Kapitel 10 – Neue Bekanntschaft

Eine Zeit lang blieb ich noch an Deck und genoss die Ruhe, denn bis auf das Brummen des Schiffsdiesels war nichts zu hören. Aber schließlich beschloss ich doch mich ins Innere des Schiffs zu begeben. Denn zum einen wurde es langsam dunkel und damit auch kühler und zum anderen war das Schiff nicht mehr das Einzige was brummte. Mein Magen meldete sich nun immer stärker mit der Bereitschaft zum Essen fassen. Schließlich hatte ich den ganzen Tag noch nichts gegessen.

Ich ging also in den großen Speisesaal der Fähre, nicht ohne vorher noch schnell in meiner Kabine zu duschen und die Klamotten zu wechseln. Danach fühlte ich mich gleich wie ein neuer Mensch. Im Speisesaal angekommen, merkte ich, dass ich wahrscheinlich einer der letzten war der zum Essen kam. Es war zwar nicht brechend voll, dafür waren zu wenig Leute an Bord, aber doch schon recht gut besucht. Da saßen Familien auf dem Weg in den Urlaub beim gemeinsamen Essen. Andere Tische waren von Arbeitern besetzt, welche einmal im Jahr zu ihren Familien in Tunesien heim fuhren. Spannend war es immer deren Autos zu sehen, voll beladen bis unters Dach und auf welch selbigen weiter gestapelt. Und an wieder anderen Tischen waren die Fernfahrer dabei ihre vom Büffet gefüllten Teller zu leeren.

Die meisten hatten sich nach Nationalitäten zusammen gefunden. So saßen an einem großen Tisch gut ein dutzend Franzosen und am Nebentisch nochmal genauso viele Italiener. Außerdem gab es noch einen griechischen, einen britischen und einen polnischen Tisch. Nachdem ich am Büffet zugeschlagen hatte suchte ich mir einen Platz. Irgendwie zog es mich zu einem Tisch, an dem nur ein Mann saß. Er war ein stämmiger Typ, nicht allzu groß, mit kurzen braunen Haaren und einem D’Artagnan Bart. Sein Alter schätzte ich auf Mitte dreißig. Er trug eine halblange Jeans und ein T-Shirt mit großem Scania Logo. Unter dem Logo stand der Name „Isaakson Akeri“ und eine Adresse in Schweden. Ich schloss also daraus, dass er Schwede sei und fragte ihn ob der Platz an seinem Tisch noch frei wäre. Erstaunt schaute er mich an. Ich wusste nicht ob es an meinen nicht ganz so guten Schwedischkenntnissen lag oder ob er einfach nicht erwartet hatte hier in dieser Sprache angesprochen zu werden. Er nickte nur und ich setzte mich. Schließlich fand er seine Sprache wieder und fragte mich wo ich herkomme. Ich stellte mich ihm also vor und erzählte, dass ich aus Deutschland komme. Nachdem auch er sich vorstellte, er hieß Tommy, Tommy Isaakson und war wie ich Owner Operator, fragte er mich >>Wie kommt es das du so gut schwedisch sprichst, das ist doch keine Sprache die ihr in der Schule lernt.<< >>Da hab ich’s auch nicht gelernt, aber die drei Jahre die ich Schweden gelebt hatte waren dafür ganz hilfreich. Und eine gewisse Sprachbegabung schadet auch nichts.<< Nun wollte er natürlich auch wissen was ich den in Schweden so gemacht habe. Daraufhin erzählte ich Ihm von meiner Zeit bei Scania, von dem einem Jahr mit dem Bürojob in Södertälje und den zwei Jahren im Promoteam von Scania. Damals war es hauptsächlich meine Aufgabe mit deutschsprachigen Fahrern die Fahrsicherheitstrainings durchzuführen.

Da ich nun aber der Meinung war genug über mich geredet zu haben, wollte ich nun wissen was Ihn nach Afrika verschlägt. Er war mit einer Ladung Edelmetall/Altmetall unterwegs nach El Hamma. Das Edelmetall bestand aus zwei alten LKW, einem Scania 112 6×4 Sattelschlepper und einem Volvo F10 Fahrgestell der ersten Generation. Auf seine Frage hin erzählte ich Ihm, dass ich mit einem BF3 als Ladung unterwegs nach Tunis war. Schließlich quatschten wir noch über viele Dinge, so dass der Abend wie im Flug verging. Etwa gegen vier Uhr früh war ich dann in meiner Kabine. Nach dem langen Abend hatte ich schon beschlossen, dass Frühstück ausfallen zu lassen. Als ich gegen Mittag aufwachte führte mich dann mein Weg auch wieder Richtung Essen. Tommy saß schon da, aber seine Augenringe waren mindestens genauso groß wie meine. Wir aßen und da das Schiff langsam im Hafen von Tunis ankommen sollte und wir noch unsere Sachen zusammen räumen mussten, tauschten wir schon jetzt Visitenkarten aus. Vielleicht hatte ja mal einer eine Ladung für den anderen.

