre bei 87 dicht macht allerdings. Also wenn ich wollte hätte ich. Aber A-Road mit den Kreuzungen und Kreisverkehren lieber nicht.“ Das war ja mal was ganz neues. Patrick und langsamer als die Polizei erlaubt.
„Dann wollte er statt England zu fahren an sich lieber mit dem Schubert in Italien eine Pizza essen. Die beiden dürften bestimmt zusammen passen wie Arsch und Eimer.“ Ja, bitte. Fahr Italien und bleib von meiner Insel. Du bist da nicht eingeplant, Schütz!
„Und als er dann anfing, dass man nur ein Berufskraftfahrer ist, wenn man Drehschemel fahren kann, wäre ich am liebsten doch 90 auf der A-Road gefahren, um ihn einzuholen und ihm mal einen Drehschemel ins Kiefergelenk einzubauen.“ „Er hat aber nicht zufällig versucht, Dich abzuwerben?“ „Nein, doch, so halb. Wenn ich wollte, hat er gemeint, ich soll mich jederzeit melden, wenn ich Probleme im Job habe.“
Maxims Handbewegung dazu zeigte, dass er der Meinung war, Patricks Windschutzscheibe müsste mal wieder gereinigt werden. Ich fing dafür an, unkontrolliert zu lachen. Das rief Timo und Ilarion auf den Plan, die gerade an der offenen Tür vorbei gingen.
„Das findest Du witzig? Woher weißt Du das eigentlich?“ „Witzig finde ich dabei nur diese chirurgische Präzision. Hallo Ihr zwei! Ihr kommt gerade richtig. Patrick hat bisher genau drei Leute hier abzuwerben versucht. Genau die drei, die in diesem Raum stehen und von allen Fahrern dieser Firma können genau 3 nicht Drehschemel fahren. Auch diese 3 sind gerade alle in diesem Raum. Und ich bin bei BP einen Drehschemelzug gefahren, weil Du nur so 44 Tonnen Zuggewicht mit allem was leichter ist als Diesel hin bekommst.“
Jetzt fingen auch Maxim, Timo und Ilarion an zu lachen. „Hat Patrick es bei ihm auch versucht? Und wir drei, bei denen er hat, sind echt die einzigen, die keine Drehschemel können?“ „Ja. Luke und ich bei BP, ich zusätzlich in der Landmaschinenwerkstatt. Die Bauern hatten damals ja nur Drehschemelhänger. Marlon bei seinem Getränkeheini in Frankreich, Julian zumindest in der Fahrschule, Tomas bei DB Schenker nix anderes und das Fahrzeug, mit dem Rolf nicht rückwärts fahren kann, muss man glaube ich erst noch bauen. Du hattest in der Fahrschule ja „nur“ einen Tandemzug, Maxim und Ilarion sind bisher nur Sattel gefahren.“ Und mir fiel dann noch auf, dass Lars bei der Bundeswehr und Elijah bei DSV auch beide Drehschemel gefahren waren, also blieb es auch weiter bei den drei, die es nicht konnten.
„So, ich mache mal meine Abrechnung und dann fahre ich nach Hause und mit Freunden zum Eishockey.“ Maxim flüchtete betont „unauffällig“ aus dem Büro. In der Tat machte mir dieser Sport in dieser Saison keinen Spaß beim Zuschauen.
„Wir haben auch Neuigkeiten über Patrick.“ „Aha. Was für welche und von wem?“ „Maxi hat mich die Woche über angerufen. Ich hatte Angst, dass seine Kotze aus der Freisprechanlage tropft.“ Das klang nach wertvollen Insiderinformationen. Hatte der Azubi seinen Lehrherren inzwischen auch durchschaut?
