Kapitel 84 – Paukenschlag

Diese Woche…
…gibt es eine nicht so ganz überraschende Neuigkeit…

…Luke lässt alte Verbindungen spielen…
…und am Ende ist alles für die Katz!

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Das Wochenende war ich natürlich wieder einigermaßen aus dem Takt. Ilarion und Timo ließ das zum Glück kalt und die beiden waren zusammen weg gefahren. Luke und ich ließen es ruhig angehen. Wir gingen mal raus bei schönem Wetter und waren sonst in Zweisamkeit zu Hause. Und am Montag musste Luke noch mal 2 Tage Dachser fahren.


Montag, 29.02.2016

Weil aber schon morgen der DAF und der MAN übergeben werden mussten an die neuen Fahrer, durften nun Ilarion und Luke mit den großen Trucks los ziehen. Und weil eher zufällig Julian für den dritten Kurs eingeteilt war, fuhren wir also 48 Liter Hubraum in 3 Trucks auf. Das dürfte auch für Gesprächsstoff bei Dachsers in der Kantine sorgen. So von wegen „Legitimer Nachfolger von Schütz.“ In dem Moment kannte ich die Tragweite dieser Bemerkung noch nicht.

Timo hatte sich angeboten, uns mit dem Auto nach Dormagen zu fahren. Die Fahrzeuglogistik war sowieso interessant. Julian hatte Ilarion und Luke im Opel Astra mitgenommen. Unsere Partner kamen aber am Dienstag nach Bochum zurück, so die Schichtzeit mitspielte. Julian ging am Mittwoch auf normale Chemiedispo, aber seine Tour würde kommende Woche auch wieder hier enden, Timo und ich waren schon heute Abend wieder zu Hause.
Also sollte Timo mangels LKW morgen zweimal mit der Bahn nach Nievenheim, die halbe Stunde zur Firma laufen und die beiden Autos abholen.

Wir waren auf einer Tortour de Ruhr eingesetzt und fuhren bitterbösen Nahverkehr im chronisch verstopften Ruhrpott. Selten war es schöner, Feierabend zu haben. Auf Langstrecke könnte ich manchmal nach den 9 bis 10 Stunden eigener Lenkzeit und noch mal der gleichen Zeit von Luke noch problemlos weiter fahren, wenn ich dürfte. Dieses Herumgegurke stand mir schon am Vormittag an den Überlauf.


Dienstag, 01.03.2016

Heute war ich erst einmal als Personalchef gefragt. Elijah Goldblum und Lars Scherer nahm ich nur für die persönlichen Unterlagen in Einzelgespräche und machte dann die Einweisung zusammen. Sie bekamen Schlüssel für ihre LKW und den Sozialraum in Dormagen, ihre Login-Daten für das PC-Terminal dort und konnten sich heute in Ruhe in ihren Trucks einrichten. Lars sollte den gemieteten DAF fahren und Elijah den MAN, nachdem Rolf seinen Magnum behalten wollte.

Danach stand noch einiges mehr an Büroarbeit auf dem Programm. Ich sichtete die Unterlagen der Azubi-Bewerbungen zusammen mit Rolf, der heute auch nicht disponiert war. Wir hatten die Anzeigen erst mal nur lokal geschaltet, also in den hiesigen Tageszeitungen. Was brachten mir Bewerbungen vom anderen Ende der Republik auf teure Anzeigen in Fernfahrer, Lastauto-Omnibus und Co? Auch so kamen einige Kandidaten zusammen.
Das war erst einmal Philipp Rettig, 22 und schon ausgebildeter KFZ-Mechatroniker auf PKW.
Der nächste Kandidat hieß Sebastian Matthes, der noch 17 aber bei Ausbildungsbeginn 18 und nach der Realschule jetzt Orientierungsschüler an einer Berufsfachschule war.
Weiter ging es mit Mehmet Senyüz, 20 Jahre alt und aus gesundheitlichen Gründen Abbrecher seiner Ausbildung zum Chemielaboranten. Tim Schmitz würde zwar erst nach einem Jahr Ausbildung 18, aber dafür war er Sohn eines Kraftfahrers und wusste im Gegensatz zu den anderen, was auf ihn zukam.
Und letzter im Bunde war Justin Thiedemann, noch bis November 17 Jahre alt und Schüler. Sag mir wie Du heißt und ich sage Dir, welche Boygroup Deine Mutter als junge Frau gehört hat – heute im Angebot: N’Sync.

