28. Lots of work and lots of memories

Montag, den 2. November 2020, 3:30 am, PST, Sacramento, CA:

Mein Wecker riss mich um halb Vier am sehr frühen Morgen aus dem Schlaf. Viel Schlaf hatte ich an diesem Wochenende nicht zusammenbekommen. Da hatte meine Familie für gesorgt. An beiden Abenden hatte Pam mich mit ihren weiblichen Verführungskünsten davon abgehalten, früh ins Bett zu gehen. Andererseits hätte ich da um nichts in der Welt drauf verzichten wollen. Das mexikanische Temperament, was in ihr steckte, war dieses Wochenende wieder ganz rausgekommen. Sie hatte mich gekonnt verführt und an den Abenden kaum zur Ruhe kommen lassen. Tim hatte dann gestern noch dafür gesorgt, dass meine Nacht dann auch früh wieder zu Ende war, wenn auch nicht so früh, wie heute.

Ich schaltete den Wecker schnell aus, damit Pam nicht wach wurde. Dann ging ich leise ins Bad und machte mich fertig. Frisch geduscht und rasiert, zog ich mich dann an. Wenigstens hatte die heiße Señorita gestern Abend noch meine Tasche mit der Kleidung zum Mitnehmen gepackt. Anschließend ging ich in die Küche und setzte meinen Kaffee auf. Außerdem packte ich mir noch Lebensmittel zum Mitnehmen ein. Der Kaffee kam dann in die Thermoskanne. Auch heute nahm ich wieder den alten Focus für den Weg zur Arbeit. Dabei machte ich mir wieder selber Vorwürfe, dass ich nicht mehr zur Arbeit lief. Trotzdem schaffte ich es ja bis jetzt, mein Gewicht und meine Figur zu halten. Um fünf Uhr war ich dann im Truck und stellte die Systeme auf PTI. Dann räumte ich schnell die Sachen ein. Die anschließende Kontrolle der Zugmaschine ging dann recht fix. Nachdem diese erledigt war, rief ich den ersten Auftrag des neuen Monats ab:

PICKUP: EST-CASAC
GATE: 08
TRAILER: RE127289
FREIGHT: TELEVISION SETS
WEIGHT: 32,347 LB
DROP: CAUKI
MARKET: DCS2052
PRIORITY: URGENT

WAT-CASAC-KMU

Es ging diese Woche mal wieder mit Regionalverkehr los. Eine Ladung Fernseher und vermutlich weitere Elektrogeräte vom Außenlager zum Walmart Discount Store in Ukiah. Ich hatte eigentlich im Kopf, dass es ein Supercenter wäre, vielleicht hatte man den Laden vom Status umgestellt. Ein Discount Store war zwar größer, als ein Neighborhood Market, konnte aber trotzdem die Größe eines Supercenters haben. Da waren die Grenzen fließend.

Da ich ja am Samstag wegen dem schweren Milchtank nicht tanken konnte, fuhr ich jetzt zuerst an die Betriebstankstelle und tankte voll. Anschließend machte ich mich auf den Weg zum Außenlager.

Ich fuhr dann zuerst auf den Weg zur CA-99 N in Richtung Downtown. Als ich auf dem Highway war, kam ich fast wieder zum Stehen, weil der Verkehr unheimlich dicht war. Der Montagmorgen Berufsverkehr war zu meiner Überraschung schon in vollem Gange. Normal ging das später los. Entweder hatten auf einmal alle Unternehmen viel zu tun und wollten gewisse Deadlines vor Thanksgiving einhalten oder halb Sacramento hatte vergessen, gestern die Uhren umzustellen. Ich hatte keine Ahnung, es war aber trotzdem voll. Über die US-50 W, I-5 N und I-80 E fuhr ich dann zum Außenlager nach North Natomas. Durch den dichten Verkehr brauchte ich heute für die knapp 13 Meilen zum Lager eine geschlagene Stunde.
Willkommen im Autofahrerstaat Kalifornien. Einen vernünftigen öffentlichen Personennahverkehr suchte man hier vergebens. Während man in vielen Großstädten an der Ostküste bald besser ohne Auto klarkam, gab es in Kalifornien kaum eine Stadt, wo das klappte. Selbst in Los Angeles, der zweitgrößten Stadt der USA, war man ohne Auto aufgeschmissen. So war das eben auch in der Hauptstadt des Golden State.

Am Außenlager angekommen, fuhr ich zu Tor 8 und sattelte den Reefer auf, der mit den Elektrogeräten für Ukiah beladen war. Nach beendeter PTI war ich dann endlich auf dem Weg ins Mendocino County. Dazu fuhr ich dann zurück auf die I-80 W in Richtung San Francisco. Über die Interstate fuhr ich dann bis in den Norden von Vallejo, wo ich an der Ausfahrt 33B auf die CA-37 W in Richtung Novato / San Rafael fuhr. Nach gut 20 Meilen hatte ich Novato erreicht und konnte auf die US-101 N in Richtung Santa Rosa / Eureka wechseln.
Während der Fahrt durch Sonoma County und Mendocino County sah ich viel von den Spuren, die die schweren Brände im frühen Herbst hinterlassen hatten. Ich musste schlucken, wieviel von der schönen Natur hier durch den Klimawandel zerstört worden war. Ich war zwar früher auch in Krisengebieten, wo durch Raketen und Bomben alles zerstört worden war, da hatte die Ursache aber sofort die furchtbare Wirkung gezeigt. Hier machten sich die Sünden der Vergangenheit erst viel später bemerkbar. Irgendwie wurde mir klar, dass ich früher selbst mit meinem großen Hummer dazu beigetragen hatte. Wenigstens hatten wir heute keine Autos mehr, die mit gewaltigen V8 durch die Gegend fuhren. Der Edge hatte zwar auch noch einen 3,5 Liter V6 mit 286 PS, für amerikanische Verhältnisse war das aber nur eine mittlere Motorisierung. Der Focus hatte sowieso nur einen 2,0 Liter Vierzylinder.

An der Ausfahrt 548A, Talmage, verließ ich den Highway und bog dann links in die Talmage Road. Dann fuhr ich die zweite Straße links auf den Airport Park Boulevard. Hier lag der Discount Store dann auf der linken Seite.

Der Trailer sollte an die erste Rampe, wo häufiger Non Food Ware abgeladen wurde. Ich setzte den Trailer also an die Rampe und sattelte ab. Anschließend schaute ich nach dem Folgeauftrag:

PICKUP: CAUKI
MARKET: DCS2052
GATE: 03
TRAILER: RE116988
FREIGHT: USED PACKAGING
WEIGHT: 29,079 LB
DROP: EST-CASAC
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-JMU

Dieser Auftrag bot keine Überraschungen. Wie erwartet, ging es mit Altverpackungen zurück nach Sacramento. Ich sattelte den Trailer an Tor 3 auf und erledigte die Kontrolle des Trailers. Anschließend ging es dann wieder zurück.

Ich fuhr zur US-101 S in Richtung Santa Rosa. Nun ging es wieder eineinhalb Stunden gen Süden. An der Ausfahrt 460 wechselte ich dann wieder auf die CA-37 E in Richtung Vallejo.

Inzwischen war es Mittag. Das machte sich auch in meinem Magen bemerkbar. Ich bekam Hunger. Außerdem musste ich sowieso langsam Pause machen. An der Ausfahrt Atherton Avenue fuhr ich ab. Hier gab es direkt an der Ausfahrt eine Möglichkeit, auf einem unbefestigten Platz zu stehen. Dort parkte ich den Truck. Dann verschwand ich kurz in die Büsche, um den Kaffee vom Morgen wegzubringen. Anschließend machte ich mir aus meinen Vorräten was zu essen fertig. Nachdem ich die halbe Stunde abgesessen hatte, fuhr ich dann direkt weiter.

Es ging erst auf den Harbor Drive in Richtung Black Point, dann konnte ich wieder zurück auf die CA-37 E fahren. Bei Vallejo konnte ich dann wieder auf die I-80 E in Richtung Sacramento wechseln. Dort fuhr ich dann wieder zum Außenlager, wo ich Glück hatte. Die Ecke war schon besetzt und ich konnte den Trailer an ein besser zu erreichendes Dock setzen. Für den Feierabend war es noch zu früh, also schaute ich, was denn als Nächstes kam:

PICKUP: EST-CASAC
GATE: 08
TRAILER: RE99579 / RE92213
FREIGHT: COMPUTER
WEIGHT: 20,681 LB
DROP: CAFAT
MARKET: SUC2985
PRIORITY: IMPORTANT
REMARKS: DELIVER TODAY IF POSSIBLE

WAT-CASAC-DSN

Nicht nur, dass ich weiter Regionalverkehr fuhr, jetzt wurde ich von Danny auch noch gescheucht. Es war November. Thanksgiving, Black Friday und Weihnachten standen unmittelbar bevor. Kampfzeit für den Einzelhandel. Ich überschlug die Planung kurz. Es würde eng werden, sollte aber gerade so klappen. Also wieder zu Tor 8. Heute Früh gabs da Fernseher, jetzt Computer. Ob es nun ein STAA-Double gab, um mehr Laderaum zu haben, oder ob es noch Ware für einen weiteren Markt in Fresno gab, wusste ich nicht, das war mir aber auch egal. Also aufsatteln und das Welpen Rudel kontrollieren. Anschließend ging es dann wieder on the Road.