„Immerhin mit seinem 490er Scania scheint er zufrieden zu sein. Für einen Azubi auch eine Granate. Aber er rumpelt zwischen Niederlassungen und würde lieber zu Kunden fahren. Und wenn es nur von Neuss ins Ruhrgebiet ist. Wäre nix für mich, aber ist ja seine Sache.“ „Tja. Wie ein nach England ausgewanderter Fußballtrainer vor einer Woche gesagt hat: „Life is not a wish concert!“
„Apropos England. Das wäre er auch gerne gefahren, aber Patrick will ihm die vorzeitige 95 nicht bezahlen und die Umläufe haben ja jetzt auch wir. Maxi hat sogar gefragt, ob wir jemanden für Nahverkehr suchen.“ „Na einen Azubi aus einer anderen IHK suchen wir bestimmt nicht. Auch wenn ich es drollig fände, dass Patrick hier drei Leute fragt und am Ende nur einer von seinen zu uns wechselt. Aber den Schreibkram ist mir das nicht wert. Soll auslernen, dann kann er sich in zweieinhalb Jahren auch bewerben. Da ist wohl einer auf den großspurigen Auftritt von Patrick reingefallen.“
„Und Patrick sind zwischendurch mal die Lichter ausgegangen. Herzinfarkt.“ Mit nicht mal 30. Das war nicht überraschend, aber dennoch eine reife Leistung. „Wie das?“ „Hat sich beim Verlader aufgeregt und dann hat einer seiner Fahrer angerufen, weil er Patricks R580 zu Altmetall verwandelt hat, mit dem er die Woche unterwegs war.“ „Auch nicht schlecht.“
„Ich habe mich in dem Moment ehrlich gefragt, was passieren würde, wenn ich Euren FH16 fahren dürfte und das Ding zerlege.“ „Ich denke, ich würde wissen wollen, ob Du Dich auch zerlegt hast oder noch auf den Beinen stehst.“ „Kein Ärger?“ „Nee, außer es war leichtsinnig oder wie es im Amtsdeutsch heißt grob fahrlässig.“ Timo hielt die Hand auf, Ilarion legte serbische Verwünschungen murmelnd 10 Euro rein. Langsam wurde der Laden hier zum Wettbüro. „Hätte ich nicht gedacht.“ „Warum? Wenn ich mich aufrege, bekomme ich zwar hohen Blutdruck, aber den Truck davon auch nicht wieder zurück. Dafür kassiert unsere Versicherung genug Kohle, um dann mal zu zahlen.“
„Wird aber nicht lange dauern, bis der nächste bei Patrick Altmetall abliefert. Er hat einen seiner Ex-Kollegen aus Leipzig eingestellt. Heißt natürlich ganz nach Klischee Ronny. Der hat seine Böttcher-Karre mit Chef im Zivilfahrzeug dahinter bergab auf 125 bekommen.“ „Da musst Du noch ein Bisschen nachlegen?“ „Nee, nie wieder. Und vor dem am Stauende stehen wir hoffentlich auch nie.“
Interessant. Also war Patricks Laden doch so schlecht. Und Timo wohl nach den Erkenntnissen richtig froh, dass er hier geblieben war.
Sonntag, 24.01.2016
Heute mussten wie natürlich wieder zu unserem Truck nach Perchtoldsdorf kommen. Also ließen wir uns von Timo nach Düsseldorf zum Flughafen fahren. „Was bekommen wir eigentlich für Leihtrucks?“ „Zwei DAF XF 106.460. Den dritten Umlauf fahren wir mit Eurem alten MAN.“ „Dann ist ja jetzt noch gar nicht meine letzte Woche mit dem TGX, oder?“ „Wenn Du ihn noch mal fahren willst, dann nicht. Sag einfach André Bescheid. Der weiß, dass er erst mal 4 Wochen lang Euch und uns Solo einsetzt und den freien Fahrer auf Linie stecken soll. Über LKW haben wir da nicht fest gesprochen, nur dass die DAF und der MAN drauf kommen. Aber im Februar haben wir sowieso nur einen DAF, weil ein Fahrer fehlt. Da fahren Rolf und Tomas je zweimal.“
Apropos Tomas, der war ja 22 geworden. Hatte ich natürlich im Trubel der letzten 14 Tage auch nicht dran gedacht. Da musste ich wohl mal 10 Tage nachträglich gratulieren.
Als wir in Wien gelandet waren, holte uns Felix wieder mit dem Auto ab. Die Nacht würden wir bei ihm auf der Schlafcouch verbringen, ausschlafen war sowieso nicht drin.
Montag, 25.01.2016
Bei Felix in der Halle stand neben unserer Volvo Zugmaschine noch zwei komplette Curtainsider-Züge mit eigenen Trailern. Vor dem einen hing sein bekannter Actros MP3 1846, vor dem anderen ein New Actros 1851. An dem MP3 räumte auch schon zu so nachtschlafender Zeit jemand die Fächer ein – wir waren halt eine Branche der Frühaufsteher. Nikolai oder kurz Niko war Felix erster Angestellter.
Die erste Tour ging nur bis St. Pölten als Lückenfüller. Dort wartete dann ein Trailer Benzin für Villach. Es war immer noch dunkel, als wir uns auf den Weg machten.

Trotz Winter ging es gut voran. Der Straßendienst in Österreich konnte mit so was eben umgehen. Zumindest in Ruhrgebiet, Rheinland und allem nördlich davon konnte in Deutschland mal Chaos ausbrechen, sobald die dritte Schneeflocke auf der Straße landete.