Judith sollte die eingehenden Bewerbungen im Auge behalten und demnächst wollten wir dann Einladungen raus schicken. Sollte bis dahin noch ein Kandidat dazu kommen, war der mit im Topf.

Ilarion und Luke schafften es mit ihren Lenk- und Schichtzeiten zum Glück ohne Probleme nach Bochum. Ab morgen waren wir wieder mit zwei Zweierteams in der Chemiesparte unterwegs.


Mittwoch, 02.03.2016

Als erstes überraschte Luke mich mit seinen Trinkgewohnheiten. Hatte er sich, wenn es nach mehr als Wasser schmecken sollte, ohne gleich als schwarzer Tee heiß daherzukommen, bisher „magenfreundliche“ Cola Light reingekippt, packte er plötzlich einen Volvo-Werbebecher aus und hielt sich wie ich an Früchte- und Kräutertees, die man auch kalt trinken konnte. An unseren Nachmittagstee mit Schwarztee und dem guten Geschirr ließen wir natürlich auch weiter nichts kommen.

Außerdem mussten wir noch die Frontscheibe umdekorieren. Die Landesflaggen von Vereinigtem Königreich und Deutschland flogen in die Ecke, damit es nicht gar so voll wurde. Stattdessen gab es jetzt unsere Fußballvereine, VfL Bochum und Cardiff City FC.
Luke blieb dem Verein auch mit seinem neuen Image treu, ich freute mich nur noch, wenn sie gut spielten. Nachdem der arrogante Malaie, dem der Laden gehörte, zwar die Farben von seinem geliebten Rot wieder auf das traditionelle blau geändert, aber aus Rache den walisischen Drachen durch einen asiatischen ersetzt hatte, war für mich ein guter Moment gekommen, mich nicht mehr als „Fan“ von Cardiff City zu bezeichnen und mein britisches Fußballherz schlug wieder ausschließlich für Everton. Dass er mit aller Gewalt ein rot-blaues 2012 bis 2015er Wappen aufgetrieben hatte, anstatt einfach das aktuelle zu kaufen, bewies aber, dass Luke auch nicht so glücklich mit dem neuen Logo war. Das andere mochte er auch nicht, aber Ebay hatte wohl kein Wimpel von vor 2012 hergegeben.

Ich war eher über die rote Welle in Essen unglücklich als über rote Vereinslogos.

Nachdem wir unsere Ladung Magnesium für Süditalien drauf hatten und auf der Autobahn waren, lief es aber besser. Zumindest bis zum Kreuz Biebelried, wo ein von seinem für die Fahrzeugklasse eindeutig zu jungen Besitzer wohl besser polierter als gewarteter BMW seinen Geist auf der Mittelspur aufgegeben hatte und sich weigerte, sich auch nur noch einen Zentimeter zu bewegen. Da war wohl ein Radlager fest gegangen.

