Kapitel 87 – Erwartungshaltungen

Diese Woche…
…kommt nicht der, den Ricky erwartet hat…
…Marlon berichtet, was Talke von uns erwartet…
…und das Land fürs Wochenende lässt nicht viel erwarten!

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Dienstag, 29.03.2016

Rolf war noch die Woche in Berlin im Urlaub, also begann es für mich mit der Einweisung eines Fahrers. Allerdings kam nicht der, den ich erwartet hatte. Das Wesen, das mit Kennzeichen WAF auf den Hof fuhr, hatte seine Wurzeln in einem Land, das sich über Europa und Asien erstreckte, schwarze Haare, eine Frisur Marke „starker Seitenwind in der Haargelfabrik“ und einen gepflegten Vollbart.
„Hallo, ich bin Serkan und suche Eric.“ „Den hast Du gefunden. Wo hat sich der rothaarige Bayernfan denn versteckt?“ „Björn meinte, die Fanfreundschaft zwischen Bayern und Bochum wäre sowieso nach dem Pokalspiel dahin, dann könnte auch gleich der schwarzhaarige BVB-Fan hin.“ „Na danke auch! Ich lächelte, war froh und es kam schlimmer. Nee, Scherz! Ist ja nur Fußball.“
Wir gingen in mein Büro und ich ließ mir erst mal seine ganzen Papiere vorlegen. Dann klapperte ich die allgemeinen Regeln ab. Dass bei uns Lenkzeiten noch mehr zählten als Termindruck, dass in den Zugmaschinen Rauchverbot herrschte und so weiter.
„Du kriegst die Woche einen Renault Magnum. Schon mal gefahren?“ „Ja, ein paar mal. Unser einziger Kunde, der so was hat, ist zwar Björns bester Kumpel, aber es ließ sich nicht immer einrichten, dass der dort einspringt. War das nur da so, oder ist die Bremse bei Eurem auch so lausig?“ „Ja, die ist leider auch hier eine Katastrophe. Scheint System zu haben.“

Nachdem Serkan mit Rolfs Truck unterwegs war, ging ich mit Julian und Marlon in den Besprechungsraum. Ich hatte richtig gelegen. Wir waren im Ruhrgebiet zwar bei Talke als Nummer 1 gesetzt. Allerdings gab es zwei Nachrichten, die man Marlon mit auf den Weg gegeben hatte und die uns Kopfschmerzen bereiteten.
Erstens lag die Betonung auf „Ruhrgebiet“, im Rheinland war man mit Subunternehmern bestens versorgt und brauchte unsere Dienste nicht fest. Wenn wir was aus dem Exklusivbereich des Systems raus zogen, war das okay. Aber dort brauchten wir nicht mit Linien zu rechnen. Dafür wollte man, dass wir im Ruhrgebiet mehr Trucks einsetzten als jetzt und ab Sommer auch Linien übernehmen konnten. Und da war unser Problem, denn für die Dachser-Linien mussten wir noch mindestens 2 Trucks kaufen, bevor wir welche für Talke nachkaufen könnten. Oder die PEMA DAF müssten länger bleiben.

Schließlich machte ich mich mit Luke auf den Weg nach Düsseldorf, wo wir bei der BASF ein Silo voll mit meiner Lieblingsladung abholen durften – Verpackungsflocken. Gegen 10 Uhr waren wir staubedingt auf der Landstraße unterwegs in Richtung Süden, um auf ein freies Stück Autobahn zu kommen.

An der Grenze nach Belgien durften wir durch fahren, allerdings wurde der Verkehr künstlich verlangsamt, um gezielt Fahrzeuge raus zu ziehen und so rollte ich teilweise mit nur 30 auf die Grenze zu. Das gleiche Spielchen erwartete Luke an der Grenze nach Frankreich.

Danach war es Business as usual, die Strecke von Rhein-Ruhr über Paris nach Bordeaux war ich gefühlte 1000-mal gefahren in den 4 Jahren seit ich mit meiner eigenen Firma angefangen hatte.