Es ging zurück auf die Interstate 80, die ich dann an der nächsten Ausfahrt gegen die I-5 S in Richtung Los Angeles tauschte. Auf der blieb ich aber auch nicht lange. Über die US-50 E ging es dann zur CA-99 S in Richtung Fresno. Nun kam ich quasi an meiner Haustür vorbei, hatte aber offensichtlich keine Zeit für einen Zwischenstopp zu Hause. Also ging es weiter auf dem Golden State Highway in Richtung Süden.

Der Nachmittag lief dann so dahin. Im Großen und Ganzen lief auch alles gut. Im Gegensatz zum Morgen hatte ich jetzt auch keine Probleme mit dem Berufsverkehr. Das einzige Erwähnenswerte war dann noch die Sperrung der rechten Spur zwischen Merced und Madera, weil dort ein Sportflugzeug notgelandet war. Da nur noch ein Rad von dreien die Notlandung überlebt hatte, war das ganze ein recht trauriger Anblick. Da aber ein Krankenwagen an der Unfallstelle stand und auch keine abgedeckte Person auf der Fahrbahn lag, ging ich davon aus, dass der Pilot zwar Blessuren zurückbehalten würde, aber immerhin noch lebte.

Ansonsten lief alles nach Plan. Daher sollte ich es vermutlich so eben schaffen, bis zum Supercenter zu kommen. Dann ging aber vermutlich nichts mehr. Ich rief also kurz bei Danny an. „Hallo Steve. Hast du Halloween gut überstanden?“ „Habe ich. Wobei Pam und Tim wahrscheinlich heute immer noch kostümiert sind. Schließlich ist heute der Tag der Toten.“ „Dann hattest du das ganze Wochenende Fiesta Mexicana.“, vermutete Danny. „So ungefähr.“ „Weswegen rufst du an?“ „Ich komme vermutlich noch bis zum Supercenter.“ „Klasse. Dann nix wie hin.“ „Ich komme da aber nicht mehr weg. Mir bleiben nur noch ein paar Minuten Rest, wenn ich da bin.“ „Okay… Was möchtest du jetzt von mir hören?“ „Soll ich mir vorher einen Parkplatz suchen, oder bekomme ich die Erlaubnis auf dem Hof zu übernachten?“ „Hmm… Gute Frage…“ „Es geht nur entweder oder.“ „Schon klar… Ich telefoniere mal mit dem Marktleiter. Letztlich muss er das entscheiden. Selbst Charlie kann das nicht über seinen Kopf hinweg entscheiden. Allenfalls noch dein Dad.“ „Okay, dann kläre das bitte. Ich sollte auch rechtzeitig wissen, wenn ich dort nicht übernachten kann.“ „Versteht sich von selbst.“ Danny legte auf und ich fuhr erstmal weiter.

An der Ausfahrt 151, mit dem Namen Avenue 12 / Road 29 verließ ich dann den Highway. Dann bog ich links auf die Avenue 12 ab. Das Handy klingelte. Danny war wieder dran. „Hallo Danny. Wie siehts aus?“ „Fahr hin. Der Marktleiter will die Ware unbedingt heute noch haben. Du darfst dann im Bereich der Warenannahme stehen bleiben. Der Sicherheitsdienst wird informiert.“ „, Dass ich das Double nicht auseinandernehmen kann, weißt du. Oder?“ „Natürlich. Wenn du gleich ankommst, wird der City Trucker aus Fresno sicher schon auf dich warten.“ „Okay.“ „Rückladung bekommst du morgen früh von Keela.“ „Dachte ich mir schon.“ „Gut. Dann spare ich es mir, die Pausenanweisung abzusenden.“ „Mach das.“ Wir legten auf.

Inzwischen konnte ich auf die CA-41 S in Richtung Fresno abbiegen. Schließlich erreichte ich Fresno. An der Ausfahrt 134 bog ich rechts in die Herndon Avenue. Dann ging es rechts in die N Ingram Avenue, über die ich zum Wareneingang des Supercenters kam. Auf dem Platz stand schon ein Cascadia mit Day Cab. Das war wohl der Truck des City Truckers. Er kam zu mir. „N’Abend. Fahr da vorne an die Seite und sattle dort ab. Ich nehme das Double dann auseinander.“ „Gehen die beide hier hin?“ „Schön wär‘s. Der 92213 geht hierhin, auf dem 99579 ist Ware für die Neighborhood Markets an der Willow, der Shaw und der Cedar Avenue.“ „Auch das noch. Ist doch schon viertel nach Sechs.“ „Passt schon. Wir haben zwei Fahrer auf diesem Truck. Ich habe um 5 PM erst angefangen.“ „Und ihr fahrt nur durch Fresno?“ „Nicht wirklich. Wir bleiben zwar meisten in der Stadt, manchmal fahren wir aber auch weiter weg. Aber eben maximal so weit, dass man nach zwölf Stunden am Zentrallager den Fahrer wechseln kann.“ „Verstehe.“ „Dafür bin ich jeden Tag bei meiner Familie und schlafe immer zu Hause. Außerdem haben wir nicht den langen Radstand, wie eure Fernverkehrstrucks.“ Ich nickte. „Du kannst dich gleich da vorne an die Seite stellen. Ich habe gehört, du hast keine Fahrzeit mehr.“ „Bin auch seit fünf Uhr zugange. Nur eben AM.“ Ich sattelte ab und stellte mich dann dahin, wo es mir der Kollege gesagt hatte. Dann stellte ich die Systeme auf Pause. Auf dem E-Log stand dann Fahrzeit: 10:58.

Auf eine Laufrunde hatte ich heute keine Lust mehr. Es war ja auch schon dunkel. Duschen wäre hier ja auch nicht drin. Heute probierte ich dann zum Abendessen die Taqueria Don Pepe aus, die wir bei der Tour mit Pam und Tim nicht genommen hatten, da es dort keine Kinderportionen gab. Heute hatte man noch ein Spezialangebot zum Día de Muertos auf der Karte, was ich dann als Abendessen nahm.
Zurück im Truck, folgte dann das obligatorische Telefonat mit Pam. Anschließend ging ich früh in die Koje. Ich hatte noch etwas Schlaf nachzuholen.

Dienstag, den 3. November 2020, 4:15 am, PST, Fresno, CA:

Mein Wecker holte mich um viertel nach Vier wieder aus dem Schlaf. Auch, wenn es noch früh war, hatte ich Schlaf nachgeholt und war endsprechend fit. Für den Rest dürften die herbstlichen Frühtemperaturen in Fresno sorgen. Die Sanitäranlagen standen mir um diese Zeit leider nicht zur Verfügung. Das Supercenter machte offiziell erst um Sieben auf. Am Dienstag gab es dann zusätzlich noch eine frühere Öffnungszeit für Corona Risikogruppen von Sechs bis Sieben. Diese hatte der Konzern in diesem Jahr als speziellen Kundenservice eingeführt. Da würde ich aber natürlich auch nicht drunter fallen. Im Dunkeln ging ich an eine Ecke des Hofs und entleerte wenigstens meine Blase. Anschließend war ich wieder mal froh, meinen Wasserkanister zu haben.

Um fünf Uhr begann ich dann mit der PTI, die dann auch schnell durchgeführt war, da ich ja nur die Zugmaschine prüfen brauchte. Anschließend hoffte ich, dass es Arbeit gab. Natürlich gab es die in dieser Zeit des Jahres:

PICKUP: CAFAT
MARKET: SUC2985
GATE: 03
TRAILER: DV121908
FREIGHT: USED PACKAGING
WEIGHT: 33,233 LB
DROP: EST-CASAC
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-KMU

Es gab also Altverpackungen von hier aus zu unserem Außenlager. Ich startete den Kenworth und fuhr zu Tor 3, wo ich dann den Trailer aufsattelte. Nach der Kontrolle des Trailers ging es dann wieder zurück nach Hause.

Über die N Ingram Avenue und Herndon Avenue fuhr ich zurück zur CA-41 N. Über diese fuhr ich bis zur Avenue 12, über die ich dann zum Golden State Highway kam. Hier nahm ich dann die CA-99 N. Nun beschleunigte ich auf 56 und stellte den Tempomat ein. Auf der Fahrt nach Hause stellte ich dann fest, dass es aufgrund der Zeitumstellung am Wochenende morgens wieder früher hell wurde. Ansonsten lief die Fahrt nach Sacramento ohne Störungen. Ich wusste nicht warum, aber montags war immer der dichteste Berufsverkehr. Den Rest der Woche ging das. Ob das nur an den Studenten lag, die am Wochenende zu Hause bei den Familien waren und dann am Montag wieder zu den Colleges fuhren?

