Kapitel 111 – Hier geht’s nicht weiter

02.-08.07.2018

Obwohl Ben den Iveco Turbo mal gründlich untersucht und ein paar Sachen gefunden hatte, trauten wir beide ihm die Tour noch zu. Dass er nicht mehr so gut zog, lag daran, dass laut Rollenprüfstand 30 Pferde an Altersschwäche gestorben waren. Der Motor hatte auf zwei Zylindern auch weniger Kompression, aber noch innerhalb der Toleranz. Ben riet mir aber dazu, nicht mehr zu lange mit einer Komplettüberholung oder einem Austauschmotor zu warten.
Was ich inzwischen aber gemacht hatte, war eine neue, nachgefertigte Innenausstattung besorgt. Das grausame und durchgesessene Senfgelb war nun flauschigem rot mit Akzenten in weiß gewichen, typisch 80er.

Für den Auftrag wollte ich den letzten in grün verbliebenen Fruehauf-Trailer nehmen. Nicht nur weil der so schön zum Truck passte, sondern auch weil er die angebaute Laderampe hatte. Wahrscheinlich würde der Trailer nicht bis 2020 bleiben, was eigentlich normal wäre. Es war einer, den die kränkelnde Fruehauf SAS noch vor der Wielton-Übernahme gebaut hatte und die Verarbeitungsqualität hatte unter der klammen Kasse deutlich gelitten. Rostansatz am Rahmen würde irgendwann durch die MOT fallen. Und auch wenn er Profi war und seine Reparaturen Herstellerqualität hatten, alleine dass Ben schon mehrfach mit Crimpzange oder Lötkolben über die Elektrik herfallen musste, war auch so ein Zeichen.

Unter der Woche hatte ich Geburtstag, den ich mit Luke am Wochenende nachfeierte. Dank Sommerferien war es nicht so einfach, eine Ferienunterkunft zu finden, aber wir wurden dann in den Yorkshire Dales noch bei einem Bed & Breakfast fündig, fuhren am Freitagnachmittag mit den Motorrädern, aber per Motorway rauf, machten am Samstag eine Tour durch die North Pennines und die North Yorkshire Moors. Am Sonntag fuhren wir wieder nach dem Prinzip „Der Weg ist das Ziel“ über Landstraßen zurück und ließen das Wochenende abends in einem guten Restaurant in Chester ausklingen.


Montag, 09.07.2018

Am Vormittag beluden wir zu viert die Trailer, also Dima und ich mit unseren Lageristen Gary und Rafal. Denn auch Dima hatte wieder den Foden 4500 XL herbeigebracht, diesmal aber mit einem gemieteten Trailer. „In den Sommerferien kann Dein Bekannter doch kaum alle Trailer im Einsatz haben?“ Wenn Luke nicht eine Fernverkers-Tour machen würde, hätten wir auch einen herumstehen gehabt. „Weiß nicht. Die Zugmaschine gehört jetzt mir.“ „Was?” „Ja. Vor einem Jahr ist der mir so ans Herz gewachsen und der sollte in den Export nach Afrika. Da bin ich dann eingeschritten und habe den von meinem sauer ersparten gegönnt. Ich war damit sogar schon auf einem Treffen bei Blackpool. Meine Eltern bezahlen mich aber wenigstens dafür, wenn ich damit für sie unseren Tankauflieger fahre. Insofern ist es ganz okay und ich werde ihn sogar irgendwann mal umlackieren und noch ein Bisschen verschönern können.“
„Dann sind wir ja mit zwei Liebhaberstücken unterwegs.“ „Fährst Du wieder den Volvo?“ „Nein, inzwischen hab ich einen Iveco aus 1978. Den Volvo hat sich mein Mann gekrallt und fährt damit in der Zwischenzeit nach Italien.“ „Wow, da wird es aber langsam anstrengend, oder?“ „Noch nicht. Derzeit fühle ich mich damit eher wieder so alt wie Du jetzt. Denn in dem Alter war ich angestellt und hatte den in vielen Dingen nicht so sehr verschiedenen Nachfolger als festen LKW. Nur das nach damaligen Maßstäben sehr fahrerorientierte Cockpit von dem fehlt mir manchmal.“

Wie letztes Jahr auch mussten wir noch an der Nordseeküste nachladen. Also fuhren wir um die Mittagszeit ab. Dima, der hinter dem hellblauen Foden einen unpassenden, dunkelblau- knallroten Boalloy-Curtainsider aus Werksbeständen angemietet hatte, meinte über Funk zu mir: „Wenigstens Deine Kombination sieht echt cool aus. Als wären sie zusammen beschafft worden.“

Um 17:12 Uhr waren wir in Grimsby bei unserer Ladestelle. Auch wenn wir wieder getrennte Ziele hatten, blieb meine Ladung diesmal gewichtmäßig im Rahmen. Da ich keine Hubachse hatte, hätte ich diesmal aber auch keine Überladung akzeptiert. Der Turbo war als Zweiachser aus steuerlichen Gründen auf 38 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht abgelastet und das prüften sie gerne mal im Hafen, um gegebenenfalls Steuer nachzuerheben, Strafzahlung eingeschlossen.

Nachdem wir unsere Ladung komplett hatten, ging es weiter. Diesmal gab es aber kein TIR. Da wir nur die EU und das Zielland passierten, war es zwar hilfreich, aber kostete eben auch Geld und Nerven bei der Beantragung. Mit dem Brexit würde TIR aber wahrscheinlich wieder unser tägliches Brot werden. Auf dieser Tour war die Alternative ein weniger genutzter Grenzübergang, der nun auch für Trucks freigegeben war. Außerdem ersparte mir das den Umweg über Murmansk, so wenigstens der Plan.