Bei Nürnberg hatte schließlich die Sonne den Nebel vertrieben und bei schönem Wetter fuhren wir in Richtung München, bis mein Handy die Stille störte. „Hallo Timo.“ „Hallo Ricky. Du wirst nicht glauben, was ich eben erfahren habe.“ „Was denn?“ „Patrick Schütz Transporte ist pleite.“ „Sicher?“
„99,9%. Im Amtsblatt steht noch nichts. Aber Maxi hat mich gerade angerufen. Er hat eine Kündigung per Mail und Ankündigung der offiziellen Schriftform bekommen. Aus betrieblichen Gründen. Und das kann bei einem Azubi nur die Einstellung des Betriebs oder der Wegfall der Ausbildungsberechtigung sein.“
„Das würde ich Patrick beides zutrauen. Nachdem er sich mal mit einem Polizisten in Bayern angelegt hat, ist er vorbestraft. Vielleicht haben sie sich gedacht, dass so einer nicht mehr ausbilden sollte.“ „Ach so. Aber er meinte, das Gerücht von der Pleite ginge über den Flurfunk.“ Das war absehbar gewesen. Seine Flottenpolitik war eine Geldverbrennungsmaschine gewesen. „Ich werde mal die amtlichen Mitteilungen im Rheinkreis im Auge behalten. Danke für die Information.“
„Da ist noch was. Könnten wir Maxis Ausbildung übernehmen?“
„Wenn mich demnächst kein Kandidat für den Start im Sommer überzeugt, denke ich drüber nach und spreche mit Rolf. Sonst wohl nicht.“ Und auch dann nicht, aber das musste ich ja nicht sofort sagen. „Okay.“

Aufgrund der bekannt liebenswürdigen Spritpreise in Italien tankten wir in Österreich noch mal voll und Luke fuhr den letzten Slot über den Brenner bis zur Raststätte Po, direkt am Ufer des gleichnamigen Flusses.


Donnerstag, 03.02.2016

Auch in Italien war der Frühling noch nicht angekommen. Die Bäume waren noch kahl und auch hier war es auf dem Weg von Bologna nach Ancona und auch auf der Autostrada Adriatica noch diesig.

Apropos übernommener Azubi. Da es sich nicht lohnte, aus dem Fenster zu schauen, rief ich mal in Bochum an. „Hermine Granger“ war vom gestrigen Tage weniger überzeugt als der Prüfling.
„Hallo Ricky.“ „Hallo André, wie war die Zwischenprüfung?“ „Zwischenprüfung war gut.“ „Nein, befriedigend!“ rief Judith von hinten in den Raum, lachte aber dabei. „Okay, dann eben befriedigend.“ Er hörte sich trotzdem leicht genervt an. „Habe als Endnote eine glatte 3. Bin damit aber auch um ein einziges Prozent abgeschlagen viertbester von 23 Prüflingen in unserer Gruppe gewesen.“
„So ist das. Ruhm und Ehre bekommen nur die drei auf dem Siegertreppchen. Du weißt, was wir wollten. Verbesserung. Die hast Du in den Halbjahresnoten gezeigt, da warst Du bei 1,9 und nicht mal viertbester. Also hör auf Deine Ausbilderin, denn sie ist Deine direkte Vorgesetzte, aber Dein Personalchef ist zufrieden.“ So hatte ich dann hoffentlich André gezeigt, dass er zufrieden sein konnte, ohne Judiths Autorität zu untergraben. Sie hatte nun einmal andere Ansprüche. Ich hielt es da eher mit dem Altkanzler und beurteilte Zwischenprüfung und Zwischenzeugnisse mehr nach dem Gesamtbild als nach absoluten Werten. „Entscheidend ist, was hinten raus kommt.“ Und hinten in der Ausbildung war die Abschlussprüfung.

Erst kurz vorm Ziel in Taranto zeigte sich die Sonne am Nachmittag, nur um kurz danach unterzugehen. Hoffentlich hörte dieses Nebelwetter bald auf.

Es gab noch eine Ladung Sprengstoff auf Kurzstrecke, die wir morgen früh als erstes abliefern mussten, um die Anschlussfracht zu schaffen. Also gab ich die Adresse ein: Via Cava di Sassi, San Giovanni in Fiore. Das war zu schaffen, auch wenn die Straßen eng und kurviger wurden. Unsere Lampenbatterie machte die regnerische Nacht zum Tage.

