Kapitel 92 – Drei Herren vom Grill

In diesem Kapitel…
…liest Ricky eine Onlinezeitung…
…sagt Luke, was heute für ein Tag ist…
…und André fährt zur Tankstelle!


Montag, 02.05.2016

Am Montag ging es für uns wie gewohnt als erste Gäste zum Hotelfrühstück und dann an die Arbeit. Als erstes mussten wir wieder nach Akershus, allerdings zu einem selbst nicht international fahrenden Logistikdienstleister, der eine Ladung Chemie für einen Händler in Polen zusammengebastelt hatte. Die ganze Angelegenheit hatte er also an Alfred Talke gegeben, die für ihn alle internationalen Chemietransporte in Länder abhandelten, wo Talke eine Niederlassung hatte. 1000 Punkte kamen bei den ganzen Pülverchen, Granulaten und Lösungen nicht mal zusammen.

Nachdem uns die Fahrt durch den Großraum Oslo 2 Stunden gekostet hatte, war es dann schon fast 9, als wir auf die Autobahn nach Schweden auffuhren.

Die Strecke bis Uddevalla nördlich von Göteborg waren wir vor 2 Wochen auch gefahren. Und während damals Luke am Steuer saß und ich die Aussicht von der Svinesundbrücke und Uddevallabrücke genießen konnte, waren die Rollen dieses Mal vertauscht.

Bei Trollhättan kam uns ein anderer Volvo FH16 entgegen und sofort war der Funk da. „Hey Ricky! Hast Du endlich die einzig wahre LKW-Marke gefunden?“ „Dominik, treulose Tomate! Hat was, aber ist mehr der gemeinsame Nenner zwischen meinem Lebensgefährten und mir. Ich tendiere weiter nach Süden zu Iveco und, sobald ich ihn mal fahren kann und nicht immer nur stehen sehe, vielleicht auch wieder Renault. Iveco ist zu klein für zwei, wie Du selbst noch weißt und seine Marke MAN ist schlecht lieferbar zurzeit. Wie ist die Lage sonst?“
„Gut. Onkels Geschäfte laufen, also läuft auch mein Truck. Nur Nordrhein-Westfalen ist weniger geworden. OWL ist Dein Kumpel recht schnell so gut wie alles gefahren, nachdem er uns das eine Mal ausgeholfen hat. Jetzt hat er auch noch die zweite Niederlassung in Neuss gekauft und damit komme ich auch nicht mehr so oft nach Rhein-Ruhr. Fahre aber regelmäßig Baden-Württemberg, Sachsen, Bayern, Österreich und Schweiz. Ansonsten natürlich ständig Schweden, Norwegen, Finnland, Baltikum. Nur die Schwedin zu finden wird kompliziert, kennt man ja in dem Job. Und Ihr?“
„Ganz Europa wie letztes Jahr auch. Bei der Beziehung haben wir geschummelt, kannten uns ja vorher schon.“ So den groben Hintergrund, dass ich nicht das erste Mal mit Luke zusammen war, wusste Dominik aus unseren sporadischen Schreibereien über Skype oder WhatsApp.
Weil wir mit 140 km/h Relativgeschwindigkeit voneinander weg fuhren, blieb uns nur noch, uns zu verabschieden, bevor die Verbindung zu schlecht wurde. „Wer war das jetzt?“ „Dominik. Der, der vor einem Jahr kurz für uns gefahren und dann nach Schweden gegangen ist.“

Kurz danach machten wir Mittagspause am Straßenrand und Luke fuhr weiter in Richtung Süden. Die Sonne stand dann schon wieder ziemlich tief, als wir nach weiteren 4 Stunden auf Karlskrona zu fuhren.

Das Schiff fuhr erst um 21 Uhr, also hatten wir noch Zeit. Trotzdem wollten wir uns nicht kurz vorm Hafen mit einer ausgedehnten Teepause aufhalten. Also bewässerten wir nur kurz die Hecke am Parkplatz, wechselten die Plätze und ich fuhr die letzten 50 Minuten zum Hafen. Unser Schiff war die Stena Baltica, eine RoPax-Fähre. Also billiges SB-Restaurant mit mäßigem Essen, eine billige Bar mit mäßigen Drinks und ansonsten bis auf ein paar für uns auch uninteressante einarmige Banditen komplett von Annehmlichkeiten befreit.

