Diese Woche…
…geht Ricky die Luft aus…
…eine Fanfreundschaft wird auf die Probe gestellt…
…und es stellt sich die Frage, ob Talke eine Stückgutspedition geworden ist!
—————————————–
Freitag, 05.02.2016
Das gemeinsame Wochenende fing schon bescheiden an, als ich Luke abgeholt hatte. Wir kamen in die Halle zurück und Luke zeigte auf unseren, derzeit meinen Volvo: „Der steht schief, oder nicht?“ Ja, tat er. „Sieht so aus.“ Eine schnelle Überprüfung durch Einreiben mit Seifenwasser ergab, dass wohl alle Reifen auf einer Seite undicht waren. Nicht so doll, dass es zischte, aber für Blasen reichte es. „Egal. Soll sich Mahad morgen drum kümmern. Muss ich wohl wo durch gefahren sein.“
Samstag, 06.02.2016
Als Entschädigung für die getrennte Woche machte ich Frühstück und brachte es Luke ins Schlafzimmer. Dann kuschelte ich mich wieder dazu und wir frühstückten gemeinsam im Bett.
Als wir uns endlich aus den Federn geschält hatten, waren Timo und Ilarion im Wohnzimmer. Sie wollten aber gleich nach Köln und wenigstens ein Bisschen Straßenkarneval mitnehmen. Mehr war dieses Jahr leider durch die Dachser-Geschichte nicht drin.
„Wo ist eigentlich Julian?“ „Mit Celia unterwegs. Wohnungen anschauen.“ „Aha?“ „Ja. Sie hat ihm im Laufe der Woche gesagt, dass sie hier hoch ziehen will. Und dann ziehen sie zusammen. Was sagt man dazu…“ Vor meinem inneren Auge entwickelte sich ein Plan. „Obi!“ „Du willst umbauen?“ Da kannte natürlich einer die Werbung. „Ein Modellbahnzimmer. Natürlich kannst Du gerne Julians größeres Zimmer haben und ich nehme Deins dafür. Oder wollt Ihr auch zusammen ziehen?“ „Nein. Wenn wir wieder zusammen fahren, werden wir sogar die Wochenenden öfter getrennt verbringen.“
Schließlich rief ich Mahad an. Er kam gerade zu Fuß vorbei und pumpte die schlappen Reifen neu auf, um sie runter ins Gewerbegebiet zur Werkstatt zu retten. In der Zeit holte Luke den Union Jack Wimpel aus dem Fahrerhaus, was er letzte Woche vergessen hatte. „Wie praktisch, dann kann ich nachher meine neue Errungenschaft anbringen.“ Ich wedelte mit dem Beutel mit einem neuen Wimpel. „Was ist das?“ „Mein Fußballverein. Also der deutsche.“ „Könnte ich ja antworten. Mal was kaufen, wenn ich drüben bin.“ „Aber nichts, wo eine Windrose drauf ist. Bluebirds und Drachen sind erlaubt.“
Die Windrose war das Symbol der Soul Crew, den Cardiff Ultras – und gegen die waren auch die berüchtigtsten deutschen Ultras eine Kindergartengruppe. Sogar in der sowieso handgreiflicheren Fankultur Großbritanniens galt die Soul Crew als eine der brutalsten Gruppierungen. Er hatte noch Kontakt zu einigen Leuten da, aber hatte mir versprochen, nicht mehr aktiv zu sein. „Ich weiß. Dann muss ich sehen, dass ich eins von 2015 kriege. Das neue Logo mit dem Asien-Drachen ist ein Geht-Nicht. Auch wenn der traditionelle Vogel wieder größer und die Hauptfarbe Blau ist.“
Mahad fuhr den LKW runter zur Werkstatt. Leider hatte er keine Reifen mit weißer Flankenschrift da. Bis Montag sollten die neuen Pellen drauf sein. Das reichte mir, ich fuhr sowieso später los.
Wir nutzten das überraschend gute Wetter für einen Ausflug mit den Motorrädern ins Bergische, mit einer Bergischen Kaffeetafel als Abschluss.
Sonntag, 07.02.2016
Der Tag war leider wieder früh zu Ende. Timo und Ilarion waren zum Mittagessen zu Ilarions Familie gefahren und übernachteten dann wieder hier. Also kochten Luke und ich uns mittags gemeinsam was Schönes. Abends gingen wir wieder zusammen ins Bett und nachdem er eingeschlafen war, schlich ich noch mal raus.
Montag, 08.02.2016
Luke war mit Ilarion im Auto nach Dormagen gefahren. Timo hatte dafür Ilarion seinen Focus geliehen. Julian rückte den Opel Astra gerade nicht raus, weil die Straßen noch vor ein paar Wochen gut gesalzen worden waren und er da noch nicht mit dem Admiral fahren wollte, wenn er ein Auto brauchte. Dritter Dachser-Mann diese Woche war Tomas.