Dienstag, 10.07.2018

Die Fährpassage war bekanntlich relativ lang, erst um 15:30 Uhr fuhren wir durch Esbjerg weiter in Richtung Osten. Gegen 18 Uhr passierten wir den Großen Belt. Danach wurde es Zeit für eine Pause. Wenn man die geschickt legte, reichte es hinterher noch bis nach Huskvarna, Karlslunde Øst hatte sich dafür bewährt. Mit dem Sonnenuntergang im Rückspiegel ließen wir auch den Öresund hinter uns.
Hier in Dänemark und Schweden kamen einem die üblichen Verdächtigen entgegen. Viking Transport aus Kopenhagen, Diektrans aus der Niederlassung Odense, natürlich auch unsere verbundeigenen Skandinavien-Spezialisten Scandinavia Express und Nordic Logistic. Und Hansekontor war sowieso gefühlt überall zu Hause und überall unterwegs, auch wenn der Hauptsitz in Uppsala war.

Um 23:12 erreichten wir Nordic Logistic in Huskvarna, stellten unsere Trucks auf dem Hof ab und verschafften uns mit dem Türschlosscode Zugang zum Sozialgebäude. Es waren auch noch Betten frei gewesen, also brauchten wir nicht in den Zugmaschinen zu übernachten.


Mittwoch, 11.07.2018

Weil wir erst zwischen 8 und 9 wieder fahren konnten, nutzte ich die Chance, um eine halbe Stunde mit Dominik zu sprechen. Leider wussten wir immer noch nicht, wo wir dran waren, weil das Thema Brexit sich mühsam von Gipfel zu Parlamentssitzung hangelte. So blieb es ein ziemlich allgemeines Gespräch unter dem Vorwand, Kaffee und Tee miteinander trinken zu können. Danach noch eben die kleinen Tanks füllen und weiter.

Auf dieser Tour konnten wir uns abwechseln, weil Dimas Truck mit 97 km/h bzw. 60 mph abgeregelt war, meiner sogar offen. Und mit 425 bhp (431 DIN-PS) aus dem 11 Liter Cummins M11 würde mir Dima schon nicht entkommen. Dieses Motörchen war sogar bei meinem Einstieg bei BP mit 450 bhp im ERF EC11 ziemlich asthmatisch geraten. Also fuhr nun er vor, bei Sonnenschein am Vetternsee vorbei.

Das Schöne an Schweden war, dass man gut vorwärts kam. Hier gab es sogar in Stockholm außerhalb des Berufsverkehrs eher wenig Verkehr. Deshalb machten wir nach etwas über 4 Stunden unsere Mittagspause auf dem Rastplatz Upplands Väsby zwischen Stockholm und Uppsala.
Ein altgedienter, grauhaariger Trucker kletterte aus seinem auch nicht mehr so ganz frischen Scania 164L: „Hallo, ich bin Ole. Wohin seid Ihr denn mit den alten Schätzchen unterwegs?“ Wir stellten uns auch vor, Dima beantwortete die Frage. „Nach Russland.“ „Fahrt Ihr immer mit denen? Das ist doch anstrengend.“ „Nein. Ich bin normalerweise Student und helfe mit dem allenfalls mal meinen Eltern regional mit Tankzügen aus. Er ist Chef einer modernen Flotte. Wir machen einen Hilfstransport und auch weil der diesmal relativ leicht ist, machen wir eine Fahrt mit unseren Spaß-Trucks draus.“ „Hier oben solltet Ihr den haben. Ich bin mit so was Ähnlichem als junger Mann Orient gefahren, nur Scania eben. Angefangen mit einem LBS 141, später ein 142H. Dann kamen die Familie und ein 143T mit Kipper im Nahverkehr, bevor ich mich mit dem hier selbstständig gemacht habe, als die Kinder das Teenager-Alter erreicht hatten. Mein ältester Sohn Mats fährt jetzt selbst Fernverkehr – natürlich Scania, aber angestellt bei einem größeren Unternehmen. Ich wollte nie meine eigene Familie in der Firma anstellen.“

Wir entschlossen uns, die Pause mit ihm zusammen zu verbringen. Er hatte es nicht ganz nach Hause in Sandviken geschafft, bevor die 4:30 um waren. Allerdings beschränkte er sich auf einen Kaffee, wir schlugen bei McDonald’s noch mal zu. Unsere Vorräte würden erfahrungsgemäß weiter nördlich noch schnell genug schmelzen.
Oles Geschichten von der Orientroute waren interessant. Von hier oben waren sie meistens über DDR, Tschechoslowakei, Ungarn gefahren und dann mit den Westeuropäern bei Belgrad zusammengekommen für Ziele in Syrien, Irak, Jordanien und der arabischen Halbinsel. Bis Teheran war es zwischen Belgrad und Baku ein Nullsummenspiel, nach Maschad und weiter östlich Richtung Afghanistan und Pakistan dominierten dann die Routen durch die UdSSR bis Nukus in Usbekistan und dann ab dort an die jeweiligen Ziele über den passenden Grenzübergang. Jetzt war er über 60 und wollte sehen, wie es mit seinem Ein-Truck-Betrieb weiter gehen würde, wenn er aufhörte. Wobei die Zugmaschine auch auf die Rente zusteuerte und sein Sohn wohl sowieso außer einem Namen nichts zum Weiterführen bekommen würde, wenn er überhaupt die Sicherheit des Angestelltenverhältnisses verlassen und die Firma übernehmen wollte.
Dima konnte außer den beiden Russlandtouren nicht viel Abenteuer beisteuern, wobei auch ein Heizöltanker im Nahverkehr eins sein konnte, manche Straßen in Dörfern waren für einen Dreiachs-Motorwagen schon zu klein und weil Scania mit seiner Einheitskabine nicht klein konnte, musste ein 40 cm schmalerer Mitsubishi Canter ran, damit man überhaupt noch durch passte. Ich hatte seit meiner Skandinavien-Zeit mit Mahler über meine eigene Ein-Truck-Firma „Transportunternehmen Kaiser“ bis zu KFL auch einiges erlebt, besonders die Touren nach Nordafrika und dort besonders die Deutschland-Ägypten-Marokko-Deutschland zusammen mit Marlon. Damit stand ich Ole nicht viel was nach, wie ich erstmals so richtig merkte. Ja, ich wusste, dass das damals eine weite Tour war, sie war außerdem bemerkenswert und zwischendrin auch noch lebensgefährlich gewesen. Aber Uppsala-Beirut und zurück waren ca. 9.500 Kilometer und die Dreiecks-Tour war mit knapp 3000 km Kantenlänge ungefähr genauso weit gewesen. Gefühlt waren die Orientfahrten in den 80ern weiter, besonders wohl weil es aufgrund der damaligen Straßen und bei Einzelfahrern länger dauerte als unsere 3 Wochen mit 2 Fahrern und weil die Ziele der Touren natürlich weiter weg lagen als die beiden Eckpunkte unseres fast gleichseitigen Dreiecks.