Luke war früh ins Bett gegangen und ich nahm mir mein Tablet und surfte noch ein Bisschen durch die Foren. Im britischen Spotterforum war ich lange nicht gewesen. Da ich hier unmöglich alles anschauen konnte, klickte ich bei den Fotos nur bei den Speditionen rein, deren Fahrzeuge ich optisch mochte, wie Ian Craig Haulage aus Schottland. Ergiebiger waren die News und dort war ein Thread aktuell weit oben, der die auffällige Überschrift „James Duncan und sein Sohn werden vermisst!“ hatte.
Es ging los mit einer zitierten Suchmeldung vom 6. April. „Die norwegische Polizei aus Helgeland in Mosjøen, aus Nord-Trøndelag in Steinkjer und die Polizei von North Wales in Wrexham sind auf einer gemeinsamen Suche nach dem Spediteur James Duncan aus Connah’s Quay und seinem Sohn Trevor. Während der Osterferien haben sie einen gemeinsamen Urlaub in Elsfjord, Norwegen verbracht. Am 2. April gab James Duncan die Schlüssel für das Ferienhaus an den Vermieter zurück, aber gab weder den Oberklasse-Mietwagen, einen Mercedes Benz SLS, am Flughafen in Trondheim ab noch trat er den Flug mit KLM über Amsterdam nach Manchester an.
Das Fahrzeug wurde zuletzt am Morgen des besagten 2. April auf der E6 nördlich von Mo I Rana gesehen, entgegen des vermuteten Fahrziels Trondheim. Nach Suchaktionen in Norwegen und, nachdem die norwegische Polizei eine Entführung seines ältesten Kindes vor seiner Frau vermutete, im benachbarten Schweden wendet sich die Polizei nun an die Öffentlichkeit.
James Duncan ist 43 Jahre alt, 1.84 m groß, füllig, braunhaarig und trägt einen Bart. Trevor Duncan ist 15 Jahre alt, 1.68 m groß, von durchschnittlicher Figur, mit dunkelblonden Haaren. Sie fuhren in einem blauen Mercedes Benz SLS AMG, zugelassen in Norwegen.
Wer James Duncan, Trevor Duncan oder das Mercedes Coupé am oder nach dem 2. April gesehen hat oder jegliche Hinweise über ihren Verbleib geben kann, soll sich an die Polizei Helgeland oder Nord-Trøndelag in Norwegen, die North Wales Police im Vereinigten Königreich oder jede andere Polizeidienststelle.“

Den Verdacht der Kindesentführung schloss James Duncans Ehefrau Rebecca allerdings in einem danach geposteten Interview gegenüber der lokalen Presse aus. Diese Woche in Norwegen in einem Blockhaus zwischen angeln in der Natur und herumfahren mit einem Luxusauto war das „Man Thing“ von ihrem Mann und ihrem ältesten Sohn, seit der 10 Jahre alt war. Sie befürchtete einen Unfall.

Zwischen den Artikeln schossen die Spekulationen der User wild ins Kraut. Von der Entführungsgeschichte über Unfälle bis zu Stories, auf die je nach Schreibstil und Thema die Herren John Grisham, Alfred Hitchcock oder Stephen King stolz gewesen wären, konnte man dort allerlei lesen – Moderatoren machtlos. Schon wenige Tage später, am 9. April, schienen die Befürworter der Unfalltheorie Recht zu behalten.
„Die Polizei Helgeland hat bestätigt, dass sie das Wrack eines Mercedes SLS und zwei männliche Leichen abseits der Straße und am Fuße einer Böschung direkt am Ufer des Røssvatnet-Sees gefunden haben. Laut der Fahrgestellnummer, den Nummernschildern, Reisepapieren und persönlichen Gegenständen konnten die Toten als der Spediteur James Duncan und sein Sohn Trevor aus Wales identifiziert werden. Gerichtsmediziner und ein Mercedes-Unfallforscher versuchen den Unfallhergang zu rekonstruieren.“