Erst einmal fehlte mir noch ein weiteres Personalgespräch. Allerdings rief ich dazu erst mal Judith in mein Büro. Sie war mit André so weit zufrieden. Grundsätzlich waren das auch die Fahrer, die vor allem die Dispo von ihm mitbekamen. Sie hatten mir aber teilweise angedeutet, dass er gerne mal ein Bisschen zu deutlich reagierte, wenn ihnen etwas in die Quere kam. Und die Straßen da draußen waren nun mal unberechenbar. Vielleicht sollte er mal mitfahren. Auch Judith hielt das für eine gute Idee.
Danach gingen wir mit André in den Besprechungsraum. Die Besprechung lief auch entsprechend dem Gesamtbild entspannt ab. Das wichtigste für ihn musste jetzt die Zwischenprüfung sein. Zum Schluss fragte ich ihn: „Weißt Du eigentlich, wie es draußen abläuft?“ „Wie? Was?“ „Bei uns auf dem LKW. Kennst Du das live oder nur von Deinem Schreibtisch und aus dem Unterricht?“ „Nein, ich bin nicht irgendwo mitgefahren.“
„Dann wären die Jungs Dir dankbar, wenn Du hinnimmst, dass es Stau, Rückstellung an der Ladestelle, fehlende Bereitstellungen und so gibt. Ich kann mich nicht beklagen, aber vielleicht habe ich ja auch Chef-Bonus.“ Er guckte ein Bisschen betreten. „Grundsätzlich machst Du die Dispo aber gut.“ Dass ich später im Jahr noch einen Anschlag in dieser Sache auf ihn vorhatte, verriet ich noch nicht.
Anschließend las ich mir die neu eingegangenen Bewerbungen für den letzten Fahrerjob durch und legte eine Auswahl bei Judith ab mit der Bitte, die Kandidaten für Freitag einzuladen. Sie bedankte sich fürs Timing und meinte, Bewerberkorrespondenz wäre mal ein Thema für André.
Eine leichte Erkältung hatte mich erwischt, aber nichts, was sich mit reichlich Salbeitee und Honig nicht in Grenzen halten lassen sollte. Die chemische Keule war für den Notfall sowieso dabei, aber ich hielt nichts von starken Medikamenten, wenn sie nicht unbedingt sein mussten. So kam immerhin mal wieder der Haie-Becher während der Fahrt zum Einsatz, nachdem es sonst immer das gute Grindley’s Porzellan in der Nachmittagspause war.
Dann war es Zeit, loszufahren. Es ging wieder mit einem Planentrailer auf Tour, dieses Mal nach Polen. Da irgendwer auf der A2 rechts den Verkehr aufhielt und die ganze Kolonne dadurch in ständig heftigeres Bremsen und neu Beschleunigen verfiel, beschloss ich irgendwann zum Ärgernis des einen oder anderen Autofahrers, die Kolonne in einer etwas ausgedehnteren Aktion über die Mittelspur zu überholen.

Die weitere Fahrt nach der Rast bei Braunschweig an Berlin vorbei und nach Polen passierte wenig. Also telefonierte ich ein Bisschen mit Luke, während der auf den Zug wartete und dann an der englischen Südküste entlang fuhr.
Die Parkplätze waren teils schon ziemlich voll. Das könnte lustig werden. Am Ende hatte ich auf der Raststätte kurz vor Poznan aber Glück.
Dienstag, 09.02.2016
Weil ich mit polnischer Küche nicht so viel anfangen konnte, was schon beim Frühstück anfing, machte ich mir im Fahrerhaus eine Schale Müsli. Danach wurde es Zeit für die Abfahrtkontrolle. Insbesondere auf der stockfinsteren Beifahrerseite mit der Taschenlampe auf dem Bordstein am Matsch vorbei balancieren machte keinen Spaß.

Zur Musik von Eska Rock ging es weiter, an Poznan vorbei und auf die Landstraße. Hier stand dann auf einem Kiesplatz die kleine Pause auf dem Programm. In der Nähe der Ostsee hing noch um die Mittagszeit Nebel. Aber er war so schwach, dass man nicht langsamer fahren musste.

Auf dem Hof des Kunden, einem Chemikaliengroßhandel, stand die Anschlussfracht schon bereit. Hatte Talke irgendwie alle Silos abgeschafft und war in die Stückgutlogistik eingestiegen? Lediglich von Pritsche mit Plane zu Curtainsider durfte ich wechseln.