Als wir schließlich in der Gegend ankamen, hielten uns die Carabinieri an, bevor wir auf die Nebenstraße einbiegen konnten. „Non si può prendere il camion lassù durante la notte.“ Warum konnte man da nachts nicht mit einem LKW rauf fahren? Aber Carabinieri waren nicht die Sorte Mensch, mit der man Grundsatzdiskussionen anzetteln sollte. Also fuhren wir zähneknirschend auf den nächsten Parkplatz an einer Tankstelle. Die halbe Stunde würde uns morgen nicht umbringen.


Freitag, 04.02.2016

Es war noch dämmerig, als wir uns auf den Weg machten. Die Straße wurde schnell unbefestigt und schließlich verstand ich die Warnung der Ordnungshüter. Luke umkurvte Felsen und spitze Steine, die aus dem Schotter der Straße nach unseren Reifen schnappten.

So dauerte es 2 Stunden, bis wir am Ziel waren. Das waren anderthalb nicht eingeplante Stunden Fahrzeit. Das würde verspätete Aufnahme und Ablieferung der Anschlussfracht bedeuten.

Luke fuhr noch solo zurück zur Hauptstraße und weiter nach Crotone. Dort wartete noch eine Plane von Talke auf uns und im Endeffekt auf Rom. Bei heute mal komplett sonnigem Wetter fuhr ich durch den Nationalpark zurück zur Autobahn.

Auf halber Strecke löste Luke mich noch mal ab und fuhr weiter nach Rom. Mit ein Bisschen „Ja und Amen!“ gab ich die Papiere im Büro ab, wo man nicht glücklich über die Verspätung war. Danach stand Wochenende im Hotel an.

Das Wochenende in Rom verbrachten wir gemeinsam. Luke war noch nie für Touristenprogramm hier gewesen und so konnte ich ihm den Fremdenführer geben. Wir klapperten die üblichen Touristenziele ab, also insbesondere Kolosseum, Forum Romanum, Spanische Treppe, Vatikan.
Dagegen nahmen wir, dank meiner einigermaßen alltagstauglichen Sprachkenntnisse, die Gelegenheit wahr, abseits der Touristenströme in kleinen und ursprünglichen Gasthäusern zum Essen einzukehren.


Montag, 07.03.2016

Die Arbeit rief uns am Morgen wieder und sie rief uns zur ENI. Von Zeit zu Zeit fuhren wir ja für die, daher war es nicht außergewöhnlich. Aber die festen Vertragspartner waren wohl verunsichert, weil das Management seit einigen Wochen oder schon Monaten in einer organisatorischen Selbstfindungsphase steckte.
Das äußerte sich vor allem in der Frage, was die Verantwortlichen ihr Geschwätz von gestern interessierte. Denn die Entscheidungen von der letzten Sitzung konnten schon nach einer Woche nicht mehr das Papier wert sein, auf dem sie geschrieben standen, glaubte man den Gerüchten, die so kursierten.

Unsere Ladung war Sprengstoff für einen Steinbruch in Südfrankreich. Den ersten Teil der Tour fuhr ich und bei Sonnenaufgang hatten wir Rom verlassen und waren durch die Mautstelle, vor dem dicken Verkehr aus der Stadt raus.