Nach weiteren Spekulationen tief ins Kraut, durchwachsen mit den ersten Beileidsbekundungen, wurde das dann am darauf folgenden Dienstag geklärt. James Duncan hatte einen Herzinfarkt am Steuer erlitten. Trevor Duncan hatte seinen Sicherheitsgurt gelöst, um die bei Mercedes links vom Fahrer angeordnete Feststellbremse zu aktivieren, als das Auto von der Straße abkam, die bewaldete Böschung hinabstürzte und sich mehrfach überschlug. Beide Insassen verstarben beim Unfall oder innerhalb kurzer Zeit danach.

Danach kamen einige Seiten mit Beileidbekundungen und schließlich ein Interview aus der regionalen Tageszeitung, dass die Witwe das Unternehmen zum Verkauf angeboten hatte. Sie hoffte, ein kleines Unternehmen würde ein Angebot machen und das Vermächtnis ihres Mannes und der zwei Generationen davor weiter führen. Sie selbst war Lehrerin und hatte keinen Bezug zum Thema, die beiden anderen Kinder waren 5 und 2 Jahre – zu jung, um zu warten, ob sie mal in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollten.
Die Spotter, die wie in Deutschland vieles besser wussten, meinten aber, dass nur die Marktgrößen wie Malcolm Angebote abgegeben hätten, um billig an die paar Fahrzeuge und eine Halle in einem bedeutenden Industriegebiet zu kommen.


Dienstag, 03.05.2016

Nachdem wir in Gdynia von Bord gefahren waren, ging es nach Olsztyn. Während Luke fuhr, sah ich mir mal die Website von Duncan of Deeside an. Sie hatten eine kleine Flotte von 5 DAF XF105 und XF106.

Da es in Olsztyn keine passende Fracht gegeben hatte, mussten wir solo nach Warschau.

„Kanntest Du die Spedition Duncan of Deeside?“ „Habe regelmäßig LKW von ihnen gesehen. Aber nie mit einem Fahrer gesprochen. Hatten immer nur DAF und als ich Kind war nur Leyland. Warum „kannte“ ich die?“ „James Duncan und sein ältester Sohn sind tödlich verunglückt. Die Firma steht zum Verkauf.“ „Und Ihr wollt sie kaufen?“ „Marlon und Julian wissen noch nichts von ihrem Glück. Aber ich werde es ansprechen. Wir müssen aber dann sicher sein, dass sich die Niederlassung selbst trägt.“ Luke wollte wissen, was genau passiert war und so fuhren wir weiter durch Polen, während ich Bericht erstattete.

In Warschau gab es eine Baumaschine, die nach Düsseldorf sollte. Das passte mir besonders gut in den Plan, denn dann konnte ich Personalgespräche mit unseren Leuten in Dormagen führen. Ich klärte ein kleines Detail mit Judith, nämlich meine Mobilität. Luke sollte noch eine kleine Tour nach Osnabrück und zurück nach Bochum mit dem LKW fahren.
„Dann soll André mir den Firmenwagen nach Düsseldorf zum Kunden bringen. Er kann dann mit Luke nach Osnabrück fahren. Sieht er mal, wie ein LKW von innen aussieht.“
„Und wie kommen Marlon und ich nach Hause? Du bist doch nicht vor 15 Uhr in Dormagen. Vier Gespräche wird 18 Uhr, hier frühestens 19 Uhr am Mittwoch vorm Brückentag.“ „Gute Frage. Hat Julian den Astra noch in der Halle?“ „Nein, natürlich nicht.“ „Dann soll Marlon ihm den Zweitschlüssel für den Alpina aus dem Tresor geben.“ „Okay.“
Luke war erstaunt: „Du gibst einem 19-Jährigen Deinen 410 PS Alpina B4?“ „Der 19-Jährige fährt selbst einen 306 PS starken Mercedes SLK 350 Wald Black Bison. Ich glaube, der hat es nicht nötig, sich mit dem Alpina was zu beweisen.“ „Der SLK ist doch weiß.“ Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen: „Die Spitzenserie von Wald Tuning heißt trotzdem so. Außerdem hat er ja wenigstens innen schwarzes Büffelleder.“

Mit deutlich weniger PS kamen die beiden polnischen Renaultfahrer schon an ihre Grenzen. Ab und zu ein Schulterblick ersparte eine Menge Schreibkram. Wir kurvten über den Standstreifen um das Elend herum.