So hatte unsere Pause dann auch 61 Minuten gedauert, bevor wir wieder unterwegs waren. Hinter Sundsvall auf dem Parkplatz Bölesjön war mit 8:28 Stunden für heute ein guter Kompromiss aus Lenkzeit und gutem Stellplatz erreicht. Und dank des wenig werthaltigen Mittagessens ging es doch noch für das Abendessen an eine Dose Eintopf auf dem Gaskocher. Gegenüber gestern in Dänemark und Schweden sah man schon, dass nun die Tage mit jedem Kilometer nach Norden länger wurden. Hier wurde es nicht einmal mehr richtig dunkel, in Huskvarna konnte man einen Schein am Horizont ausmachen, aber mehr nicht.


Donnerstag, 12.07.2018

Entsprechend schien schon wieder die Sonne, als wir um kurz nach 5 los fuhren. Gestern hatten wir die Zone mit den größten Waldbränden passiert, aber wir hörten Nachrichten von einzelnen Feuern bis in den hohen Norden. Von der Högakustenbron konnte man zumindest nicht weit schauen, weil auch dort noch ziemlich verdünnter Rauch in der Luft lag und die Sicht behinderte.

Bei ziemlich heruntergewirtschafteten Tanks mussten wir dann in Örnsköldsvik Brandbeschleuniger nachfüllen. Mit meinem „großen“ 400-Liter-Tank einseitig und Dimas kleinem Tank zwischen den Achsen auf der Beifahrerseite und einem Zusatztank im Rahmen mit insgesamt sogar nur 360 Litern hatten wir eine sehr kurze Leine. Ihn rettete der kleine 11-Liter Reihensechser, so kam er dann auf etwas mehr Reichweite als ich mit meinem 17,2 Liter V8.

Kurz vor Umea meldete sich der Funk, nachdem ich an den schwarzen MAN einen Gruß mit Rundumleuchte auf die Gegenspur geschickt hatte. „Scandinavia Express für KFL Intertrans. Matthias hier!” Matthias Cordes war 26 und ein Fahrer bei Scandinavia Express in Neuss. Er war damals nachgerutscht als Carlos sich zu seinem alten Chef Patrick Schütz nach Hannover verabschiedet hatte. „Hallo Matthias, Ricky hier. Können wir englisch sprechen? Der blaue Foden gehört auch dazu.“ Er wechselte die Sprache. „Okay. Wo wollt Ihr denn hin?“ „Nach Russland.” „Über Luleå?” „Ja.” „Oha. Dann müsst Ihr umplanen, aber die Fähre fährt auch jetzt ab. Hier geht es nicht weiter. Zwischen Sävar und Dalkarlså ist ein Waldbrand ausgebrochen. Ich bin noch durch gekommen, aber als ich in Sävar ankam, stand in Gegenrichtung die Polizei quer auf der Straße.“ „Wie lange dauert das?“ „Keine Ahnung. Wenn es glatt geht ein paar Stunden. Aber wir haben auf unseren Touren schon einige Straßen, die sind seit Wochen gesperrt, weil sie es nicht gelöscht kriegen.“ „Dann nehmen wir eben die Fähre! Danke!“ „Kein Problem. Haltet die Stoßstangen sauber!“ „Du auch. Ciao.“

So kamen dann heute gerade mal 3:57 Stunden auf die Pappscheiben, bevor wir eine Zwangspause machen mussten. Um 18 Uhr legte die Abendfähre ab, 23:30 waren wir dann in Vaasa. Die Sonne war um diese Zeit erst halb unter gegangen.


Freitag, 13.07.2018

Nachdem wir gestern Pech hatten, blieb uns das am Freitag dem 13. hoffentlich erspart. Es sah so aus, denn wir kamen in der Nacht gut voran. Unsere Zeit für den ersten Block näherte sich dem Ende bei Oulu, wo es wie schon seit der Abfahrt überall trotz Sonnenuntergang nur dämmrig aber nicht dunkel war.

Während unserer „Mittags“-Pause auf einem Parkplatz hinter der Stadt passierte dann etwas, was manche sehnsüchtig erwarteten – es regnete aus Eimern. Wir mussten also unsere Kochstunde abbrechen und futterten stattdessen in Dimas Foden ein Brot. Aber ein schneller Blick ins Radarbild ergab, dass Schweden und andere Waldbrand- und Dürregebiete nichts davon hatten. Der Regen kam vom Polarmeer und zog langsam über die Oblast Murmansk, Karelien und Finnland. Wir machten uns wieder auf den Weg.

Bei Rovaniemi brach die Sonne wieder durch. Mit einer Zehnerschicht könnten wir die russische Grenze noch erreichen. Dennoch entschieden wir uns aufgrund der Preise gegen den Polarkreis. Hier wurden vor allem Touristen ausgenommen und wir hatten beide auch schon den einen oder anderen Euro auf unseren vorherigen Touren hier gelassen.