Heute nahm ich dann aber mal einen etwas anderen Weg. In Stockton fuhr ich an der Ausfahrt 254A auf die CA-4 W in Richtung Downtown Stockton. Außerdem stand hier schon „to I-5“ mit auf den Schildern. Genau das war mein Plan. Nach drei Meilen wechselte ich dann auf die I-5 N in Richtung Sacramento. Meistens war hier der Verkehr etwas weniger dicht, als auf der 99. Dann rief ich Pam an. „Guten Morgen, Darling.“, begrüßte sich mich. „Hallo Sweetheart. Hast du Lust in einer Stunde zu Außenlager in North Natomas zu kommen?“ „Wenn ich dann die Möglichkeit habe, dich zu sehen, komme ich natürlich dorthin.“ „Okay. Ich vermute, dass ich dort direkt den Trailer tausche und nicht zum Zentrallager komme. Wo es dann hingeht, weiß ich noch nicht.“ „Kannst du denn dort deine Pause machen?“ „So hatte ich es vor. Ich bin ja schon von Fresno raufgekommen.“ „Gut. Wir kommen dahin. Brauchst du noch was?“ „Eigentlich nur euch beide.“ „Ich mache dir trotzdem schnell was zu Essen fertig.“ „Gerne.“ „Dann bis Gleich. Ich liebe dich.“ „Ich dich auch.“ Wir legten auf.

In Sacramento angekommen, wechselte ich kurz auf die Interstate 80, die ich aber an der nächsten Ausfahrt wieder verließ. Dann fuhr ich zum Außenlager. Dort angekommen, sah ich Pam und Tim noch nicht. Also fuhr ich erstmal auf den Platz. Der Trailer musste mal wieder hinten in die Ecke. Das konnte ich aber inzwischen fast im Schlaf. Als ich abgesattelt hatte, schaute ich mir den nächsten Auftrag an:

PICKUP: EST-CASAC
GATE: 02
TRAILER: DV135554
FREIGHT: FURNITURE
WEIGHT: 37,537 LB
DROP: THD-ORMFR
PRIORITY: URGENT

WAT-CASAC-JMU

Jessy schickte mich also mal wieder mit Eulen nach Athen, oder besser gesagt mit Möbeln nach Oregon. Eine dringende Ladung zum Home Depot Lager in Medford. Ich fuhr um die Halle, um an Tor 2 aufzusatteln. Dann sah ich, dass Pam und Tim inzwischen da waren. Als sie mich sahen, gingen sie an den Zaun und schauten mir zu, wie ich aufsattelte und den Trailer kontrollierte. Dabei winkten sie mir ab und zu. Ich kam mir ein bisschen so vor, wie die Tiere im Zoo, die von den Besuchern bestaunt wurden.

Nach Beendigung der PTI fuhr ich nach draußen und parkte vor dem Tor. Dann stellte ich die Systeme auf Pause.
Als ich ausgestiegen war, nahm ich zuerst Tim auf den Arm, drückte ihn und gab ihm ein Küsschen. Dann setzte ich ihn wieder auf den Fahrersitz. Nun war Pam an der Reihe. Ich wollte sie umarmen, aber sie zog mich an sich und gab mir einen langen, leidenschaftlichen Kuss. „Hey.“, sagte ich hinterher. „Wir sind hier nicht alleine.“ „Dann müssen wir dem Publikum auch was bieten.“ Sie küsste mich erneut. „Wow.“, entfuhr es mir anschließend. „Du bist in letzter Zeit so…“ „Was?“ „…ähh… Heißblütig?“ „Mein mexikanisches Temperament ist wiedererwacht.“, flüsterte sie mir verführerisch ins Ohr. „Wenn Tim nicht da wäre, würde ich jetzt mir dir in dein Bett gehen.“ Mir wurde heiß. „Hey, Chica.“, sagte ich überrascht. „Du überrascht mich immer wieder.“ „An unserem Wochenende in Reno habe ich mich wieder neu in dich verliebt.“, sagte sie. „Offensichtlich. Wenn dein kurzer Rückfall am Samstag nicht gewesen wäre…“ „Den habe ich überstanden. Das war nur der überraschende Anblick in deiner Kampfmontur.“ „Hoffentlich kommst du trotzdem damit klar, dass ich die Woche über weg bin.“ „Dafür habe ich dann die Vorfreude auf die Wochenenden.“ Plötzlich drehte sie sich um und lief zum Wagen. „Ich habe ja dein Essen vergessen.“ Sie kam mit einer Tüte Bagels zurück. „Soll ich dich füttern?“, flüsterte sie mir ins Ohr. „Besser nicht. Das machen wir mal zu Hause.“ Beim Essen fragte sie mich: „Wo fährst du denn hin?“ „Wieder rauf nach Oregon.“ „Ihr habt wieder viel zu tun.“ „Richtig. Gestern war ich ja auch erst in Ukiah und dann noch in Fresno.“ „Verstehe.“ „Leider kann ich auch nur die halbe Stunde hierbleiben. Der Auftrag ist dringend.“ „Am liebsten würde ich mitkommen.“ „Und Tim?“ „Deswegen geht das ja auch nicht.“

Als ich mit dem Essen fertig war, war auch die Pause fast um. Ich wollte Tim aus dem Truck holen. „Komm, mein Großer.“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Nicht aussteigen. Ich will wieder mitfahren.“ „Das geht nicht.“ „Doch. Ich bin auch ganz artig.“ Ich holte ihn aus dem Truck. Dabei wollte er sich sträuben. Ich hatte ihn dann auf dem Arm. Wir machen das bald mal wieder. Heute geht das aber nicht. Tim zog eine Schnute. „Hey. Ich bin doch bald wieder da.“ Dann ging ich ans Auto und setzte ihn in seinen Kindersitz. „Du bist doch mein Großer. Du musst auf Mami aufpassen, wenn ich weg bin.“ Ich wuschelte durch seine schwarzen Haare. Er schaute nicht mehr ganz so beleidigt. Nun folgte der Abschied von Pam. Sie legte die Arme um meinen Hals und schmiegte sich an mich. „Damit du weißt, was du vermisst.“, hauchte sie mir verführerisch ins Ohr. Sie gab mir noch einen langen, leidenschaftlichen Kuss. „Komm schnell wieder zu mir.“ „Natürlich, Sweetheart.“ Sie stieg ins Auto und warf mir noch einen flirtenden Blick aus ihren schwarzen Augen zu. Dann fuhr sie los. Sie und Tim winkten nochmal zum Abschied. Ich ging zum Truck und atmete erstmal kräftig durch. Dann fuhr auch ich los.

Es ging zurück auf die Interstate 80. An der nächsten Ausfahrt wechselte ich dann wieder auf die I-5 N in Richtung Redding. Ich machte das Fenster einen Spalt auf, weil ich kühle, frische Luft brauchte. Pam hatte mich in den letzten Tagen wirklich überrascht. So war sie seit Jahren nicht mehr gewesen. Das war wieder die heißblütige, temperamentvolle Chica, die ich seinerzeit in San Diego kennengelernt hatte.

Ich erinnerte mich an unsere Anfänge. Ich war von Camp Pendleton nach San Diego versetzt worden, hatte die Drill Instructor School absolviert und war zum Gunnery Sergeant befördert worden. Pam hatte in einem Club auf dem Stützpunkt gearbeitet. Meistens arbeitete sie in der Küche. Ab und zu kellnerte sie.
An dem Abend im Spätsommer 2016, an dem ich sie das erste Mal sah, bediente sie in meinem Bereich. Ich war von der bildschönen, jungen Latina sofort hin und weg, während sie mich nicht mehr beachtete, als die übrigen Gäste. Um sie häufiger zu sehen, blieb ich an dem Abend länger als geplant und trank auch mehr, damit sie öfter zum Tisch kam. Als ich mir genug Mut angetrunken hatte, fragte ich sie nach ihrer Telefonnummer und bekam einen Korb. „Ich gehe nicht mir Soldaten aus.“, sagte sie mir. Den Abend gab ich mich geschlagen. Am nächsten Morgen hatte ich dann auch einen fürchterlichen Kater. Eine Lachnummer für meine Rekruten.

Mein Transponder holte mich aus meinen Gedanken. Die Colusa County Weigh Station wollte mein Gewicht. 72,648 lb, vielen Dank und gute Fahrt. Während der weiteren Fahrt schweiften meine Gedanken wieder ab.