Wir fuhren durch Polen, tankten noch mal billig voll und hatten einen Tankstopp, bevor wir nach Deutschland kamen. Dort wurden wir dann nur kurz kontrolliert.

Mittwoch, 04.05.2016

Nach unserer Übernachtung auf dem Rasthof Garbsen waren wir in der Tat bis zum frühen Nachmittag unterwegs.

In Düsseldorf wartete André mit meinem Auto auf mich. Wir tauschten und er fuhr mit Luke im LKW weiter. Das würde zwar für ihn einen langen Tag geben, aber er war selbst mal neugierig, wie es aus Fahrersicht ablief. Währenddessen fuhr ich nach Dormagen, um Gespräche mit unseren inzwischen auch schon wieder 2 bis 3 Monate beschäftigten Fahrern Elijah, Lars und Oliver zu führen. Hier gab es aber für alle Beteiligten nichts zu bemängeln.

Abends, als ich wieder zu Hause war, sprach ich mit Julian über das Unternehmen in Nordwales. Es würde gut zu uns passen, aber das Geld war auch seines Wissens nicht da. Unser Banker Dennis mahnte uns wohl schon, mal das Wachstum besser zu kontrollieren. Zuletzt wären die Einnahmen nicht in dem Maße gestiegen, wie er erwartet hatte.


Donnerstag, 05.05.2016

Luke und ich waren Stevens Einladung nach Paderborn gefolgt. Seine Frau war gerade im Aufbruch zu ihren Eltern nach Gütersloh. Wir setzten uns an den Tisch auf der Terrasse und wurden erst einmal mit Bier versorgt. „Reden wir Deutsch? Or should we speak English?“ Luke nahm die Steilvorlage mal wieder an: „A ffafriwyd Cymraeg.“ Er genoss zwei Sekunden lang Stevens dummes Gesicht. „Nein. Deutsch ist okay. Ich verstehe alles und vielleicht vertausche ich mal zwei Wörter beim Sprechen.“ „Und Du kriegst immer noch nicht Kühlschrank auf die Kette.“ Den Coolschränk war er nie los geworden.

Wenn zwei Fuhrunternehmer zusammen saßen, war es unvermeidlich, dass irgendwann die Sprache aufs Geschäftliche kam: „Und, was macht der Großbritannienverkehr?“ „Ganz gut. 3 Kofferzüge für Dachser und je eine eigene Plane und einen eigenen Kühler.“ „Hast Du auf den eigenen noch freie Kapazitäten?“ „Mal mehr, mal weniger. Warum?“ „Weil ich hier in OWL häufiger gefragt werde, auf die Insel zu fahren. Das ist mir aber zu speziell mit dem ganzen Einwanderer-Kram. Und Linksverkehr ist ein Unfallrisiko, wenn man es nicht gewohnt ist. Und jetzt, wo ich einen eigenen Standort in Neuss mit Umschlaglager für Stückgut habe, könntet Ihr das einfach in Neuss holen und auf Eure Trailer hinten drauf packen.“
„Derzeit steht ein ziemlich interessantes Kleinunternehmen in Wales zum Verkauf. Ich weiß allerdings noch nicht, wie meine Teilhaber dazu stehen. Vor allem unser Meister der Münze. Dann hättenwir Kapazitäten.“ „Das wäre ja noch genialer. Wenn Ihr eine Niederlassung habt, könnte ich sogar in Eurem Auftrag in Skandinavien Frachten direkt nach Großbritannien annehmen ohne Kabotagebegrenzungen.“ „Jetzt backen wir erst mal kleine Brötchen. Noch haben wir gar nichts.“
„Doch. Wir haben Feiertag.“ Damit ließen wir das Thema erst mal ruhen. Zwar führte bei drei Fernfahrern an einem Gartentisch trotzdem kein Weg um LKW, aber es ging danach mehr um Fahrzeugtuning, Abenteuer aus der „guten alten Zeit“ und so.