Wir verpennten allerdings die Pause und so mussten wir, besonders weil es nach Frankreich weiter gehen sollte, die immer besonders pingelig mit Lenkzeiten waren, mal wieder der Seitenstreifen tun. Meinen halben Spanngurt als Ausrede hätten wir ja notfalls immer noch in der Beifahrertür-Ablage, sollten die Ordnungshüter aufschlagen. Luke, der die andere Hälfte von Keith bestens kannte und sich in Sheffield mit Tom auch einen gebaut hatte, fand das lustig.

Nicht so lustig war dann der einsetzende Neuschnee, der uns das Tempo ziemlich drückte. Wir wechselten die Fracht in Villach und waren dann mit einem Container voller Fahrzeugelektronik unterwegs. Der sollte bis Limoges zum dortigen Renault-Werk.
Als wir auf der Südseite der Alpen ankamen, wurde auch das Wetter wieder besser. Schnee lag hier natürlich auch keiner.

Unsere Nachtruhe mussten wir dann auf einer Mautstation hinter Turin verbringen. Bis zum Rastplatz reichte es leider nicht mehr.
Dienstag, 26.01.2016
Die Fahrt in Richtung Frankreich hätte ereignislos sein können, wenn da nicht der Fahrer eines steinalten Mercedes Zwölftonners im DSV Sammelverkehr gewesen wäre, der wohl seine Minderwertigkeitskomplexe dadurch auslebte, dass er stärkere Trucks ausbremste. Wir wurden jedenfalls dreimal Opfer seiner sinnlosen Spurwechsel, bis wir es schafften, neben ihn zu ziehen.
Ich konnte mich nicht beherrschen, den Truck gaaaaaanz langsam auf seine Spur laufen zu lassen, bis er hektisch mit Bremse, Hupe und Lichthupe wurde. Rache ist Blutwurst und Blutwurst ist lecker.
Noch mal Nervenkitzel gab es von der Tankuhr, da sich lange Zeit keine Tankstelle fand. Da waren wir aber schon mit anderen Fahrzeugteilen in einem weiteren Container auf dem Weg von Valeo in Limoges nach Dänemark zum dortigen Zentrallager einer Werkstattkette.
Inzwischen war es schon wieder dunkel und wir machten den letzten Fahrerwechsel um mittlerweile kurz vor 22 Uhr vor Paris. Hier gab es auch das Abendessen für heute.
Danach fuhren wir noch bis zur belgischen Grenze, wurden mit einem zollrechtlich unversiegelten Container – es war nur ein kabelbinderartiges Siegel von Valeo drum – natürlich aufs gründlichste gefilzt.
Danach fuhren wir nur noch bis zum nächsten Rastplatz. Der Dienstag war um und inzwischen auch schon zum Mittwoch geworden.
Mittwoch, 27.01.2016
Erst um halb 12 durften wir ausgeschlafen haben. Weil uns das nicht gelang, holten wir einen Eimer klares Wasser und putzten den Dreck einer langen Zeit vom Truck. Gestern hatten wir keine Rastmöglichkeiten mit der Gelegenheit dazu. Es war zwar bewölkt und neblig, aber wir hofften einfach, dass es auch weiter trocken blieb.

Entsprechend früh in der Schicht wurde es auch wieder dunkel. So sahen wir wenigstens die Bremslichter schön. Im Autobahnkreuz Lotte-Osnabrück hatte es mal wieder einer nicht ohne Feindkontakt von der A30 auf die A1 geschafft. Damit wurde der Beschleunigungsstreifen zum Standstreifen und nur bei einer entsprechend großen Lücke auf der A1 kam mal einer hier raus.

Nach einer halben Stunde waren wir vorne in der Schlange angekommen und es hatte sich auch für uns eine Lücke gefunden und wir waren wieder unterwegs in Richtung dänische Grenze.
Donnerstag, 28.01.2016
Es war noch nicht ganz Donnerstag, denn schon um 23:50 Uhr war unsere Kontrolle an der Grenze zu Ende. Noch hatte ich ein Bisschen Fahrzeit übrig und Luke würde es nicht bis ans Ziel schaffen. Also fuhr ich noch eine halbe Stunde nach Dänemark rein. Nach dem Fahrerwechsel legte ich mich hin, irgendwie war ich schon müde. Luke würde das schon machen.
Dafür wachte ich natürlich auf, als Luke noch schlief. Wir standen Solo auf der Wartefläche bei DFDS Seaways für unsere Anschlussfracht. Um 13:32 wollte uns der Tachograph wieder arbeiten lassen, das waren noch ein paar Stunden. Ich kletterte leise aus der Kabine, ging ein Bisschen auf dem Platz herum und frönte der Sucht nach Zigarette 2.0.