Die zweite Pause machten wir dann auf dem Parkplatz Alanampa am See Rättilathi. Wer soll so was fließend und ohne Nachschlagen aussprechen? Leider hatte der Parkplatz einen Konstruktionsfehler. Er war so kurz, dass unsere Trucks gerade so drauf passten und uns damit die Sicht auf den See versperrten. Immerhin konnten wir nun unser Würstchengulasch zu Ende kochen und im Trockenen essen.

Kurz nach 12 Uhr erreichten wir dann die Grenze. Leider zu spät für die Lenkzeit, aber Papier war nun mal geduldiger als ein Datenchip und ließ sich auch einfach entfernen, man musste nur kurz anhalten, um zu verhindern, dass die Klappenöffnung geschrieben wurde. Ich riskierte die letzten Kilometer in finnischer Tundra einfach mal komplett ohne gültige Scheibe, anstatt andere Konstrukte zu versuchen und an der Grenze kam schon genug Standzeit zusammen, die richtige Schicht sollte sowieso erst nach einer Pause an der Grenze anfangen.
Ob Dima diese illegalen Tricks auch kannte und überhaupt durchführen konnte oder ob er einen gegen zumindest einige der Tricks immunen, automatischen Fahrtenschreiber, Spitzname „CD-Brenner“, hatte wie der FH16, wusste ich allerdings nicht. Das dPRM-Funkgerät blieb aber stumm, auf dem offenen CB-Funk hätten solche Machenschaften sowieso nichts zu suchen. Ich hatte das als Anfänger bei Mahler noch alles auf einem Tachoklappen-Fahrtenschreiber wie diesem gelernt und leider auch regelmäßig anwenden müssen. Gut, dass es den Laden nicht mehr gab…

Wir machten uns dann, nachdem wir zur Verschleierung der Spuren mit viel Zeit die Papiere zusammengesucht und gemütlich gehend noch mal das WC aufgesucht hatten, ebenso gemütlich auf den Weg zu den finnischen Zöllnern. Dort ging es relativ schnell, die Papiere wurden geprüft, ein kurzer Blick und ein paar Kartons Stichprobe, dass wir nicht gegen das Waffen- und Ölförderungs-Embargo verstießen und wir hatten unsere Stempel. Zumal wir nun die EU verließen, interessierte sich kein Mensch für Tachoscheiben.
Dann zogen wir vor zur russischen Station, wo wir die Papiere abgaben und auf „in ein paar Stunden“ vertröstet wurden. Auf Russisch sagte Dima ihm noch was, hinterher übersetzte er es mir: „Frühestens in 3 und ein paar Minuten, okay?“ „Wieso das denn?“ „Na ja. Wir waren bei den Finnen zum Schichtende und mussten doch unsere Tachoscheiben vorlegen.“ Mussten wir nicht, was wir beide gleich gut wussten. „Und jetzt legen wir wieder eine ein und machen 3 Stunden Pause. Dann arbeiten wir bei der Grenzkontrolle laut Einstellung, fahren ein Stück vor, schlafen noch mal 9 Stunden und haben eine gültige Pause. Als Du so scheinheilig in der Wegeinfahrt angehalten hast, habe ich auch einfach mal auf den Eject-Knopf gedrückt.“

So war es auch, gegen 17 Uhr wurden wir vom Klopfen der Zöllner geweckt und nun gab es die gründliche Kontrolle. Wenig LKW an diesem Übergang hießen eben auch bessere Kontrolle. Außerdem hatten wir kein TIR und damit musste hier beim Grenzübertritt und nicht erst am meistens weniger geschäftigen Zielort verzollt werden. Das dauerte seine Zeit.


Samstag, 14.07.2018

Nach Sonnenaufgang ging es weiter, was für andere noch mitten in der Nacht war. Drei Wochen nach der Sonnenwende ging die Sonne auch hier schon wieder unter, aber nur kurz. An dem Abzweig, wo wir nach Nikel abbiegen wollten, stand aber ein Schild, dass die Strecke für Fernverkehr gesperrt war. Also hielt Dima einen zufällig vorbeikommenden Polizeiwagen an und sprach mit den Beamten.
„Hier geht es nicht weiter! Beim Starkregen sind ein Teil der Straße und eine Brücke zwischen Prirechny und Nikel weggeschwemmt worden.“ „Und jetzt?“ „Zwischen hier und Murmansk gibt es keine weitere Straße. Also da lang und Du weiter nach Nikel, ich muss ja sowieso da und in Poljarny abladen. Du solltest heute bis Nikel durch kommen.

Auch hier schien vor einigen Wochen ein Hochwasser zugeschlagen zu haben, denn eine Brücke war eingestürzt und die Straße ging über zwei Hilfsbrücken. Die waren zwar nicht weggeschwommen, aber hatten dem Schlamm nach gestern auch unter Wasser gestanden.

Gegen 7 wollten die Trucks wieder Futter, weshalb wir in Verkhnetulomsky an einer Dorftankstelle hielten. Der Tankwart machte vermutlich heute für den Rest des Tages wegen Reichtum und geplünderter Dieselvorräte zu. Wir freuten uns über umgerechnet 36 Pence je Liter.

Und auch der weitere Straßenverlauf war vom gestrigen Starkregen in Mitleidenschaft gezogen. So mussten wir an einer Stelle durch ca. 25 cm tiefes Wasser fahren.

Weil wir in Murmansk ohnehin Pause machen mussten, fuhren wir zu einem deutschen Discounter, um unsere Vorräte wieder aufzufüllen. Danach trennten sich am Stadtrand unsere Wege. Den Berg vom Fjord rauf quälte ich mich mit teilweise unter 40 km/h. Durch die langsamen Anstiege stand dann auch fest, dass ich es in 9 Stunden nicht schaffte. Also legte ich eine Pause am Straßenrand ein, wo mir das meine Blase diktierte. Pinkeln mit Aussicht…

Danach ging es an die letzte Etappe und ich war überrascht, wie gut ich durch kam. Denn früher als erwartet konnte ich zwischen den verbliebenen Bäumen hindurch die Mondlandschaft im Tal und die Schornsteine der Nickelhütte erkennen.