Freitag, 06.05.2016

Nachdem wir aufgestanden waren und das kleine Katerchen mit einem Frühstück verjagt hatten, machten wir uns auf den Rückweg nach Bochum. Zu meiner Überraschung standen der Audi A4 und der Opel Admiral auf dem Parkplatz. Es war doch Betriebsruhe. Was wollten denn Marlon und Julian hier? Die hatten doch beide ein Zuhause und das beide nicht mehr hier.

Beide saßen in Marlons Büro, als wir rein kamen. „Schönen Brückentag wünsche ich Euch.“ „Danke gleichfalls. Du bist doch Schuld.“ „Bin ich?“ „Klar. Einer muss es ja sein.“ „Und jetzt mal ernsthaft. Was ist los?“ „Ich hatte doch erzählt, dass wir zu wenig für Talke machen. Außerdem haben wir unser Konto bei Lloyds in England aus den Augen verloren, bis Dennis mal wissen wollte, wo eigentlich die Einnahmen unserer neuen Trucks seit Herbst bleiben. Leider ist das Pfund jetzt wieder deutlich gefallen. Wir hätten als es bei 1,40 stand, einiges Geld hier rüber holen sollen und uns davon 2 bis 3 Trucks für Talke kaufen. Jetzt kommst Du auch noch mit der Idee, eine Spedition in Wales zu kaufen. Dann haben wir endgültig ein Talke-Problem, aber bei der aktuellen Kursentwicklung wäre es fast schon gescheiter, das Geld auf der Insel zu investieren.“ „Insbesondere, weil uns Steven, nachdem er das Gelände von Schütz in Neuss gekauft hat, eine Zusammenarbeit in Richtung OWL und vielleicht sogar bis Skandinavien im Großbritannienverkehr angeboten hat.“
Wir diskutierten hin und her und am Ende stand ein Schlachtplan: „Also. Wenn wir Duncan übernehmen können, kündigen wir Dachser. Elijah kann sofort, beziehungsweise mit Kündigungsfrist dann ab 1. Juni, ab Bochum fahren und bei Talke rein rutschen.“ „Und sonst? Hier hätten wir Maxim, der hat nicht mal ADR. Und Tomas hat zwar den großen Schein, aber auch keine Erfahrung mit Tankern und Silos.“ „Das kann man lernen. Abgesehen davon, wenn wir eh den Vertrag mit Dachser auflösen, haben wir nicht mal mehr einen Grund, das Gelände in Dormagen zu behalten. Elijah kommt sowieso hier rüber, das war von Anfang an so gedacht, allerdings eigentlich nachdem ein anderer Fahrer und LKW für Dormagen da sind.“ „Lars in Grevenbroich und Olli in Viersen sind ein Bisschen gekniffen. Einer kann meinetwegen seinen Truck mit nach Hause nehmen und wird für Start und Ende im Raum Krefeld-Duisburg-Oberhausen eingeteilt. Der andere muss sehen, ob er bereit ist, privat bis Bochum anzureisen oder nicht. Olli hat noch den großen ADR, Lars müsste wieder aufsatteln, weil der nur noch den kleinen hat.“ „Bei „wenn nicht“ kann derjenige uns ja kündigen. Hat ja noch 3 oder 4 Monate Probezeit.“ So kompromisslos kannte ich Marlon auch noch nicht. Nach einiger Zeit mit dem Wort „Geschäftsführer auf der Visitenkarte schien man abgebrühter zu werden.
„Dann hätten wir also die beiden Ivecos nach Großbritannien…“
„Mir fällt da noch was ein. Auslastung nach Großbritannien würde so oder so kein Problem. Steven würde ja wie gesagt auch als unser Subunternehmer Fracht zwischen Skandinavien und Großbritannien laden und nach Neuss fahren. Wenn wir die da übernehmen, kann Olli für Talke fahren mit Zugmaschine in Viersen oder wenn wir mit Steven reden bestimmt auch in Neuss auf seinem Hof. Lars stationieren wir hoffentlich dann auch in Neuss bei Steven und der fährt auf die Insel oder wenn sich das rechnen sollte im Trailer Exchange. Bräuchten wir, wenn es zum Maximum kommt, zu unseren drei Koffern noch einen vierten Trailer, den wir aber bei entsprechender Zulassung von Duncan nehmen könnten. Müsste nur für den Kontinent versichert werden, Briten haben Trailerversicherung über die Zugmaschine.