In den nächsten Wochen nach dem besagten Korb ging ich öfter in den Club. Pam war aber nicht zu sehen. Sie arbeitete wieder in der Küche.
Einen Abend hatte ich sie wieder nicht gesehen und wollte zu meiner Unterkunft zurück. Ich weiß nicht warum, aber einer Eingebung folgend ging ich so, dass ich an der Rückseite des Clubs vorbeikam. Dann sah ich sie. Sie stand draußen und machte wohl gerade eine Pause. Ich ging auf sie zu und meine Gedanken rasten. Dann sprach ich sie an. „Hi.“ Sie blickte mich aus ihren schwarzen Augen überrascht an. „Was willst du denn hier?“ „Ich versuche schon seit Wochen, dich wieder zu sehen.“ „Ich habe dir doch gesagt…“ „, Dass du nicht mit Soldaten ausgehst. Du bist mir trotzdem nicht aus dem Kopf gegangen.“ „Spar dir deine Gedanken. Ich hab einen Freund und du bist immer noch Soldat.“ „Ich konnte ja auch nicht erwarten, dass eine so umwerfende Frau Single ist.“ „Du kennst mich doch gar nicht.“ „Ich will dich ja kennenlernen.“ „Werde ich hier gar nicht gefragt?“ Sie funkelte mich mit ihren Augen an. Ihr Temperament kam durch. „Klar. Was soll ich tun, damit ich dich kennenlernen kann? Deinen Freund umbringen? Den Dienst quittieren? Egal was es ist, ich tu‘s.“ „Mach mal halblang, hombre loco.“ „Ja, ich bin verrückt. Verrückt nach dir.“ „Und du würdest wirklich für mich den Dienst quittieren?“ „Das Marine Corps würde zwar einen verdammt guten Drill Instructor verlieren, aber trotzdem. Für dich würde ich das tun.“ „Vielleicht sollte ich doch mal eine Ausnahme machen. Du bist ja wenigstens kein junger Rekrut mehr. Die Kündigung lassen wir aber erstmal. Wer bist du eigentlich?“ „Mein Name ist Steve. Gunnery Sergeant Steven Murdock.“ „Freut mich, dich kennenzulernen. Ich heiße Pamela Cortez.“ „Also gehst du mit mir aus?“ „Wie gesagt. Einmal. Ausnahmsweise. Aber in Zivil und nicht auf dem Stützpunkt.“ „Wann?“ „Kannst du Samstagabend?“ „Wann immer du willst. Aber… …was ist mit deinem Freund?“ „Das sage ich dir am Samstag.“

Ich passierte Redding. Nun ging es langsam in die Berge. Ich hatte zwar jetzt eine kurvigere Strecke als vorher und musste auch ein, zweimal zurückschalten, trotzdem schweifte ich immer wieder ab.

Der Samstag kam. Ich hatte lange überlegt, was ich anziehen sollte. Im Dienst hatte ich diese Probleme nicht. Ich war aber auch schon lange nicht mehr ausgegangen. Als ich in Camp Pendleton war, hatte ich öfter Dates mit One-Night-Stands. Das waren dann aber auch häufig Touristinnen, die in Oceanside oder Carlsbad Urlaub machten. Ich nahm dann Blue Jeans und ein weißes T-Shirt. Dazu nahm ich für abends noch eine leichte Jacke mit. Außerdem trug ich Sneakers.
Mit meinem Hummer fuhr ich nach Downtown. Ich sollte Pam an der Station 12th & Imperial Transit Center treffen. Dort waren auch genug Parkplätze in der Nähe. Pam kam dann mit der Blue Line aus dem Süden. Als ich sie sah, wurden meine Knie weich. Bisher hatte ich sie nur in der Dienstbekleidung gesehen. Heute trug sie ein sexy Top, dass ihre Rundungen betonte und einen Stretch Mini, der das gleiche tat. „Ich kann nicht glauben, dass ich mich mit dir treffe.“, sagte ich ihr zur Begrüßung. „Du siehst unglaublich aus.“ „Du bist auch nicht schlecht.“ „Wo geht man denn in San Diego hin?“ „Soll das ein Witz sein?“ „Bei meinem letzten Date war ich noch in Camp Pendleton. In Carlsbad oder Oceanside kenne ich jeden Club. Aber hier?“ „Na dann komm.“ Sie nahm meine Hand und wir gingen in die Stadt.
Der Abend war wunderschön. Wir tanzten viel und hatten jede Menge Spaß. Da ich noch fahren musste, trank ich nicht viel. Das brauchte ich aber auch nicht. Ich konnte auch so Spaß haben.
Später gingen wir in Richtung Marina. Wir wollten einfach ein bisschen spazieren gehen. Irgendwann fragte ich sie: „Was ist denn jetzt mit deinem Freund?“ Pam schaute mich an. „Du willst jetzt nicht allen Ernstes über meinen Freund sprechen.“ „Ich will einfach wissen, wo ich bei dir dran bin. Es macht Spaß, mit dir Zeit zu verbringen. Aber ich habe Angst davor, dass es nach einem Date vorbei sein könnte.“ „Ich dachte, Marines haben keine Angst.“, neckte sie mich. „Normal nicht. Aber davor doch.“ „Du bist wirklich ein hombre loco.“, lachte sie. Ich blickte sie ernst an. „Estoy totalmente enamorado de ti.“ Sie verdrehte die Augen. „Estás loco.“, meinte sie wieder. „Warum? Weil ich mich in dich verliebt habe?“ „Du weißt doch gar nichts über mich. Du kennst gerade mal meinen Namen. Du weißt nicht wo ich herkomme, was ich mache oder denke oder fühle.“ „Dann sag es mir.“ „Ich weiß es gerade noch nicht mal selbst. Ich dachte, das wird ein schöner unverbindlicher Abend. Ich habe aber gerade Chaos im Kopf. Ich habe gerade eine Krise mit meinem Freund und wollte mich ablenken. Dann kommst du und machst alles noch komplizierter.“ Ich schaute sie überrascht an. „Wieso das?“ „Weil…, weil… du mehr bist, als nur eine nette Ablenkung.“ Mein Herz setzte kurz aus. Was hat sie da gerade gesagt? „Dann bin ich doch nicht nur loco.“ „Wenn ich das nur wüsste. Bringst du mich zur Bahn?“ Ich nickte. Wir gingen langsam und wortlos zur Station. Dort schaute Pam auf den Fahrplan. „Mierda.“, fluchte sie. „Was ist los?“ „Die Bahn ist gerade weg und die nächste fährt erst in einer Stunde.“ „Ich dachte, die fahren alle 15 Minuten.“ „Aber nicht am späten Samstagabend.“ „Dann fahre ich dich nach Hause.“ Sie schaute mich zweifelnd an. „Ich soll zu dir ins Auto steigen?“ „Ich bin ein Gentleman. Außerdem ist das sicherlich besser, als hier eine Stunde lang rumzustehen. Wer weiß, wer dann vorbeikommt.“ „Na gut. Aber du behältst deine Finger schön am Lenkrad.“ „Por supuesto, señorita.“ Wir gingen zum Parkplatz. Als sie den Hummer sah, sagte sie mit sarkastischem Unterton: „Toller Cityflitzer. Ihr Marines seid wirklich loco.“ Ich hielt ihr die Tür auf. „Nicht gerade toll für eine Frau in einem engen, kurzen Rock.“ „Ich gucke auch weg.“ Pam stieg ein. Ich setzte mich dann ans Steuer. „Wohin?“ „Nach San Ysidro.“ „Wo zur Hölle ist das denn?“ „Im Süden. Kurz vor Tijuana.“ „Aber schon noch in den Staaten.“ „Natürlich, du Spinner.“ Wir fuhren los und ich ließ mich von Pam lotsen. In San Ysidro angekommen, sagte sie: „Glaube aber nicht, dass du mich bis vor die Haustür fahren darfst.“ „Warum das denn nicht?“ „Warum? Warum? Meine Eltern sind streng katholisch. Außerdem kennen sie Miguel.“ „Wen?“ „Meinen Freund, hombre loco.“ Wir hielten dann da an, wo Pam es wollte. „Sehen wir uns wieder?“, fragte ich dann. „Wenn du weiter in den Club gehst, lässt sich das kaum verhindern.“ „Du weißt, wie ich das meine.“ „Ich… weiß es nicht.“, sagte sie. „Gib mir etwas Zeit.“ „Wie du willst. Du bist eine unglaubliche Frau, Pamela Cortez.“ „Danke fürs Fahren.“, sagte sie. Dann beugte sie sich zu mir rüber und hauchte mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Sie lief rot an, riss die Tür auf und rutschte vom Sitz. Dann zog sie ihren Rock zurecht und rannte davon. Ich sah ihr nach, unfähig was zu tun.

Ich wurde vom Warnton des E-Log aus meinen Gedanken gerissen. Meine Fahrzeit ging zu Ende. Aus dem Augenwinkel registrierte ich, dass ich gerade über die Grenze nach Oregon gefahren war. Bis nach Medford würde ich nicht mehr kommen. Dann näherte ich mich dem Port of Entry und dem Oregon Welcome Center. Der W-Pass zeigte Grün an, ich könnte durchfahren. Ich fuhr dann aber trotzdem ab. Auf der Parkfläche nahm ich mir einen Parkplatz und stellte die Systeme dann auf Feierabend. Unsere Anweisungen waren klar. Auch, wenn die Ladung, wie in diesem Fall dringend war, sollten wir die Gesetze einhalten. Bei einem Rest von einer Viertelstunde in meiner Fahrzeit hieß das Feierabend machen und morgen Früh anliefern. Also Feierabend.
Eine Laufrunde war hier nicht wirklich möglich. Ich schaute mir aber das schön gestaltete Welcome Center an. Auch die Toiletten waren hier sauber. Das war aber in der Regel so, wo die Kontrollstationen waren.
Mein Abendessen bestand dann heute aus einem Mikrowellengericht. Anschließend telefonierte ich noch mit Pam. Ich erwähnte aber nicht, was mich seit unserem Treffen am Vormittag beschäftigt hatte. Nach dem Telefonat ließ ich mich noch vom Fernsehprogramm berieseln, bis ich dann schlafen wollte.