Die 7 Minuten hätte ich auch noch ohne 45 Minuten Pause anderweitig von der Tachoscheibe verschwinden oder auch einfach stehen lassen können. Aber sauber gelöst war natürlich besser. Und so bog ich schließlich wieder einmal in die Zielstraße ein und brachte Kinder zum Jubeln.

Vasya begrüßte mich von den Erziehern als erster „Deine Zugmaschinen werden irgendwie immer älter. Womit kommst Du beim nächsten Mal?“ „Älter wird’s nicht. Der ist Baujahr 78 und gehört zu den ersten, die man einigermaßen vernünftig so weit fahren kann. Mit noch älteren wird es nur anstrengender. Außerdem sind die so weit vor meiner Zeit, dass ich mit älteren Modellen sowieso nichts anfangen kann. Der Nachfolger von dem, von außen aber mehr ein Facelift, die Änderungen waren vor allem drinnen, war mein erster.“


Sonntag, 15.07.2018

Dima kam wie angekündigt nach, das konnte an sich nicht passen, wenn ich ausrechnete, dass er eigentlich schon gestern die 144 Stunden voll hatte. Die Antwort gab es dann abends im Kaminzimmer, als er seine Tachoscheibe vom Vortag herausnahm und Nikel als Ziel drauf schrieb, obwohl er nach Poljarny gefahren war. Die von heute ging als Frisbeescheibe in den Kamin.
„Alle Achtung! Einem Studenten, der nur seinen Eltern aushilft, hätte ich solche Machenschaften nicht zugetraut. Aber jetzt warst Du ja quasi 4 Stunden vor mir hier!“ „Ja und? Sagt der, der selbst eine Stunde vor der finnischen Grenze schummelt. Denkst Du, ich habe bei Boris nur eine Zugmaschine gekauft und nicht eine Anleitung, wie man mit dem Fahrtenschreiber auf Langstrecke umgeht, wenn der tollkühne Plan nicht aufgeht?“ Er nahm das Wodkaglas: „Sa twajó! Wir fahren sowieso nicht zusammen weiter. Ich muss leer nach Sankt Petersburg für eine Rückladung und Du willst nach Norwegen hast Du gesagt. Außerdem werde ich bis Dienstag bleiben, sonst stehe ich einen Tag zu früh in Petersburg und langweile mich – ganz ohne Machenschaften am Fahrtenschreiber.“


Montag, 16.07.2018

Und so machte ich mich, wieder einmal nach einem schönen Aufenthalt in der ach so unschönen Umgebung, auf den Weg und der führte noch weiter nach Norden. Erst mal füllte ich aber für 38 Pence je Liter noch mal den Tank bis ins Einfüllrohr auf. Danach sah ich Nikel aus einer ungewohnten Richtung im Spiegel.

Nach knapp 2 Stunden erreichte ich die Grenzzone, noch mal knapp über anderthalb Stunden war ich an der eigentlichen Grenze und wurde an den Kontrollposten vorgeholt. Gemessen an der Tatsache, dass man den Arsch der Welt hier schon sehen konnte, war die Grenze gut besucht, aber die Abwicklung viel schneller als an den beiden anderen Grenzübergängen nach Russland, die ich bisher kannte.
Und direkt hinter der Grenze konnte ich auf einem Parkplatz meine kleine Pause machen. Dank Polarsommer würde ich im Hellen die zweiten viereinhalb Stunden fahren können. Und tatsächlich, als ich um 21 Uhr den Truck parkte, stand die Sonne immer noch über den Bergen.

Dienstag, 17.07.2018

Um kurz vor 9 morgens durfte ich weiter, an diesem besonderen Tag, der mit einem nicht weiter zu toppenden Rekord enden würde. In Lakselv endeten erst einmal mein Tankinhalt und die ersten viereinhalb Stunden Lenkzeit. Und so wurde jetzt für £1,16 je Liter nachgefüllt. Wenn man sich überlegte, dass Norwegen ein ölförderndes Land war, dann war das ziemlich teuer.
Weil der Trailer leer war, kam ich gut vorwärts, für unsere Dispo war ich noch im Urlaub. Nun wurde die Straße aber immer enger. Aber ich fühlte mich jung wie vor fast 20 Jahren und hatte dazu die Routine gewonnen, die ich damals durch Wahnsinn ausgeglichen hatte. Und so ging ich nicht vom Gas, wenn mir auf der schmalen Straße andere Trucks entgegen kamen. Und die Norweger taten das ja auch nicht.
Einziges Zeichen von Vernunft war, dass ich mir nicht mehr wie damals auch noch eine Zigarette dabei anzündete. Auf den geraden Abschnitten ohne Gegenverkehr ging aber der Griff zur elektrischen Alternative, wie gut auch immer das sein mochte. Aber wenn Konzentration gefragt war, konnte das Ding auch in seinem Fach liegen und beide Hände waren am Lenkrad.

Um 17:45 Uhr kam ich dann so weit nördlich an, wie man mit einem Straßenfahrzeug in Europa nur konnte. Das hatte ich zu Mahlers Zeiten nie geschafft, damaliger Rekord nach Norden war Bogen i Ofoten, ein Dorf nördlich von Narvik. Zu Fuß kam man noch ein Stück weiter und ich wusste, dass der Besitzer der solo dort parkenden Zugmaschine gestern bereits dort gewesen war.

Ich begrüßte Luke herzlich und mit einem Kuss auf dem Parkplatz. Dann gingen wir das Stück nach Norden, das zu Fuß noch möglich war. An der Brüstung sahen wir auf das Nordpolarmeer.