Lars ab Neuss und ein Fahrer aus Deeside fahren je einen Trailer morgens vom Depot nach Rotterdam und Hull und nehmen dafür einen mit, der ohne Zugmaschine mit der Fähre übergesetzt hat. Wären also immer 2 Trailer unterwegs zwischen dem jeweiligen Hafen und Umschlaglager und 2 auf dem Schiff oder im Hafen. Neuss-Rotterdam und zurück sind 500 Kilometer, Deeside-Hull müsste um das gleiche liegen. Schafft man bequem an einem Tag. Dann ist er jeden Abend bei seiner Familie. Lars wird einen Freudentanz aufführen.“
„Also gut. Das wären dann also Luke und Du, Timo und Ilarion, Julian, Rolf, Elijah, Oliver und ich für Talke. Macht mit einem Schlag zwei Trucks mehr. Maxim und Tomas fahren weiter Großbritannien direkt zu Kunden, Lars fährt einen Trailer Exchange mit Deeside.“ „Das Fell wäre verteilt, fehlt nur noch der Bär.“
Ein echter Julian-Kommentar, aber nicht ganz unberechtigt. „Dann rufe ich doch mal den Bären an.“
Ich wählte die Nummer von Duncan auf der Website. „Duncan of Deeside Road Haulage. Philip Knight. Guten Tag.“ „KFL Intertrans, Bochum, Germany. Eric Kaiser. Guten Tag?“ „Wie kann ich helfen?“ „Ich habe in der Zeitung gelesen, dass das Unternehmen zum Verkauf steht? Dann wäre ich interessiert.“ „Korrekt. Aber dazu bin ich der falsche Ansprechpartner, halte eigentlich nur das Büro am Laufen. Und Sie sollten wissen, dass Mrs. Duncan wert auf lokale Traditonen legt.“ Netter Abwehrversuch in Richtung Ausland. Lokal konnte sie haben, Tradition aber nicht. Auch wenn Keith mich seinerzeit mal als Waliser gefangen im Körper eines Deutschen bezeichnet hatte: „Dim problem. Mae ffrind o’r enw unwaith i mi Cymro dal mewn corff Almaen.“ „Tut mir leid, ich bin Engländer und spreche kein Walisisch. Ich habe kein Wort verstanden.“ „So viel zu lokaler Traditon?“ Er lachte. „Ich werde Mrs. Duncan über Ihren Anruf informieren.“ Ich gab ihm meine Handynummer, denn ich wollte nicht den ganzen Tag im Büro sitzen und wer weiß, wann sie sich meldete.

Schon nach 15 Minuten klingelte aber mein Handy, britische Nummer. Julian machte auf der Türschwelle kehrt, Marlon saß eh noch am PC. „KFL Intertrans, Eric Kaiser. Guten Tag.“ „Rebecca Duncan. Guten Tag. Philipp Knight hat mich informiert, das sein deutscher Herr, der Walisisch sprechen kann, nach der Firma meines verstorbenen Gatten gefragt hat.“ „Klingt nach meiner Beschreibung. Zuerst einmal möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen.“
Sie fragte mich mehr über unsere Firma und mich persönlich aus als ich ihr Fragen zu ihrer Firma stellen konnte und dann klagte sie ihr Leid. Ihr Mann hatte sich im Deeside Industrial Estate ein Grundstück gekauft und eine kleine Logistikhalle drauf gestellt. Viel Platz zum Wachsen gab es nicht mehr, aber etwas Luft war noch da. Trotzdem hatten sich wirklich nur entweder große Speditionen wie Malcolm und Stobart gemeldet oder internationale Unternehmen wie Dachser oder DB Schenker, die es vor allem auf eine Logistikhalle mitten zwischen Toyota, einem großen Airbus-Zulieferer, einer Papierfabrik und einer Menge Mittelstand abgesehen hatten. Das war aber nicht, was sie wollte. Da waren die letzten Spuren ihres Mannes beseitigt, bevor sie den Vertrag abheften konnte. Wir waren das erste inhabergeführte Unternehmen, das anfragte. Wann die Verantwortlichen denn vorbei kommen könnten. Gerne so schnell wie möglich, die ständigen Nachfragen der großen Konzerne grenzten an Stalking. Ich wollte mich nachher wieder melden, wir mussten dazu erst intern einiges klären.