Mittwoch, den 4. November 2020, 4:15 am, PST, Ashland, OR:

Nach einer unruhigen Nacht ließ ich mich von Totos Pamela aus dem Schlaf holen. Der Grund für die unruhige Nacht waren nicht etwa die zahlreichen anfahrenden Trucks, die von der Waage wieder auf den Freeway wollten, sondern eher meine Träume, in denen meine Frau die Hauptrolle spielte.

Ich stand auf und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Dann suchte ich den Sanitärbereich des Welcome Centers auf. Nach Toilettengang und Katzenwäsche ging ich zurück zum Truck, wo ich in die Fahreruniform schlüpfte. Um fünf Uhr begann ich dann mit der PTI und machte mich anschließend auf den Weg.

Ich fuhr auf die I-5 N in Richtung Portland zurück. Weit hatte ich es aber nicht mehr. Nach gerade mal 14 Meilen verließ ich die Interstate an der Ausfahrt 27, South Medford. Über die Garfield Avenue fuhr ich zum Rouge Valley Highway 99, der dann innerhalb der Stadt zur Riverside Avenue wird. An der 99 lag dann auch das Lager der Baumarkt Kette The Home Depot. Wie immer bei denen, musste ich mich an einer Sprechanlage melden. „Ja bitte?“, hörte ich nach einigem Knistern im Lautsprecher. „Guten Morgen. Walmart Transportation. Ich bringe die bestellten Möbel von Sam’s Club.“ „Sollten die nicht gestern Nachmittag kommen?“ „Da hat die Fahrzeit nicht mehr gereicht.“ „Verstehe. Stell den Trailer an Tor 21“ „Okay.“ Dann knackte es im Lautsprecher. Selbst, wenn ich noch was hätte sagen wollen, hätte man mich nicht mehr gehört.
Das Tor fuhr auf und ich fuhr auf den Hof. Als ich am Tor ankam, hätte ich den Shunter Fahrer von Home Depot verfluchen können, hatte er doch genau dort einen Trailer abgestellt, wo ich zum Ausholen hinmusste. Dann fiel mir unser Tor 23 an den Zentrallägern ein. Dort fuhr ich immer um die Ecke der Halle und schob den Trailer dann scharf um die Ecke. Das sollte hier auch funktionieren. Also fuhr ich um die Ecke, öffnete die Türen am Trailer und setzte ihn entsprechend ans Dock.

Als ich abgesattelt hatte, schaute ich mir den nächsten Auftrag an:

PICKUP: SWY-ORMFR
TRAILER: FEXXXX
FREIGHT: USED PACKAGING
WEIGHT: 29,079 LB
DROP: EST-CASAC
PRIORITY: STANDARD

WAT-CASAC-JMU

Der Auftrag war weitgehend klar. Aber wer zur Hölle ist SWY? Ich klickte auf die Zeile und fragte mich, ob mich Jessy verarschen wollte. SAFEWAY???

Der Handelskonzern war nach der Kroger Company der größte Konkurrent im Einzelhandel. Wobei er etwas dominanter wirkte, da Kroger die Märkte unter zahlreichen Namen betrieb. Hier im Westen überwiegend unter Fred Meyer, die 1999 von Kroger übernommen wurden. Ich hatte immer vermutet, dass weder Kroger, noch Safeway jemals mit dem Walmart Konzern arbeiten würde. Offensichtlich handelte in dieser Branche jeder mit jedem. Mir war ja auch schon lange bekannt, dass Walmart und Costco Wholesale miteinander arbeiteten. Alles natürlich immer unter dem Namen der Großhandelssparte Sam’s Club, eigentlich neben BJ’s Wholesale Club der größte Konkurrent von Costco. Ich überlegte kurz, ob ich Jessy fragen sollte, ob das ihr Ernst sei, entschied mich dann aber dagegen. Warum sollte ORBCOMM sonst das Kürzel haben? Die Wettbewerber hatten meines Wissens Qualcomm Omnitracs als Satellitenkommunikation. Der Laden, wo ich hinsollte, lag an der Biddle Road in der Nähe des Flughafens. Den Weg kannte ich, da Isaacs Werkstatt und Truckstop an der gleichen Straße lag. Also sparte ich mir die Eingabe ins Navi. Durch den Berufsverkehr brauchte ich eine halbe Stunde, bis ich am Supermarkt ankam.

Dort fuhr ich zum Wareneingang an der Rückseite. Hier durfte ich mich dann auch anmelden. „Guten Morgen. Ich soll hier Altverpackungen für Sam’s Club übernehmen.“ „Ach, die Konkurrenz.“, sagte der Mann am Schalter grinsend. „Ist doch schön, dass Walmart seinen Müll abholt.“ Das war jetzt eindeutig zweideutig. „Wenn’s weiter nichts ist.“ „Dann Unterschreib mal hier. Deine Papiere sind hinten auf dem Trailer. Ihr wollt das ja so.“ „Ihr hört ja aufs Wort.“, sagte ich jetzt grinsend. „Aber immer doch. Der FedEx Trailer steht hinten, wo das Leergut steht.“ „Okay.“ Ich verabschiedete mich und ging wieder raus. Dann sattelte ich den Trailer auf und erledigte die PTI. Anschließend fuhr ich zu Isaacs Truckstop und tankte dort voll. Anschließend holte ich mir noch einen Kaffee. Dann machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Es ging noch kurz auf den Crater Lake Highway und dann auf die I-5 S in Richtung Ashland. Dann beschleunigte ich auf 60 und legte den Tempomat ein. Sobald ich rollte, gingen meine Gedanken wieder ins Jahr 2016 zurück.

Nach dem flüchtigen Kuss von Pam waren mehrere Wochen vergangen, in denen ich den Eindruck hatte, dass sie mir aus dem Weg ging. Ich ging zwar inzwischen jeden Abend in den Club auf dem Stützpunkt, bekam sie aber nicht zu Gesicht. Dabei hatte ich aber teilweise den Eindruck, dass ich vom Personal im Club merkwürdig angeschaut wurde. Manchmal ging ich auch zur Rückseite, wo ich sie seinerzeit bei der Pause gesehen hatte. Wenn sie gerade mal draußen war und ich auf sie zukam, ging sie fluchtartig wieder in die Küche. Anrufen konnte ich sie auch nicht, da ich immer noch keine Telefonnummer von ihr hatte.
Eines Abends saß ich mal wieder im Club und hielt mich an einem Glas Bier fest, als die Bedienung an meinen Tisch kam.
„Hey. Bist du Steve?“ „Das ist mein Name.“ „Du sollst in einer Viertelstunde hinter das Gebäude kommen.“ „Warum?“ „Sie sagte, du wüsstest warum.“ „Okay. Dann mach mir die Rechnung fertig.“ Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Pam wollte mich sehen. Ich wusste nur nicht warum. Würde sie mir sagen, dass ich mich von ihr fernhalten sollte? Würde sie mir was anderes sagen? Ich hatte keine Ahnung. Ich trank aus, zahlte und ging nochmal zur Toilette. Dort verbrachte ich dann aber mehr Zeit vor dem Spiegel. Ich wollte für sie gut aussehen. Dann verließ ich den Club und ging nach hinten.
Mit zitternden Fingern wartete ich. Dann kam Pam aus der Tür.
„Hi.“, sagte sie schüchtern. Immerhin fauchte sie mich nicht an. „Hallo Pamela.“ „Ich bin dir, glaube ich, noch eine Erklärung schuldig.“ „Du hast mich zumindest ziemlich perplex stehen gelassen.“ Sie nickte. „Wie ich schon gesagt habe, wollte ich mich eigentlich nur von den Problemen mit Miguel ablenken.“ Ich nickte. „Es sollte ein lockeres Date sein. Einmal tanzen gehen und Spaß haben. Ich hatte nicht vor, dich wiederzutreffen.“ „Das hast du ja auch nicht. Du gehst mir ja offensichtlich aus dem Weg.“ „Ich wollte dich und den Abend vergessen.“ „Und?“ „Ich schaffe es nicht. Du hast in mir ein Gefühlschaos verursacht, bei dem ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll.“ „Ich verstehe nicht ganz.“ „Ich stehe sozusagen zwischen zwei Stühlen. Also zwischen Miguel und dir und ich kann damit nicht umgehen.“ „Soll ich jetzt gehen und nie wieder in den Club kommen?“ „Würdest du das schaffen?“, fragte sie mich überrascht. „Du bist doch inzwischen jeden Abend hier.“ „Es wäre nicht einfach. Wobei ich nur hierhin komme, weil ich hoffen, dich zu sehen. Aber wenn du es willst, respektiere ich das und halte mich von dir fern.“

Die Hornbrook Inspection Station riss mich aus meinen Gedanken. Die Kontrolle war aber schnell erledigt. Ich hatte ja nur Altverpackungen drauf. Auch mein Kühlschrank beinhaltete nur Lebensmittel, die in Kalifornien gekauft waren. Ich fuhr zurück auf die I-5 S in Richtung Redding. Tempomat auf 56. Kurz darauf waren meine Gedanken wieder im Jahr 2016