Nachdem wir die A1 verlassen hatten und nach Westen eingeschwenkt waren, übernahm Luke das Steuer. Kurz danach meldete sich mein Handy. „Ricky hier. Hallo Steven.“ „Hallo Ricky, wie geht’s?“ „Gut, wir sind in Italien unterwegs, waren am Wochenende in Rom.“ „Auch schön. Aber ich bleibe lieber dem Norden treu. Apropos. Kannst Du mir was zu Transport Schütz sagen? Ich habe gehört, dass Du den Inhaber kanntest.“ Inzwischen war die Insolvenz veröffentlicht worden. „Flüchtig. Mal telefoniert, mal einen Tee zusammen getrunken.“ Mal ein paar Bier zu viel, aber das musste ja nicht bekannt werden.
„Okay. Ich habe hier eine Personalliste bekommen. Unternehmenswerten dran und würde vielleicht auch Fahrer mit Fahrzeugen zusammen übernehmen. Kennst Du die?“
„So gut wie nicht.“ „Wen denn?“ „Unseren gemeinsamen Freund aus Anfängertagen.“ „Also ist er es?“ „Ja, er ist genau der Erik Mahler, der uns als Teenager vom Fahrrad aus erklären wollte, wie man einen Sattelzug fährt. Von dem arroganten Schnösel lass bloß die Finger!“
„Und weiter?“
„Den Azubi kenne ich. Hat mal 2 Wochen Praktikum bei uns gemacht. Hat so ein kleines Bisschen Probleme mit den Prioritäten. Erst die Freundin, dann die Arbeit. Ist aber an sich nicht dumm.“ „Das sehe ich. Abitur.“ „Wollte Pilot werden. Hat aber nicht geklappt und soweit ich weiß, wird das spätestens seit letztem Jahr auch nie mehr klappen. Für den Berufskraftfahrer reicht es locker, aber in die Luft gehen lassen ihn die Ärzte nicht und die gucken seit letztem Jahr ja dreimal hin, bevor sie unterschreiben.“ „Kennst das Kerlchen ja für einen Praktikanten ziemlich genau.“ „Einer meiner Fahrer ist locker mit dem befreundet.“
„Kennst Du noch einen?“
„Persönlich nicht. Der Luca soll ein ganz patenter Typ sein. Und dem Justin hat dafür sogar Patrick selbst mal bescheinigt, nicht alle Tassen im Schrank zu haben, und das will was heißen.“ „Bei einem, der es schafft, Erik Mahler anzustellen glaube ich das mal ohne Prüfung.“
„Mehr kann ich Dir leider nicht sagen.“ „Okay, dann lade ich mir mal noch ein paar mehr auf Verdacht ein. Einen Schweden hatte er zum Beispiel auch, der wäre ja passend für uns.“
„Das hört sich so an, als wolltest Du seine halbe Firma übernehmen.“ „Na so gut ist die Kriegskasse auch nicht gefüllt. Da Du ja selber erst kürzlich ins Rheinland expandiert bist und hoffentlich satt, verrate ich es Dir mal. Ich bin auch an seinem Grundstück und der Industriebrache nebenan interessiert, wo er angeblich selber schon eine Logistikhalle drauf stellen wollte. Er hatte schon seinen Kundenstamm in Skandinavien und ich hoffe, da was abzugreifen. Leider hatte er bei Dachser keine Aktien in der Himmelsrichtung, das wäre noch perfekter. Ein paar Linien als sicheres Grundeinkommen sozusagen, wie bei Euch in Richtung Insel.“

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, musste ich erst mal feststellen, wie schnell so eine Spedition heutzutage ersetzbar war. Patrick hatte sich selbst in die Misere manövriert. Aber die Lücke, die er hinterließ, schloss sich von alleine. Sein Skandinaviengeschäft ging wenn das nach Plan lief an Steven, gleich würde ich mal Felix einen kleinen Tipp stecken, dass es vielleicht in Richtung Österreich was zu holen gab. Wobei ich noch nicht sicher wusste, was aus seiner Niederlassung dort unten wurde. Rechtlich war es eine eigene Firma nach österreichischem Recht und nicht von der Insolvenz betroffen, wenn sie überhaupt schon gegründet war. Außerdem hatte er da ja selbst einen Kumpel, diesen David Haider, der vielleicht was übernahm.
Und wenn wir wollten und den Bodensatz unserer „Kriegskasse“ zusammenkratzten, um ein paar Brückenzüge zu leasen, würden auch wir noch ein Stück von Patricks Nahverkehrskuchen bei Dachser ab Neuss abbekommen. Aber mit Frau Zimmermann aus der Inlands-Dispo waren ja bekanntlich keine Geschäfte zu machen.