Mittwoch, 30.03.2016

Auch die weitere Strecke war mir bekannt, selbst wenn es für Luke irgendwo hinter Valladolid neu war, als wir auf die Nationalstraßen wechselten. Das außergewöhnlichste Ereignis war, als wir an einer Ampel in Valladolid wechseln mussten und mal wieder Luke Platz machte, indem er sich kurz in die Koje abrollte.

Für den Kunden blieb es sich gleich, ob wir bis ans Ziel durch fuhren oder ob wir unterwegs 9 Stunden Pause machten. Denn sonst würden wir vor seinem Tor stehen, bis diese 9 Stunden um waren. Auch um unnötige Diskussionen zu vermeiden, warum wir nicht auf den Hof fuhren zum Abladen, machten wir Pause an einer Tankstelle, mit Volltanken zu den recht günstigen Preisen in Spanien.


Donnerstag, 31.03.2015


Um 6 Uhr durften wir uns dann wieder auf den Weg machen.

In Cordoba lieferten wir dann die Flakes ab, wobei wir das Silo ausblasen mussten. Dann brachten wir es zu ENI, wo auch unsere Anschlussfracht stand. Es war ein Tanktainer mit Chlor, der nach Lissabon sollte. Wir machten uns auf den Weg und fuhren bei schönstem Frühlingswetter schon bald aus der Ebene durch die Berge. Zwar musste man mit Gefahrgut in Spanien immer auf dem direkten Weg zur Autobahn, aber auch das konnte bei etwas abgelegeneren Städten eine reizvolle Strecke sein.

Das mit dem schönen Wetter änderte sich kurz vor Lissabon. Immerhin brauchte ich nicht abzusatteln, weil die Anschlussfracht nach Faro in einem Container und für die gleiche Überseespedition war und wir deshalb den Trailer behalten konnten. So kam Luke patschnass ins Fahrerhaus zurück, während ich mich bei einem Milchkaffee um die Papiere kümmerte.

Inzwischen blieb es länger hell und so konnten wir noch die Landschaft Portugals in der Abenddämmerung genießen. Wehrburgen und Prunkschlösser verzierten die Berge, ob die Radioteleskop-Anlage auch so schön war, brauchte man sicherlich nicht zu diskutieren.

In Faro konnten wir zwar noch beim Logistikzentrum anliefern, aber die letzte Fracht für diese Woche war erst morgens bereit.


Freitag, 01.04.2016

Es waren Baumstämme für Nantes in Frankreich. Und natürlich bekam ich jetzt als Ausgleich für gestern den Pelz gewaschen, denn es regnete Bindfäden, als ich aufsattelte und danach aus der Stadt fuhr.

Das Wetter wurde wieder besser. Unsere Route führte auf einem längeren Abschnitt über Landstraßen. Ob die Bewohner der Kleinstadt so zufrieden damit waren, dass der ganze Schwerverkehr über ihre Hauptstraße rollte?

Mit Tank- und Teepause kamen wir gegen 20 Uhr auf einem Rastplatz hinter Valladolid an.


Samstag, 02.04.2016

Es dämmerte inzwischen schon, als wir uns morgens gegen 5 Uhr nach einer Dusche und einem Frühstück im Rasthaus auf den Weg machten.

Es war ein wunderschöner Tag, auch wenn er schöner wäre, wenn wir in Spanien bleiben dürften.

Mit unserem Trailer ohne Verstecke für Einwanderer wurden wir an der Grenze nicht raus genommen. Es dauerte noch einen Fahrerwechsel und bis um die Mittagszeit, bevor wir uns Nantes näherten. Das nach dem Absatteln bevorstehende Wochenende war zu kurz für die Lenkzeitvorschriften, im Normalfall würden wir das aber problemlos schon am kommenden raus holen. Und ein Wochenende in Frankreich konnte mir sowieso nicht kurz genug sein.

Julian war das Wochenende zu Hause, Timo und Ilarion waren in Göteborg.

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