Nachdem er schon zweimal auf der Fahrt nach Nikel gefallen war, schoss mir dieser dämliche Satz in den Kopf: „Hier geht es nicht weiter.“ „Nein, nach Norden geht es am Nordkap nicht weiter. Aber wenn wir uns umdrehen und nach Süden schauen, dann liegt die ganze Welt vor uns, vor unseren Freunden, den Angestellten in der Firma und vor jemandem, den wir noch gar nicht kennen!“ Während wir uns umdrehten, hatte Luke eine Heftmappe hervorgezogen, die alles veränderte.


Mittwoch, 18.07.2018

Nachdem wir gestern zusammen im Restaurant gesessen hatten und vor allem über die Zukunft gesprochen hatten, was insbesondere zu einer schwerwiegenden Entscheidung geführt hatte, machten wir uns heute gegen 9 wieder auf den Weg. Wir frühstückten bei Luke im Volvo und so konnte ich sehen, was ihn erwartete:

PICKUP: NOHOV-STA
DESTIN: PLOYA-BPE
TRAILER: RTX-PT2669
LOAD: LPG
WEIGHT: 21,000
PRIORITY: URGENT
REMARKS: ADR UN2-1965
DISPATCH: DEBOC-KFL-JUF

Er sollte also Flüssiggas von Honningsvag nach Olszyna in Polen fahren, was ihm zur Besonderheit des Tages mal Judith bescherte. Ich ging in meinen Truck und bekam auch meine Anweisungen.

PICKUP: NOHOV-DSV
DESTIN: SEJON-NLO
TRAILER: KFL105
LOAD: CANNED FISH
WEIGHT: 13,000
REMARKS: PARTIAL LOAD, HEADING HELSINKI
DISPATCH: SEJON-NLO-CAE

Caj Erikson war Auszubildender Speditionskaufmann in Huskvarna. Ich hatte ihn auf dem Hinweg kennen gelernt. Er wollte mich also mit 19 Tonnen Dosenfisch zu ihrem Sitz holen und ich sollte in Helsinki noch was nachladen. Wir verließen den nördlichsten Punkt des Europäischen Festlandes.

Weil Luke in Helsinki auf die Fähre nach Estland musste, konnten wir wenigstens eine ordentliche Strecke zusammen fahren. Luke ließ mich vor fahren und hielt vor Bergen ein gutes Stück Abstand, damit er nicht mit dem Tempo soweit runter musste, wie ich zurückfiel. Manchmal war er nur ein blauer Fleck im Spiegel und dennoch holte er mich immer wieder mühelos ein.

Wir kamen noch weit nach Finnland rein. An einer Tankstelle machten wir Pause und nutzten sie auch zum Füllen unserer Trucks. Den Imbiss ließen wir aber sein und kochten uns stattdessen einen Eintopf auf dem Gaskocher.


Donnerstag, 19.07.2018

Um 8:12 fuhren wir wieder los, knapp 40 Minuten später passierten wir den Polarkreis. Unsere Mittagspause hatten wir am Straßenrand. Es war ein Tag ohne besondere Vorkommnisse. Und so toll war es auch nicht, einfach hintereinander her zu fahren. So dicht beieinander und doch zu weit auseinander.
Da wir wieder direkt hinter Jyväskylä wieder eine Tankstelle für die Rast ausgesucht hatten, blieb uns aber noch Zeit zum gemeinsamen Kochen und einen Spaziergang am See Kaivovesi.


Freitag, 20.07.2018

Als wir uns mitten in der Nacht wieder auf den Weg machten, war es unsere letzte gemeinsame Etappe. Über Funk besprachen wir, was zu tun war, wenn der erste von uns wieder zu Hause war. Dann kamen meine neuen Befehle:

PICKUP: FIESP-AGV
DESTIN: SEJON-NLO
TRAILER: KFL105
LOAD: DRIED BERRIES
WEIGHT: 6,000
REMARKS: PARTIAL LOAD
DISPATCH: SEJON-NLO-CAE

Mein Navi lotste mich schließlich auf die Staatsstraße 25 anstatt den Autobahnring nach Espoo, also wechselte ich auf den Verzögerungsstreifen und Luke schoss lichthupend an mir vorbei.
Um halb acht war ich bei Agrovista und bekam meine getrockneten Beeren aufgeladen. Nun würde ich locker nach Turku zur Fähre kommen, musste aber dort auch die große Pause machen. Ich nutzte die verglichen zu Schweden niedrigen Preise, um auf dem Weg noch mal zu tanken und es dann bis an die Säule bei Nordic Logistic zu schaffen.
In Turku sah ich mir als Architekturfreund die Burg und den Dom an, beides mittelalterliche Bauwerke, was in Skandinavien eher selten war.


Samstag 21.07.2018

Den Tag verbrachte ich auf dem Schiff, wo ich insbesondere mal sehen konnte, wie sich 40 Jahre Fahrzeugbau bemerkbar machten, als der Fahrer der Fährgesellschaft meinen Truck direkt neben einen Stralis Hi-Way stellte. Ich selbst durfte nicht aufs Schiff fahren, da ich noch keine 24 Stunden Pause um hatte. So würde ich bis zum Abend, wenn die Fähre in Stockholm anlegte, knapp 36 Stunden haben. Weil ich nicht damit rechnete, in den kommenden Wochen Vollzeit zu fahren, ging das schon auf.

