In diesem Kapitel…
…ist Lukes Zeit abgelaufen…
…Timo spricht mit jemandem, der tief gefallen ist…
…und wir haben wieder eine Begegnung unbekannterweise!
Montag, 25.04.2016
Als wir um kurz nach 9 im Hafen von Igoumenitsa los fuhren, war es für mich eine ziemlich gewohnte Strecke. Auch Luke war schon einmal mit mir hier gewesen, auf einer unserer ersten Touren. Also wusste er, was auf uns zukam. Der FH16 nahm den Berg mit 48 km/h, deutlich schneller als der Stralis und über den MAN Mietwagen musste ich erst gar nicht reden.
Beim Kunden in Trikala wurden wir die Natronlauge los. Talke hatte nichts hier, also hatte unser Büroteam uns mit einem Trailer voll Altöl für Shell nach Athen geschickt. Auch wenn Luke erst 3:24 gefahren war, übernahm ich für den nächsten Block.
Das Telefon klingelte. Timo, unser urlaubsvertretungsbedingt Alleinreisender. „Hallo Timo. Was gibt’s?“ Hoffentlich nichts Ernstes. „Rate mal, wer eben hier war und Grüße bestellen lässt.“ „Keine Ahnung?“ „Patrick Schütz.“ „Na schau mal einer guck! Und, was macht der alte Pleitegeier?“ „Fährt einen Kühler mit 450 PS und Kassengestell für Steiner Logistik Hannover.“ „Tja. Manche fangen in der Klasse als Angestellte an und steigen auf 580 PS auf. Andere fangen mit 580 an und landen am Ende in der Flottengurke.“ „Und die ganz dummen wechseln fast, bevor sie den 580 kriegen auf einen 520 und landen nach der Pleite auf der Straße.“ Das war wohl auf ihn selbst bezogen und seinen Beinahe-Abgang. „Na ja. Vielleicht hätte sich Steven erbarmt.“ „Vielleicht, vielleicht nicht. Danke, dass Du damals so eine Geduld mit mir hattest.“ „So lange Du daraus gelernt hast, war es mir die Geduld wert.“ „Ja.“
„Dann wollte er wissen, wie es Maxi geht. Nach seinen anderen Fahrern hat er nicht gefragt. Nach dem verhinderten Ziehkind kann man ja mal fragen, die anderen Fahrer sind wohl scheißegal.“ Das war mir nun etwas zu allgemein. „Wobei er vielleicht mal mit Luca persönlich gesprochen hat. Die zwei waren schon seit Ewigkeiten dicke. Luca hatte er aus Leipzig mitgebracht. Und diesen Andy, der sich vor einem Jahr auf der A2 zu Presspappe verarbeitet hat und dabei seinen unschuldigen Vordermann am Autotransporter davor geköpft hat.“
„Und was macht er sonst so?“ „Fährt ein grünes Motorrad, ist mit seiner neuen Schnalle schon verlobt. Kurz, er hat ein Privatleben. Und apropos Privatleben, meins hat ihn sehr überrascht.“ „Inwiefern?“ „Na ja, Ilarion war zwischenzeitlich mal in die Wohnung gekommen.“ Der war am Wochenende meistens zu Hause bei seinen Eltern und Geschwistern, aber hatte einen Schlüssel für unsere Wohnung bekommen, damit er nicht klingeln musste, wenn er mal bei Timo sein wollte. „Und genau als Patrick fragte, was meine Beziehung macht, kam er in die Küche und hat mich per Begrüßungskuss überfallen. Patricks Gesicht war herrlich.“ Das konnte ich mir denken. Wir verabschiedeten uns.
„Wer ist eigentlich dieser Patrick Schütz? Außer dass er mal einen Lastwagen verkauft hat?“ Stimmte ja. Luke war dem noch nie persönlich begegnet. „Das ist eine lange Geschichte.“ Also erzählte ich die lange Geschichte. Von seinen ersten Begegnungen mit Timo noch von Leipzig ausgehend, seinem Umzug nach Neuss, seiner verfehlten Flottenpolitik, die Luke als einziges insofern kannte, dass Tom heutzutage den Scania V8 fuhr. Schließlich folgte noch der Fall Maxi, den wir ja nun auch in unserer Firma dank Praktikum, zufälliger Treffen und losem Kontakt zu Timo besser kannten.
„Und was habt Ihr eben von Geduld geredet?“ „Das ist der Teil, den ich übersprungen habe. Letztes Jahr hat Patrick versucht, Timo mit Geld und guten Worten abzuwerben. Hatte eine kleine Vorgeschichte bergab, wo Timo die Nerven verloren hat, als er sich einmal für das Überholmanöver auf seiner ersten Tour rächen wollte. Und ich habe danach das nötige Gespräch nicht gesucht, sondern heimlich ein Fahrsicherheitstraining eingestielt. In der Zeit haben die beiden dann Fortschritte gemacht bei ihren Verhandlungen.“
„Und warum ist er am Ende nicht weggegangen?“ „Ein wichtiger Grund wird Ilarion sein. Die zwei waren zu der Zeit frisch zusammen gekommen. Dann hatte er festgestellt, dass ich nicht heimlich an seinem Rausschmiss gearbeitet habe, als wir das Fahrertraining hatten. Und am Ende habe ich ihn einfach auf einen ähnlichen Umlauf geschickt. Da hat er sich dann ausgemalt, wie es sein würde, das dauernd als Linie zu fahren. Da ist er nicht der Typ für.“
„Na dann hat er aber wahnsinniges Glück gehabt, dass er bleiben konnte.“ „Spätestens jetzt, wo Schütz pleite ist, wird ihm das noch mal so richtig bewusst geworden sein.“
Für das letzte Stück bis Athen musste aber noch mal Luke ran. Wir machten Fahrerwechsel in einer Haltebucht am Rand der Autobahn. In Griechenland gab es nicht nur so tolle Rastplätze wie in Deutschland. Hier war auch schon mal die Toilette an einer Mauer und die komplette Infrastruktur bestand aus einer großen Abfalltonne ohne Mülltrennung.
Nun durfte also Luke nach Athen rein fahren. Das war auch nicht vergnügungssteuerpflichtig. Hier wurde nicht nach Vorfahrtregeln gefahren, sondern nach dem Prinzip „Ich fahre dahin, wo Platz für mein Auto ist!“