„Ich habe zwar Chaos im Kopf, aber eines weiß ich.“, sagte Pam bestimmt. „Ich will sicher nicht, dass du dich von mir fernhältst.“ „Bist du sicher?“ Sie nickte. „Du hast was in mir ausgelöst, was ich noch nie hatte.“ „Wie meinst du das?“ „Du bist der erste Junge… der erste Mann, der mich… ich weiß nicht… gleichwertig behandelt. Auf Augenhöhe. Verstehst du?“ „Nicht so ganz. Wie behandelt dich den dein Miguel?“ Sie druckste herum. „Er… ähh… behandelt mich… als sei ich sein Eigentum. Verstehe das nicht falsch. Er liebt mich. Er ist auch sanft und zärtlich zu mir… also nicht grob zu mir. Aber ich bin seine Novia, seine Chica.“ „Was empfindest du für ihn?“ „Das ist kompliziert. Ich war mal total verliebt in ihn. Das ist aber schon eine Zeit her. Das ist aber auch eine Frage, die er mir nie stellen würde. Er nimmt das als gegeben hin. Er bestimmt alles. Was wir machen, wo wir hinfahren, wann und mit wem.“ „Du hast nichts zu sagen?“ „Nicht viel.“ „Unglaublich.“ „Das war bei uns völlig anders. Klar du kanntest dich in San Diego nicht aus. Aber, auch wenn wir wo waren, hast du mich gefragt was ich will.“ „Selbstverständlich.“ „Das kenne ich nicht. Früher haben meine Eltern alles bestimmt, dann meine Freundinnen oder Freunde. Ja und jetzt eben Miguel.“ „Du wirkst gar nicht so.“ „Oh, ich kann viel hinter meinem Temperament verstecken. Mein Vater ist Mexikaner und auch in meiner Mutter sind von einer Seite aus ein paar Tropfen Latinoblut vorhanden.“ „Du wirkst auch sehr selbstbewusst.“ „Das erlaubt mir sogar Miguel. Er will ja kein Mauerblümchen, sondern eine stolze, selbstbewusste Novia.“ „Verstehe.“ Ich schaute ihr einen Moment nachdenklich in die schwarzen Augen. „Dann frage ich dich jetzt was du willst.“ Sie senkte einen Moment den Blick. „Ich möchte dich näher kennenlernen. Ich möchte Zeit mit jemandem verbringen, der mich so behandelt wie du.“ „Und was ist mit Miguel?“ „Der muss mal eine Zeitlang auf seinen Besitz verzichten.“ „Du machst nicht mit ihm Schluss?“ „Ich weiß es nicht. Ich kann nur mit ihm Schluss machen, wenn ich jemand anderen habe. Ich weiß aber noch nicht, ob du das sein kannst. Dazu kenne ich dich nicht genug. Wir hatten ja erst eine Verabredung.“ Ich dachte einen Moment nach. Dann sagte ich: „Hör zu, Pamela. Ich möchte dich sicherlich nicht als Eigentum, sondern als gleichberechtigte Partnerin. Ich möchte aber auch nicht dein Spielzeug werden.“ Sie nickte. „Natürlich nicht.“ „Dann sage mir ganz klar, was du momentan für mich empfindest.“ Sie schaute mich mit großen Augen an. „Muss das sein?“ Ich nickte ernst. „Sonst mache ich bei dem Spiel nicht mit. Ich will wissen, wo ich bei dir dran bin.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Okay… also du bist… sehr nett und sympathisch… ähh… siehst gut aus und…“ „Was?“ „Ich weiß es, verdammt noch mal, nicht genau. Ich mag dich. Vielleicht sogar ein bisschen mehr… ich lasse mich da aber nicht drauf festnageln.“ „Was war denn, als du mich geküsst hast?“ „Da… äh… war es mehr als nur Sympathie.“ Sie lief knallrot an. „Okay, Chica. Ich mache bei deinem Versuch mit. Ich will dann aber bald eine Entscheidung zwischen Miguel und mir.“ Sie fiel mir um den Hals. Dann lief sie wieder rot an und ließ mich los. „Das war wieder mein Temperament.“, sagte sie entschuldigend. Sie holte einen Zettel aus der Tasche. „Hier hast du meine Telefonnummer. Wir müssen uns ja verabreden können.“ „Danke.“ Ich riss was von dem Zettel ab und schrieb ihr meine Nummer auf. „Dann bekommst du auch meine Nummer.“

Ein Hindernis bei Redding riss mich wieder aus meinen Gedanken. Ein Kipper Fahrer hatte auf schnurgerader Strecke das Kunststück geschafft, seinen Muldenkipper in einen Seitenkipper zu verwandeln. Das natürlich nur, indem er den Trailer auf die Seite gelegt hatte. Zu seinem Glück hatte sich wohl die Sattelkupplung gelöst, denn der T680 stand noch auf seinen Rädern.

Da ich Hunger bekommen hatte, fuhr ich kurz darauf an der Ausfahrt 673 von der Interstate und machte meine Pause auf dem TA Truckstop. Dort nutzte ich die Toilette und holte mir anschließend einen Third Pound Cheese Burger. Nach der vorgeschriebenen halben Stunde machte ich mich dann auch wieder auf den Weg. Ich fuhr wieder zurück auf die I-5 S in Richtung Sacramento. Dort beschleunigte ich wieder auf 56, legte den Tempomat ein und rollte dahin. Dabei schwelgte ich weiter in Erinnerungen.

In den kommenden Wochen traf ich mich dann häufiger mit Pam. Meistens am Wochenende. Da wurden dann meine Nächte zwar ziemlich kurz, weil ich am nächsten Morgen wieder bei meinen Rekruten sein musste, aber das war es mir Wert.
Pam wollte aber nicht, dass ich sie in San Ysidro abholte oder dort hinbrachte. Sie wollte lieber mit der Blue Line fahren. „Es ist besser, wenn in San Ysidro keiner was sieht. Hinterher sieht das einer von Miguels Freunden.“ „Wenn du meinst. Ich kann dich aber auch fahren.“ „Leider ist dein Auto nicht allzu unauffällig. Mit einem alten Chevy würdest du weniger auffallen.“ Also ließ ich sie mit der Bahn fahren.
Wir gingen viel tanzen und hatten Spaß. Ab und zu gingen wir dann aber auch einfach Spazieren. Das waren dann auch die Momente, an denen mich Pam ausfragte. Schließlich wollte sie mich ja kennenlernen. Manchmal ging es um einfache Themen, wie mein Lieblingsessen oder welche Musik ich mochte. Dann wollte sie wieder mehr über mein Leben wissen. Dann kamen auch schwere Themen an die Reihe, wie der große Streit mit meinen Eltern und meinem anschließenden Auszug. Ein anderes Mal erzählte ich ein wenig von meinen Einsätzen mit den Marines, vor meiner Zeit als Ausbilder. Die Details ließ ich aber weg. Ich wollte sie ja nicht schockieren.

Trotz allem, oder vielleicht auch gerade wegen dem, was ich schon erlebt hatte, wuchs offensichtlich Pams Zuneigung. Bald war der Abschiedskuss ein übliches Ritual und nichts mehr, was sie in Verlegenheit brachte. Wir wurden sowieso immer vertrauter im Umgang miteinander. Bei den Spaziergängen gingen wir inzwischen Hand in Hand und beim Tanzen bekam ich auch ab und zu einen Kuss von der schönen Latina.

So ging das eine ganze Weile weiter. Es war dann ungefähr ein Vierteljahr her, dass wir uns ausgesprochen hatten. Es war ein Samstagabend. Wir waren mal wieder tanzen und zum Ende des Abends brachte ich sie zur Bahn. Wir gingen eine Weile schweigend, Hand in Hand, dann blieb Pam auf einmal stehen.
„Steve.“, sagte sie ernst. „Ich habe mich entschieden.“ Mein Herz rutschte mir bald in die Hose. Machte sie jetzt mit mir Schluss? Ich begann zu schwitzen. Ich antwortete mit heiserer Stimme. „Du hast eine Entscheidung getroffen?“ „Ja das habe ich.“ Sie blickte zu mir auf und sah mir tief in die Augen. „Ich mache mit Miguel Schluss. Ich möchte ganz mit dir zusammen sein.“ Das Glücksgefühl, was mich in diesem Moment überkam war unglaublich. Ich hob sie hoch und wirbelte sie herum. Dann gab ich ihr einen langen Kuss. „Pamela Cortez, du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt.“ „Ich bin auch glücklich.“, flüsterte sie. „Ich habe mich in den letzten Wochen tatsächlich in dich verliebt.“ „Ist das wahr?“ Sie nickte. „Ich verliebe mich jedes Mal mehr in dich.“
Wir gingen weiter zur Bahn.
„Soll ich dich nicht nach Hause fahren?“ „Erst, wenn es offiziell ist.“ „Okay.“ Wir standen dann eng umschlungen an der Station und knutschten, bis der Zug kam. Dann löste sie sich von mir und stieg ein. Ich blickte der Bahn lange hinterher und konnte mein Glück immer noch nicht fassen.