Ich fuhr noch die viereinhalb Stunden soweit voll und machte mich nach der Unterbrechung noch mal auf den Weg. Allerdings nicht auf 10 Stunden. Auch wenn ich mich in der Kabine selbst versorgte, zog ich den „Luxus“ von Dusche und WC an einer Tankstelle eindeutig Wasserkanister und Blickschutz hinter einer Streugutkiste im Gewerbegebiet vor. Außerdem war so eine Tankstelle in Polen auch immer für ein paar Liter vergleichsweise billigen Diesel gut.
Mittwoch, 10.02.2016
Um halb 4 war ich schon wieder unterwegs. Der Plan war, Montag später losfahren, volles Pensum schaffen und Freitag noch Bewerbungsgespräche zu führen. Die Zusatzscheinwerfer machten die Nacht immerhin zum Tage.
Schon in Deutschland legte ich die kleine Pause ein. Es lief gut. Allerdings war das Wetter nicht mein Fall, die Sonne steckte auch bei Berlin noch hinter einem Dunstschleier. Es wurde Zeit, dass es wieder wärmer und heller wurde.

Und so endete der Tag um viertel vor 12 mittags auf dem Rasthof Garbsen. Allzu viel „Abendessen“ wollte ich mir nicht zumuten und blieb daher für ein Sandwich im LKW. Dann schmiss ich mich in die Koje. Bevor ich irgendwann kurz vor 23 Uhr weiter fahren konnte, gab es ja noch ein Fußballspiel.
Also ging ich kurz nach sieben rüber in den Rasthof, aber leider kein Fernsehen in Sicht. Ich holte mir also nur was zu essen und setzte mich an einen Tisch. Weil es nicht allzu warm war, hatte ich mir meinen Bochum-Schal umgebunden, noch war ich sowieso in der Pause und aus Firmensicht als „Zivilist“ unterwegs.
Ein Kollege setzte sich mir gegenüber, weil wenig freie Plätze da waren. Er trug die Jacke des Gegners, nämlich eine mit Bayern-Logo auf der Brusttasche. „Hallo. Ich bin Björn.“ Toller Name, erinnerte mich an jemanden, an den ich nicht erinnert werden musste. „Eric. Hallo.“ „Guckst Du gleich fern?“ Er zeigte auf meinen Schal. „Ja, ich weiß nur noch nicht, ob es ein Krimi wird oder ein Horrorfilm. Aber er dauert 90 Minuten.“ „Hier gibt es ja nix. Wo guckst Du?“ „Im Fahrerhaus auf dem Tablet.“ „Wenn Du mir beim 5:0 nicht an die Gurgel springst, kannst Du bei mir gucken. In der Maschine gibt es Fernsehen und zwei Sitze, von denen man drauf schauen kann.“ Na 5-mal an Manuel Riemann vorbei kommen mussten auch die Bayern erst einmal. Und weil ich Sport sowieso recht locker sah, nahm ich die Einladung an.
Also gingen wir zu einem ziemlich gut zurechtgemachten Renault T mit Bielefelder Kennzeichen. Björn schloss auf und setzte sich auf den Sitz, den man in die Koje einhängen konnte und ich auf den Beifahrersitz. So lange noch das Vorgeplänkel der Experten lief, fragte ich Björn zum Fahrzeug: „Zufrieden damit?“ „Ist nicht meiner. Fährt aber ordentlich.“ „Was fährst Du sonst?“
„Alles und gar nichts. Ich habe keinen eigenen. Arbeite zusammen mit einem Kumpel als Aushilfsfahrer. Meistens jede Woche ein anderer Truck von einer anderen Firma. Wenn es keine Arbeit gibt, fährt er Linienbusse in Hamm und ich überführe Autos für den Autohandel von meinem Bruder in Warendorf. Kommt aber sehr selten vor.“
„Wo bist Du her?“ „Aus Beckum.“ Eine interessante Möglichkeit. So konnten wir die Flotte auch in der Urlaubszeit in Bewegung halten. Und wenn ihm jemand so ein Liebhaberstück wie diesen Edelfranzosen anvertraute, war er wohl von dem bestimmt als gut befunden worden. Und nett war er auch.
„Würdet Ihr auch in Bochum fahren?“ „Ist schon ein Stück weg, aber Wochenverkehr ja. Nur bei Tagesverkehr machen wir maximal 50 Kilometer Anreise.“ „Hast Du eine Karte von Dir?“ Er gab mir eine Visitenkarte, Björn Wichert und Serkan Asefoglu. Der Laden lief als UG, also eine Mini-GmbH.
Das Spiel brachte bekanntlich ein 3:0 für Bayern und zwei unrühmliche Auftritte von Arjen Robben, der es schaffte, keine Karte zu kassieren, als er meinem Lieblingsspieler Timo Perthel fast das Auge ausgekratzt hatte und dafür mit seinen legendären Gleichgewichtsstörungen eine rote Karte gegen Perthels Positionsnachfolger Jan Simunek provozierte.