Die Reise ging an Bauruinen von Hotelanlagen vorbei. Das waren Opfer der in Italien noch immer nicht so ganz überwundenen Krise.

Bereits in der Dunkelheit schafften wir es noch bis kurz vor Toulouse, wo wir gegen 9 auf einem Rastplatz anhielten.


Dienstag, 08.03.2016

Ab nun ging es über Landstraßen ans Ziel. Und da es nicht mal Nationalstraßen waren, galten 60 km/h – also fuhren wir 64. Immerhin war das Wetter schön. Stau ist nur hinten blöd. Vorne geht’s.

Die Zufahrt zum Steinbruch war schon bald geschottert, aber das kannten wir ja. Was wir schon länger nicht mehr kannten, war, dass wir keine Anschlussfracht hatten. „Wir haben schon zu zweit gesucht.“ Wenn Judith und André gemeinsam nichts gefunden hatten, dann war Südfrankreich wohl gerade ein schlechtes Pflaster.
„Ich rufe mal jemanden an.“ Luke wählte eine Nummer. Aus dem immer wieder zwischen Englisch und Walisisch hin und her springenden Gespräch hörte ich raus, dass es jemand bei BP UK sein musste. Und es schien erfolgreich zu sein. „Awn ni! Light tractor to Toulouse, 12 tons of additives to Newcastle.“

Bis auf einen sehr französisch überholenden Lieferwagen verlief die Fahrt ruhig. Das dürfte zuerst auch mit dem relativ leichten Trailer so bleiben. Die Hubachse hielt es nicht mal für nötig, sich an die Arbeit zu machen.

Mit einer Teepause an einer Mautstation fuhren wir auf Paris zu. Dank schlechtem Wetter kamen wir aber langsamer voran als gedacht und tanken mussten wir auch noch. Also steuerten wir zum nächsten Fahrerwechsel eine Raststätte zwischen Orleans und Paris an.
Luke ging ins Gebäude, wohl Richtung Fliesenabteilung: „Ich zahle auf dem Rückweg gleich auch.“ „Bringst Du mir ein Liquid mit? Irgendwas fruchtiges, nicht tropisch. Erdbeere, Himbeere, Kirsche – so die Richung. 9 Milligramm.“ „9? Meanwhile going for the hard stuff?“
571 Liter Diesel, 633 Euro von der Firmenkreditkarte, 10 ml Liquid mit Kirschgeschmack und 4,50 Euro aus der privaten Kasse später waren wir wieder unterwegs.

Ein weiterer Stau hinter Paris, einem Unfall sei Dank, war es dann absolut unmöglich, noch mit diesem Slot zur Fähre zu kommen. Also wurde es an einer Mautstelle sportlich.
Luke stand vom Beifahrersitz auf und rollte sich blitzschnell ins Bett. Ich ließ meine Fahrerkarte auswerfen und schlüpfte durch auf den Beifahrersitz. Dann rollte sich Luke wieder nach vorne, setzte sich auf den Fahrersitz, schob seine Karte in den Slot und fuhr an, während der elektrisch einstellbare Sitz sein Programm abspulte und auf Lukes Position fuhr.

Wir machten schließlich unsere große Pause im gesicherten Hafenbereich. Wir hatten uns auf die entsprechende Fähre gebucht, mit der wir möglichst direkt nach Ablauf der 9 Stunden in Dover waren.


Mittwoch, 09.03.2016

Also rollten wir um 20 nach 8 morgens und nach einem guten Frühstück auf dem Schiff an Land und zwischen dem berühmten Kreidefelsen und dem Hafen in Richtung Autobahn.