Der Bypass Transponder holte mich aus meinen Gedanken. Colusa County wollte mein Gewicht wissen. Mit 63.743 Pfund durfte ich aber sofort weiter. Zurück auf der I-5 schweifte ich wieder ab.

Zwei Tage später, am Montagabend ging ich wieder in den Club. Zu der Zeit, in der Pam gewöhnlich Pause machte, ging ich hinter das Gebäude. Dort fand ich sie. Sie sah schrecklich aus. Eine Wange war stark geschwollen, außerdem hatte sie ein saftiges Veilchen. „Was ist passiert?“, fragte ich fassungslos. Sie kam zu mir und sank in meine Arme. „Das?“, fragte sie verächtlich. „Das ist Miguels Antwort darauf, dass ich mit ihm Schluss gemacht habe.“ Ich nahm ihr Gesicht vorsichtig in meine Hände und achtete darauf, ihr nicht weh zu tun. Ich küsste sie sanft.
Dann wurde ich wütend. „Ich bringe das Schwein um.“, entfuhr es mir. „Lass es.“, sagte Pam bestimmt. „Er ist es nicht Wert.“ „Du willst nicht, dass ich dich verteidige?“, fragte ich überrascht. „Nein.“ Ich sah zu ihr runter. „Du liebt ihn immer noch.“ Sie schüttelte leicht den Kopf. „Sicher nicht. Aber es tut mit nicht weniger weh, wenn du ihm was antust.“ „Kein Mann schlägt ungestraft meine Freundin.“ „Sag das bitte nicht so.“ „Wie?“ Meine Freundin. Ich war lange genug der Besitz eines Manns. Ich gehöre niemandem.“ „Und wie sollte ich dich sonst jemandem vorstellen?“ „Das ist wieder was anderes.“ „Es tut mir aber auch weh, dich so zu sehen.“ „Die Schwellung wird wieder weggehen. Auch das blaue Auge wird bald besser.“, sagte sie besänftigend. „Dann lass mich niemals in seine Nähe. Sonst weiß ich nicht was ich tue.“ „Einen Erfolg hatte das aber trotz der Schmerzen.“, sagte Pam entschlossen. „Welchen?“ „Es hat mich nochmal darin bestärkt, das Richtige getan zu haben.“ „Also hat er deinen Entschluss, ihn zu verlassen, nur bestärkt?“ „Genau das. Oder würdest du bei einem Typen bleiben, der dich so schlägt?“ „Nicht wirklich.“ „Dann darfst du mich ab jetzt auch nach Hause bringen. Sogar bis vor die Haustür. Meine Eltern haben schließlich auch gesehen, was Miguel gemacht hat.“ „Und dein Vater macht da nichts gegen?“ „Alleine? Gegen Miguel und seine Gang? Sicher nicht.“ „Warst du die Freundin vom Paten von San Ysidro?“ „Das vielleicht nicht. Aber ganz legal sind Miguels Geschäfte sicher auch nicht. Dementsprechend hat er eben seine Leute.“ „Verstehe.“ „Vergiss Miguel. Der ist jetzt Vergangenheit. Jetzt gibt es nur noch uns beide.“ Ich küsste sie sanft, dann musste sie wieder rein und weitermachen.

Ich hatte Sacramento erreicht. An der Ausfahrt 522 wechselte ich kurz auf die Interstate 80. Dann nahm ich die nächste Ausfahrt und fuhr zum Außenlager. Da die Ecke noch voll war, hatte ich es etwas einfacher und konnte den Trailer entspannt absatteln. Anschließend schaute ich mir den nächsten Auftrag an:

PICKUP: CST-CASAC
GATE: 11
TRAILER: RE105926
FREIGHT: ICE CREAM
WEIGHT: 34,509 LB
DROP: AZ-QZS
MARKET: DCS4567
PRIORITY: URGENT
REMARKS: USE OF THE REMAINING DRIVING TIME!!!

WAT-CASAC-DSN

Das Ziel stellte sich als Quartzsite, Arizona heraus. Das lag an der Interstate 10, kurz hinter der Grenze bei Ehrenberg. Mit der Anweisung, die restliche Fahrzeit auszunutzen, wollte Danny wohl sicherstellen, dass ich morgen noch in Quartzsite ankomme. Ob das funktioniert, würde ich erst morgen wissen. Vermutlich war das auch der Grund, warum ich dieses Mal Bobtail vom Außenlager zum Zentrallager sollte. Meistens war es ja eher umgekehrt. Also fuhr ich wieder und stürzte mich dann in den Nachmittagsverkehr von Sacramento.
Da blieb mir auch gar keine Möglichkeit, meine Gedanken weiter schweifen zu lassen. Ich musste mich voll auf den Verkehr konzentrieren. Über die I-80 fuhr ich zur I-5 S zurück. Dann folgte die übliche Strecke über die US-50 E und CA-99 S, um zum Zentrallager zu kommen. Im dichten Verkehr brauchte ich dann eine geschlagene Stunde bis zum Zentrallager. Die Zeit, die ich länger gebraucht hatte, würde mir hinterher sicher fehlen.

Am Zentrallager sattelte ich dann des Reefer auf, der an Tor 11 stand. Das Kühlaggregat lief auf Hochtouren. Das würde auch so bleiben, bis ich die Türen schloss. So dicht war eine Thermoschleuse am Dock nun mal nicht. Ich sattelte auf und erledigte die PTI. Dann rechnete ich kurz nach. Bis sechs Uhr konnte ich noch fahren. Dann hatte ich aber die elf Stunden Fahrzeit erreicht. Weit war das nicht mehr. Aber normal kam ich bei dieser Strecke immer etwa bis nach Palm Springs. Das würde nun mal nicht reichen. Also fuhr ich zu Hause wieder weg, ohne meine Familie zu sehen.
Über die 47th Avenue, die 24th Street und Florin Road ging es zur Interstate 5. Hier ging es dann auf die I-5 S in Richtung Los Angeles. Nun beschleunigte ich wieder auf 56 und legte den Tempomat ein. Nachdem ich aus Sacramento rauskam, konnte ich wieder meinen Gedanken freien Lauf lassen.

In den ersten Wochen, wo Pam und ich dann offiziell ein Paar waren, trafen wir uns so oft, wie es unsere Jobs zuließen. Das begann schon damit, dass ich sie, wenn sie im Club Feierabend hatte, eben nach San Ysidro fuhr. Meist nahm sie sonst die Kombination aus Blue Line und Green Line. Das war aber abends dann so spät, dass sie mich nicht rein bat. Sie war aber dankbar dafür, dass ich sie fuhr. Am Tag auf der Hinfahrt konnte ich sie nicht abholen, da ich noch Dienst hatte, aber wenigstens musste sie abends nicht alleine durch dunkle Ecken, die für eine hübsche, junge Frau gefährlich sein konnten.

An einem Sonntagnachmittag stellte sie mich dann auch schließlich bei Brenda und Alejandro, ihren Eltern, als neuen Freund vor. Benda schloss mich sofort ins Herz. Alejandro war erst etwas skeptisch, da ich eben kein Latino war. Seine Vorstellungen von einem potentiellen Schwiegersohn sahen wohl eher einen Jungen mit mexikanischen Wurzeln vor. Brenda, die zwar auch ein südländischer Typ war, aber eben keine reine Latina, sah das etwas anders. Sie hätte mich im Zweifel auch adoptiert.
Nach und nach normalisierte sich das alles. Alejandro gewöhnte sich auch an mich und war froh, dass ich zumindest spanisch sprach. Auch, wenn er bereits ein Vierteljahrhundert in diesem Land aufhielt, hatte er immer noch ab und zu Schwierigkeiten mit der Sprache. Das war aber im täglichen Leben auch kein Problem. Seine Schicht bei der Arbeit bestand fast ausschließlich aus Leuten, die spanisch als Muttersprache hatten und in San Ysidro wohnten ebenfalls überwiegend Leute mit mexikanischen Wurzeln. So kam er auch gut mit Spanisch klar und musste sich nicht unbedingt bemühen, sein Englisch zu verbessern. Brenda hatte aber auch Englisch als Muttersprache gelernt und Pam war zweisprachig aufgewachsen. Deswegen verstand ich es ja auch nicht, dass sie sich eine Zeitlang dagegen sträubte, dass Tim spanisch lernen sollte.