Mit 10 Spielern über mehr als eine Halbzeit war mir klar, dass der Abend für Bochum gelaufen war. Artig gratulierte ich Björn nach dem Spiel zum Halbfinaleinzug seiner Bayern, wobei er sportlich fair zugab, dass Robbens Aktionen ihm ein Bisschen peinlich waren. Wenn man so deutlicher Favorit war, sollte man auch normal gewinnen können, auch wenn es bis zur roten Karte nicht nach Spaziergang ausgesehen hatte und phasenweise Bochum auf dem gewohnt schwer spielbaren Platz Vorteile hatte. So hatte ich dann 40 Minuten Krimi und 50 Minuten Horrorfilm bekommen.
Donnerstag, 11.02.2016
Danach ging es für mich, noch eine gute Stunde vor Mitternacht, weiter in Richtung Niederlande. Weit kam ich erst mal nicht, denn bei Porta Westfalica hatten sich ein LKW und ein PKW beim Spurwechsel getroffen und es staute sich ein Bisschen.
Nachdem ich an der Unfallstelle vorbei war, lief es bestens bis nach Moerdijk zu Talke. Und hier erwartete mich die Anschlussfracht nach Ludwigshafen zu BASF. Was eine Überraschung, ein Curtainsider.
Der Arbeits-„Tag“ endete nach 10 Stunden Fahrzeit kurz vor 9 auf einem Parkplatz an der A61. Jetzt durfte ich eine Weile stehen. Um 20 Uhr rum durfte es weiter gehen. Dann wäre ich aber kurz nach Mitternacht in Ludwigshafen vor verschlossenen Toren. Also hatte ich jetzt 17 Stunden herumzustehen, damit ich um 6 Uhr dann am Ziel war, wenn die Talke-Niederlassung öffnete.
Freitag 12.02.2016
Der große Vorteil an den Nachtfahrten war, dass die Straßen frei waren und man gut Strecke machen konnte. So kam ich dann problemlos und pünktlich an und lieferte den Trailer ab. Und dann bekam ich doch noch einen Tankwagen für Henkel in Düsseldorf.
Auch diese Etappe ging ohne irgendwelche nennenswerten Zwischenfälle runter. Gegen 13:20 Uhr fuhr ich auf den Firmenhof in Bochum. In den 40 Minuten bis zum ersten Bewerber konnte ich noch bequem die Zugmaschine außen sauber machen. Innenreinigung musste dann warten bis nach den Gesprächen.
Der erste Bewerber war jemand, zu dem sogar ich aufschauen musste. Oliver Haase war gestandene 1,98 m groß, was ihm in den meisten LKW eine Presspassung im Bett bescheren dürfte. Er war 28 Jahre alt und kannte Dachser in Neuss schon, war lange einen 12-Tonner Verteiler gefahren. Dann hatte er sich die letzten 3 Jahre im Fernverkehr bei einem kleinen Unternehmen herumgeschlagen. Dort machte man es den Kunden um jeden Preis recht, was die Fahrer schon mal ein Wochenende auf einsamen Parkplätzen im Regen stehen ließ.
Franz Meier war trotz seines altmodisch wirkenden Namens genauso alt wie der vorherige Kandidat. Sein aktueller Arbeitgeber baute Stellen ab, weil die Konkurrenz aus dem Osten zu groß war. Er war bei einem Subunternehmer von Fercam Linienverkehr nach Norditalien gefahren.
Der letzte Bewerber hatte sich dann wohl dazu entschieden, weder abzusagen noch zu erscheinen. Also erledigt. Beide hatten einen guten Eindruck gemacht. Dank des „Heimvorteils“ schon mal für Dachser gefahren zu sein, entschied ich mich während des meditativen Fahrerhaus-Swifferns für Oliver Haase.
Auch Timo war inzwischen da und pflegte den guten Stern auf allen Straßen. Ilarion und Luke waren ziemlich zur gleichen Zeit in Dormagen angekommen und jetzt zusammen im Auto auf dem Weg hier her.
————————————–
Die platten Reifen verdankte ich damals natürlich einem Mod. Nachdem es schon einige solche Fälle in den Wochen zuvor gegeben hatte, die zum Beispiel Maxims beigen Iveco seine teillackierten Radkappen gekostet hatten, wurde ich vorsichtiger mit Mods
.Wie sich später zeigen sollte, bot nicht mal ein seit Ewigkeiten gepflegter Mod wie der Ohaha-Volvo, den ich zu der Zeit fuhr, eine sichere Bank, aber das war zu der Zeit auch schon egal geworden. Die hauptsächliche Lehre war, im ATS-Profil von vorne herein eine Story zu schreiben, die sparsamer mit Mods umging. Neben dem Reiz des anderen Charakters war auch das der Grund, warum ich dort immer kleinere Brötchen gebacken habe.