Es war noch einiges los um die Zeit, also kamen wir erst einmal nur langsam voran.

Schließlich war aber die Autobahn erreicht und da wir nun hinter dem dicksten Verkehr London erreichten, waren wir schnell vorbei und auf der M1 unterwegs. Wobei es dank einiger Leute, die wohl die Schilder falsch interpretierten, nicht immer schnell war. In der Baustelle waren 50 Meilen erlaubt, aber gefahren wurden 65 km/h, was 40 Meilen entsprach. Oder „km/h mit Zuschlag“. Das entsprechende Fahrzeug hatte ein gelbes Nummernschild hinten, aber ob das Auto aus Großbritannien, den Niederlanden oder woher auch immer war, blieb ungeklärt. Dazu war es zu weit weg und zu viele andere dazwischen.

Gegen 19 Uhr waren wir in Newcastle und lieferten ab. Luke brauchte ein paar Minuten mit den Papieren. Es war zwar ein paar Jahre her, dass er bei BP gegangen worden war, aber er kannte wohl doch noch einige Leute da ganz gut.

Leider hatte sich das Problem nur verlagert. Denn auch Newcastle war nicht unbedingt ein Paradies für Frachtaufträge. Immerhin zwei Container mit Katzenfutter für einen Großhändler in Mannheim hatten sich nach wieder etwas längerer Suche in den Börsen gefunden. Da wir noch eine Menge Lenkzeit hatten, aber die Fähre von Newcastle seit 2 Stunden auf See war und die ab Hull in 90 Minuten folgen würde, machten wir noch durch die Nacht Strecke.
Das Ziel hieß Harwich und wurde gegen 2 Uhr erreicht. Dabei hatten mir mal wieder ungewohnte Klänge von Eric Prydz, dem Youtuber Ian P. und diversen anderen geholfen: „Seit wann hörst Du Techno?“ „Als ob Dich das stören müsste.“ „Nein, nur wundern. Früher war solche Musik eher ein Tabuthema.“ „Jetzt musst Du nur noch freiwillig anfangen, Metal zu hören.“ „Ich schalte in Schweden nicht von Deinem Bandit Rock weg, oder?“
Es war mehr eine Neckerei, denn Luke hörte durchaus auch Rock. Und er spielte ihn vor allem, denn Techno kam aus dem Soundgenerator und Luke bevorzugte sein Schlagzeug als Instrument.

Wie Timo und Ilarion ihren gegensätzlichen Musikgeschmack unter einen Hut brachten, würde mich auch mal interessieren. Bei uns liefen meistens „Dudelsender“ wie WDR2, SWR3, Antenne Bayern, Radio 2.0 Bracca, RTL Radio, Star Radio oder Radio Veronica. Und für MP3-Sticks wie auch den Radiosender saß der DJ am Drehteller – äh Lenkrad.


Donnerstag, 10.03.2016

Die Tagfähre hatte einen entscheidenden Nachteil, sie fuhr am Tag. Wir hatten seit 2 Uhr nachts auf der Wartefläche knapp 6 Stunden geschlafen.

Jetzt waren wir wach, aber mussten dann wieder abends fahren. Um 17 Uhr ging es los, mit Luke am Steuer. Ich legte mich schon mal hin und döste ein Bisschen vor mich hin.

Halb 10 übernahm ich dann und fuhr ab Bedburger Land bis fast ans Ziel. Luke machte dafür gleich mit Aufsatteln bei BASF und unserer Fahrt in Richtung Heimat weiter. Ich übernahm dann noch bis zum Chemiepark in Leverkusen, wo wir bei der im Areal gelegenen Talke-Niederlassung ablieferten. Danach ging es nach Hause.

Das Wochenende war ich von einem Freund zum Modellbahn spielen eingeladen. Luke wollte das angesagt gute Wetter nutzen und ein Bisschen im Bergischen wandern.

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