Als ich auf’s LKW Deck kam, stieg Tommy gerade in seinen Scania. Ich muss schon sagen ein schickes Gerät. Ein pechschwarzer Dreiachser mit Topline Kabine, großen V8 Logos an der Seite um welche sich rot-orange Flammen züngelten. Dazu ein großer Rammbügel, welcher genauso rot war wie die Flammen und damit einen guten Kontrast zum Rest der Zugmaschine bot. Der Auflieger und die Ladung wollten hingegen nicht zur Zugmaschine passen, da Ladung wie auch Trailer ihre beste Zeit schon lange hinter sich hatten. Als er mich sah und auch meinen LKW, rief er in gebrochenem Deutsch >>Vierachser gut, Kabine & Marke scheiße<< Dabei grinste er über’s ganze Gesicht. Inzwischen hatte ich mich ja schon über diverse Witze über meinen LKW gewöhnt und dachte mir nur >>Ist das Image deines LKW erstmal ruiniert, fährt sich’s gänzlich ungeniert.<<

Schließlich öffnete sich die große Luke und wir konnten die Fähre verlassen. Wir starteten unsere LKW, Tommy stand hinter mir, und setzten uns in Bewegung. Allerdings hatte ich das Gefühl beim Blick in die Rückspiegel in einen Kamerablitz zu sehen, denn Tommy hatte gefühlte 100 Zusatzscheinwerfer an seiner Scaniafront. Nachdem wir die Rampe runter auf das Hafengelände gerollt waren, war es dann auch schon wieder vorbei mit dem fahren. Der Zoll wartete schon. Tommy wurde vor ein neu gebautes großes Gebäude gewunken und dort kontrolliert. Ich hingegen musste zu einem alten Bürocontainer.

Dafür durfte ich schneller weiter fahren. Weit hatte ich es ja nicht mehr, lediglich noch ein paar Kilometer in die Stadt. Auf meinem Weg dahin fuhr ich über eine gut ausgebaute Autobahn welche sich später aber in eine kurvigere Straße verwandelte. An einem Brückenpfeiler zeigte sich dann auch die Gefahr dieser Straße. Ein PKW war wohl mit überhöhter Geschwindigkeit aus der Kurve geflogen und genau an den Pfeiler geprallt.

Wenig später kamen dann auch schon die ersten Hochhäuser von Tunis in Sicht.

Als ich an der Kreuzung losfuhr, traute ich meinen Augen nicht und glaubte das der letzte Abend wohl doch nicht ganz spurlos an mir vorüber gegangen war. >>Ja spinn ich. Das ist ein UFO!!<< entfuhr es mir. So was hatte ich noch nicht gesehen.

Doch schließlich hatte ich keine Zeit mir darüber weiter Gedanken zu machen, den der Verkehr in Richtung Stadt wurde nun zunehmend dichter. Direkt neben der Straße verlief außerdem noch eine Bahnlinie. Ich war erstaunt, als ein hochmoderner Schnellzug vorbeischoss. So etwas hatte ich hier nicht erwartet.

In der Stadt sah ich dann eine Minidemo. Vielleicht demonstrieren die ja gegen den Überflug von UFO’s über ihre Stadt dachte ich mir und musste lachen.

Sonst war ein eigentlich nicht all zu viel los in der Stadt. Nur ein einsamer Bauarbeiter schuftete in der Nachmittagssonne.

Wenige Minuten später erreichte ich meine Entladeadresse und stellte den Trailer ab. Für eine Rückladung hatte Stefan schon gesorgt. Und diesmal verdiente das Ganze auch den Namen Schwertransport. Ich sollte eine Planierraupe nach Turin bringen. Zu meinem Entsetzen stand der Trailer samt Ladung bei einer Arcese Niederlassung. Ausgerechnet die Firma mit der traditionell engsten Einfahrt ganz Europas und Afrikas.

Da wurde schon das Ausfahren auf die Straße zur Millimeterarbeit.

Inzwischen hatte auch der Verkehr in der Stadt noch weiter zugelegt, so dass ich nur langsam aus der Stadt raus kam.

Doch irgendwann hatte ich dann Tunis hinter mir gelassen und rollte recht zügig in Richtung Hafen. Hier in der ebenen Landschaft hatte mein Iveco noch keine Probleme mit dem Gewicht. Als ich den Hafen erreichte, hatte es angefangen zu regnen.

Nach einer intensiven Kontrolle durch die Behörden, sie waren wohl auf der Suche nach Illegalen Einwanderern, durfte ich auf’s Schiff fahren. Dabei sah ich aus den Augenwinkeln, dass Tommy jetzt erst aus dem Zollgebäude kam. Ich hupte kurz, er sah mich und winkte zurück. Im Geiste wünschte ich ihm noch gute Fahrt und verschwand mit meinem LKW im Bauch der Fähre.

2 Kommentare zu „Kapitel 10 – Neue Bekanntschaft

  1. Bei den alten Kapiteln von Dir kommen auch Erinnerungen hoch. Du warst ja zusammen mit Viki dafür verantwortlich, dass ich angefangen habe. Nur das Iveco-Bashing tut immer wieder weh…

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