Dabei fielen mir zwei Dinge auf. Verglichen zu ähnlichen Paarungen wie Mercedes NG und New Actros, MAN F9 und TGX oder Volvo F10 und FH 2013 musste sich der Iveco Turbo hinter seinem Nachkommen nicht verstecken. Okay, er war niedriger, aber kaum schmaler und wirkte auch nicht so zerbrechlich gegenüber einem modernen Fahrzeug wie insbesondere der NG neben einem New Actros oder der F9 neben einem TGX.
Und ich stellte fest, dass die Designer damals ganze Arbeit geleistet hatten. Denn der 190-T konnte sein Alter zwar nicht verstecken, sah aber auch nicht veraltet aus wie es ein NG, F9 oder ziemlich extrem ein DAF 3300 mit seinen barocken Formen tun würden. Mit einer breiten Blechblende über dem Kühlergrill, einer leicht nach hinten geneigten Frontscheibe und dem aerodynamischen Dachaufsatz hatten sie ein zeitloses Design geschaffen. Die Zusatzverkleidung unter der Stoßstange half meinem Truck etwas, einen modernen Unterfahrschutz zu imitieren. Dafür störten die martialischen Ofenrohre das moderne Bild als einziges richtig auffallendes Bauteil.
Ob das etwas verspieltere Design des Hi-Way in den 2050er Jahren auch mal würde dermaßen souverän rüber kommen, blieb abzuwarten. Von dem sich verschämt hinter dem Stralis versteckenden Ford Focus, verglichen mit einem Escort Mk3, erst gar nicht zu reden.

Abends fuhr ich dann vom Schiff, mit einem Fahrzeitblock sollte ich ans Ziel kommen, wenn der Verkehr nicht komplett zusammengebrochen war. Bei schönem Abendrot passierte ich Södertälje, Stockholm war auch dank Sommerferien ohne größere Probleme geschafft.

Die Dämmerung dauerte hier oben natürlich ewig, erst bei Linköping ging die Sonne unter. Um 23 Uhr erreichte ich Nordic Logistic, natürlich war niemand da. Ich ging in die Sozialräume, nahm eine Dusche und ging ins Bett. Luke war inzwischen in Polen und hatte noch eine Ladung nach Wroclaw bekommen, wo er dann gerade bei Talke im Wochenende war.


Sonntag, 22.07.2018

Gegen diesen Transportauftrag musste ich dann protestieren. Wer hatte denn in Bochum Rufbereitschaft? APD, Anderson Precision Drives, war die Elektromotorenfabrik von Dominiks Onkel. Aber wer war „SAM“ in Bochum?

PICKUP: SEJON-APD
DESTIN: DEKRE-SIE
TRAILER: KFL105
LOAD: ELECTRIC DRIVES
WEIGHT: 25,000
SUPPLY PORT / BAY: 4
DISPATCH: DEBOC-KFL-SAM

Die Bereitschaft hatte André. Also rief ich den mal an. „KFL Bochum Notfallsprechstunde?“ „KFL Deeside Präsidentenlimousine. Wie soll das mit den 25 Tonnen Elektromotoren denn gehen? Das wird doch zu schwer. Und wer ist SAM, der oder die mir das eingebrockt hat?“ „SAM kann nichts dazu, da habe ich zum Anlernen neben gesessen und ihr das gesagt. Sabrina hat letzten Montag befristet angefangen und wird uns erst mal bis Ende Oktober über Judiths Mutterschaft aushelfen. Der LKW kann das doch!“
„In Fahrzeugtechnik hast Du in der Berufsschule aufgepasst, aber jetzt gibt es Nachhilfe in britischem Steuerrecht. Der steht nicht umsonst mit nur noch 38 Tonnen im System. Als Zweiachser habe ich den so angemeldet, weil das Steuern spart. Jeder LKW über 7,5 Tonnen kann bei uns in verschiedenen Steuerklassen angemeldet werden, die von der Achslast abhängen. Und bei dem ist nun mal bei 38 Tonnen bei 3 Achsen am Auflieger und 32 Tonnen bei 2 Achsen am Auflieger Schluss. Nach den 32 Tonnen würde außerhalb des Vereinigten Königreichs und der Kronbesitze kein Hahn krähen, das ist wirklich rein intern. Aber die 38 Tonnen stehen im Fahrzeugschein. Wenn ich jetzt über dieses Gewicht raus gehe, dann ist das juristisch trotzdem überladen und wenn sie es an die britischen Behörden melden, wird noch Steuerhinterziehung draus.“ „Scheiße…“ Er klickte auf dem Laptop rum. „Okay, bekommst sofort was Neues. Zum Glück haben sie den noch nicht geladen. Ich muss nur gerade mit dem Büro telefonieren, neben dem Du parkst.

Der neue Auftrag kam kurz danach, musste aber noch geladen werden, würde also noch eine halbe Stunde oder so dauern.
PICKUP: SEJON-NOL
DESTIN: DENEU-SCE
TRAILER: KFL105
LOAD: FRUIT JUCE
WEIGHT: 21,000
SUPPLY PORT / BAY: 3
PRIORITY: URGENT
REMARKS: GERMANY SUNDAY PERMIT
DISPATCH: DEBOC-KFL-ANM

Durch die Trockenheit in Deutschland waren dort inzwischen Getränke Mangelware und wurden teilweise aus dem Ausland importiert. Das ersparte es mir wenigstens, in Puttgarden bis 22 Uhr stehen zu bleiben, denn offensichtlich war Fruchtsaft auch mittlerweile dringend benötigte Ware geworden.
Um 8:30 war mein Trailer beladen und ich fuhr los. Um die Mittagszeit passierte ich ohne Probleme Kopenhagen und machte hinter dem Großraum Mittagspause. 15:01 Uhr war ich an der Fähre, was Abfahrt mit der 15:45 bedeutete und um 16:30 war ich in Deutschland. Die Fahrzeit reichte noch bis nach Hamburg.