Aus dem Augenwinkel sah ich Kollegen, die um den Truck herum gingen. Es war schon verrückt. Mit einem Volvo war man wer. Ich fuhr ihn gerne, aber meine Herzensmarke war immer noch die aus Italien. Nur nach dem würde sich auf so einem Warteplatz niemand umdrehen, egal wie man ihn aufmachte.
Auf einmal klingelte mein Handy. „Kaiser.“ Ich hatte nicht auf das Display geschaut. „Hallo Ricky, Steven hier. Störe ich?“ „Nein, ich laufe gerade in der Gegend herum und warte aufs Pausenende.“ „Gut. Es ist mir fast schon peinlich. Aber Du kommst nicht zufällig an eine Fracht in Mittelschweden? Mein Versender hat mal schnell einen anderen beauftragt, der 3 Stunden schneller da und ein paar Kronen billiger war. Ich telefoniere seit gestern Nachmittag Land und Leute ab, aber komme nicht unter einer Leerfahrt mit Fähre davon. Und da stehe ich hier billiger als das anzunehmen. Einmal nimmt man eine ganze Trailerladung an und dann so was!“
„Wo bist Du genau?“ „Örebro.“ „Ich hätte da vielleicht was. Eine Fabrik in Jönköping. Volle Ladungen oder Routen, die eine ergeben, machen sie zwar keine, dafür haben sie eigene LKW. Aber vielleicht bekommst Du wenigstens ein paar Paletten. Der Laden gehört dem Onkel von jemandem, der mal bei uns gefahren ist und jetzt da einen der eigenen Züge fährt.“ „Wenn das klappt, hast Du einen bei mir gut.“ Ich war inzwischen am LKW. Luke war aufgewacht, also musste ich nicht auf Katzenpfoten das Tablet suchen. Ich gab Steven den Firmennamen und die Nummer der Zentrale. „Sieh mal einer an. Auch nach Jahren lernt man immer noch neue Kunden kennen.“
„Gibt es hier irgendwo Wasser?“ „Wozu?“ „Mein Kunstwerk ist schmutzig.“ „Habe noch nicht gesucht. Du hast ja geschlafen, da konnte ich eh nicht am Fahrerhaus rumwischen.“ Also suchten wir einen Wasserhahn, putzten mal wieder den LKW und anschließend in der Baracke, wo es neben den Büros auch eine Fahrerdusche gab, uns selbst. Danach suchten wir uns ein spätes Frühstück bei einer Bäckerei in der Stadt
Gegen 14 Uhr rollten wir schließlich mit einem Tanktainer voll Lösungsmittel aus Frederikshavn in Richtung Autobahn. Unterwegs kam eine Nachricht von Steven: „Ein Drittel beladen. Danke!“

Inzwischen fiel der erste Fahrerwechsel in die Abenddämmerung. Eine weitere, hoffentlich ereignislose Nachtfahrt stand uns bevor.
Luke fuhr bis Soltau, von wo ich die „tote Schicht“ über Mitternacht bis hinter Frankfurt hatte. Luke nickte ein paar Mal auf dem Beifahrersitz ein und krabbelte schließlich in eigentlich mein Bett. Aber oben liegen war nicht sicher und schaukelte kräftig. Und es war ja nicht so, als würden wir sonst auch mal im gleichen Bett liegen – dann auch gerne gleichzeitig.
Die letzte Etappe nach Straßburg fuhr dann wieder Luke, dafür ging ich in die Koje. Um 7 Uhr kamen wir beim Kunden in Straßburg an. Jetzt durften wir bis 16 Uhr hier rum hängen und dann mit einer Fracht für Linde in Bochum bis in die Nacht rein nach Hause fahren. Und das wurde auch noch mal unspaßig, denn Luke musste am Montag schon früh los. Das Wochenende war dann mal verkürzt, um 3 musste er in Neuss Gewehr bei Fuß stehen.
Den Truck wollten wir morgen putzen, nachts machte das ohnehin keinen Sinn. Wir gingen aber noch ins Büro und brachten die Papiere weg, bevor wir rüber in die Wohnung gingen.
Ich schaute mal auf das Dispo-Regal. Julians Fach war leer, der war also das Wochenende draußen. Zu meiner Verwunderung war Luke auf den MAN gesetzt und Ilarion auf den geliehenen DAF. Ich dachte, er wollte mit den Käseschnittchen nichts mehr zu tun haben.