Aber irgendwann war es geschafft und wir rollten durch Piräus in Richtung Hafen, wo die Fabrik lag, die das Altöl entsorgen sollte.

Ich hatte auf der Fahrt gerechnet und am Nachmittag noch darum gebeten, dass Talke für die Anschlussfracht, die nebenan bei einer Überseespedition aus Sammelgut zusammengestellt worden war, ein Carnet eröffnen sollte. Denn wir würden über Patras erst am Dienstagabend mit dem Schiff ablegen und waren Mittwochmittag in Ancona. Über die Balkan-Küstenstraße mit zwei Fahrern sollten wir um die Zeit schon weiter sein und mit TIR 5 bis 6 Stunden Vorsprung gegenüber dem Seeweg haben. Den regulären, heutzutage zur vollwertigen Autobahn ausgebauten Autoput brauchten wir nicht zu versuchen, da waren wie in den „besten Jahren“ während der 80er Staus von Stunden, wenn nicht Tagen an den Grenzen, um die Flüchtlingsroute dicht zu halten.
Nachdem meine Fahrzeit voll war, konnte Luke noch seine Restzeit abfahren, denn er war erst bei 7 Stunden. Als es auf 10 ging, hatte er aber ein Problem: „Mist!“ „Was ist los?“ „Wir hätten einen Fahrerwechsel auf dem Pannenstreifen machen sollen. Mir wird die Lenkzeit mitten in der Baustelle ausgehen!“

Das stimmte und so waren es 4:36 Stunden, bis wir auf dem Seitenstreifen für die letzten 5 Minuten noch einmal einen Fahrerwechsel machten.
Dienstag, 26.04.2016
Es war schon Mittag, als wir wieder los durften. Luke fuhr den ersten, kurzen Abschnitt bis zur albanischen Grenze. Dann konnte ich bis Tirana einen längeren Abschnitt fahren. Aber bis dahin hieß es erst einmal warten. Die Balkanroute war geschlossen und unser Curtainsider zwar mit einer Zollschnur durch die Schnellspanner, aber dennoch nicht so sicher wie ein Tanker. Also dauerte es knapp 50 Minuten, bis wir trotz TIR abgefertigt waren.

Vor Tirana meldete sich dann die Tankanzeige. Das war so geplant, aber am Ende zog ich ein ziemlich dummes Gesicht. Der Sprit in Albanien war genauso teuer wie in Griechenland und letzten Endes auch in Deutschland.
Hinter Tirana wechselten wir den Fahrer wieder.
Am Ende wurde es doch dunkel. Die weiteren Grenzen waren nicht so stark kontrolliert wie von Griechenland nach Albanien. Dadurch schafften wir in Kroatien noch gut Strecke. Dubrovnik und Split passierten wir in der Nacht, was uns das sonst hier herrschende Verkehrschaos ersparte.
Zwischen Split und Zadar war die Schicht gegen viertel nach drei zu Ende. Fahrzeit war noch übrig, aber wir waren beide zu müde, um weiter zu fahren. Wir nahmen das wirklich für den Rest der Tour billige Diesel in Kroatien mit und tankten einmal voll. Die heimische Zapfsäule sollten wir diese Woche um 200 Kilometer verfehlen.
Mittwoch, 27.04.2016
Mal wieder ging es um die Mittagszeit los. Ich fuhr erst bis an die Grenze nach Slowenien, wo wir mit 20 Minuten ziemlich flott abgefertigt wurden. Dann blieb mir noch die Zeit, um durch Slowenien zu fahren, bevor der Block voll war.
Mir waren schon die mit Schneeresten und Salzrändern eingesauten Fahrzeuge aufgefallen und noch vor der Grenze nach Österreich waren wir Ende April im Winter. Laut Ö3 waren die dicksten Verkehrsprobleme aber von Villach Richtung Salzburg und auf der Gegenrichtung der Autobahn von Villach in Richtung Slowenien.
Trotzdem ging es im Schneckentempo durchs mehr nach Dezember aussehende Villach und dann mit maximal 50 bis 55 auf der Autobahn weiter.