„Wann könnten wir denn frühestens nach Deeside kommen?“ „Wer fährt alles hin? Nur Ihr zwei?“ „Ich denke, bei so was Wichtigem solltest Du auch dabei sein, selbst wenn es Deine Themen nicht berührt. Außer Du willst nicht.“ „Doch, eigentlich schon.“ „Kriegen wir den Plan kommende Woche auseinander?“ „Ich frage mal Judith.“
Nach einem kurzen Gespräch über das Wieso und Warum legte Marlon wieder auf. „Sie kommt gerade mit Öffis rüber, aber ist pessimistisch, das hinzukriegen. Auf der Fahrt will sie mal versuchen, André zu erreichen, um sich den Plan wenigstens erklären zu lassen.“ Judith kam gerade ins Büro, als auf dem Parkplatz unverkennbar ein V6 mit Sportauspuff grollte. Auch André stand auf der Matte. „Du hast Doch frei. Was machst Du denn hier?“ „Ihr doch auch. Bis ich Dir den kompletten Plan erklärt habe, habe ich ihn auch selber umgebaut. Und Freizeit würde ich beides nicht nennen. Beide Doppelbesatzungen auflösen, Luke alleine, Timo auf Marlons Truck, Julians Tour mit Springer? Oder Timo auf Julians Truck und den Nahverkehr zurück gehen lassen? Das ist einfacher als Fernverkehr.“ „Sage ich Dir gleich.“ Ich rief Serkan an, dessen Nummer ich als erstes gefunden hatte. Er war eingeplant, aber Björn fuhr bisher für seinen Bruder PKW spazieren. Also rief ich Björn an und er konnte die Woche für uns fahren.
Es war schon erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit André umdisponierte, Frachten versuchte an Talke zurückzugeben oder zum Verkauf über Timocom freigab, andere rein holte, zwischen zwei Trucks Donnerstag und Freitag komplett hin und her tauschte, um Zweiwochenlenkzeiten der Fahrer unter Kontrolle zu behalten. „So, alle Trucks die Woche mit einem Einzelfahrer unterwegs. Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende.“ „Dir auch. Ist Dein Tank leer?“ „Etwas über viertel. Warum?“ „Julian fährt dann schnell mit Dir zur nächsten Tankstelle und füllt als kleines Dankeschön auf Firmenkosten nach.“

Julian brauchte auch nicht wiederzukommen, den Rest schafften wir alleine. Wir vereinbarten für kommende Woche einen ersten, noch nicht wirklich formalen Termin mit Rebecca Duncan am Montagabend, buchten entsprechende Flüge nach Manchester Montagmittag, einen Mietwagen und Zimmer in einem Hotel keine 5 Meilen vom Deeside Industrial Estate entfernt. Ich ließ mir, auch wenn dessen Anreise und Beratung über die Woche nicht ganz preiswert würde, den Kontakt von Keith Anwalt für Firmenrecht geben. Außerdem machte ich einen Termin mit der nächsten Zweigstelle der Lloyds Bank in der Gegend.
Es ging doch nichts über einen entspannten Brückentag wie wir ihn heute gehabt hatten. Nicht! Samstag und Sonntag wollte ich nun aber wirklich entspannen, bei der Abreisezeit konnte ich auch noch Montag früh packen. Außerdem hatte ich mich im Februar zu einem Modellbahn-Bauwettbewerb angemeldet und bisher nichts, wirklich nichts gebaut. Am Platz lag es ja seit einer Woche nicht mehr. Julian war ausgezogen, Timo in Julians Zimmer umgezogen und Timos altes Zimmer sollte eine kleine Welt mit Bahnanschluss werden.

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