Es war dann etwa einen Monat her, dass sich Pam von Miguel getrennt hatte. Wir hatten auch nicht mehr über ihn gesprochen und ich hatte ihn fast vergessen. An diesem Abend brachte ich mal wieder Pam von der Arbeit nach Hause.
Wir waren bei ihr angekommen und ich war mit ausgestiegen, um mich von ihr zu verabschieden. Ich nahm sie in den Arm und küsste sie lange zum Abschied. Plötzlich hörten wir ein paar Geräusche aus der Umgebung. Dann erklang eine Stimme: „Hey, Weißbrot.“ Pam und ich lösten sich voneinander. Wir blickten in die Richtung aus der die Stimme kam. „Miguel.“, entfuhr es Pam. Ihr Exfreund stand vor mir, eingerahmt von einer Gruppe junger Latinos. Vermutlich seine Gang. „Hey, Gringo.“, hörte ich dann von hinten. Ich drehte mich um und auch dort standen einige Latinos. „Was wird das denn jetzt?“, fragte Pam. „Halte dich raus, Chica.“, sagte Miguel zu Pam. „Geh‘ am besten rein, zu deinen Eltern.“ „Du hast mir gar nichts mehr zu sagen.“, fauchte Pam. „Ich bin nicht mehr deine Novia.“ „Das sehe ich anders, Pamela. Keine Chica verlässt mich. Ich bin der, der Schluss macht.“ „Du bist ja sehr mutig.“, sagte ich kalt. „Eine wehrlose Frau schlagen und jetzt mit zwanzig Mann hier auflaufen. Alleine traust du dich wohl nicht.“ „Das Weißbrot quatscht mich einfach an.“, sagte Miguel provozierend. „Habe ich dir erlaubt, das Wort an mich zu richten?“ „Sei froh, dass Pamela es nicht wollte, sonst hätte ich mir dich schon lange vorgenommen.“ Die Gruppe begann zu lachen. „Du willst mit mir kämpfen? Willst du sterben?“ „Vergiss es. Du hast doch viel zu viel Angst alleine gegen mich anzutreten. Deshalb kommst du ja auch mit zwanzig Leuten hier an.“ Die Gruppe machte den Kreis um uns enger. „Meinst du das schüchtert mich ein?“ „Das sollte es, Weißbrot. Schließlich hast du meine Novia angemacht.“ „Ich habe schon gehört, dass du so besitzergreifend bist. Aber offensichtlich bist du auch taub. Pamela hat gesagt, dass sie nicht mehr deine Novia ist. Ich bin jetzt ihr Freund.“ „Du legst es also wirklich drauf an.“ „Wenn du meinst, dass du jemanden damit beeindruckst, wenn ihr mich jetzt alle angreift, dann musst du das tun. Ich werde nicht kampflos aufgeben. Ich dachte nur, du hättest Ehre und könntest die Sache die beiden Männer erledigen lassen, die es betrifft, nämlich nur dich und mich.“ Die Gruppe machte den Kreis wieder enger. Dann hob Miguel die Hand. „Halt. Das Weißbrot hat ausnahmsweise Recht. Du willst um die Ehre und um Pamela kämpfen?“ „Auf jeden Fall. Und? Traust du dich, das alleine durchzuziehen, Gringo?“ „Du nennst mich Gringo? Das hier ist mein Viertel und meine Novia.“ Ich rollte gespielt mit den Augen. „Er versteht es nicht. Pamela ist nicht mehr deine Novia.“ Inzwischen waren Brenda und Alejandro vor die Tür gekommen. Der Auflauf vor ihrem Haus war ihnen nicht entgangen. „Geh rein.“, sagte Brenda zu Pam und sie verschwand, erschien aber kurz darauf am Fenster und verfolgte die Szene. „¿Que está pasando aqui?“ fragte Alejandro. „Das Weißbrot nimmt sich einfach meine Novia.“, sagte Miguel kalt. „Pamela ya no es tu novia. Ella pertenece a Steve ahora.“ „Leg dich nicht mit uns an, alter Mann.“, fauchte Miguel. „Pamelas Eltern lässt du auch in Ruhe.“, sagte ich ruhig und bestimmt. „Die Sache betrifft nur uns beide und vielleicht noch Pamela.“ Brenda sah mich flehend an. „Bitte, Steve…“ „Mach‘ dir keine Sorgen.“, dann wandte ich mich an Miguel. „Was ist nun? Traust du dich alleine gegen mich zu kämpfen oder bist du ein Feigling.“ Das ließ sich Miguel nicht zweimal sagen. „Okay, Leute. Keiner greift ein. Er gehört mir allein.“ Die Gruppe trat etwas auseinander um uns Platz zu machen. Ich zog mir die Jacke aus und machte mich bereit. Als Miguel meinen trainierten Oberkörper sah, zuckte es kurz in seinen Augen. Er wusste aber, dass er den Respekt bei seinen Leuten verlieren würde, wenn er nicht antrat. Miguel trat vor. Er war ebenfalls durchtrainiert. Vermutlich verbrachte er viel Zeit im Fitnessstudio. Ich wusste aber, dass ich einen entscheidenden Vorteil hatte. Als Ausbilder war ich natürlich Experte im Nahkampf. Auch ohne Waffen. Schließlich musste ich das meinen Rekruten beibringen können.

Der Kampf begann und ich parierte Miguels Angriffe ohne Probleme. Dabei entdeckte ich dann auch die Lücken in seiner Deckung, die ich gnadenlos ausnutzte. Nach ein paar Minuten merkte ich, dass bei Miguel langsam die Kräfte nachließen. „Du bist gut.“, sagte er anerkennend. „Aber was machst du jetzt?“ Er zückte ein Springmesser und versuchte mich damit anzugreifen. Ehe er sich versah, hatte ich ihn aber entwaffnet und kickte das Messer unter das Auto. Dann platzierte ich wieder ein paar direkte Schläge. „Was machst du jetzt, ohne dein Spielzeug?“ Miguel keuchte, aber sein mexikanisches Temperament hinderte ihn daran, jetzt aufzugeben. Er versuchte weiter gegen mich anzukämpfen, während ich hauptsächlich seine Versuche abwehrte. Gelegentlich versetzte ich ihm noch ein paar leichte Hiebe, um ihn zu schwächen. Schließlich lag Miguel keuchend auf dem Boden. „Hast du jetzt genug, oder willst du noch mehr?“, fragte ich, ohne überheblich zu werden. „Okay, du hast gewonnen.“, sagte er schwer atmend. Die Gruppe rückte wieder näher, bereit, mich fertigzumachen. Dann hob Miguel die Hand. „No!“, sagte er bestimmt. „Das Weißbrot hat gewonnen. Er hat fair gekämpft, im Gegensatz zu mir.“ Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Ich hatte mich eher auf einen weiteren, unfairen Kampf eingestellt. „Okay. Du hast meinen Respekt. Die Chica gehört dir.“ „Pamela gehört niemandem. Nur sich selbst. Trotzdem ist sie meine Freundin.“ „Wie du meinst.“, sagte Miguel stöhnend. „Du und deine Leute lassen sie und ihre Familie in Ruhe, sonst sehen wir uns wieder.“ Er nickte nur. Dann sagte er, so laut er noch konnte: „Habt ihr das alle mitgekriegt? Pamela und ihre Familie sind tabu. Wer das nicht beachtet, bekommt Ärger mit mir.“ Es ging ein Murmeln durch die Gruppe, aber alle nickten. „Zufrieden, Weißbrot?“ Ich reichte ihm meine Hand und half ihm aufzustehen. Er nahm sie an. Ein Zeichen des Friedens und des Respekts. „Du solltest dich halt nicht mit einem Drill Instructor des US-Marine Corps anlegen.“ Er nickte. Dann zog er sich mit seinen Leuten zurück.
Brenda schaute mich fassungslos an. „Alles in Ordnung?“ Ich nickte. Dann blickte ich zu Alejandro. Er reichte mir die Hand. „Willkommen in der Familie Cortez.“, sagte er. Sogar in Englisch. „Danke, Alejandro.“ „Willst du noch reinkommen?“ „Ein Andern Mal. Ich muss morgen früh raus.“ Dann setzte ich mich in den Hummer und fuhr davon.

Der Signalton, des E-Log holte mich zurück in die Gegenwart. Ich war gerade dort, wo die Interstate 5 und die Interstate 580 zusammentrafen. Weit sollte ich jetzt nicht mehr kommen. Kurz darauf fuhr ich an der Ausfahrt 434 von der Interstate ab und wechselte auf die CA-130. Dann fuhr ich auf das Flying J Travel Center, Patterson. Hier machte ich Feierabend.
Trotz der zahlreichen Logistikzentren im Umfeld bekam ich noch einen, der 124 Parkplätze. Dann nutzte ich die Gelegenheit, endlich mal wieder duschen zu können. Zwei Tage nur mit Katzenwäsche sollten reichen. Für mein Abendessen bediente ich mich anschließend im PJ Fresh Bereich. Das war mir lieber, als Fastfood.

Als ich wieder im Truck war, telefonierte ich mit Pam. „Hallo Darling.“, begrüßte sie mich wie immer. „Hallo Sweetheart. Ich habe den ganzen Tag an dich denken müssen.“ „Ist das so?“, fragte sie neckend. „Aber ja, meine Süße.“ „Gibt es da einen Grund für?“ „Ich denke schon.“, sagte ich. „Vermutlich ist das so, weil du die letzte Zeit wieder so bist, wie damals, als wir uns kennengelernt haben.“ „Fandest du die Zeit schön?“ „Es war schön, aber auch intensiv.“ „Erinnere mich nicht daran. Ich weiß gar nicht mehr wie ich jemals mit Miguel zusammen sein konnte.“ „Jeder macht mal Fehler.“, sagte ich lachend. „Gut, dass du dann für mich da warst.“ „Gut, dass du mich genommen hast.“ „Das war die beste Entscheidung meines Lebens.“, sagte sie. „Sweetheart?“ „Ja?“ „Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt.“ „Das tue ich auch, Darling.“

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