Auch nördlich vom Alpenhauptkamm lag in den Höhenlagen noch Schnee, als wir den Tauern runter fuhren.

In Salzburg war es allerdings warm genug, dass kein Schnee lag. Die Grenzabfertigung nach Deutschland dauerte gerade einmal 12 Minuten. Die Österreicher hatten sich 48 Minuten Zeit gelassen. Aber inzwischen glaubte man in Deutschland wohl, dass die Balkanstaaten und Österreich gut genug aussiebten, so dass eine normale TIR-Abfertigung ausreichte.
Weit sollten wir aber auch heute nicht mehr kommen. Es setzte Regen ein, der bei den Temperaturen die Straßen in eine Eislaufbahn verwandelte. Da brauchte ich nicht erst drauf zu warten, dass Herr Antenne Bayern im nächsten Verkehrsfunk um die Ecke kam und Gefahrgutfahrer an ihre Verpflichtung erinnerte, den nächsten Rastplatz anzufahren.
Donnerstag, 28.04.2016
Heute ging es weiter bis nach Ludwigshafen, wo wir bei einem Chemiehändler das Sammelsurium ablieferten. Danach ging es zur großen BASF und mit einem Tanker Flüssigstickstoff wieder aus der Stadt raus.

Nun stand wieder mal ein Marathonlauf an, Ergebnis ungewiss. Meine erste Etappe führte von Ludwigshafen bis Göttingen. Wenigstens spielte das Wetter heute mit, es war trocken und auch wärmer. Hier übernahm Luke und fuhr weiter bis zum Autohof Bordesholm, wo wir noch mal volltankten und wieder Fahrerwechsel machten.
Als ich bezahlen gehen wollte, rief Luke mir nach: „Du schuldest mir noch eine Flasche E-Liquid! Kannst Du gucken, ob sie Mandel haben? Wenn nicht, bring mir bitte Schokolade mit!“ „Wie wäre es, wenn Du den LKW abschließt und mitkommst? Ich zahle, aber Du suchst aus!“ Das war dann auch eine der besseren Ideen, denn am Ende wurde es bei der schmalen Auswahl Karamell. Nicht ganz meine Sorte und ich brauchte auch noch was „Schweres“ für das nasskalte Wetter und entschied mich für Marzipan

Nun hieß es wieder, Tempomat auf 82 und weiter im Text. Es gab eine minimale Chance auf die 3:45 Uhr Fähre nach Göteborg. Sonst mussten wir die Tagfähre direkt nach Oslo nehmen. Da meine Zeit nur bis Aalborg reichte, musste Luke noch mal ran. Und da wir um 03:15 Uhr, als wir in Frederikshavn nach Göteborg hätten einchecken müssen, noch auf der Autobahn waren, würde es also doch auf die Tagfahrt raus laufen.
Wir schliefen schon mal eine Zeit im Hafen, bis das Schiff anlegte. Unter den Trucks, die vom Schiff fuhren, war wieder „thespone“ mit seinem rot-gelben DAF. Der war auch ziemlich oft hier. Es ging wohl auch deswegen inzwischen das Gerücht um, dass er eine Niederlassung in Norwegen aufmachen wollte.
An Bord nahmen wir unsere Rucksäcke mit Waschzeug mit. Auf dem Schiff lange schlafen wollten wir nicht, denn dann war der Rhythmus vollkommen durcheinander. Daher hatten wir keine Kabine. Also legten wir uns noch eine Zeit in einen der Liegesessel und gingen dann duschen und uns rasieren.
In Oslo angekommen ging es durch den Operntunnel nach Akershus zu Statoil, auf der Ostseite des Fjords. „Flüssiges Nitrogen für eine Ölfirma.“ „Wir selbst sind ja früher selber immer nur Benzin, Diesel, Heizöl, Flüssiggas und Kerosin gefahren. Aber Du weiß doch noch, was bei BP alles an Chemie rein und raus ging, das nicht verbrannt wird.“ „Auch richtig.“
Um die Sache unnötig zu verkomplizieren war unser Hotel nun in Asker am Westufer. Aber auf dieser Seite hätte es nur richtig teure Schuppen gegeben oder Motel-Absteigen. Also ging es noch mal 2 Stunden Solo durch den Großraum Oslo zum Hotel. Damit waren wir weitestgehend wieder da, wo die Tour uns nach dem ersten Auftrag vor 2 Wochen schon mal hin geführt hatte, in Südnorwegen.
Julian war gerade dabei, umzuziehen und somit in Bochum. Ilarion half vermutlich mit Marlon und Judith beim Möbel schleppen und war die Woche Julians Scania gefahren. Timo war mit dem Actros unterwegs und das Wochenende laut System in Växjö.