Montag, 23.07.2018

Durch den frühen Start war ich vor 6 über das Maschener Kreuz und hatte Hamburg überstanden, bevor auch nur ein Hauch von Berufsverkehr einsetzte. Auch Bremen passierte ich kurz bevor es losging. Auf einem Autohof mit TÜV-Prüfstelle wurde ich mal schnell vorstellig und war überrascht, wie schnell und einfach etwas in Deutschland gehen konnte.
Ich legte meinen Fahrzeugschein vor, der Prüfer ging einmal raus, umkreiste die Zugmaschine mit all ihren Umbauten von 1978 auf 1983 und einem Lack, den es niemals zu irgendeinem Zeitpunkt bei irgendeinem Fahrzeughersteller gegeben hatte, nuschelte was von „Lange keinen so gut erhaltenen LKW aus der Zeit mehr gesehen.“ und gab mir eine 4er Umweltplakette auf Basis der Oldtimerregelung für EU-Ausländer. Mit jedem in einem EU-Mitgliedsstaat zugelassenen, erhaltenswerten Fahrzeug über 30 Jahre oder jünger mit dokumentiertem Oldtimerstatus des jeweiligen Landes (in Schweden war ein Auto zum Beispiel mit 25 Oldtimer) bekam man die nämlich.
Und wo ich schon mal auf der Durchreise war, bog ich in Bochum ab, mein vermutlich letzter Besuch in der Keimzelle von KFL, der Coloniastraße. Das neue Gebäude mit Kühllager im Harpener Feld war schon einige Zeit in Bau und sollte im August fertig werden.

Ich kam die Treppe rauf und stand einem unbekannten Gesicht gegenüber. „Ricky Kaiser, guten Morgen.“ „Oh. Guten Morgen Herr Kaiser. Ich bin Sabrina Miori.” „Einfach Ricky. So nennen mich alle hier.” „Ich habe schon gehört, dass die Fracht in Schweden falsch war. Entschuldigung.“ „Das hat André schon auf seine Kappe genommen. Er musste es ja auch in Bereitschaft ausbaden.“
Judith hatte ein Einzelbüro, aber das war leer. Sabrina saß bei André, der aber gerade nicht da war. Wo sind sie denn alle?“ „Bei Julian.“ Wie auf Kommando ging die Tür auf und Judiths Stimme war zu hören. „Sabrina, kommst Du mal bitte kurz rein?“ „Ja, Judith, ich freue mich auch, Dich zu sehen!“ „Oh, Ricky. Dann komm Du erst mal rein. Ich wusste gar nicht, dass Du vorbei kommst.“
Inzwischen sah man bei Judith deutlich, dass der Nachwuchs nicht mehr weit weg war. Genauer gesagt hatte ihre letzte Woche vor der Mutterschaft angefangen. Da es ein Höflichkeitsbesuch war, gab es nicht viel zu besprechen. Weil André die Hand gehoben hatte, dass es mit Europe Logistic Network und Talke zu viel wurde und dass Sabrina ihn entlastete, wollten sie Sabrina gleich wenn ich weg war anbieten, den befristeten Vertrag bis Ende des Jahres quasi als Probezeit zu verlängern und wenn sie sich bewährte, ihr im Anschluss einen unbefristeten Vertrag als Disponentin für die Talke-Fahrer zu geben.

Nach meinem Kaffee und Ablauf der 45 Minuten machte ich mich wieder auf den Weg nach Neuss. Dort gab es dann auch den nächsten Auftrag, der aber mit einer Leerfahrt begann.
PICKUP: BEANT-POR
DESTIN: UKDES-XYZ
TRAILER: KFL105
LOAD: TIMBERWEIGHT: 19,000
SUPPLY PORT / BAY: DERDE HAVEN
DOKDISPATCH: UKDES-KFL-LET

Also ließ ich mich in Neuss abladen und fuhr weiter nach Antwerpen. Dort holte ich noch das Holz ab und suchte mir einen Stellplatz im Hafen. Es fand sich nur eine Fläche hinter einer Halle. Luke stand auf einem Rastplatz an der A6 zwischen Nürnberg und Mannheim.


Dienstag, 24.07.2018

Mitten in der Nacht machte ich mich nach einer intensiven Abfahrtkontrolle auf den Weg.

Die Rastanlage, die ich bei Sonnenaufgang passierte, musste ich leider links – eher rechts auf dem Kontinent – liegen lassen, sonst hatte ich wieder Ärger am Kanal, weil ich hinter Antwerpen noch mal angehalten hatte.

Kurz vor 9 kam ich in Calais am Zugterminal an. Das bedeutete, ich würde mal wieder eine Zeitreise machen. Mein Zug fuhr um 10:00 Uhr ab und kam um 9:35 Uhr an.

Natürlich lag das nur an der Zeitzone und hier musste ich nun erst mal teuer den Tank nachfüllen. Pause machte ich noch keine, dazu war es mir noch zu früh. Also fuhr ich noch auf den London Perimeter. Hier gab es Kreisverkehre auf der Autobahn, hier fühlte ich mich inzwischen zu Hause und schon längst nicht mehr in Deutschland.

Die Pause machte ich dann auf einem Rastplatz am Perimeter und fuhr weiter auf die M1, die M6 und schließlich machte ich in Staffordshire noch eine Pause, um mit einem 10er nach Hause zu kommen. Die Abladestelle war Westbridge Furniture, eine Möbelfrabrik knapp 500 Yards von unserer Spedition. Entsprechend ließ ich den Truck stehen und ging rüber ins Büro, wo ich mich eine halbe Stunde lang auf den neuesten Stand brachte. Dann holte ich den Truck und die gestempelten Papiere ab und machte Feierabend.
Von zu Hause rief ich Luke an, er stand bei Reims auf einem Rastplatz. Das bedeutete, dass er wohl Donnerstagmittag hier war. Bis dahin wollte ich schon ein paar Termine bereit gemacht haben.

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Sorry für die Clickbait-Headline. Nachdem der Satz zweimal vorkam, um die Lücken im Straßennetz der Promods zu erklären drängte er sich fürs Nordkap auf. Und dann wurde das Kribbeln in der Hand einfach stärker als ich, während ich eine Überschrift suchte. Hier geht es weiter und die Leser, die schon bei TSM dabei waren, wissen vielleicht auch noch wie.

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